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Lubica Joarder, hast Du Angst vorm Altwerden?

Ansage: KontaktAufnahme, der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg. #00:00:18-3#

Anne Wasmuth: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Kontaktaufnahme! Mein Name ist Anne Wasmuth, und mir sitzen heute über 25 Jahre Erfahrung in der Pflege gegenüber, davon elf Jahre im ambulanten Bereich und davon wiederum die letzten fünf Jahre als Leiterin der Diakoniestation in Nürnberg Altenfurt, Fischbach und Moorenbrunn. Herzlich willkommen! Hallo! Ich hätte jetzt auch sagen können, mir sitzt die Liebe gegenüber. #00:00:53-8#

Lubica Joarder: Ja, das stimmt. Also früher, wo meine Tochter ganz klein war, da hat sie immer wieder gesagt, dass meine Mama Liebe heißt, weil tatsächlich wird es Lubiza ausgesprochen und bedeutet auf slawische Sprache die Liebe. #00:01:08-0#

Anne Wasmuth: Ja, total schön! Wir sind seit fünf Minuten per Du, seitdem wir uns kennengelernt haben. Da hatte ich das Gefühl, da ist auch gleich so ein Sack Liebe, der einem entgegenkommt. Haben deine Eltern den Namen bewusst gewählt, weil sie schon geahnt haben, die Nächstenliebe würde eine ganz große Rolle spielen in deinem Leben? #00:01:27-5#

Lubica Joarder: Also, soweit ich weiß, dass Mama wollte immer, dass ich Katharina heiße, aber der Papa hat sich doch durchgesetzt. Er wollte unbedingt, dass ich diesen Namen trage. #00:01:36-7#

Anne Wasmuth: Also in dem Fall muss ich sagen, schön, dass der Papa sich durchgesetzt hat. Du bist in der damaligen Tschechoslowakei geboren und hast du auch deine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht. Wie war das bei dir? Wie lief das ab? Also in meinem Kopf: Ausbildung, drei Jahre Krankenhaus, Berufsschule. War das damals auch so bei euch? #00:02:01-0#

Lubica Joarder: Nein, also bei uns in damaligen Tschechoslowakei war es aufgeteilt. Die Grundschule dauert also, der Schulsystem allgemein ist anders. Die Grundschule dauert ja acht Jahre, und dann, die Ausbildung war gleichgesetzt zum Gymnasium, also vier Jahre mit Abitur Abschluss, und deswegen die vier Jahre statt drei. Und dann, wie gesagt, ich war schon ziemlich früh mir sicher, dass ich Krankenschwester werden wollte. Ich kann mich auch erinnern, wo ich in der dritte Klasse einen kleinen Aufsatz schon geschrieben habe über meine Berufswahl, und da wusste ich schon, dass ich Krankenschwester werden will, und eventuell bisschen inspiriert von meiner Schwester, die auch Krankenschwester ist. Die hat immer Verbände an mir ausgeübt und war ich immer so die Probierpuppe sozusagen zu Hause, und auch meine Tante, die ist auch Ärztin. Also, wir haben diese sozialen Zweig gerne gewählt in der Familie, ja, und, wie gesagt, begeistert, immer noch bis jetzt. #00:03:16-4#

Anne Wasmuth: Aber am Anfang erst mal im Krankenhaus? #00:03:18-7#

Lubica Joarder: Ja, im Krankenhaus also, nachdem ich meine Ausbildung also mit dem Abitur abgeschlossen habe, da in meiner Heimatstadt gab es da mal nicht so viel arbeit dort. Heutzutage hört sich das wirklich ganz, ganz komisch an. Es war tatsächlich so, dass damals die Pflegedirektorin uns damals gesagt hat, also ich brauche nächsten 30 Jahre keine Krankenschwester. Die wollte eigentlich damals, dass die Krankenschwesterschule geschlossen wird, und ich bin dann in die Hauptstadt gezogen, und dort habe ich dann drei Jahre im Krankenhaus gearbeitet, auf der inneren Station. #00:03:59-7#

Anne Wasmuth: Ja, tatsächlich unvorstellbar für uns heute, zumal in so einer alternden Gesellschaft wie in Deutschland. Ja! #00:04:08-9#

Lubica Joarder: Ja, also momentan also die Pflegedirektorin der Krankenhaus, meine Schwester, und die hat gesagt, dass also diese Aussagen vor der 20, 25 Jahre, das trifft nicht mehr zu. Sie sucht genauso verzweifelt dann Pflegepersonal. Also diese Mangel, Fachkräftemangel ist auch in der Slowakei. #00:04:33-0#

Anne Wasmuth: Wann war dann, du sagst, du, warst in der Inneren? Wie kam der Wechsel oder die Hinwendung zur Pflege älterer Menschen? #00:04:46-6#

Lubica Joarder: In der Ausbildung waren wir auch schon die meiste Zeit auf der inneren Station, wo wir den Menschen Hilfe angeboten haben und die Patienten auch zu den verschiedensten Untersuchungen mitbegleitet haben. Und da habe ich schon das Interesse und meine Neugier wurde geweckt, dass ich wirklich nicht nur die Pflege und die Hilfe gerne anbiete und gerne den älteren Menschen helfe, sondern auch die Kommunikation, der Austausch, die Erfahrungen, die Biografie von den Patienten. Das hat mich immer interessiert und habe das immer von jedem Patienten etwas für mich, für mein Leben, für meine Zukunft genommen, und deswegen, das war schon, es hat immer immer mehr sich gesteigert, sozusagen auf auch, wo ich dann in Bratislava gearbeitet hab, dass die Patienten wirklich viel erzählt haben, wie es früher war, da in Bratislava. Da ist so ein Dreieck vom, also Slowakei, damalige Tschechoslowakei, Ungarn und Österreich haben die meisten Patienten auch dreisprachig gesprochen, und da war ich schon wirklich sehr begeistert von der Deutschen Sprache, wollte mich immer verbessern, und deswegen war ich auch sehr froh, dass manche mit mir bisschen deutsch gesprochen haben. Ja! #00:06:14-0#

Anne Wasmuth: Ah, aber du bist erst mal tatsächlich nach Österreich, dann? #00:06:19-8#

Lubica Joarder: Ja, ja, also das ist tatsächlich so gewesen, dass in Bratislava viele Krankenschwestern natürlich, die ein wenig bisschen deutsch sprechen konnten, sehr schnell dann weitergezogen sind, also Richtung Westen, und Wien ist nicht weit weg von Bratislava ungefähr, schätze ich mal, 50, 60 Kilometer entfernt, und deswegen sind auch viele Krankenschwestern danach wirklich nach Wien oder Umgebung gegangen, weil da wurde schon damals Personal gesucht. Ja! #00:06:54-2#

Anne Wasmuth: Also seid ihr damals schon abgeworben worden, quasi! #00:06:57-5#

Lubica Joarder: Ich habe einen anderen Weg bin ich eingeschlagen. Das war per Zufall. Im Freundeskreis hat eine, also Mutter von meinem Bekannten, so private Pflege durchgeführt, so 24 Stunden, weil sie hat gesagt, sie will sich nur auf einen Patienten fokussieren. Und da habe ich eine Agentur gewählt, und durch diese Agentur bin ich auch in der Nähe vom vom Wien bin ich gekommen, und dann habe ich dort eine 92 jährige Dame gepflegt, die wirklich auch den österreichischen Dialekt gesprochen hat. Das kam ein bisschen überrascht, weil ich konnte nur diese hochdeutsche Sprache und die, die Ausdrücke, diese Dialekte nicht so, und manchmal habe ich immer wieder die Tochter anrufen müssen, was es da bedeutet. #00:07:49-8#

Lubica Joarder: Ja, das glaube ich. #00:07:51-5#

Lubica Joarder: Das war meistens so, dass ich dann keine Ahnung und total verzweifelt war. Was will sie von mir? Ja, aber wirklich, nach so zwei, drei Monate fühlte ich mich auch sehr wohl und auch geschätzt, muss ich sagen, in dieser Familie. #00:08:08-8#

Anne Wasmuth: Aber das heißt, du hast die ganze Zeit 24 Stunden am Tag in dieser Familie oder mit dieser alten Dame gewohnt. Also gab es dann überhaupt einen Dienstplan, dass man dann irgendwann mal frei hatte? #00:08:23-5#

Lubica Joarder: Ja, also die Tochter, die hat immer geschaut, dass die... Sie hat immer ein Geschäft, also einen kleinen Tabakladen, gehabt, und die kam dann immer vom 12 bis 15 Uhr, und dann das waren meine drei Stunden frei, und manchmal kam auch am Abend der Sohn, und das war, wie gesagt, wenn, wenn jemand aus der Familie kam, dann durfte ich dann mir frei nehmen und dann meine Freizeit sozusagen genießen. Ja! #00:08:51-6#

Anne Wasmuth: Und es war dir nie zu viel? #00:08:55-5#

Lubica Joarder: Nein, wirklich nicht! Ich habe diese Arbeit wirklich sehr gerne gemacht. Deswegen, wie gesagt, da muss der Mensch schon so geprägt sein, dass es gerne macht, weil ich finde, wenn das nicht mit Herzen oder so als ein Muss ist, dann wird man da auch nicht glücklich und die Familie auch nicht, also der Pflegebedürftige auch nicht. Das ist wirklich, die Chemie muss stimmen, natürlich, und aber auch dieses Wohlbefinden von beiden Seiten, und deswegen fand ich das damals auch gar keine Last. #00:09:29-2#

Anne Wasmuth: Ja, aber man hat so dieses Bild, oder ich habe dieses Bild gerade jetzt, wenn ich in Deutschland sehe, wie die Situation ist, auch von befreundeten Familien, wo eben Pflegekräfte aus dem Ausland im Haushalt mit wohnen und die zum Teil ja kleine Kinder zu Hause haben, und das schnürt mir dann das Herz dazu, wo ich denke, ja, ist das wirklich freiwillig? #00:09:51-4#

Lubica Joarder: Hm, ja, also es ist oft, dass die finanzielle Lage, die die Menschen dazu treibt, wirklich Haus und Kinder zu verlassen und dann wirklich so ein wenig Geld zu verdienen, weil die Gehälter sind in in Osteuropa nicht so hoch wie hier. Ja. #00:10:13-3#

Anne Wasmuth: Zurück zu dir nach Österreich, die alte Dame. Hast du sie dann gepflegt bis zum Schluss? Oder war einfach irgendwann für dich die Zeit Adieu zu sagen. #00:10:27-0#

Lubica Joarder: Ja, das war tatsächlich so. Ich habe dann durch meine ehemalige Kollegin das Angebot sozusagen bekommen, ob ich nicht nach München gehen möchte, wo ich auch eine ältere Dame pflegen sollte und ich wollte immer tatsächlich nach Deutschland kommen, aber das war nicht so zwingend. Jetzt muss ich unbedingt. Es hat sich so ergeben, und ich habe mir gedacht, okay, ich schaue mir das erstmal an. Was ist das für Familie? Wie gesagt, man muss sich wohlfühlen, die Chemie muss stimmen, und dann war ich die erste zwei Wochen da, und dann muss ich schon sagen, dass die Tochter ist auch gekommen zum Busbahnhof, hat mich abgeholt, und habe ich wirklich dieses Vertrauen, dieses gutes Gefühl gehabt. Die bemühen sich wirklich, denen ist es wirklich viel wert, dass jemand kommt. Aber diejenige, die muss sich auch im Hause wohlfühlen. Also, die haben mir ein Zimmer zur Verfügung gestellt, eigenes Bad und war wirklich super, super eingerichtet, muss ich sagen, und auch die Dame war sehr, sehr lustig, muss ich sagen, wir haben viel gelacht und wirklich schöne zwei Wochen verbracht, und deswegen habe ich mich so entschieden, dass ich Österreich verlasse und dann nach München ziehe. Ja! #00:11:50-2#

Anne Wasmuth: Aber das heißt, ihr habt erst mal so eine Probewohnen gemacht. #00:11:52-5#

Lubica Joarder: Ja. Wollte ich immer, dass ich da mal sehe, was für eine Familie das ist und ob das wirklich passt von beiden Seiten. #00:12:02-8#

Anne Wasmuth: Wie hat es sich dann nach Nürnberg verschlagen? #00:12:07-0#

Lubica Joarder: Das war wieder mal so nach dem zwei und drei Jahren, wo ich in München war. Die Angehörigen, also die, die Tochter hat sich mit der damalige Familie hier in Nürnberg irgendwo im Urlaub getroffen, und die haben gesagt, ja, die haben eine 24 Stunden Hilfe, die wirklich wunderbar arbeitet und, ich will mich jetzt nicht loben. Aber das war so, dass die halt gesagt haben, okay, die ist wirklich nett, bemüht sich und mach alles drum und dran, nicht nur die Pflege, sondern auch die Betreuung und nimmt sich Zeit, auch für den Betroffenen, und so sind wir dazugekommen, dass die Angehörige, nachdem die Dame dann starb, haben mich dann kontaktiert, ob ich nicht Lust hätte, nach Nürnberg zu kommen, sich das anzuschauen, und so kam es dazu, dass ich mir das auch angeschaut haben, wir haben dann so einen Kennenlernnachmittag verbracht, und dann bin ich dann nach Nürnberg gekommen. #00:13:15-3#

Anne Wasmuth: Ja und geblieben und weiter in der häuslichen Pflege. #00:13:22-9#

Lubica Joarder: Ja, das war aber wirklich, dass ich alles, also nicht nur durch Agentur gegangen bin. Da war schon wirklich Selbstständigkeit angemeldet, und ich habe nicht nur also diese Pflege, weil der Pflegebedürftige hat am Anfang, wo ich gekommen bin, war noch nicht so pflegebedürftig und hat nicht so viel Betreuung benötigt als dann später, zu späterer Zeit, und deswegen habe ich auch ein bisschen mehr Freizeit gehabt. Ich war dann auch in bisschen Garten, leichte Gartenarbeit, ich habe dann mal ein bisschen was draußen was gemacht. Also das war wirklich so bissel Ausgleich am Anfang, danach später mit der Zeit. Der Patient hat damals Demenzerkrankung gehabt, und mit der Fortschritte in der Demenzerkrankung hat auch dann mehr Pflege gebraucht. Dann habe ich immer weniger dann in dem Gartenarbeit und so verbracht. #00:14:21-1#

Anne Wasmuth: 2012 hast du dann bei der Diakonie angefangen, erstmal als Pflegehelferin, das heißt, dein Abschluss ist zunächst nicht anerkannt worden. #00:14:33-5#

Lubica Joarder: Nein, das wurde nicht anerkannt dadurch, dass ich mehr als sieben Jahre nicht in der Pflege, im Krankenhaus oder in eine stationäre Einrichtung, also im Pflegeheim, nicht tätig war. Deswegen musste ich hier mir eine Pflegeschule aussuchen und dort erst mal eine sogenannte Defiziten-Prüfung ablegen, wo dann festgestellt wurde, ja, darf ich, oder muss ich ein Seminar machen zur Anerkennung, oder kann ich direkt eine Prüfung machen, also Anerkennungsprüfung. Und da war ich damals, war die Pflegeschule in der Halle Wiese , und bei dem Leiter, dem Herrn Ruf, habe ich dann die Prüfung gemacht, und er hat aber auch gesagt, ich benötige gar keine Seminare zu besuchen. Obwohl ich schon angemeldet war, muss ich sagen, der hat mich dann gleich abgemeldet, hat gesagt, dass ist schade, ich soll direkt dann mich selber vorbereiten, weil mein Wissenstand ziemlich hoch war nach seiner Einschätzung. Und dann war ich im Dezember 2012 war ich da bei der Anerkennungsprüfung, und die hab ich bestanden, und dann hat mir dann Regierung Mittelfranken dann auch gleich das Zertifikat geschickt, und seitdem bin ich dann als Fachkraft hier tätig. #00:16:03-4#

Anne Wasmuth: Ja, aber ist ein furchtbarer Name: Defizit-Prüfung, also schon sogleich angenommen da würden Defizite sein, das Vorurteil, das ist, schockiert mich echt ein bisschen, das, dass das so ist, und letztendlich braucht es dann doch also in deinem Falle den Menschen, der da einfach anders eingegriffen hat. Wir sind das Bildungszentrum und sind Teil des Bildungscampus, und unter diesem Dach findet sich auch die ZAQ+, das heißt zentrale IQ-Beratungsstelle zur Anerkennung ausländischer Qualifikationen. IQ wiederum heißt Integration durch Qualifikation. Was ja auch schon wieder so dieses "Ich muss erst mal jemand qualifizieren", also gar nicht diese Vorannahme "Vielleicht könnte der ja schon qualifiziert sein." Die Frage ist, was wichtiger ist oder eher Bedarf ist, Anerkennung oder Qualifikation? Das frage ich mich. Aber wie hast du das für dich selbst empfunden? Etliche Jahre im Beruf, und eigentlich solltest du dann noch mal eine Prüfung machen. #00:17:08-5#

Lubica Joarder: Für mich war es gar nicht ehrlich gesagt, was. Von fachlicher Seite war es gar nicht so schlimm. Ich hab gedacht, dass ist jetzt so gegeben, muss ich absolvieren. Ehrlich gesagt hat mich eher mein Ehemann dazu getrieben, hat gesagt, mach das, weil du kannst es! Ich habe mich immer noch nicht so getraut, es zu machen, habe gesagt: "Na ja, lieber arbeite ich weiter als Pflegehelferin, aber er hat gesagt, nein, sollst du das machen. Und tatsächlich wäre es schade. Was ich aber sagen, gleich dazu sagen muss. Es ist auch so, dass natürlich die gesetzliche Grundlagen und diesen Aufbau, Krankenkassen und sonstiges ist halt in Deutschland anders, und das muss man wirklich lernen. Da habe ich von dem Herrn Ruf damals paar Bücher als Empfehlung erhalten, die ich tatsächlich gelernt habe, die ganze Sozialsystem, wie hier aufgebaut ist, und ein wenig die gesetzlichen Lagen. Das musste ich tatsächlich lernen. #00:18:14-0#

Anne Wasmuth: Ja gut, das versteht man. Egal, ob jetzt Pflegehelferin oder Fachkraft, du warst bei der Diakonie von Anfang an im Nürnberger Südosten? #00:18:24-4#

Lubica Joarder: Das war damals Nürnberg Ost, und ich war damals im Lauf am Holz tätig. Da habe ich erst mal, wie gesagt, als Pflegehelferin gearbeitet und dann als Fachkraft, und da hat man halt mehr Kompetenzen und mehr Verantwortung. Und auch ich wollte immer wieder auch lernen in die Dokumentation, wie man halt die Pflegeplanungen schreibt, und so. Da habe ich immer wieder gesagt, okay, das ist wieder so eine Stufe, wo ich das schaffen wir und lernen will, und tatsächlich ist mir das auch gelungen. Dann später, wo wir ein anderes System für diese Pflegedokumentation erworben haben, haben wir dann tatsächlich auch andere Stationen dann mitgeschult. Also da war ich immer so, ich lerne halt gerne. #00:19:18-0#

Anne Wasmuth: Sehr schön! Wir nähern uns jetzt hier im Nürnberger Südosten, wo wir auch sitzen, in einem Raum des Gemeindehauses, hier, wo eure Diakoniestation ja auch mit, ich sage mal, auf diesem Kirchplatz mit beheimatet ist. Ich würde gerne auf euren Alltag als Pflegekräfte zu sprechen kommen. Ich habe gelesen, es gibt fünf Pflegegrade, das ist sozusagen das, wie man als Mensch systematisiert wird. Das heißt, ab wann kommt eine ambulante Pflege, wann kommt ihr als Team ins Spiel? #00:19:53-7#

Lubica Joarder: Also, wir kommen nicht nur bei Pflegebedürftigen, die die genannte Pflegegrade haben, sondern auch Patienten, die zum Beispiel medizinische Leistungen erhalten sollen. Dazu benötigt der Patient keinen Pflegegrad. Der benötigt bloß von dem Hausarzt oder Arzt im Krankenhaus eine Verordnung häuslicher Versorgung, wo er drauf ankreuzt, welche Tätigkeiten und welche Leistungen die Pflegekraft durchführen soll, dass ist zum Beispiel Medikamentengabe oder die Kompressionsstrümpfe-Therapie oder Wundverbände. Dazu bräuchte der Patient gar kein Pflegegrad, weil diese Leistungen, diese medizinischen Leistungen sozusagen, werden von der Krankenkasse dann finanziert. #00:20:45-2#

Anne Wasmuth: Ja. #00:20:46-0#

Lubica Joarder: Ja, das zweite sind die Pflegeleistungen. Wozu der Patient tatsächlich? Es ist Vorteil, wenn ein Pflegegrad hat, weil nämlich sonst rechnen wir erst mal die Leistungen privat. Also manche Patienten respektive Angehörige sagen dann, ja, wir warten jetzt nicht, bis der medizinische Dienst den Pflegegrad feststellt, sondern wir gehen jetzt einfach auf private Leistungen, und wenn dann den Pflegegrad zugestimmt wird, dann können wir dann ab dem Zeitpunkt dann auch mit der Pflegekasse dann abrechnen. #00:21:25-8#

Anne Wasmuth: Das heißt, eigentlich habt ihr so eine ganz breite, ich sag mal, Angebotspalette. #00:21:31-9#

Lubica Joarder: Ja, ja, also wir versorgen alle, die sich an uns wenden. Natürlich, wir haben auch nicht, unsere Kapazitäten sind begrenzt, versuchen aber wirklich immer wieder, auf Kompromisse zu gehen, oder, wenn es geht, dann zwei, drei Wochen warten. Ich sage wir, jetzt pflege ich keine Warteliste, aber empfehle jemanden, Angehörigen oder Pflegebedürftigen, sich immer wieder mal melden, weil es ändert sich immer wieder was in der Versorgung, dass jemand zum Beispiel ins Krankenhaus kommt, dann leider nicht mehr zurückkommt, oder wenn die, wenn die Angehörige sich dann entscheiden, dass es in dem häuslichen Bereich nicht mehr gut geht und nicht die Versorgung gesichert ist, dann in die stationäre, also Pflegeheim, Einrichtung gehen oder betreutes Wohnen. Also wie gesagt, da ändert sich ständig etwas, ist wirklich ein dynamischer Prozess in dem ambulanten Bereich. #00:22:31-1#

Anne Wasmuth: Gibt es manchmal auch Situationen, wo ihr denkt, oh, wären wir bloß eher um Hilfe gebeten worden? #00:22:38-1#

Lubica Joarder: Ja, tatsächlich, es gibt auch Patienten, wo wir auch sehen, weil viele Patienten haben zwar Pflegegrad tun, aber die Pflege innerhalb der Familie oder selbstständig durchführen. Dann kommen wir immer nur zweimal, je nach Pflegegrad, zweimal oder viermal im Jahr zur sogenannten Pflegeberatung. Wir schauen uns, ob der Patient gut versorgt ist, und bei manchen hat man schon früher das Gefühl, sollen wir nicht mal unterstützen? Ich sage immer ganz niederschwellig einmal in der Woche zum Duschen, dass man sozusagen, dass der Patient auf auf diesen Geschmack kommt, sozusagen wie das überhaupt ist. Und das ist doch nicht so schlimm, weil natürlich jeder Mensch ist individuell, und dann manche haben auch bisschen Schamgefühl, das spielt alles eine Rolle, oder denken immer, mein Haus oder meine, meine Wohnung ist nicht schön oder sauber genug. Also, wir haben da keine Vorurteile. Wir kommen so nehmen den Patienten, so und wollen ihm abholen, dort, wo er ist. #00:23:46-7#

Anne Wasmuth: Das ist ein schönes Stichwort. Pflegebedürftig heißt ja eben häufig eben nicht mehr so mobil, vielleicht sogar bettlägerig, das heißt, ihr habt im Zweifelsfall auch einen Wohnungsschlüssel oder einen Hausschlüssel? #00:24:04-0#

Lubica Joarder: Tatsächlich, wir haben die Wohnungsschlüssel in der auf der Station, im Schlüsselschrank, wo nur Nummern drauf stehen und keine Namen von wem. Und dann, wenn der Patient wirklich nicht so mobil ist, oder auch die Angehörigen sagen ja, lieber geben wir einen Schlüssel, damit sie reinkommen, falls da etwas ist, dann kommen sie rein in die Wohnung, und deswegen bin ich auch, empfehle ich meistens, den angehörigen Schlüssel für uns bereit zugeben. Manchmal ist es natürlich auch eine Schwelle, wo dann der Pflegebedürftige selber sagt, nein, ich will das nicht, weil dann hat jemand fremdes die Schlüssel von meinem privaten Raum, und dass ist wirklich, bedarf es auch ein bisschen Vertrauen, dass, dass es, auch Verständnis, dass es wirklich für den Patienten gut sein könnte. Und oft ist es so, dass wir auch die Patientin dann manchmal auf dem Boden vorfinden und dann froh sind, dass wir überhaupt in die Wohnung reingekommen sind, weil sonst wollen wir nicht gleich Feuerwehr und Polizei alarmieren. Wir informieren oder rufen halt erstmal die Angehörige, ob da etwas wissen, wo der Patient ist, wenn er, wenn er nicht aufmacht. Also solche Notfälle haben wir auch, und da jede Pflegekraft weiß aber, was zu tun ist, da haben wir sogenannte Prozesse, und die werden dann abgearbeitet, was zu tun ist in so einem Notfall, wenn der Patient zum Beispiel nicht aufmachen. #00:25:41-5#

Anne Wasmuth: Ja, das heißt aber so im Alltag habt ihr dann feste Zeiten? Klingelt ihr oder wie kommt ihr einfach rein? #00:25:52-1#

Lubica Joarder: Ja, wir klingeln, das ist wirklich, und man kündigt sich an, dass jemand kommt. Wir versuchen wirklich, zu vereinbarten Zeiten zu kommen. Aber es ist, wie gesagt, manchmal Wetterlagen, Verkehrslage, also es spielen so viele Komponente im ambulanten Bereich, wo wir dann auch tatsächlich mal halbe Stunde vor halbe Stunde nach kommen. Aber ich muss sagen, hier in unserem Raum haben die Patienten, die meisten Patienten Verständnis und warten. Dann manchmal, rufen die mich an, dann im Büro, wenn die wissen wollen ja, ob jemand noch kommt, oder wurde ich vergessen? Das kommt auch, dass manche sich halt sorgen machen. Aber dann sage ich, das ist meine Aufgabe dann, wir haben in unserem Computer, in dem System, das ich auch schauen kann, wo die Pflegekraft sich finden. Dann kann ich auch dann gleich Auskunft geben, wann ungefähr Besuch stattfindet. Ja, und noch auch, was ich noch erwähnen wollte, auch wenn zum Beispiel Notfall ist, jemand liegt auf dem Boden, dann natürlich versorgen wir und informieren wir Angehörige, informieren wir Arzt oder Sanitäter, natürlich können wir nicht sagen, na ja, jetzt ist meine Besuchszeit zu Ende und ich gehe weiter, und deswegen verschiebt sich dann auch die Versorgungszeit von dem nächsten Patienten. Aber wie gesagt, da haben die meisten Verständnis und sagen, ja, okay, natürlich, wenn jemand Notfall hat, dann weil selber denkt man auch, wenn man selber dann irgendwie betroffen ist und man selber die Hilfe benötigt, dann ist man auch froh, dass die Pflegekraft nicht weggeht. #00:27:35-0#

Anne Wasmuth: Ja, definitiv, du hast es schon gesagt, für viele Menschen ist es ganz, ganz schwer, es ist ein Eingriff letztendlich in den Intimbereich. Wenn da jemand kommt, da kommt jemand, erst mal jemand fremdes, es ist Scham da. Und ja auch ein guter Grund, warum jemand sagt, "Ich möchte nicht in ein Altersheim, ich brauche diesen Schutzraum zuhause" sozusagen. Und da ist jetzt jemand, der hat eine ganz eigene Biografie, eine ganz eigene Individualität. Spielt es da auch eine Rolle, ob eine Frau eine Frau pflegt oder ein Mann einen Mann oder welchem Geschlecht oder auch nicht sich jemand zugehörig fühlt? Das ist ja auch sehr, sehr vielschichtig, und man hat, glaube ich, auch erst in den letzten Jahren, da so eine Sensibilität für entwickelt, dass das einen Unterschied ausmachen kann. Habt ihr überhaupt die Kapazitäten, darauf Rücksicht nehmen zu können, oder seid ihr dafür sensibilisiert? #00:28:30-2#

Lubica Joarder: Also, wir sind tatsächlich sensibilisiert. Da wird es gleich bei einem Aufnahmegespräch auch thematisiert, und ich habe auch jetzt momentan auf meine Station eine männliche Pflegekraft und schaue ich schon bei Planung der Touren, dass, wenn eine Dame sich nicht von einem männlichen Pflegekraft waschen lassen will, dass wir entweder Kollegin hinschicken oder rufe ich dann die pflegebedürftige Person an, und dann vereinbare ich anderen Tag der Versorgung. Beim täglichen Versorgung ist es manchmal schon schwierig. Manchmal, wenn der Patient dann sieht und die Pflegekraft kennenlernt, dass da auch bisschen, dann die Scham immer weniger wird, das dann irgendwann sagen, okay, ich lasse mich wenigstens am Oberkörper waschen oder die Füße oder die Haare waschen, und dann den Rest macht die Kollegin am nächsten Tag oder so. Also in dem Bereich, wie gesagt, haben wir viele Patientinnen, die sagen, okay, Teilkörperwäsche, wie wir das nennen, also entweder von Oben bis zum Bauchnabel oder die Beine, war schon, das macht auch die männliche Pflegekraft nicht. Ja, jetzt habe ich auch eine Anfrage gehabt, zum Beispiel, dass eine männliche pflegebedürftige Person will nicht von weiblichen Pflegepersonal gewaschen werden, und da musste ich wirklich die Ehefrau sagen, dass momentan wir das nicht bedienen können, weil die so einmal in der Woche wäre machbar. Da könnte ich dann individuell, aber auch auf nach dem Dienstplan, die männliche Pflegekraft hinschicken. Aber da hat die Ehefrau gesagt, nein, sie würde schon einen festen Tag haben wollen, und dass es dann doch nicht so vereinbar. #00:30:30-5#

Anne Wasmuth: Ja, desto mehr Grund, dass mehr Männer in viele Berufe kommen. #00:30:36-0#

Lubica Joarder: Also ich, ich bin wirklich auch begeistert, immer wieder, wenn wir auch männliche Pflegekräfte haben. Die bringen wieder andere Qualitäten mit, und ich finde es gut, dass dass man wirklich so homogene Teambildung haben soll, das also nicht nur Frauen, sondern beide Geschlechter und auch diverse Geschlechter dann drin sind. Ja! #00:31:00-6#

Anne Wasmuth: Ja, wie viele sind bei dir im Team? #00:31:06-4#

Anne Wasmuth: 12 #00:31:07-0#

Anne Wasmuth: Und wie viele Menschen pflegt ihr oder sein ihr verantwortlich für? #00:31:10-4#

Lubica Joarder: Momentan haben wir 82 Patienten zu versorgen. Wie gesagt, nicht alle sind täglich in der Versorgung. Manche haben einmal, zweimal in der Woche Dusche, oder manche Patienten haben alle zwei, drei Tage oder jeden Tag Wundverband. Es ist wirklich also, die Pflegekräfte arbeiten vom 6:20 Uhr meistens so bis 13 Uhr, 13:30 Uhr, je nach Tag. #00:31:37-2#

Anne Wasmuth: Mhm also eigentlich im Gegensatz, jetzt sag ich mal zu einem Altenheim, noch ganz gut vereinbar, weil ihr jetzt keine Nachtdienste macht, oder? #00:31:49-5#

Lubica Joarder: Nein, machen wir nicht. Wir haben also Frühdienst und dann Spätdienst. Der geht momentan von 15:30 bis 21:30, 22:00 Uhr. #00:31:58-0#

Anne Wasmuth: Ihr kommt zu Menschen nach Hause und da ist rein statistisch gesehen vermutlich ja nicht immer dieselbe Einstellung so zum Leben, auch zu politischen Fragen. Kann man das ausblenden? Du hast gesagt, so, wenn man in der 24 Stunden Betreuung ist, dann natürlich nicht. Da muss die Chemie stimmen. Bei euch ist es ein bisschen anders. Ist das auszublenden, oder gibt es auch Grenzen, wo ihr sagt, nein, hier kommen wir nicht zueinander? #00:32:29-4#

Lubica Joarder: Ja, also tatsächlich, bis jetzt habe ich keinen Patienten so erlebt, dass man sagt, okay, es ist nicht vereinbar, dass wir dann doch getrennte Wege gehen. Bis jetzt, alle Patienten, die wir aufgenommen haben, versorgen wir, egal welche Meinungen, ob es sozial, religiös oder so Welt-Einstellungen, sozusagen ist uns tatsächlich egal. Wir nehmen jeden Menschen als Individuum und versorgen ihn natürlich. Vor allem in Corona Zeit war es sehr präsent, dass diese Meinungsverschiedenheiten waren sehr auch für die Pflegekräfte belastbar, weil wir mussten uns immer wieder schützen, und die Angehörige oder die, die Pflegebedürftige haben dann immer wieder gesagt, ja, lassen sie die Maske nach unten. Also das war ja wirklich für die Pflegekräfte, so habe ich es wahrgenommen, sehr belastend, dass wir haben bestimmte Werte, sollen wir auch, bestimmte Vorgaben, sollten wir uns da dran halten, und dann die anderen haben sich nicht daran gehalten, und das fanden wir sehr schade. Also die meisten Pflegekräfte und wie gesagt, aber andere Sachen, natürlich, die Pflegekräfte sagen, ich muss meine Professionalität bleiben. Ich bin die Fachkraft, Ich nehme den Patienten mit seinen Einstellungen. Und dann im ambulanten Bereich haben wir wirklich diesen Vorteil, dass wir den Patienten Versorgen, dann gehen wir, verlassen wir die Häuslichkeit, und dann geht es zu dem nächsten, und man hat auch nicht die Zeit, immer wieder über solche Aussagen nachzudenken. Natürlich, wenn es irgendwelche Aussagen wären, die wirklich rassistisch, sag ich mal, klingen. Da muss man schon eingreifen, und dann geht man in ein Gespräch mit den Angehörigen, mit dem Pflegebedürftigen, und dann würde ich das schon so so klären wollen, weil das ist etwas, was wirklich gegen den Menschenrechte geht. Dass das würde ich dann auch doch nicht akzeptieren. #00:34:38-3#

Anne Wasmuth: Ja, das finde ich gut. Wir haben ja nur mal eine Partei in Deutschland, die leider einer Tendenz nahesteht, wo Menschen sagen, jemand, jetzt auch wie du, musstest das Land verlassen. #00:34:52-0#

Lubica Joarder: Richtig ja, also, da denke ich mir also, unsere Station besteht wirklich auch vorwiegend von ausländischen Pflegekräften, und dann würden wahrscheinlich drei, vier Pflegekräfte nur bleiben, weil alle Migrationshintergrund haben. #00:35:08-4#

Anne Wasmuth: Nochmal zu den Patienten, die ihr betreut. Du sagst es so nett. Es gibt ja doch so Stereotype von Alten, das sind so die Altersmilden, die Weisen aber auch eben die Boshaften und Aggressiven. Da ergeben sich für mich verschiedene Fragen. Die erste Frage: Gibt es diese Typen? #00:35:33-4#

Lubica Joarder: Doch doch gibt es. Jeder Patient ist anders, und wie gesagt, manche sind schon herausfordernd in ihren Fragen oder ihrer Versorgung. Also, es ist schon wirklich so, dass manche Patienten denken, also heute oder eine Woche ist die Versorgung in Ordnung, dann, nächste Woche soll es um zehn Uhr stattfinden, dann in zwei Wochen wieder nur einmal um zwölf Uhr. Es ist wirklich manchmal so herausfordernd, aber dann ist es meine Aufgabe, den Kontakt zu suchen, und dann sagen so, jetzt machen wir das Datum, wir schreiben alles fest auf, und dann ist es schriftlich verfasst, und so wird es dann laufen, und dann teile ich es meistens auch den Angehörigen mit, damit die wissen, okay, so und so haben wir es im Datum festgelegt, und so wird dann die Versorgung stattfinden und nicht immer wieder Änderungen. Und manche sind wirklich sagen immer, meistens, egal, wann ihr kommt, Hauptsache, es kommt jemand, weil, wie gesagt, für die meistens ist es der einzige Besuch, der am Tag kommt, die Pflegekraft ja! #00:36:47-2#

Anne Wasmuth: Und welchen Typ, sag ich mal, gibt es mehr den Griesgram oder den Altersmilden? #00:36:57-0#

Lubica Joarder: Die Milden, also wirklich zu 90 Prozent sind wirklich nur paar paar Patienten, die dann immer wieder, wie gesagt, bissel herausfordernd sind, aber sonst, die meisten sind wirklich, haben Verständnis, wissen auch, schätzen die Arbeit, dass bei jedem Wind und Wetter die Pflegekräfte kommen und auch gute Laune und mal auch Gesang mitbringen. Das freut die wirklich, oder halt mal einen lustigen Spruch, das belebt dann auch die bisschen die Versorgung, sag ich mal, ja. #00:37:38-6#

Anne Wasmuth: Ich habe die Tage in Vorbereitung auf dieses Gespräch ein Artikel in der Zeit gelesen, wo stand, wie verhindere ich, dass eben, dass ich zum Griesgram werde im Alter? Also, ich nehme jetzt bewusst die männliche Form, weil das aufgehängt war an einem Film mit Clint Eastwood. Und da waren tatsächlich die Weichen stellt man eigentlich schon so in unserem Alter, eben auch mit Humor. Nicht alles so bitte ernst nehmen, natürlich auch eine große Portion Selbstreflexion mitbringen, ein Blick auf das, was möglich ist, realistisch möglich ist, oder dann eben auch nicht mehr möglich ist, und ja auch loslassen lernen. #00:38:18-7#

Lubica Joarder: Dass das bei vielen nicht so war, natürlich, jeder hat dann solche Vorstellungen, wie würde ich es gerne haben, und dann diese Unzufriedenheit, diese innerliche, dann übertragen an die Pflegekräfte. Aber wie gesagt, wir müssen einfach professionell bleiben, natürlich auch das ernst nehmen, diese Aussagen, die der Patient gegenüber uns dann äußert, aber doch auch dann manchmal sag ich mal auch, die Pflegekräfte sagen dann, ja, sie sollen wirklich schätzen, dass sie noch zu Hause sind, dass sie was zum Essen haben und wirklich Dach überm Kopf. Und dann knicken wir sozusagen die, auch die Griesgrämigen, die dann sagen, ja, alles ist so schlecht, und ja, wie gesagt, mit Lächeln und gute Laune arbeitet sich auch einfacher. #00:39:15-0#

Anne Wasmuth: Ja, das glaube ich, aber es gibt trotzdem ja auch Menschen, die tatsächlich im Alter so eine Wesensveränderung durchmachen, oder? #00:39:22-7#

Lubica Joarder: Ja, also, das ist die, vor allem auch die Demenzerkrankten. Die sind wirklich so, dass, wenn wir die Mitbegleiten in Jahren, dass die immer weniger dann von sich geben. Wir müssen dann auch die Arbeitsweise ist dann ganz anders. Wir müssen fokussiert, ohne irgendwelche Nebengeräuschen nur mit dem Erkrankten dann erarbeiten, die Anforderungen kurz und knapp formulieren, damit das auch schnell wie möglich noch im Gehirn ankommt, damit er das versteht, was wir wollen. Wie gesagt, das ist Versorgung, die wirklich nicht nur psychisch, sondern auch physisch anstrengend ist und auch Zeit mit sich bringt. Also muss die Pflegekraft Zeit mitbringen. Die kann man nicht so schnell, weil je schneller man irgendwie die Versorgung abschließen will, desto länger dauert es bei solchen Patienten. #00:40:29-3#

Anne Wasmuth: Bekommen sie dann als Pflegekraft auch mal so richtig, ich sag mal, körperliche Gewalt oder oder Wut oder Aggression zu spüren? #00:40:38-0#

Lubica Joarder: Es gibt tatsächlich Patienten, die dann auch schlagen oder versuchen, dass wirklich die Pflegekräfte dann gleich einen Schritt zurück gehen, damit wirklich nichts passiert. Solche Patienten haben wir also selten, muss ich sagen. Aber da wirklich, wenn auch medikamentös der Patient nicht so richtig eingestellt ist und wenn es dann mit Medikamenten nicht so verhandelbar ist, dass der dann die Versorgung zustimmt und mitmacht, dann empfehlen wir wirklich, dass meistens gehen die Patienten dann auch ins Pflegeheim, weil auch die Angehörigen sind, dann so an Limit der Belastung, wo dann wirklich nur diesen einen Ausweg gibt, weil die meistens in der Nacht aufstehen und wirklich dann randalieren und dann auch eine Gefahr sind für die Angehörige, den im Haushalt Leben. #00:41:36-4#

Anne Wasmuth: Es ist beruhigend zu wissen, dass es eine Minderheit ist, also dass es seltene Fälle sind, aber trotzdem kommt es vor. Werden sie darin geschult oder können sie das auch im Team dann aufarbeiten, wenn sowas passiert? #00:41:49-8#

Lubica Joarder: Ja, also das besprechen wir immer in den Dienstbesprechungen oder auch im Team. Wenn, wenn es akut ist, dann fragen wir also derjenige, der schon die Versorgung gemacht hat, was hast du gemacht? Worauf muss ich aufpassen? Also es wirklich einen Austausch in der Station, dass wir wirklich auf schon die kleine Anzeichnung reagieren, dass wir nicht irgendwie das ausreizen, bis so was kommt. Es zeigt sich schon gleich am Anfang, wenn der Patient nicht möchte, und dann sagen wir das auch den Angehörigen, wir lassen die Versorgung, wir gehen dann nicht in die Gewalt rein mit Gewalt. Ja, jetzt müssen wir, jetzt müssen sie sich da waschen oder sonstiges. Wenn der Patient, wenn wir gleich sehen, es geht nicht, dann lassen wir das, und dann sagen, wir kommen morgen, versuchen es wieder. Also, das ist wirklich so etwas, wo auch manchmal die Angehörigen damit Probleme haben. Wenn dann die sage, "Nein, jetzt, heute ist der Dusch-Tag, und heute muss derjenige gewaschen werden, obwohl er will oder nicht." Gegen solche Aussagen habe ich schon auch was dagegen, sage ich "Nein, der Patient entscheidet selber, wann er gewaschen werden will oder nicht." Natürlich ist es auch damit verbunden, dass man sagt, Okay, bis zu gewissen Grenzen. Aber wie gesagt, ich sage, wir kommen immer wieder, und irgendwann ist der Patient dann auch einverstanden, und dann ist die Pflege anders. Da ist nicht ich gleich die negative Stimmung, dass der sagt, nein, jetzt will ich euch gar nicht, das passiert auch. Da muss man immer die Kompromisse schließen, nicht nur von unserer Seite, aber auch wenn der Patient sagt, er möchte keine Versorgung dreimal täglich, wie manche Angehörige das wollen. Er will nur, dass sie einmal am Tag kommen und eventuell nochmal mittags anrufen, ob alles in Ordnung ist. Wie gesagt, da muss man auch auf den Pflegebedürftigen eingehen, der eigentlich entscheidet, was, was er braucht und was nicht. #00:44:03-5#

Anne Wasmuth: Eigentlich auch, wenn das im Alltag vielleicht, für einen Angehörigen schwer auszuhalten ist. Aber es muss okay sein, ob derjenige jetzt riecht, sag ich mal. Das ist eigentlich aber ein sehr würdevolles Bild, auch wenn wir natürlich das Bild haben, da muss jemand sauber und geschniegelt im Sessel sitzen, aber eigentlich nicht. #00:44:22-9#

Lubica Joarder: Es ist das eigentlich nicht, also es ist natürlich. Wir weisen immer wieder darauf hin und versuchen es, soweit es geht. Aber wie gesagt, wenn der Patient sagt nein, dann heißt es für uns nein. Die meiste Problematik haben die Angehörige damit gehabt. Ja. #00:44:41-7#

Anne Wasmuth: Ab wann ist ein Mensch alt? #00:44:45-1#

Lubica Joarder: Das ist sehr schwierig. Ich würde mal sagen, wenn er sich so fühlt, also ich würde da gar keine Grenzen setzen. Wir haben auch eine 94- jährige Patientin, die wirklich in dem hohen Alter noch alles fast selber macht, benötige wirklich nur die Medikamentengabe, und dass wir ihr die Hörgeräte einsetzen, ab und zu will sie, dass wir ihr Blutdruck messen, aber sonst benötigt sie gar nicht. Und wir haben auch dann wirklich 60 jährige oder 65 jährige Patientin, die pflegebedürftig sind und im Rollstuhl sitzen. Also wie gesagt, das ist, wenn der Patient sich nicht alt fühlt, dann ist es natürlich nicht alt für mich natürlich. Gewisse Grenzen gibt es, und in den Statistiken gibt es immer die, die Altersgrenze und so. Aber wie gesagt, das würde ich, das ist nur eine Zahl. #00:45:51-4#

Anne Wasmuth: Aber das führt mich zu der Frage, wie jung oder wie alt war der jüngste Patient, Patientin, den du oder den ihr im Team hattet? #00:46:03-6#

Lubica Joarder: Wir haben einen, nur für für bestimmten Zeitraum haben wir einen, der war 22. Der hat Medikamentengabe benötigt, also war kein Pflegebedürftiger in dem Sinne, aber da die Mama Urlaub machen wollte, bisschen Auszeit für sich. Dann haben wir dann übernommen, damit, wie gesagt, in Urlaub geht, und sie hat gesagt, man muss immer wieder schauen, dabei sein der Pflegekraft damit er die Medikamente richtig einnehmen, weil das war wirklich wichtig, war lebensnotwendige Medikamente. Sonst haben wir natürlich auch in einem Pflegebedürftige, auch Jugendliche. Da gehen wir nur zweimal im Jahr zu diesem Beratungsgespräch und schauen, ob die Familie die Pflege richtig durchführt, oder wenn irgendwelche pflegerischen Fragen oder bürokratische Fragen was mit Pflege oder Pflegeversorgung zu tun hat. Die beantworten wir dann vor Ort. Aber es sind im Endeffekt, keine unserer Kunden, weil die Pflege durch Angehörige gemacht wird. #00:47:25-6#

Anne Wasmuth: Der Regelfall ist, sind eben doch die, wie auch immer jung gebliebenen, älteren Menschen, die irgendwann ja auch sterben. #00:47:36-6#

Lubica Joarder: Mhm. #00:47:37-0#

Anne Wasmuth: Spürt ihr das, wenn der Lebensweg einer der Menschen, die ihr begleitet, zu Ende geht? #00:47:44-5#

Lubica Joarder: Ja, das spürt man da. Wie gesagt, in dem Team sind auch Pflegekräfte, die schon mehrere Jahre in der Pflege arbeiten, und es gibt Anzeichen, natürlich auch körperlich, auch psychisch. Auch manche Patienten äußern es selber, aber, dass die das schon spüren, dass der Lebensweg zu Ende geht. Wir sind ja geschult, wir haben auch unsere Palliativ-Kräfte, die auch geschult sind, und bin selber in einem Palliativ-Kreis, wo wir immer wieder auch unseren palliativ-Köfferchen nehmen. Wir haben es auf jeder Station, und da gibt es mal Düfte, mal so Handstreichler oder mal ein Buch oder irgendwelche Bücher, die auch der Patient hören will, oder Gedichte, und dann gibt es auch solche palliative Fälle natürlich, die wir versorgen. Aber da geht es nicht mehr um diese klassische Pflege, sondern eher haben die Betreuung und sich Zeit lassen und auf den Menschen eingehen. Welche Bedürfnisse hat er? Hat er Schmerzen, hatte trockene Lippen? Benötigt er da die Pflege? Also die Pflege ist bisschen spezieller und intensiver, ja! #00:49:07-0#

Anne Wasmuth: Sterben die Menschen eher dann, wenn ein Mensch dabei ist, oder sterben sie eher, wenn man nicht mehr da ist? #00:49:16-2#

Lubica Joarder: Ist unterschiedlich, ist wirklich, gibt es diese zwei Typen, also im häuslichen Bereich, die alleine sterben wollen, die tatsächlich warten, bis jemand mal einkaufen geht, und dann versterben die, und manche warten, bis derjenige kommt und will nicht gehen, bis wirklich derjenige, auf dem sozusagen gewartet wird, da war, und dann versterben die ja. #00:49:45-0#

Anne Wasmuth: Mhm, du hast Grad schon gesagt, die Arbeit verändert sich. Die Pflege verändert sich also in Hinblick auf palliative Maßnahmen. Ich habe immer gelesen Menschen bereiten sich auf ihren Tod vor, indem sie nichts mehr essen. Also, sie sterben nicht, weil sie nichts mehr essen oder Nahrung zu sich nehmen können, sondern sie essen nichts mehr, um sterben zu können. Das kann für Angehörige ja auch unglaublich schwer auszuhalten sein. Du hast jetzt schon gesagt, seid ihr dann auch wieder eigentlich fast mehr wieder für Angehörige da in eurer Arbeit? #00:50:19-3#

Lubica Joarder: Ja, ja, also ich sage das auch immer, zum Beispiel, wenn wir jemanden mit begleiten die Jahre, dann wissen sie schon, wie die Angehörige sind, und dann arbeiten wir sozusagen im voraus, dass irgendwann wird sich das Bild dann verschlechtern. Am schlimmsten oder am schlimmsten, kann man auch nicht sagen. Aber so hohe Anforderungen haben die Angehörige, die zu uns kommen und sagen, wir haben schon einen palliativen Fall, und jetzt wollen wir das ermöglichen, dass jemand zu Hause verstirbt. Da gleich bei dem Erstgespräch muss ich immer wieder gleich sagen, es muss einem bewusst sein, dass derjenige wirklich keine Nahrung will, und dann auch wirklich die Erscheinungsbegleitung auftreten. Damit muss man wirklich klar kommen, weil es ist natürlich nicht immer wieder schönes Bild, wenn jemand dann wirklich so ganz alles ablehnt und dann auch Probleme, dann also eventuell auch röchelt und so oder so ganz, ganz wenig oder flach atmet. Das muss man wirklich aushalten können, und da müssen wirklich die Angehörige, sich diesem Bild bewusst werden. Und und wie gesagt, manche kriegen so Panik, die dann zum Hausarzt rennen und und sagen, ja, jetzt wollen wir doch Infusionen und so. Wir sagen immer, also natürlich, wenn der Arzt auch sagt, es bringt ja eventuell eine Woche, der Patient wird trotzdem gehen. Wir sagen, Hauptsache, der Patient hat keine Schmerzen, und wir schauen, dass er dann auch wirklich die Lippen und die Mundpflege stattfindet, damit es nicht alles so trocken ist, die Atemwege, und wir, wie gesagt, auch diese Duft-Therapie ist sehr, sehr gut, also mit begleitender Therapie sozusagen, damit der Patient loslassen kann, uns ein bisschen zur Ruhe kommt. Es gibt wirklich verschiedene Arten, wie man das dann zusammen mit den Angehörigen dann mit begleitet . Aber wie gesagt, da kann man, manche sagen dann trotzdem, nein, wir können es nicht, und dann geht der Patient doch dann ins Krankenhaus. Da will ich auch keinen dann verurteilen, wenn er sagt, okay, ich habe es probiert, aber es geht nicht. Ich kann mir so meinen Angehörigen nicht anschauen. #00:52:55-7#

Anne Wasmuth: Es ist ja nicht immer so der Fall, dass Angehörige auch mit im Haus sind. Das heißt, euch begleitet ja immer der Gedanke, ich öffne jetzt diese Tür. Ich weiß nicht, was dahinter ist. Du hast schon gesagt, ihr findet auch Menschen auf dem Boden wieder. Es kann auch sein, derjenige liegt da und ist verstorben. Ist das etwas... so eine präsente Angst, oder lernt ihr, mit diesem Gedanken umzugehen? Ist das etwas, auf das man überhaupt vorbereitet sein kann? #00:53:28-5#

Lubica Joarder: Also, man, man kann es lernen. Natürlich ist es immer wieder eine Situation, die nicht so oft vorkommt, Gott sei dank, sage ich mal. Aber die Pflegekräfte sind natürlich geschult und wissen, was zu tun ist, in dem Fall. Wir haben auch in unserem Qualitätsmanagement die Prozesse für solche Notfälle oder wenn jemand, wenn man jemanden also in der Häuslichkeit findet, der verstorben ist, da geht man diesen Prozess dann durch. Der Notarzt wird angerufen, die Angehörige werden verständigt, und wie gesagt, es ist traurig, aber das ist Teil des Lebens. Also das ist etwas, was wir auch gelernt haben. #00:54:21-4#

Anne Wasmuth: Kann man da auch Angehörige unterstützen? Weil die haben ja genauso diese Ängste oder wahrscheinlich sogar noch eben viel stärker. #00:54:29-9#

Lubica Joarder: Ja, ja, also das ist tatsächlich in der, in der Versorgung, wenn die Angehörige da sind, dass man schon sagt, jetzt ist wirklich die Zeit, falls noch nicht stattgefunden hat, so ein Gespräch zu führen mit dem Pflegebedürftigen, damit die wissen, was will er, diese Bestattungsinstitut und so. Das muss man alles im voraus vorbereiten, und ich finde das wirklich umso schöner, wenn man auch solche Themen, die natürlich nicht so gut sind. Es sind halt schon eher so traurigere Themen. Aber da finde ich es wirklich gut, dass derjenige dann auch die Möglichkeit hat, seine Wünsche zu äußern, und dann haben auch die Angehörigen die Verbliebenen dann nicht immer wieder.... Ja, was machen wir jetzt wo, wie, wie will derjenige dann bestattet werden oder so? Ist besser, sich schon im Lebenszeiten damit zu verfassen. #00:55:37-4#

Anne Wasmuth: Das ist ja auch im Falle des Todes die Frage, wie nehme ich Abschied? Also da wäre meine Frage, wie macht ihr das im Team? Habt ihr da Rituale für euch? Beziehungsweise welche Rolle spielt auch die Biografie desjenigen derjenigen, die da verstorben ist? Nicht jeder ist evangelisch, ihr seid eine evangelische Diakoniestation, aber nicht jeder ist es. Wie geht ihr damit um? #00:56:09-5#

Lubica Joarder: Also, wir haben auf unserer Station so eine Ecke, Trauerecke, wo wir so Kerze anzünden, natürlich jetzt aus Sicherheitsgründen, die LED-Kerze anzünden. Dann schreibe ich den Namen und Geburtsdatum des Verstorbenen drauf auf auf die Karte, und dann haben wir so ein Erinnerungsalbum, wo wir dann Foto und so so paar Aussagen zu dem Leben, zu den Lebzeiten des Patienten, die wir mit dem erleben durften, die uns immer so geprägt haben. Und genau, so schreiben wir Trauerkarte. Manche Pflegekräfte, wir gehen auch zur Beerdigung, und bei jeder Dienstbesprechung ist dann auch die 15 Minuten Zeit, um den Verstorbenen zu erinnern, wie er war, weil das war die lustige Zeiten, oder in der Versorgung, was wir mit ihm erlebt haben oder was hat uns da geärgert an ihm, also wirklich so den Menschen nehmen, wie wir auch empfunden haben. Natürlich dadurch, dass wir auch zu der Gemeinde hier in Altenfurt und die Fischbacher Gemeindeunterstützung auch, haben wir sogenannte Leihen-Seelsorge . Das bedeutet, wir dürfen auch nicht nur die Versorgung bei den Pflegebedürftigen durchführen, sondern wir dürfen auch seelsorgerisch als Leihen tätig sein. Wie gesagt, da ist die Zeit für ein Gespräch mit dem Angehörigen, und ich empfehle auch den hinterbliebenen gibt's auch vom Stadt Nürnberg eine Dame, die dann auch die Trauerbegleitung durchführt. Also, ich rufe dann immer wieder mal dann an, die Angehörigen, nach ein, zwei Monaten nur ne Frage, wie es denn geht, und wenn dann dieser Bedarf ist, dann verweise ich auf auf die Dame, die dann die Trauerbegleitung machen. #00:58:36-8#

Anne Wasmuth: Das heißt, sprecht ihr schon, wenn ihr in die Pflege reingeht, mit denjenigen, wie hast du einen Glaubenshintergrund, hast du einen kirchlichen Hintergrund? Oder könnt ihr auch sagen, bleibt mir damit vom Hals? Also wenn, wenn es sozusagen ans Sterben geht oder jemand gestorben ist, ist es ja im kirchlichen Kontext so, dass häufig eben ein Pfarrer geholt wird und dann noch mit den Angehörigen eine Aussegnung macht, auch so ein für viele ja auch hilfreiches und wichtiges Ritual. Macht ihr das mit, oder sagt ihr auch bewusst nein, der wollte das nicht! #00:59:14-5#

Lubica Joarder: Da gehen wir wirklich, fragen wir schon in Biographiearbeit, wie die Wünsche sind. Also wenn sich das jemand nicht wünscht, dann natürlich akzeptieren wir seinen Wunsch, und dann gehen wir nicht auf solche religiöse Wünsche nicht ein. Aber die meisten hier in der Gemeinde sind tatsächlich religiös, und das wird ja auch so gewollt. Wie gesagt, die meisten, die Angehörige. Das ist hier in Altenfurt und Fischbach. Da spürt man schon, dass es eher so ländliche, also Stadtrandgebiet, dass alles schon geplant ist, und alle wissen schon, was zu tun ist. Da wird der Pfarrer dann angerufen, und da, wie gesagt, brauchen wir noch nicht. Also wir fragen nach, ob alles geregelt ist, und dann machen das aber die Angehörigen. Es ist wirklich, kann ich mich jetzt nicht so schnell entsinnen, dass ich selber dann in Pfarrer gerufen habe. #01:00:15-5#

Anne Wasmuth: Komme jetzt mit einem paar ganz schnöden zahlen noch um die Ecke. Es gibt in Deutschland 16500 Pflegeheime, nicht ganz so viele, aber fast so viele, 15400 ambulante Pflegedienste, das heißt in Summe gut 30000 Einrichtungen, die sich stationär oder ambulant professionell um Pflege kümmern. Dem Gegenüberstehen aktuell 5 Millionen Pflegebedürftige. Das heißt, diese Zahl beschreibt diejenigen, die auch Leistungen aus der Pflegekasse halten, und das heißt auch, der überwiegende Teil der Pflegebedürftigen wird von den eigenen Angehörigen zu Hause gepflegt. Du hast es ja immer wieder erwähnt. Was für eine wichtige Rolle! #01:00:55-6#

Lubica Joarder: Richtig. #01:00:56-2#

Anne Wasmuth: Die Angehörigen in der Pflege spielen, das heißt nochmal die offizielle Statistik. Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland wird allein durch die zunehmende Alterung bis 2055 um 37 Prozent zunehmen. Laut den Ergebnissen der Pflege Vorausberechnung des statistischen Bundesamtes, aus denen ich hier zitiere, wird ihre Zahl von rund 5 Millionen Ende '21 auf etwa 6,8 Millionen im Jahr 2055 ansteigen. Jetzt kann jeder von uns rechnen, wie alt sie selber ist oder die eigenen Eltern oder eben Freunde bekannte. Vor diesem Hintergrund hat die damalige Bundesregierung 2019 die konzertierte Aktion Pflege ins Leben gerufen. Im Rahmen der konzertierten Aktion Pflege haben sich Bund, Länder und alle relevanten Akteure zum Ziel, konkrete Maßnahmen zur Verbesserung des Arbeitsalltags und der Arbeitsbedingungen von beruflich Pflegenden und zur Stärkung der Ausbildung in der Pflege verständigt. Also Ziele sind mehr Auszubildende, bundeseinheitliche Personalbemessung, höhere tarifliche Entlohnung, bessere Arbeits- und Ausbildungsbedingungen in der Pflege unter anderem. Ähm, ich habe im Zuge dessen eine Studie gesehen vom Bundesministerium für Gesundheit, die entstanden ist in den Jahren 2020 bis 23, die ganz spezifisch auf die Arbeitsplatzsituation Pflegender schaut. Und: Oh wunder, will man sagen, das Thema Vereinbarkeit von familiärer Pflege, Familie und Beruf ist für beruflich Pflegende eine der wichtigsten Attraktivitätsfaktoren, um diesen Beruf ausüben zu können. Überhaupt. Und innerhalb dieser Kategorie ganz oben das Thema Kinderbetreuung. Warum ich diese lange Vorrede tue? Du hast neben Familie und Beruf 2021 noch ein Bachelorstudium an der Hamburger Fernhochschule im Pflegemanagement gemacht. Wie hast du das geschafft? #01:02:57-9#

Lubica Joarder: Also, Langeweile hatte ich nicht. Also nochmal möchte ich wirklich nochmal erwähnen: Angehörige sind wirklich der größte ambulante Pflegedienst, das muss man sagen. Hut ab vor allen, die sich irgendwelche Anteile das machen, und wirklich, es ist riesen Ding, was die da schaffen. Müssen selber noch arbeiten die meisten. Und mit mir war es einfach so, dass ich schon alle notwendige Vorbildungen gemacht habe. Und dann, meine damalige Stationsleiterin hat immer gesagt, na ja, ich weiß nicht mehr, was soll ich dir noch anbieten? Studieren, und, ähm tatsächlich habe ich auch zu Hause das angesprochen, und mein Mann hat auch zugestimmt, hat gesagt, ich werde dich im häuslichen Bereich dann auch unterstützen, sozusagen. Wir haben uns den Haushalt Zuhause, privaten Haushalt, dann aufgeteilt, und er hat mich dann auch ermöglicht, mein Studium durchzuführen. Ich habe auch tatsächlich immer mehr Stunden gearbeitet und war nicht immer einfach, die Vorbereitung auf Klausuren, die Vorlesungen und Sonstiges, die Hausarbeiten zu schreiben, noch zusätzlich als Mensch, der der deutschen Sprache nicht so 100 Prozent mächtig ist. Aber ich, wie gesagt, habe halt probiert, und es hat mich sehr bereichert, muss ich sagen, um diese ballenden Herausforderungen, die auf uns zu kommen, besser zu verstehen, aber auch kritisch manche Maßnahmen kritisch zu hinterfragen, ob das alles so Sinn macht, wie das jetzt läuft. Wie gesagt, war sehr, sehr, sehr anstrengende Zeit, aber bin froh, dass ich das gemacht habe, würde ich auch jedes Mal wieder machen. #01:05:03-7#

Anne Wasmuth: Ja, und dadurch konntest du hier die Pflegedienstleitung übernehmen, genau. #01:05:08-4#

Lubica Joarder: Ja, ja, das war auch das Plus, dass ich dann die Leitung der Station übernommen könnte, dann mit meinem Studium. #01:05:16-1#

Anne Wasmuth: Ja, ja, und mit diesem Wissen und all deinen Erfahrungen, was wünschst du dir für die Zukunft oder auch von der Politik? Was muss passieren? Weil wir haben ja eben diese Zahlen. #01:05:27-6#

Lubica Joarder: Also, die Zahlen sind wirklich niederschmetternd, muss ich schon sagen. Was auf uns zukommt, nicht alle mögen es schon hören, aber diesen Termin demografischer Wandel ist allermunde. Wir wissen, wie sich das alles auf die, nicht nur auf die Pflege, auswirkt. Aber in allen Bereichen und wir müssen wirklich jetzt handeln und Maßnahmen liefern, weil sonst hab ich nochmal das Gefühl, das fährt irgendwann an die Wand. Das ganze Gesundheitswesen, nicht nur die ambulante Pflege, wird gesagt. Wir wollen den Mitarbeitern anständige Bezahlung ermöglichen. Natürlich kostet die Pflege jedes Jahr mehr. Das ist auch wirklich, dass die Pflegebedürftigen sich mal auch mal leisten müssen. Also das ist, es, geht also vorwiegend um Finanzierung der Leistungen und die die faire Bezahlung für diesen schönen, aber sehr körperlich und psychisch anstrengenden Beruf. #01:06:36-0#

Anne Wasmuth: Aber den du nach wie vor liebst. #01:06:40-6#

Anne Wasmuth: Ja, liebe ich! Ich habe mich dafür entschieden, und ich gehe jetzt die Herausforderungen immer an, jeden Tag aufs Neue. Wie gesagt, uns fehlen Pflegekräfte. Natürlich würde ich auch den Patienten die optimalste und und die nach allen Wünschen, würde ich da gerne eingehen. Aber manchmal ist es wirklich noch Kompromisse suchen, weil wir doch nicht so können, wie wir gerne wolllen. Und aber bis jetzt geht es noch. Also ich denke mir, in 5 oder 10 Jahren wird es immer immer dann schwieriger. Aber ich bin froh, dass unsere diakonische Station in der Gemeinde angesiedelt ist. Ich finde das. Irgendwie kommen wir eventuell in der Biografie zurück zu den früheren Gemeindeschwestern, die sich dann nicht nur um um Pflegebedürftigen gekümmert haben, sondern präventiv aktiv waren, dass man schon in jüngeren Jahren dann sagt: Okay, da und da gibt's die Vorbelastung, passt auf und so, da diese Aufklärung stattfinden soll, dass man nicht nur heilt, sondern präventiv arbeitet. Das würde ich mich auch wünschen, dass da bisschen gestärkt wird, diese Prävention der Pflegebedürftigkeit oder allgemein in allen Bereichen, Krankheiten, die wir schon kennen, was auf uns zukommt. Jeder weiß schon ungefähr, wo seine Belastungen hat. #01:08:21-9#

Anne Wasmuth: Hast du selber Angst vorm Altwerden? #01:08:26-2#

Lubica Joarder: Nein, überhaupt nicht. Man denkt alles professionell vorbelastet, sag ich mal, dass, wenn auch im Freundeskreis sich manchmal jemand ein Haus baut, und dann sag ich mal, oh Gott, die Treppe, in 40 Jahren würdest du anders denken. Das sehe ich jetzt schon so, dass ich sage, okay, wenn dann wirklich alles ebenerdig und mit Dusche, wo auch Rollstuhl reinpasst, oder halt Toilettenstuhl, also das, das ist schon diese professionelle Deformierung, die dann im Kopf ist im Ausblick auf die Zukunft. #01:09:12-2#

Anne Wasmuth: Ja, und hast du Angst vorm Sterben? #01:09:16-8#

Lubica Joarder: Früher ja, muss ich sagen, aber seitdem wir diesen Palliativ Kreisel aufgemacht haben, nicht mehr. Das war vor, denke ich, drei oder vier Jahren und da treffen wir uns einmal im Quartal, und das nimmt wirklich so viel weg. Und je mehr sterbende Menschen man begleitet, desto weniger Angst man hat. #01:09:41-7#

Anne Wasmuth: Das sind so tröstende, wunderbare Worte, und du hast mich vorhin begrüßt. Ich hab geklingelt in der Diakoniestation, und du hast gerufen: Hallo, hier bin ich, ich bin die Lubi. Und vielen, vielen dank, dass du so hast in deinen Alltag blicken lassen und in das von deinem Team und für mich sehr viel differenzierten Blick auf das, was Altwerden bedeutet, was aber auch Pflege bedeutet, eröffnet hat. Vielen, vielen Dank. #01:10:11-6#

Dieses Projekt/Diese Maßnahme/Initiative leistet einen wichtigen Beitrag, Nürnberg schrittweise inklusiver zu gestalten. Es/Sie ist Teil des Nürnberger Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Den Ersten Aktionsplan hat der Nürnberger Stadtrat im Dezember 2021 einstimmig beschlossen. Um die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in Nürnberg zu verwirklichen, wurden und werden umfangreiche Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Weitere Informationen finden Sie unter www.inklusion.nuernberg.de

Die Leiterin einer Nürnberger Diakoniestation über ihren Weg und ihre Liebe zur Pflege, den Alltag von Pflegekräften und ihre Perspektive aufs Alter.

Nach ihrer Ausbildung als Krankenschwester ging es für Lubica Joarder bald in die ambulante häusliche Pflege: ihr Traumberuf! Sie erzählt, was es für eine 24- Stunden Pflege braucht und welche Schritte für ihre berufliche Anerkennung als Pflegefachkraft in Deutschland nötig waren. Im Podcast gibt die Leiterin der Altenfurter Diakoniestation Einblicke, was es heißt, den Menschen im Alter ganz nahe zu kommen, sie im Leben wie im Sterben zu begleiten. Ein Gespräch über die Rolle von Angehörigen, Boshaften und Altersmilden, Möglichkeiten der Palliativ-Pflege und einem Blick in die Zukunft.

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Aufgenommen am: Montag, den 25. März 2024 
Veröffentlicht am: Donnerstag, den 2. Mai 2024
Moderation: Dr. Anne Wasmuth
Im Gespräch: Lubica Joarder

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Alle weiteren Folgen von KontaktAufnahme – der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg finden Sie hier. Alle zwei Wochen, donnerstags, veröffentlichen wir ein neues Gespräch.

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