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Oskar Brabanski, gibt es Spargel mit Schnitzel ohne Ausbeutung?

Ansage: KontaktAufnahme. Der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg. #00:00:10-9#

Grazyna Wanat: Guten Tag, mein Name Grazyna Wanat und ich bin heute zu Gast bei Oskar in der Beratungsstelle: Faire Mobilität in Nürnberg. Guten Tag. #00:00:28-5#

Oskar Brabanski: Hallo! Schönen guten Tag. Schön, dass Sie hier sind. #00:00:30-9#

Grazyna Wanat: Herr Brabanski, gibt es in Deutschland des 21. Jahrhunderts Sklaverei? #00:00:36-8#

Oskar Brabanski: Gute Frage. Sklaverei ist natürlich ein sehr extremer Begriff. Was definitiv vorhanden ist, sind sehr stark ausbeuterische und auf Ausbeutung angelegte Arbeitsverhältnisse. Und natürlich gibt es auch so etwas wie Menschenhandel. Das auf jeden Fall, ja. Aber von Sklaverei zu sprechen, ist natürlich natürlich ein sehr politischer Begriff und sehr plakativ. Aber natürlich gibt es keine Sklaverei. #00:01:01-9#

Grazyna Wanat: Es gibt Organisationen, die eben von moderner Sklaverei sprechen. Es gibt zum Beispiel eine australische Menschenrechtsorganisation "Walk Free Foundation", und die schätzt die Anzahl der modernen Sklaven nur in Deutschland auf 167.000. Und unter Moderne Sklaverei verstehen sie eben diese eine Art von Zwangsarbeit, wo die Zwänge keine Ketten sind, sondern andere Art von Zwängen. #00:01:30-7#

Oskar Brabanski: Zwängen, ist natürlich sehr vielfältig. Es gibt ja auch den Straftatbestand der Arbeitsausbeutung oder des Menschenhandels zum Zwecke der Arbeitsausbeutung. Und das findet sich auch immer wieder, also nicht nur in der Prostitution, sondern tatsächlich auch auf Baustellen, in der Gebäudereinigung und und und. Also das gibt es definitiv. Aber wie Sie schon sagten, diese informellen Ketten, da ist natürlich die Frage wo fängt das an, wo fängt der Zwang an und wo hört der auf? Wir haben alle den Zwang, dass wir arbeiten gehen, weil wir eben Geld brauchen. Aber wir haben natürlich die Alternative. Wir können uns eine andere Arbeit suchen, wir können eine andere Arbeit, wir können frei wählen. Und das ist eben für viele Menschen nicht möglich. #00:02:10-7#

Grazyna Wanat: Ich möchte gerne am Anfang unseres Gesprächs auf einen Fall eingehen, der jetzt allgemein bekannt wurde, und für Schlagzeilen sorgt und in dem wie in einem Vergrößerungsglas mehrere schreckliche Aspekte gleichzeitig sichtbar wurden. Sie wissen bestimmt, wovon ich spreche? #00:02:29-5#

Oskar Brabanski: Genau von der Fleischindustrie. #00:02:31-4#

Grazyna Wanat: Richtig. Also von den Fleischskandal bei Tönnies. Und ich fasse kurz zusammen. Nach dem Ausbruch beim Fleischbetrieb Tönnies im Kreis Gütersloh sind mehr als 1300 Angestellte positiv auf Corona getestet worden. Einen so großen Hotspot hat es in Deutschland noch nie gegeben. Die ersten politischen Reaktionen waren meiner Meinung nach, Symptomatisch für das, worüber wir gleich sprechen werden. Auf die Frage einer Reporterin nach einem Zusammenhang zwischen den in Nordrhein Westfalen verhängten Corona Regeln und dem Massenausbruch antwortete Ministerpräsident Armin Laschet: #00:03:11-0#

Audiomitschnitt Ministerpräsident Armin Laschet: "Das sagt aber überhaupt nichts aus, weil Rumänen und Bulgaren da eingereist sind und da der Virus herkommt." #00:03:17-1#

Grazyna Wanat: Das sagt darüber überhaupt nichts aus, weil Rumänen und Bulgaren da angereist sind und da der Virus herkommt. Alles klar. Rumänen und Bulgaren. Die haben das doch eingeschleppt und schon hat man Schuldige gefunden. Fangen wir also damit an: Was haben Rumänen und Bulgaren mit einem Fleischbetrieb mitten in Deutschland zu tun? #00:03:37-8#

Oskar Brabanski: Mittlerweile arbeiten in der Fleischindustrie in Deutschland zu einem sehr, sehr, sehr hohen Anteil Rumänen und Bulgaren. Häufig als Werkvertragsbeschäftigte und Subunternehmer. Gerade auch im Bereich der Schlachtung und der Zerlegung ist der Anteil an osteuropäischen Arbeitskräften bei weit über 90 %. Kaum ein Deutscher macht diese Arbeit oder kein Deutsch und wenn, dann eher nur in Führungsposition. Und die Arbeitsverhältnisse sind natürlich seit jeher prekär und ausbeuterisch. Geltendes Recht wird häufig umgangen. Die Menschen leben zusammengepfercht in sehr engen Unterkünften. Manche teilen sich nicht nur ein Zimmer, sondern teilen sich wirklich Betten in Schichten. Und das ist natürlich ein Nährboden für Infektionen. #00:04:20-3#

Grazyna Wanat: Betten in Schichten? #00:04:22-5#

Oskar Brabanski: Das ist zwar seltener geworden, aber tatsächlich kommt es immer noch vor. #00:04:27-4#

Grazyna Wanat: Ja, und dann kommt die erste politische Reaktion. Stigmatisieren. Ausgrenzen. Von uns Weisen. Es gab noch eine Aussage von Herrn Laschet, mit der ich noch ein größeres Problem hatte. Er sagte nämlich: #00:04:43-4#

Audiomitschnitt Ministerpräsident Armin Laschet: Aber solange wir alles tun, dass es gelingt, dass es nicht überspringt auf die Bevölkerung, können wir andere, bessere, zielgerichtete Maßnahmen ergreifen. #00:04:56-4#

Grazyna Wanat: Man muss aufpassen, dass die Seuche nicht auf die Bevölkerung überspringt. #00:05:02-9#

Oskar Brabanski: Also vorweg: Ich finde diese Aussagen von Laschet unsäglich. Gerade die osteuropäischen Arbeitsmigranten haben eine sehr schwache Position auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Und auch sie waren es ja nicht, die aus Ischgl oder aus den Skigebieten oder aus dem Starkbierfest den Virus nach Deutschland gebracht haben. Im Gegenteil. Das sind die Leute, die in sehr prekären Verhältnissen in Deutschland arbeiten und eher noch nach Osteuropa die Krankheit gebracht haben, den Virus gebracht haben. Wenn man sich mal anschaut, in welchen Bereichen diese Menschen arbeiten, also nicht nur in der Fleischindustrie, auch viel in der Logistik, Paketauslieferer, Gebäudereinigung. Das sind ja wirklich Berufe, die dem Virus ja auch potenziell sehr stark ausgeliefert sind. Das sind Menschen, die arbeiten und die haben nicht die Möglichkeit ins Homeoffice zu gehen. Die haben nicht die Möglichkeit, in einem Einzelbüro zu arbeiten, sondern sind sowieso eine Risikogruppe. Man kann also sagen, dass dieser Virus eigentlich die Schwächsten der Schwächsten, die ohnehin schon schwach waren, noch stärker trifft als den Rest. Traurig zu sagen ist natürlich auch, diese implizite Unterscheidung zu machen zwischen: Diese Menschen, die arbeiten hier, aber sie sind eben nicht Teil der Bevölkerung. Und das finde ich sehr gefährlich. Und so eine Rhetorik. Bereiten den Grund für Ausgrenzung, für Diskriminierung und für ein fatales Signal aus politischer Sicht. #00:06:24-5#

Grazyna Wanat: Ja, tatsächlich. Aber es zeigt auch etwas mehr, glaube ich, dass es ein System entstanden ist, in dem es möglich ist, dass für diese Menschen alle Rechte nicht greifen. Oder diese berühmte, unantastbare Würde. #00:06:41-4#

Oskar Brabanski: Ja, definitiv. Wir müssen da auch ein bisschen unterscheiden. Oder wir müssen uns eins vor Augen führen. Beispielsweise in Nürnberg sind Rumänen mittlerweile die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe nach den Türkinnen und Türken. Und in meinem subjektiven Gefühl sind Rumänen sehr unsichtbar. Also man sieht relativ wenig. Rumänen. Polen sind relativ präsent, auch türkische Mitbürger sind präsent, aber Rumänen sind eher wenig präsent. Woran liegt das? Das liegt meiner Meinung nach eben auch daran, dass man sie nicht zu einem Teil der Gesellschaft werden lässt. Also wenn sie zum Beispiel hierhin kommen und in Fleischfabriken zu arbeiten, wird es Ihnen ja nicht wirklich einfach gemacht sich zu integrieren. Wenn man 200-250 Stunden in der Woche arbeitet oder im Monat arbeitet, kann man sich auch nicht integrieren. Man kann keinen Sprachkurs besuchen, wenn man nicht weiß, ob man an dem Tag jetzt bis 18:00 Uhr, bis 20:00 Uhr oder bis 24:00 Uhr arbeitet. Und wenn man morgens in den Schlachthof fährt und teilweise drei bis vier Stunden unbezahlt wartet, bis man überhaupt erst mal anfangen kann zu arbeiten, weil sich vielleicht der Tiertransport verzögert hat. Den Menschen gibt man natürlich keine Chance. Die Menschen haben natürlich auch keine Chance, eine Wohnung zu bekommen. Mit einem Werkvertrag. Ist ja klar, dass sie kaserniert werden in Werkswohnungen oder eben in Wohnungen in sehr beengten Arbeitsverhältnissen. Das ist natürlich die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist aber auch und das sind auch die Menschen, die zu mir in die Beratung kommen. Wir sprechen von sogenannten mobilen Beschäftigten, und das sind in der Regel Menschen, die nicht nach Deutschland kommen mit ihren Familien, um hier neu anzufangen, um hier ein neues Leben zu beginnen, um sich zu integrieren, sondern es sind wirklich Menschen, die hier hinkommen zum Zwecke der Arbeit. Die haben in der Regel ihren Hauptwohnsitz und ihre Familie immer noch im Heimatland. In Polen, in Rumänien, in Bulgarien und arbeiten eben hier aufgrund der extremen Lohnunterschiede und der Wohlstandsunterschiede zwischen den Ländern und fahren alle paar Wochen oder immer am Wochenende nach Hause zu ihrer Familie und bringen das Geld mit. Das ist auch ein Grund, warum diese Menschen im öffentlichen Bild so unsichtbar sind und eben auch keine Lobby haben. #00:08:46-9#

Grazyna Wanat: Ja, genau. Sie haben keine Lobby. Ich habe vor zwei Wochen ein Gespräch mit Natascha Wodin geführt. Das ist eine Autorin, die als Kind der russischen Zwangsarbeiter im Jahre 1945 in Nürnberg zur Welt gekommen ist. Und sie erzählt in ihren Büchern und in unserem Gespräch hat sie auch ihre Erlebnisse geschildert, als jemand der zu einer ausgegrenzten Gruppe gehört hat. Und wir sind zum Entschluss gekommen, dass diese Menschen keine Sprache dafür hatten. Dass es eben Menschen waren, die kein Deutsch gesprochen haben und sich dadurch auch mit ihren Berichten nicht wirklich bemerkbar machen konnten. Ist das hier in diesem Fall auch so ähnlich? #00:09:30-8#

Oskar Brabanski: Ja, also definitiv auch. Mittlerweile... zum Glück in diesem Jahr....berichtet die Presse auch sehr stark, dass die Presse auch sehr stark über das, was passiert. Und das hat tatsächlich auch als Brandbeschleuniger gewissermaßen gewirkt. Und man sieht ja auch politische Bestrebungen, also das Verbot von Werksverträgen im Kernbereich der Schlachtung ist auf jeden Fall ein erster, sehr guter Schritt in die in die richtige Richtung. #00:09:56-9#

Grazyna Wanat: Also Sie würden sagen, diese Werkverträge, das ist die Quelle des Bösen. Oder gibt es noch mehrere? #00:10:02-7#

Oskar Brabanski: Ja, also definitiv in dem Bereich schon. Sie müssen sich das so vorstellen: Dort arbeiten Menschen, die arbeiten in der Fleischfabrik, aber können Ihnen nicht mal sagen, wer der Arbeitgeber ist, also für welche Firma sie eigentlich arbeiten. Das ist skandalös und geht natürlich auch einher mit: An wen richte ich meine Rechte, also meine Forderung? Wo fordere ich meine Rechte ein auf Entlohnungsansprüche etc.. Das ist ein Kernbereich, die Schlachtung und Zerlegung. Und in diesem Kernbereich werden der Großteil der Arbeiten an Subunternehmern, Werkverträge eben ausgegliedert. Das ist ja unvorstellbar. Stellen Sie sich irgendwie ein Unternehmen vor, das etwas produziert, aber 95 % an eine andere Firma ausgegliedert. Das ist undenkbar. #00:10:46-8#

Grazyna Wanat: Aber das hat Gründe. Eben weil man dann die Gesetze umgehen kann. #00:10:51-6#

Oskar Brabanski: Ja, auf jeden Fall. Man lagert das unternehmerische Risiko auf dem Rücken der Beschäftigten definitiv aus und erhöht die Gewinnspannen. #00:11:01-3#

Grazyna Wanat: Und auch Arbeitsrechte oder Gewerkschaften kann man sich da überhaupt nicht vorstellen. #00:11:06-2#

Oskar Brabanski: Auch das. Genau. Also es gibt natürlich gewerkschaftliche Bestrebungen, diese Menschen zu erreichen, aber sie werden natürlich auch eingeschüchtert. Und es ist nicht einfach. #00:11:13-7#

Grazyna Wanat: Und diese Menschen trauen sich nicht mal Hilfe zu suchen, denn was können sie dabei eigentlich gewinnen? Haben sie eine Chance hier irgendetwas zu erreichen oder können sie nur ihre Arbeit verlieren wenn sie sich beklagen? #00:11:28-4#

Oskar Brabanski: Diese Ängste sind in meiner Beratung. Ich berate nicht nur in der Fleischindustrie, auch sehr viele Zeit- und Leiharbeitnehmer, auch aus Logistik, Transport. Also wirklich eigentlich alle, all die Branchen, die als prekär gelten. Also auch Fernfahrer, LKW, Fahrer, Bauarbeiter, Bauarbeiter, Gebäudereiniger. Und tatsächlich ist es erstmal sehr häufig so, dass die Menschen ihre Rechte erst gar nicht kennen. Sie wissen nicht, wie ihre Rechte sind. Und ich habe mich vor kurzem mit einem befreundeten Juristen unterhalten. Er hat gesagt, wenn jemand in Deutschland gekündigt wird, also ein Deutscher, der hier aufgewachsen ist, 90-95 %ige Wahrscheinlichkeit, dass er sich gegen eine Kündigung vor Gericht zur Wehr setzt. Und Sie können sich natürlich vorstellen, bei jemandem, der sich nicht mit dem Rechtssystem auskennt, der die Sprache nicht spricht und der auch noch unter diesem hohen ökonomischen Druck steht, sobald er die Arbeit verliert, sich sofort eine neue suchen zu müssen, vielleicht sogar in einem anderen Teil von Deutschland, der setzt sich in der Regel nicht zur Wehr und viele Arbeitgeber wissen das und nutzen das schamlos aus. #00:12:27-5#

Grazyna Wanat: Ja, und gleichzeitig, das muss man glaube ich auch erwähnen. Gleichzeitig, gibt es Menschen, die an dem ganzen wahnsinnig großen Gewinn machen. Diese Stufe sind die Unternehmer, die ihre Betriebe auf Sklavenarbeit gegründet haben. Ich werde dieses starke politische Wort benutzen, weil ich das so empfinde. Wenn ich zum Beispiel lese, dass Herr Clemens Tönnies einer der reichsten Deutschen ist und einer der reichsten Menschen der Welt. Und in seinem Betrieb arbeiten und leben Menschen unter schrecklichsten Umständen. Sie sagen, dass sich die Medien jetzt dafür interessieren und dass es vielleicht was verändern wird. Ich habe einen Bericht gefunden in der Zeitschrift "Emma" über Bestrebungen, die vor zwölf Jahren gestartet worden sind. Und damals hat die Presse viel darüber geschrieben. Es gab Diskussionen und es ging tatsächlich auch um Tönnies. Und nichts ist seitdem geschehen. #00:13:38-4#

Oskar Brabanski: Es gab auch in der Fleischindustrie Selbstverpflichtungen. Aber eine Sache zeigt sich so, Selbstverpflichtungen helfen nicht. Es müssen Gesetze her. Gesetze bringen aber nichts, wenn diese nicht auch kontrolliert und durchgesetzt und Vergehen sanktioniert werden. Dennoch greift es zu kurz, nur auf Tönnies zu schauen. Es funktioniert im Kleinen und im Großen. Natürlich ist Tönnies ein Extrembeispiel, aber in meiner Arbeit, wie gesagt ich bin sehr viel mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus Zeitarbeitsfirmen konfrontiert und es ist häufig so, dass sobald die Menschen in der Probezeit erkranken, werden sie entlassen und ersetzt. Sobald zum Beispiel die Auftragslage nicht da ist. Eigentlich sind Zeitarbeitsfirmen auch dafür da, dass sie zum Beispiel das ökonomische Risiko tragen und sie bekommen ja sehr viel Geld von den Unternehmen, für die sie arbeiten. Das Risiko, dass sie eben Auftragsmangel haben oder so abfedern, liegt natürlich bei den Firmen. Und sie wälzen es dann eben komplett auf die ohnehin schon schlecht bezahlten Leiharbeitnehmer ab. Wenn eben gerade keine Arbeit da ist, werden diese sofort gekündigt und und, und... Ich hatte wirklich schon die absurdesten Fälle. Leute, die zu viel gekündigt wurden, mit der Begründung, sie würden zu viele Zigaretten Pausen machen. Und dann kam raus die Leute sind Nichtraucher und so. Also das sind die absurdesten Fälle. Da fängt es natürlich an oder auch einfach mit Lohndumping. Wenn ich irgendwie zehn Mitarbeiter oder 15 Mitarbeiter beschäftige aus Polen oder aus einem anderen Land und jedem 1 € die Stunde weniger oder weniger bezahle, soll man das auf einen Monat aufrechnet. Jeder kleine oder mittelständische Unternehmer verdient sich daran natürlich auch eine goldene Nase. Und natürlich sind es nicht alle Unternehmer, die so sind. Da ist es mir auch sehr wichtig, das zu betonen. Aber gerade das müsste eben auch im Sinne der ehrlichen Unternehmer sein. Weil im Zweifel ist der, der seine Leute ausbeutet und der Löhne und Tariflöhne unterschreitet, der, der bei der nächsten Auftragsvergabe ein günstigeres Angebot abgeben kann und den ehrlichen Unternehmer ausstechen kann. #00:15:36-1#

Grazyna Wanat: Stimmt. Ja. Dann kommen wir auf Ihre Einrichtung zu sprechen. Die ist relativ neu hier in Nürnberg. #00:15:43-5#

Oskar Brabanski: Genau. Also unser Projekt "Faire Mobilität" gibt es bundesweit schon seit fast zehn Jahren. Und Nürnberg ist die neueste neunte und neueste Beratungsstelle. Die gibt es seit August letzten Jahres und da haben wir jetzt angefangen, hier aufzubauen und so richtig zu beraten. Seit September, Oktober ist das alles angelaufen und kaum haben wir uns eingearbeitet, kam Corona und unsere Fallzahlen sind schlagartig explodiert. #00:16:08-7#

Grazyna Wanat: Die sind tatsächlich explodiert? #00:16:12-9#

Oskar Brabanski: Ja, die sind tatsächlich explodiert. Also die Auswirkung von Corona auf den Arbeitsmarkt treffen natürlich alle. Heute habe ich erst gelesen: Stellenstreichungen bei Airbus. Also wirklich auch hochqualifizierte Ingenieure, aber natürlich auch die niedrig qualifiziertesten und die prekärsten, die jetzt natürlich auch sehr stark betroffen sind. #00:16:29-3#

Grazyna Wanat: Warum wurde diese Einrichtung hier in Nürnberg eröffnet? als die Neunte. #00:16:34-7#

Oskar Brabanski: In München gab es eine Beratungsstelle und wir in Nürnberg decken auch so ein bisschen den Bereich Ingolstadt ab. Und dann haben wir ein Pilotprojekt und kooperieren dort sehr eng mit der IG Metall. Und ums Audi Werk herum sind sehr viele Zulieferer. Das sogenannte Güterverkehrs Zentrum GVZ. In dem eben sehr viele Menschen auch aus Ost Südosteuropa arbeiten. Die versuchen wir natürlich auch gezielt anzusprechen, gezielt zu erreichen. #00:17:01-5#

Grazyna Wanat: Gezielt zu erreichen. Das wäre auch ein Stichwort für mich. Wie finden die Leute zu Ihnen oder suchen Sie die Kontakte? #00:17:09-9#

Oskar Brabanski: Beides. Tatsächlich. Also wir gehen auch viel vor Ort. Jetzt haben wir viel häufiger die Erntehelfer, auch die Saison Arbeitskräfte wirklich auf den Feldern besucht. Und wir fahren dann wirklich ganz normal raus. Wir sprechen die Menschen eben an. Wir haben Informationsmaterial in verschiedenen Sprachen. Also in Nürnberg. Ich berate auf Polnisch, mein Kollege berät auf Rumänisch und haben wir in den anderen Beratungsstellen fast alle anderen osteuropäischen Sprachen, die wir abdecken können. Wir fahren aber auch einmal im Monat mit der IG Metall zusammen zum Güterverkehrs Zentrum bei Audi und bieten dort Sprechstunden an. Wie gehen wirklich sehr viel auch raus. Auch auf Baustellen mit der Industriegewerkschaft Bauen, Agrar und Umwelt. Wir kooperieren sehr eng mit den Gewerkschaften. Auf der anderen Seite ist berate ich sehr viel auch über die sozialen Medien. Also ich habe ein dienstliches Facebookprofil und.. #00:18:02-7#

Grazyna Wanat: Aber auf Deutsch? #00:18:04-2#

Oskar Brabanski: Auf Polnisch. #00:18:04-8#

Grazyna Wanat: Ah, Das habe ich noch nicht entdeckt. #00:18:07-2#

Oskar Brabanski: Na ja, das ist tatsächlich relativ frisch. Und weil wo treffen sich die Polen oder wo treffen sich auch die Rumänen? Auf Facebook. Es gibt große Facebookgruppen: Polen in Nürnberg, Polen in Bayern, Polen in Deutschland. Und natürlich wenn ich gerade lese: Okay, da fragt jetzt jemand eine Frage zum Arbeitsrecht oder eben auch mal nach Werbung und man interagiert dort ja mit den Menschen. Dann habe ich innerhalb kürzester Zeit wirklich eingeschlagen wie eine Bombe. Da habe ich über 400-500 Facebookfreunde, innerhalb von drei Wochen gehabt. Das war wirklich der Wahnsinn. Damit habe ich nie gerechnet. So erreicht man eben auch die Menschen. Dann viel Mund zu Mund Propaganda. Viel auch Recherche. Wie man auf Polnisch auf Arbeitsrecht, Ausbeutung und Probleme und Deutschland eingeht. Dann kommt man früher oder später auch auf unsere Seite. #00:18:57-0#

Grazyna Wanat: Das ist toll. Okay, ich glaube es erwartet Sie hier viel Arbeit. #00:19:01-1#

Oskar Brabanski: Ja. Definitiv. Es wird langsam, langsam angefangen. Und dann wirklich schlagartig, fast über Nacht... #00:19:07-1#

Grazyna Wanat: Okay. Und trauen sich die Menschen tatsächlich? Sind das nicht nur vorsichtige erste Fragen und dann machen sie einen Rückzieher? Oder sind sie bereit, auch irgendwelche Schritte zu unternehmen? #00:19:20-3#

Oskar Brabanski: Von bis natürlich. Das kann man nicht generalisieren. In meiner Beratungsphilosophie versuche ich natürlich, den Leuten auch nichts abzunehmen. Ich versuche, die Leute eher in die Lage zu versetzen, dass sie ihre Rechte kennen und zeige ihnen auch Möglichkeiten auf. Ich trete auch schon mal an die Firmen ran und verhandle mit den Firmen oder mit Unternehmern. Das passiert natürlich auch. Ich versuche aber eher die Leute in eine Lage zu versetzen, das sie dazu in der Lage sind. Also meine Beratungsphilosophie geht dahin gehend, dass ich natürlich versuche, die Leute in die Lage zu versetzen, dass sie selber ihre Rechte wahrnehmen können, dass sie selber soweit sind, dass sie an den Arbeitgeber herantreten können und sagen: Nein, das ist so nicht richtig. Das sind meine Rechte, die möchte ich gerne haben. Und das ist von...bis. Manchmal hilft es einfach, denen klar zu machen, wo ihre Rechte sind. Sie ein bisschen aufzubauen, vor allem auch das Selbstvertrauen zu geben um Hand in Hand mit ihnen gemeinsam eben diesen Weg zu gehen und sie dabei zu begleiten. Ihnen jetzt auch nicht zu viel abzunehmen. Mein Ziel ist immer, sie in eine Lage zu versetzen, das nicht ein zweites Mal so ein Problem haben, dass Sie zum Beispiel schon beim nächsten Mal genauer hinschauen, was im Arbeitsvertrag drin steht. Vielleicht schon ein bisschen merken, die Firma wirkt jetzt nicht so seriös, da bin ich jetzt mal vorsichtiger. Und viele Unternehmer sind aber auch wenn sie merken, dass jemand seine Rechte kennt und wenn sie merken, dass jemand Widerspruch leistet, Widerstand leistet... #00:20:47-3#

Grazyna Wanat: Und Unterstützung hat.. #00:20:48-2#

Oskar Brabanski: ...und Unterstützung hat, auch, dass die dann ganz, ganz, ganz schnell einlenken. Ja, dass das definitiv. Ich meine: okay, acht Leute, die die akzeptieren und dann auf einmal fangen zwei Leute an, sich dagegen zu wehren, dann rudert man schon zurück. Da ist mit wenig Aufwand schon sehr viel erreicht. Und unser Ziel ist natürlich auch, sich außergerichtlich irgendwie zu einigen. Also natürlich, wir zeigen die Wege auf, wie es ist, die Klage beim Arbeitsgericht einzureichen und unterstützen auch dabei oder auch mit dem gewerkschaftlichen Rechtsschutz zusammen. Aber das ist eben immer nur das letzte Mittel und häufig schafft man es schon, sich schon vorher zu einigen. #00:21:24-2#

Grazyna Wanat: Tatsächlich? Also Sie haben definitiv Erfolge? #00:21:27-2#

Oskar Brabanski: Ja, absolut. Und also auch wirklich Leute, die schon angerufen haben, gesagt haben: Ich habe jetzt eine neue Arbeit und da hatte ich ein Angebot und da habe ich gesehen, dass und da stand im Arbeitsvertrag drin, das haben sie mir gesagt, da soll ich drauf achten und das war so nicht richtig und habe ich korrigieren lassen oder so, also das merkt man schon. #00:21:44-0#

Grazyna Wanat: Na ja, ich kenne solche Fälle, wo Leute irgendetwas im Arbeitsvertrag haben, was sowieso nicht beachtet wird. Und darüber wird gar nicht diskutiert oder es wird ein Arbeitsvertrag unterschrieben, aber es wird von vornherein gesagt: Na ja, hier steht zwar Urlaub, aber Urlaub gibt es bei uns nicht. #00:21:59-0#

Oskar Brabanski: Genau, viele Fällen haben auch mit Urlaub zu tun. Das zum Beispiel einfach während des Urlaubs eben nicht weiter bezahlt wird. Oder dass bei der Kündigung die ausstehenden Urlaubstage unter den Teppich gekehrt und nicht vergütet werden. Sehr häufige Masche ist tatsächlich, wenn Leute kündigen oder gekündigt werden, das beispielsweise die letzten beiden Wochen nicht bezahlt werden oder der letzte Monat nicht gezahlt wird. Natürlich ist das überhaupt nicht rechtens. Aber die wissen okay, die Leute gehen dann woanders hin, dann können die sich nicht richtig wehren, die wissen nicht, wie man sich wehrt. Und viele sind dann eher so, die sagen: ich muss schnell eine neue Arbeit finden und ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll. Und da helfen wir dann, schreiben mit den Leuten gemeinsam Geltendmachungen und unterstützen sie dann auch vom Arbeitsgericht. Das ist wirklich etwas, was viele Unternehmer machen. Und ich sage den Leuten: Ey Leute, wehrt euch dagegen. Weil ich meine, wenn sich von zehn Leuten nur zwei dagegen wehren und selbst wenn sie vor Gericht gehen und alles, dann ist es immer noch ein Verlustgeschäft für den Arbeitgeber. Aber wenn sich von zehn Leuten auf einmal sechs oder sieben dagegen wehren, dann hören die Arbeitgeber auch irgendwann auf, so was zu machen, weil dann der Aufwand den Ertrag nicht lohnt. #00:23:17-3#

Grazyna Wanat: Aber im Moment sieht es, glaube ich so aus, als ob sie genügend neue Menschen zur Auswahl haben. Es gibt immer wieder welche, die nachkommen, wenn man Menschen entlässt. Und das ist auch den Arbeitnehmern bewusst und dem Arbeitgeber genauso. #00:23:35-8#

Oskar Brabanski: Ja, also sehr paradoxe Situation. Man könnte meinen, es gibt einen Arbeitnehmermarkt. Das die Arbeitnehmer eigentlich, wenn sie zusammenhalten würden, die Bedingungen diktieren könnten. De facto machen es eben diese Faktoren, wie diese Einkommensungleichgewichte etc. nicht einfach. Also zwischen Sprachbarrieren und die institutionellen Barrieren. Und genau da ist natürlich auch die Politik gefragt, da schärfere Gesetze, mehr Kontrollen, also gerade auch Mindestlohnverstöße... Das ist eigentlich ein Unding. Dann müsste die Finanzkontrolle Schwarzarbeit definitiv personell viel mehr aufgestockt werden, auch viel mehr Befugnisse bekommen und stärker kontrollieren, als das der Fall ist. #00:24:19-5#

Grazyna Wanat: Und welche Branchen sind am meisten Betroffen von dem ganzen Drama. Baustellen wissen wir schon. #00:24:28-0#

Oskar Brabanski: Baustellen sind bekannt, Fleischindustrie natürlich, Landwirtschaft und die Saisonarbeitskräfte, aber auch sehr viel in der Logistik und mit Logistik meine ich wirklich von Sub-Sub-Subunternehmern oder scheinselbständige Fahrern für Amazon oder DHL oder DPD oder von Paketunterdienstleistern bis hin wirklich zum internationalen Straßentransport. Also alles was irgendwie mit Logistik hat, auch im Lager, in viel Zeitarbeit, Produktion. 24 Stunden Pflege, also Frauen aus Osteuropa, die wirklich dann bei den Familien hier wohnen. Und jede Branche hat eigentlich ihr eigenes Ausbeutungsmodell, wie ich immer gerne sage. Überall sind die Probleme. Überall gib es spezielle Probleme, die immer branchenspezifisch sind. Gebäudereinigung, natürlich. #00:25:19-5#

Grazyna Wanat: Gibt es etwas, was speziell etwas dass in dieser Region vertreten ist? #00:25:24-3#

Oskar Brabanski: Wir haben natürlich viel Industrie und auch dementsprechend viel Zeitarbeit. Viel Leiharbeit, viel Produktion und Logistik. Währenddessen im norddeutschen Bereich, also Nordrhein Westfalen, nordöstliches Nordrhein Westfalen bis hoch nach Niedersachsen Schleswig Holstein. Das sind natürlich vermehrt die Fleischindustrie. Bei uns sind es eher die Automobilzulieferer, aber da sind wir noch relativ am Anfang der Kooperation. Da hatten wir natürlich noch nicht so viele Fälle. #00:25:50-0#

Grazyna Wanat: Also dass man ein schlechtes Gewissen hat, wenn man ein Auto kauft, ist schon klar. Wie ist es mit Spargel? Kann man die Spargel ohne schlechtes Gewissen essen? #00:25:59-6#

Oskar Brabanski: Schwierig. Ich persönlich esse wirklich gerne Spargel. Es gab an fast jedem Spargelhof, den wir besucht haben, Ungereimtheiten. Auch dieses Jahr. Wo man eigentlich sagte, die Erntehelfer waren ja nicht in der Masse vorhanden, die in den letzten Jahren vorhanden waren. Über 40.000 wurden hier eingeflogen aus Rumänien mit denen mit den Sonderflügen. Aber dennoch, wir hatten sehr viele Fälle und jetzt zum Ende der Saison, wird sich zeigen, wenn die Endabrechnung kommt, wie schlimm es dann wirklich wird. Unsere Besuche haben gezeigt, dass eigentlich auf fast jedem Spargelhof, wo wir mit Menschen gesprochen haben und unsere Infomaterial verteilt haben, kamen Anrufe, kamen Rückfragen, kamen Probleme. Auch die Bilder, die ich teilweise bekommen habe von den Unterkünften, die haben natürlich keinerlei Corona Hygieneregeln entsprochen. Wenn man zu fünft oder zu sechst in einem Raum schläft, auf engstem Raum. Und das geht natürlich gar nicht. #00:26:56-9#

Grazyna Wanat: Ja, ich habe das ein bisschen lächelnd gefragt, das mit dem schlechten Gewissen. Aber trotzdem kann man diese Frage stellen: Was können wir als einzelne Personen, die überhaupt nicht involviert sind und trotzdem Nutznießer sind, weil wir dadurch billig hier und dort etwas kaufen können...? Was können wir machen, um was an diesen Verhältnissen zu ändern? #00:27:17-3#

Oskar Brabanski: Es ist immer schwierig zu generalisieren. Ich persönlich kaufe zum Beispiel mein Fleisch beim lokalen Metzger und eben nicht im Supermarkt. Ich spreche jetzt natürlich auch aus einer sehr privilegierten Position. Das muss man sich auch leisten können. Und ich meine sonst Vergleichswerte in der Fleischindustrie: Ein ungefähr 100 Kilo Schwein kostet den Schlachthof ungefähr 160 €, also 1,60 € pro Kilo im Einkauf lebendig. Und was schätzen Sie, was die wirklich ab der Anlieferung, das heißt die komplette Schlachtung, die Zerlegung bis zum Verzehr fertigen Schnitzel, wie teuer ein Schwein da ungefähr ist oder wie viel es kostet, dieses Schwein zu schlachten, zu zerlegen und alles in der industriellen Nische. Wir sprechen von 5,50 €. #00:28:04-4#

Grazyna Wanat: Nein?! #00:28:05-1#

Oskar Brabanski: Das sind Werte. Ich mein, selbst wenn man es verdoppelt verdreifachen würde, wäre es immer noch kein signifikanter Preiseinstieg. Zumal Deutschland ja mittlerweile auch ein sehr großer Exporteur ist. Also in den letzten 15 Jahren hat sich Deutschland vom Fleischimporteur zum Exporteur entwickelt. Und es ist als Konsument eigentlich schwierig. Ich versuche, viel regional zu kaufen. Ich versuche, viel Bio zu kaufen. Das muss man sich natürlich auch leisten können. Ist natürlich nie ein Garant dafür, dass man keine Lebensmittel hat, die frei von Ausbeutung sind. #00:28:37-7#

Grazyna Wanat: Und eine andere Art von Unterstützung dieser Menschen? #00:28:42-5#

Oskar Brabanski: Jetzt gerade gab es eine große Solidaritätsaktion. Die gibt es für die Mitarbeiter bei Tönnies, die in Quarantäne sind. Dass man Pakete packen und denen zuschicken konnte und das war wirklich ein sehr großer Rücklauf, also ein Wahnsinn. Vielen Dank nochmal an alle Helferinnen und Helfer. Also generell Wegsehen ist keine Option. Also auch bei uns melden oder beim beim Zoll melden, wenn man etwas Verdächtiges sieht. Zum Beispiel auch Überblick der Arbeiterunterkünfte. Die Stadt Nürnberg hat als Beispiel eine Stelle gegen Wohnungsmißbrauch oder Missbrauch von Wohnraum. Dort kann man sich auch hinwenden, wenn man merkt okay, da ist eine Wohnung, die wird aber irgendwie als überbelegt Arbeiterunterkunft benutzt. Nicht wegschauen, einfach zivilgesellschaftlich aktiv werden und natürlich auch dafür sorgen, dass politisch die Weichen dafür gestellt werden. #00:29:33-7#

Grazyna Wanat: Nur dadurch kann man wirklich etwas im System ändern. Dass sich politisch etwas ändert. #00:29:39-5#

Oskar Brabanski: Ich meine, das ist nicht nur eine politische Frage, finde ich. Da sind wir als Menschen gefragt. Ob wir wirklich wollen, dass es Mitmenschen gibt, die unter solchen Bedingungen arbeiten. Und das ist eigentlich für mich eine Frage von Anstand. Und es ist eigentlich für mich eine Frage, die ich jetzt von der politischen Richtung, ob ich jetzt eher sozialdemokrat oder erzkonservativ bin, da kann ich es trotzdem nicht wollen, dass Menschen ausgebeutet werden, zusammengepfercht werden und ihrer Rechte beraubt werden. #00:30:06-5#

Grazyna Wanat: Hauptsache Profit. Ja. Nochmal auf Haltung Tönnies zu zurückzukommen. Ich habe auch gelesen, dass es dort in der Gegend eine Organisation, einen Verein gibt, explizit für Frauen engagiert und um die Frauen kümmert, die dort arbeiten. Es ist ein großer Anteil. Ich glaube, 1/3 von den Beschäftigten dort sind Frauen. Seit zwölf Jahren kümmern sie sich darum. Und dadurch habe ich entdeckt, dass es mehrere kleine Organisationen in Deutschland gibt, die sich solchen Aufgaben stellen. Und meine Frage wäre: ob sie sich irgendwie vernetzen? #00:30:47-0#

Oskar Brabanski: Ja, also wir sind auch sehr lokal vernetzt. Es gibt also bei den Polen tatsächlich gar nicht so viele. Aber es gibt gerade in der rumänischen Community sehr viele Vereine, Integru zum Beispiel hier vor Ort, aber auch im Münchner Bereich oder in anderen Bereichen von Bayern. Und wir arbeiten viel zusammen. Als die Erntehelfer aus Rumänien gekommen sind, haben wir sie begrüßt und haben ihnen Informationsmaterial gegeben und direkt am Flughafen und eine Nummer mit unserer kostenlosen Hotline, wo sie anrufen konnten, sich über ihre Rechte informieren konnten. Und da wurden wir zum Beispiel von rumänischen Vereinen auch unterstützt, die mitgekommen sind ehrenamtlich, die auch Informationsmaterialien verteilt haben und vieles funktioniert auch über diese informellen Kanäle. So dass wenn jemand Hilfe braucht, wir wissen: Okay, wir können uns an den Verein wenden und da muss man aber auch einfach sagen, dass die rumänische Community deutlich besser vernetzt ist als die polnische hier vor Ort. Also es gibt nicht so viele polnische Vereine und bei den Rumänen ist es einfach vernetzter. Die gründen mehr Vereine, mehr Kulturvereine und da ist die Hilfsbereitschaft untereinander aus meiner Sicht zumindest höher als bei den beiden Polen. #00:31:54-9#

Grazyna Wanat: Was können Sie konkret tun? Welche Macht oder Möglichkeiten haben Sie aus der Beratung? #00:32:04-3#

Oskar Brabanski: Also klar, was wir machen: Wir vermitteln natürlich an Anwälte. Und es gibt ja auch hier in der Region zum Beispiel polnisch sprachige Anwälte. Wir arbeiten ja sehr eng mit den Gewerkschaften zusammen und wir beraten unabhängig von der Mitgliedschaft. Wenn Sie aber Gewerkschaftsmitglied werden, dann nutzen wir gemeinsam den gewerkschaftlichen Rechtsschutz oder unterstützen dabei, um dann auch gerichtlich die Forderung durchzusetzen. #00:32:29-2#

Grazyna Wanat: Und passiert das tatsächlich, dass solche Spargelstecher dann Gewerkschaftsmitglieder werden? #00:32:36-4#

Oskar Brabanski: Ja, tatsächlich. Und die Gewerkschaft hat sich da auch gewandelt. Zum Beispiel ist es in diesem Jahr das erste Mal, dass die Industriegewerkschaft Bauen, Agrar und Umwelt, ein Saisonarbeiter Mitgliedschaftsmodell hat. Das heißt, die Leute können für die Saison, wo sie hier arbeiten, zu einem recht günstigen Festpreis Gewerkschaftsmitglied werden und haben dann dafür den kompletten Rechtsschutz. Und das ist ein gutes Modell und ein toller Schritt in die richtige Richtung. #00:33:01-4#

Grazyna Wanat: Und funktioniert. #00:33:02-7#

Oskar Brabanski: Das funktioniert. Es gab schon einige Fälle. und vieles funktioniert eben auch über die außergerichtliche Lösung. #00:33:10-7#

Grazyna Wanat: Sie sind Mediator. #00:33:11-8#

Oskar Brabanski: Genau. #00:33:12-3#

Grazyna Wanat: Hilft das? #00:33:14-4#

Oskar Brabanski: Das hilft. Natürlich. Anders als in der klassischen Mediation bin ich ja schon eher einseitig. Also... #00:33:21-0#

Grazyna Wanat: Also parteiisch. #00:33:22-7#

Oskar Brabanski: Parteiisch. Genau. Also mit Fingerspitzengefühl dann auch zu tun. Und sehr vieles aus meiner Mediationsausbildung in meinem Studium hilft mir im Verhandeln auch mit den Arbeitgebern. Zum sondieren der Interessen und ich arbeite auch viel in dem Bereich, dass das ich wirklich versuche etwas auszuhandeln. Bevor es eben vor Gericht geht und da muss man natürlich auch sehen, wo sind die Interessen der Ratsuchenden, die zu uns kommen? Wo sind die Interessen der Arbeitgeber? Und häufig einigt man sich da tatsächlich. #00:33:54-8#

Grazyna Wanat: Das klingt toll. Sie haben auch Philosophie und Kulturreflexion studiert. #00:33:59-8#

Oskar Brabanski: Genau. #00:34:00-4#

Grazyna Wanat: Das klingt interessant. Hat das was jetzt zu tun mit der Arbeit, die Sie machen? #00:34:05-8#

Oskar Brabanski: Retrospektiv betrachtet: Ich habe da einen Schwerpunkt auf politische Theorie politische Philosophie gesetzt, dann eben Politikwissenschaften, Schwerpunkt Politische Theorie studiert und wollte eigentlich immer akademisch arbeiten. Ich wollte eigentlich immer in die Wissenschaft und habe dann während des Schreibens meiner Masterarbeit irgendwie gemerkt, dass die theoretischen Probleme zwar sehr interessant sind, aber eben wie die praktischen Probleme doch auch gelöst werden müssen. Und habe mich dann entschlossen, in die Praxis zu gehen. Ich habe dann angefangen, bei der Industriegewerkschaft "Bauen, Agrar und Umwelt" zu arbeiten. Mehrere Jahre und bin darüber dann hier eben so zu "Faire Mobilität" gekommen. Ich weiß, wenn man mich damals gefragt hätte: Kannst du dir vorstellen, dass du mal das und das machst? Ich hätte den Kopf geschüttelt. Aber so rückblickend lässt sich da schon ein roter Faden erkennen. Ich habe mich immer für Fragen von Gerechtigkeit auch in der Philosophie und im Studium interessiert. Und das natürlich handfeste und praktische Probleme und Fragen, die mich natürlich auch im Berufsalltag begleiten. #00:35:08-2#

Grazyna Wanat: Und vermissen Sie Philosophie? Ein bisschen? #00:35:10-9#

Oskar Brabanski: Dafür gibt es ja die Wochenenden. Als Ausgleich lese ich natürlich sehr gerne und sehr viel. Aber der Beruf, den ich jetzt habe... und das ist natürlich, man merkt schon den Einfluss, den man hat. Und man merkt vor allem die Bilanz. Also die positive Bilanz ziehen. Das man wirklich vielen Menschen helfen kann, dass man wirklich auch ganz konkret zur Lösung von Problemen beitragen kann, dass man Ungerechtigkeiten auch im Kleinen reduzieren kann. Aber eben anhand von so Sachen, dass jetzt eben die Werkverträge in der Fleischindustrie... das ist natürlich von uns auch irgendwie Frucht unsere Arbeit, dass man solche Fälle auch an die Öffentlichkeit bringt. #00:35:53-6#

Grazyna Wanat: Und überwiegt das Positive oder die Frustration? #00:35:57-3#

Oskar Brabanski: Also man muss den schmalen Grat treffen zwischen: Man muss natürlich empathisch sein in unserer Arbeit, aber man muss auch versuchen, sich ein bisschen abzugrenzen. Und das ist, glaube ich, für viele Menschen die auch in der Migrationsberatung oder im Flüchtlingsbereich arbeiten, wirklich schwierig. Man muss mit Feuer dabei sein. Man muss mit Leidenschaft dabei sein und man muss wirklich ein offenes Ohr haben. Aber man muss auch für sich selber sorgen und da sehen: Okay, ich sorge jetzt auch mal ein bisschen für mich und versuche irgendwie Abstand zu gewinnen. #00:36:31-5#

Grazyna Wanat: Sie sind zweisprachig groß geworden, nicht wahr? Haben Sie sich früher gedacht, dass das Polnisch eine Rolle in Ihrem beruflichen Leben spielen wird? #00:36:42-4#

Oskar Brabanski: Tatsächlich nicht. Nein. Also, ich habe es nie gedacht. Es war natürlich immer super, weil ich im Urlaub in Polen sprechen konnte und ich das heute auch irgendwie im Alltag mache. Also ich kann mich eigentlich nicht mehr erinnern. Meine Eltern haben vor kurzem sogar noch erzählt, dass ich im Kindergarten für ein polnischsprachiges Kind, was noch nicht so gut Deutsch konnte, schon übersetzen konnte und so und ich bin wirklich froh drum. Und es ist natürlich eine Bereicherung wenn man zweisprachig aufwächst. Wobei natürlich Polnisch nicht so gut ist wie mein Deutsch, aber naja. #00:37:15-2#

Grazyna Wanat: Aber bestimmt ausreichend für die Kontakte mit Menschen, denen man helfen kann. Und Sie engagieren sich auch für die Partnerschaft Nürnberg/Skopje? #00:37:24-3#

Oskar Brabanski: Genau. Ja. Das ist so ein bisschen ein privates Projekt. Ich habe so eine Art Austausch und Kulturaustausch zwischen Mazedonien und Deutschland. Also Skopje und Nürnberg. Das ist so ein bisschen ein privates Projekt zum Ausgleich. #00:37:39-2#

Grazyna Wanat: Und da haben wir auch eine Partnerstadt. #00:37:42-5#

Oskar Brabanski: Ja, genau deswegen kamen wir auf die Idee, ja. #00:37:45-9#

Grazyna Wanat: Wir sind jetzt im Podcast des Bildungszentrums und bei uns wird Lernen groß geschrieben. Und deshalb immer diese Frage bei jedem Gespräch. Was würden Sie gerne noch lernen wenn Sie dazu kämen? Zusätzlich. #00:38:03-7#

Oskar Brabanski: Oha. Da gibt es tatsächlich vieles. #00:38:07-1#

Ansage: Gerne lernen. #00:38:08-7#

Oskar Brabanski: Hier sind lern lernbegieriger Mensch und ich lerne so gerne dazu. Ich würde gerne noch weitere osteuropäische Sprachen sprechen, zum Beispiel so Serbisch, Kroatisch oder Mazedonisch, Bulgarisch. Das fände ich tatsächlich spannend. Ich lerne durch meinen Kollegen ja ganz viel Rumänisch. Nebenbei. Wenn man es mal die ganze Zeit auf dem linken Ohr hört. Ich glaube Sprachen. Ich glaube, Sprachen sind Schlüssel zu Menschen, zu Kulturen und zu ganz unbekannten Welten. Und doch, ich glaube Sprachen. Ja. #00:38:41-4#

Grazyna Wanat: Ja, Sie haben auch schon als ein Sprachlehrer gearbeitet. #00:38:46-6#

Oskar Brabanski: Ja. Nach dem Abitur bin ich ein bisschen durch Mittel- und Südamerika gereist und habe da Englisch unterrichtet. Für mehrere Wochen an einer costa ricanischen Schule für Kinder aus eher sozial schwächeren Familien. Und das war tatsächlich auch eine sehr intensive Erfahrung. Es ist ein ganz anderes Schulsystem, als man es hier kennt. Es war ein nackter Raum mit 40 Kindern drin und ohne nennenswerte Ausstattung. Eine kleine Dorfschule war das. Ich habe dann natürlich versucht, so ein bisschen die Basics beizubringen. #00:39:19-3#

Grazyna Wanat: Wir haben auch eine andere Rubrik in diesem Podcast, das heißt Meckecke. Aber wir haben heute so viel gemeckert, dass ich das sein lasse. Und ich frage sie lieber nach einem Glücksmoment. Das ist eben auch eine Frage, die wir manchmal gerne stellen Was hat Sie in der letzten Zeit glücklich gemacht? Vielleicht ein zu großes Wort, vielleicht aber auch nicht. #00:39:39-7#

Ansage: Glücksmomente. #00:39:43-1#

Oskar Brabanski: Mich macht Nürnberg sehr glücklich. Ich komme ja eigentlich aus dem Ruhrgebiet und bin dann über Studium etc. dann zu meiner ersten Arbeit in Nürnberg gekommen und ich liebe die Metropolregion. Also ich bin wirklich sehr glücklich. Jedes Mal, wenn ich mit dem Fahrrad zur Arbeit fahre, an der Pegnitz entlang durch Johannes hindurch, ist es jedes Mal, wenn ich die Burg sehe, nach so vielen Jahren... Man stumpft nicht ab. Ich bin immer noch glücklich und Nürnberg macht mich tatsächlich sehr glücklich. Also wirklich eine tolle Stadt, wo ich mittlerweile meinen Lebensmittelpunkt habe. Was mich wirklich glücklich macht, jetzt auf die Arbeit bezogen...Es gibt nicht so diesen einen Moment. Es ist wirklich jedes Mal, wenn man merkt, dass man was Positives bewirkt hat, Jedes Danke. Jedes Mal, wenn ich merke, ich habe die Arbeits und Lebensbedingungen einer Person verbessert. Das ist wirklich Wahnsinn. Das ist Gold wert, oder jedes Mal, wenn ich wirklich merke, dass mich Menschen teilweise auch weinend anrufen, weil sie jetzt die 300 € vom Arbeitgeber bekommen haben und diese 300 € für die Menschen wirklich bedeutet, sie können jetzt für einen Monat ihre Familie in Rumänien oder in Polen ernähren. Das sind so die kleinen Momente, die kleinen Erfolgserlebnisse. #00:41:00-3#

Grazyna Wanat: Haben Sie noch eine Geschichte zu erzählen aus den Fällen, die zu Ihnen kommen? #00:41:06-5#

Oskar Brabanski: Also ich habe eine Geschichte: Da geht es relativ am Anfang um Ratsuchende. Das ging um eine Woche, die nicht bezahlt wurde und er hat wirklich gekämpft wie ein Löwe und ist wirklich vor Gericht gezogen und es ging um 300 € ungefähr. Also eine Woche, die nicht bezahlt wurde und viele hätten da abgelassen. Und er war auch schon an die 60 Jahre alt und auch mit den ganzen Computersachen nicht so fitl und er hat sich durch alles durchgebissen und hat mich dann angerufen und um Unterstützung gebeten. Hat aber eigentlich alles schon alleine gemacht und ich habe ihn dann vor Gericht begleitet und war mit ihm in Arbeitsgericht, also als Sprachbeistand und habe ihn da unterstützt und übersetzt und so und dann einfach dieses Glück in den Augen zu sehen, als er dann wirklich Recht bekommen hat. Und man hat sich dann wirklich auf die 300 € geeinigt. Mit dem Arbeitgeber. Sehr herablassend. Rechtlich war die Sache klar. Aber es hat mich wirklich unfassbar beeindruckt, wie er gekämpft hat für sein Recht und trotz aller Widrigkeiten, trotz Sprachbarriere. Obwohl es vielleicht für uns eine Summe ist um für 300 € vor Gericht zu gehen. Für ihn war das natürlich sehr viel Geld und er hat wirklich wie ein Löwe gekämpft. Es ging ihm noch nicht mal primär um das Geld, aber um die Gerechtigkeit und die Genugtuung und um alles und... #00:42:28-2#

Oskar Brabanski: Um die Würde. #00:42:29-1#

Oskar Brabanski: Und die Würde natürlich. Und das, was wir nicht vergessen dürfen ist, die Menschen kommen zu uns aus dem Land wie Bulgarien, Rumänien und Polen. Deutschland genießt in der Regel ein sehr hohes Ansehen. Wir denken, alles ist irgendwie geregelt. Es gibt hier Rechte, es gibt für alles Norm und Gesetze und Rechte. Und dann merken die oh, es ist ja gar nicht so und jedes Mal, wenn sie zu ihrem Recht kommen, ist es eine Art von Wiederherstellung an den Glauben, an die Institution und an das Land. Und ich meine, niemand möchte in einem Land arbeiten, das Land im Kopf haben als das Land, wo er betrogen wurde. Und da sind wir auch als Gesellschaft gefragt. Wir müssen diese Leute auch einfangen und wir müssen den Leuten auch ein Glaube an die Institution zurückgeben, auch ein Glaube an die Rechte und an die Gesetze, dass sie nicht nur geschrieben werden, dass sie auch durchgesetzt werden. Und dieser Mann vor Gericht, der so gekämpft hat, der hat mich beeindruckt. Und das ist eine Geschichte, die würde ich hier allen mitgeben. Es lohnt sich, für seine Rechte zu kämpfen. Und es lohnt sich nicht, das Vertrauen in die Institutionen zu verlieren. #00:43:38-8#

Grazyna Wanat: Also jetzt weiß ich ganz genau, an wem ich Menschen schicke, die mir Geschichten erzählen. Ich habe da auch gewisse Kontakte. #00:43:48-4#

Oskar Brabanski: Ich bitte darum, ja. #00:43:49-8#

Grazyna Wanat: Ja, und ich möchte mich wirklich herzlich für dieses Gespräch bedanken und ich hoffe, dass wir uns vielleicht in einem Jahr hier treffen können. Und Sie sagen mir Jetzt ist alles viel, viel besser. #00:44:00-7#

Oskar Brabanski: Ist natürlich ein zweischneidiges Schwert. Gäbe es keine Probleme, dann hätte ich ja auch nichts zu tun. Das würde ich sogar gerne eingehen. Aber ich befürchte, dass es noch ein langer, langer Weg sein wird. Und ich hoffe aber zumindest, dass sich das jetzt durch Corona und durch die Pandemie etwas ändert. Das sind ja schon die kleinen kleinen Dinge, die schon einen großen Einfluss haben. #00:44:27-1#

Grazyna Wanat: Vielen herzlichen Dank! #00:44:28-8#

Oskar Brabanski: Ich bedanke mich für das angenehme Gespräch. #00:44:30-5#

Grazyna Wanat: Tschüss. #00:44:31-2#

Oskar Brabanski: Ciao. #00:44:31-2#

Dieses Projekt/Diese Maßnahme/Initiative leistet einen wichtigen Beitrag, Nürnberg schrittweise inklusiver zu gestalten. Es/Sie ist Teil des Nürnberger Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Den Ersten Aktionsplan hat der Nürnberger Stadtrat im Dezember 2021 einstimmig beschlossen. Um die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in Nürnberg zu verwirklichen, wurden und werden umfangreiche Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Weitere Informationen finden Sie unter www.inklusion.nuernberg.de.

Oskar Brabanski vom DGB-Projekt „Faire Mobilität“ im Gespräch über (un)antastbare Würde der Wanderarbeiter, moderne Formen der Zwangsarbeit und den zu rettenden Glauben an den Rechtsstaat.

Es gibt in Deutschland zahlreiche Knochenjobs, die Einheimische nicht bereit sind zu tun. Diese Jobs werden von mobilen europäischen Arbeitsmigrant*innen übernommen, meistens unter unvorstellbar schlechten Bedingungen. Scheinselbstständige, Leiharbeiter*innen, Werkvertragsnehmer*innen aus Mittel- und Osteuropa werden mies bezahlt, sind unwürdig untergebracht und arbeiten unter sklavenähnlichen Bedingungen. Die Missstände sind sowohl der Politik als auch der Öffentlichkeit schon seit Langem bekannt. Doch wo die einen leiden, bereichern sich die anderen – und der Rest schaut unbeteiligt zu. Wie ein Vergrößerungsglas brachte der Ausbruch des Corona-Virus im Schlachtbetrieb Tönnies diese unangenehmen Tatsachen ans Tageslicht und zwang die Öffentlichkeit zum genauen Zuschauen.

Das DGB-Projekt „Faire Mobilität“ engagiert sich aktiv gegen die Missstände und das ausbeuterische System und gibt den Menschen ohne Lobby eine Stimme. Wir sprachen mit Oskar Brabanski, einem der zwei Mitarbeiter der neuen Nürnberger Filiale, die auch hier in der Region von Anfang an alle Hände voll zu tun hat. Er und sein Kollege sprechen jeweils Polnisch und Rumänisch und erreichen die Wanderarbeiter auf verschiedenen Wegen – von sozialen Medien bis zu den Feldern des Knoblauchlandes. Brabanski, der Philosophie, Kulturreflexion und Politikwissenschaften studierte, entschied sich gegen die zuerst angestrebte wissenschaftliche Laufbahn, weil „die Theorie zwar interessant ist, aber die praktischen Probleme doch auch gelöst werden müssten“. Er erzählt aus seinem Arbeitsalltag und über die Unterstützungsmöglichkeiten, die ihm zur Verfügung stehen. „Wollen wir wirklich, dass es Mitmenschen gibt, die unter diesen Bedingungen arbeiten?“ fragt er in dem aufschlussreichen Gespräch und appelliert an die Politik und die Zivilgesellschaft.

Die Beratungsstellen des DGB-Projekts Faire Mobilität
Tönnies: Eine Frau hebt den Sumpf aus (emma.de)
So müssen Tönnies-Arbeiter leben
Fleischindustrie: "Eine verseuchte Branche"

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Aufgenommen am: Mittwoch, 1. Juli 2020
 Veröffentlicht am: Donnerstag, 23. Juli 2020
 Moderation: Grazyna Wanat
 Im Gespräch: Oskar Brabanski

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Alle weiteren Folgen von KontaktAufnahme – der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg finden Sie hier. Jede Woche, immer donnerstags, veröffentlichen wir ein neues Gespräch.

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