Zum Hauptinhalt springen

Johannes Wilkes, ist die Psyche von Kindern und Jugendlichen anders als die von Erwachsenen?

Ansage: KontaktAufnahme. Der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg. #00:00:10-9#

Anne Wasmuth: Herzlich willkommen zu einer neuen Kontaktaufnahme. Mein Name ist Anne Wasmuth und mein Gast heute ist in Dortmund geboren, hat in München Medizin studiert und ist seit sehr langer Zeit Wahlfranke, mit eigener Praxis in Erlangen. Er ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie. Er ist außerdem Autor von populärwissenschaftlichen Sachbüchern, Reiseführern und mehreren Kriminalromanserien. Herzlich willkommen! Johannes Wilkes. #00:00:55-5#

Johannes Wilkes: Ja, Schönen guten Abend miteinander. Schönen guten Abend, Anne. #00:00:58-6#

Anne Wasmuth: Schön, dass du da bist. Du hast mit Blick auf die letzten gut zehn Jahre mindestens ein Buch pro Jahr veröffentlicht. 2019 und 2021 hast du's sogar auf vier Veröffentlichungen im Jahr geschafft. Wenn dich jemand fragt: Was machst du? Welchen Beruf hast du? Was antwortest du dann? Mediziner oder Autor? #00:01:23-0#

Johannes Wilkes: Es wird immer schwieriger, diese Frage zu beantworten. Es verschiebt sich und es ist auch je nach Jahreszeit und mal wieder ganz unterschiedlich. Mal steht das eine im Vordergrund, mal das andere. Aber ich bin tatsächlich noch jeden Tag auch in meiner kinder- und jugendpsychiatrischen Praxis, da radle ich immer hin und bin morgens um 7:30 Uhr hier. Und ja und die, das schreiben. Also ich habe festgestellt, länger als eine gute Stunde konzentriert am Tag schreiben, das geht nicht. Selbst an den Tagen, wo ich keine Praxis betreibe und insofern, ja, gleicht sich das ganz gut aus. Früher habe ich es so gemacht, dass ich nach der Arbeit tatsächlich gleich mich hingesetzt habe, erst mal in einem schönen Cafe noch mal Station gemacht habe und dort geschrieben habe, weil es auch für mich ein ganz wertvoller Ausgleich war für die Arbeit als Kinder- und Jugendpsychiater, da schleppt man ja doch manche Gedanken mit sich rum, viele Bilder und das ist nicht verkehrt, etwas zu haben, wo man die Gedanken mal in eine ganz andere Richtung lenken kann. #00:02:23-6#

Anne Wasmuth: Also von daher es gleicht sich aus oder ist die Antwort, je nachdem wer fragt, auch eine andere? #00:02:29-7#

Johannes Wilkes: Das ist jetzt raffiniert, natürlich. So oft bin ich das noch nicht gefragt war, aber es hält sich schon ziemlich die Waage. Die Wochenenden, klar und auch die Ferien, dann steht auch das Schreiben wieder mehr im Vordergrund. Auch die Recherchen, die darf man nicht vergessen. Die schlucken auch Zeit auch mit dabei. Aber so unterschiedlich sind diese Berufe gar nicht, weil auch als Kinder- und Jugendpsychiater, als Psychiater allgemein beschäftigt man sich doch sehr auch mit der Biographie von Menschen. Das heißt ja, man zwangsläufig, man schlüpft hinein, sozusagen auch in die Vergangenheit, beschäftigt sich und muss auch viel da recherchieren und zusammenfügen. So ist also das das Arbeitswerkzeug oft gar nicht so unterschiedlich und so das, des Schreibens und auch des Therapierens. #00:03:18-6#

Anne Wasmuth: Ja. Schauen wir trotzdem als erstes mal auf den Mediziner. Du hast wie gesagt in München studiert und dich dann für den Facharzt Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie entschieden. So eine Facharztausbildung dauert ja in der Regel noch einmal fünf Jahre. Das ist sehr beeindruckend im Medizinbereich. Erzähl bitte, wie bist du auf diese Fachrichtung gekommen? #00:03:44-0#

Johannes Wilkes: Ja, also, während meines Studiums, eigentlich vorher schon eher. Ich war immer gespannt, ob ich Lehrer werden möchte, ob ich, oder Arzt werden will. Und mir war es wichtig, auch mit jungen Leuten zu arbeiten und ich habe festgestellt, dass mich dieses Fach Kinder- und Jugendpsychiatrie besonders interessiert, weil es eben eher nicht so viele Routinen beinhaltet wie vielleicht andere Facharztrichtungen. Es steht immer wieder vor ganz neuen Herausforderungen. Es ist immer wieder ein völlig anderes Kind, eine völlig andere Familie. Vor allem, und das bewahrt einen auch so ein bisschen vor der Routine, auch ein bisschen der Langeweile. Ich habe auch sonst in meiner Jugend schon relativ viel mit Kindern und Jugendlichen zusammen gemacht, dabei und das ist etwas, was was mich begleitet hat, dann auch auch während des Studiums. Und dann war es so, ich hatte in München studiert, das macht in Erlangen, machte da eine Abteilung neu auf, am Kopfklinikum in Erlangen, die Kinder- und Jugendpsychiatrie und da suchte man eben auch junge Assistenzärzte. Und da hatte ich mich darum beworben und so ist es gekommen, dass ich jetzt im schönen Frankenland gelandet bin und auch schon die, sag mal die größere Hälfte meines Lebens in Franken verbringen durfte. #00:05:01-6#

Anne Wasmuth: Ja, das heißt, du hast nicht sofort eine eigene Praxis eröffnet. #00:05:05-4#

Johannes Wilkes: Nein, ich bin eine Zeit lang auch nach meinem Facharzt, du hast das gut recherchiert, es sind tatsächlich fünf Jahre, die man macht. Ein Jahr macht man dann immer noch in der Erwachsenenpsychiatrie. Und da bin ich noch eine Zeit lang auch als Oberarzt auch in der Klinik geblieben, in Erlangen, bevor ich dann jetzt, das ist jetzt auch, sind jetzt auch schon 22 Jahre her, mich dann selbstständig gemacht habe in Erlangen in einer Praxis und man arbeitet als Kinder- und Jugendpsychiater immer auch in der Praxis in einem Team. Nennt sich eine sozialpsychiatrische Praxis, weil man auch, ich habe also auch vier Psychologen bei mir. Ich habe auch immer wieder Psychotherapeuten, auch in Ausbildung bei uns tätig, auch Heilpädagogen. Also man arbeitet nicht alleine, sondern ein ganzes Team, weil auch unser Fach Kinder- und Jugendpsychiatrie doch auch viele pädagogische Aspekte beinhaltet, auch viele psychologische Aspekte und man dann auch so ein Team benötigt, um auch der Familie gerecht zu werden, je nach Fragestellung. Und selbst würde man das auch alles gar nicht schaffen. Der Andrang ist also immens. #00:06:08-0#

Anne Wasmuth: Mhm. Das heißt, deine Klientel sind ja vor allen Dingen Kinder und Jugendliche. Erst mal ganz allgemein gefragt, ist die Psyche von Kindern und Jugendlichen anders aufgestellt als die von Erwachsenen? #00:06:22-2#

Johannes Wilkes: Ganz sicher. Bei den Kindern dominiert natürlich sehr stark auch der Entwicklungsaspekt, der je nach Alter dann auch sehr, sehr unterschiedlich ist. Während der Erwachsene oft so ein bisschen zurückdenkt, auch in den Therapien zum Beispiel, wo man dann immer zurückblickt, ist der Blick des Kindes eigentlich doch immer in die Zukunft gerichtet, weil er die bevorstehenden Entwicklungsaufgaben lösen muss, mit dabei. Allein dadurch ist sozusagen schon die Arbeit eine ganz andere auch dabei, weil sind auch viel jünger, die Kinder sind. Wir haben vermehrt, hatten wir früher kaum, vermehrt Kinder, auch im Kindergartenalter schon, also die auch noch dieses Sprachniveau oft noch gar nicht entwickelt haben, um so zu reflektieren, wie das bei bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen auch dann der Fall ist. Das heißt, man muss dann ganz anders vorgehen. Da ist das Spiel oft das, was uns auch verrät, was in der Seele des Kindes vor sich geht, auch durch Zeichnungen, Malerei, andere Ausdrucksmittel dabei, die man lesen muss, man verstehen muss, um also sich dem Kind zu nähern und dem, was möglicherweise an Konflikten beschäftigt. #00:07:29-7#

Anne Wasmuth: Was ich immer wieder spannend finde, ist die Frage, ab wann ist etwas pathologisch, also wirklich belastend oder krankhaft? Wie unterscheidet du so einen Durchhänger, wie in jeder hat, gerade Jugendliche in der Pubertät, da wo die Emotionen hoch und runterfahren und das am Tag mehrfachst. Was sind da so Maßstäbe? Wie kannst du das unterscheiden? Das ist wirklich, ja eine psychische Krise, wo's eben auch den Experten braucht. #00:08:01-0#

Johannes Wilkes: Ja, es ist, das ist, die Übergänge sind da sicher auch fließend auch dabei. Das ist ja nicht so wie bei manchen somatischen Krankheiten, entweder ich habe die Grippe oder ich habe sie nicht. Und dabei ist es ganz richtig, was du ansprichst. Es ist ja so ein fließender Zustand auch dabei, der sich verändern kann. Entscheidend ist letzten Endes immer auch der Leidensdruck, den also der betroffene Patient selber hat und so dabei, dass er selber auch spürt, so wie es jetzt ist, fühle ich mich nicht wohl, da muss sich was verändern. Und oft ist es so, dass auch tatsächlich, auch allein schon durch die Wartezeiten, die die oft haben dann auch dabei, wenn dann auch jemand sich hier vorstellt, dass dann schon der Leidensdruck sehr groß ist. Also oft ist die Vorgeschichte schon länger, so was, was du ansprichst, gerade diese Stimmungsschwankungen in der Pubertät, die jeder kennt, such dabei. Die, wir sagen immer, wenn man das abgrenzen möchte von einer möglicherweise depressiven Entwicklung sollten, also schon mindestens, sollte man drei Monate, sollte man in so einem Loch auch drin stecken, bevor man tatsächlich auch von einer Diagnose, einer medizinischen Diagnose Depression sprechen kann, dabei. Also das ist schon auch wichtig, dass man nicht vorschnell urteilt, vorschnell Diagnosen stellt, sondern dass man auch, deswegen sehen wir auch die, also unsere Kinder, Jugendlichen, die uns vorgestellt sind auch mehrfach, zu mehreren Termin, oft fünf Mal auch so dabei, dass man auch wirklich vertieft zu einem Urteil kommen kann und nicht so ein Schnellschuss loslässt, mit dabei, das ist schon was wesentliches. Es kommt übrigens vermehrt, das ist auch so eine Entwicklung der letzten Zeit, auch vermehrt Jugendliche selbst ja auch, also ohne dass die Eltern das wissen. Also von einer Freundin zum Beispiel vorgestellt, auch dabei, zu uns, was ich eher auch eine positive Entwicklung sehe, dass also auch da erstmal die Hemmungen nicht da sind und dass man auch informiert ist und weiß, da kann ich mir Hilfe holen. Das finde ich immer sympathisch, weil es natürlich auch die Motivation natürlich auch stärkt. Man weiß dann, jemand, der selbst kommt, der will auch selber. Ja, viele, die einfach nur von den Eltern hergeschleppt werden, so was gibt es eben auch dabei, die haben gar keine Lust und sagen was soll ich jetzt beim Kinder und Jugendpsychiater, dann der Start immer viel schwieriger dabei, wenn die Motivation da ist und der Leidensdruck auch da ist, kann man viel mehr erreichen. #00:10:21-6#

Anne Wasmuth: Das ist sehr spannend und hat eine Frage, die ich stellen wollte, vorweggenommen, wer sozusagen wirklich bei dir an die Tür klopft. Hat es auch was mit dem gesellschaftlichen Umgang mit psychischen Krankheiten zu tun? Oder sind psychische Krankheiten immer noch ein Tabu? #00:10:39-8#

Johannes Wilkes: Da hat sich was verändert, auch im Laufe der Jahre, auch der Jahrzehnte, die ich ja jetzt schon überblicke. Gott sei Dank ist dieses Tabu größtenteils nicht mehr so stark vorhanden. Es gibt bestimmte Bevölkerungsschichten, auch bestimmte Kulturen, wir haben ja auch in Erlangen aus der ganzen Welt natürlich auch Familien. Wird unterschiedlich mit umgegangen, aber das ganze große Tabu, wie das früher war, oder das man sich durch die Hintertür reinschlich, um möglichst abends bei Nacht, Gott sei Dank nicht mehr, sondern man hat eigentlich einen sehr modernen und offenen Umgang auch mittlerweile gefunden, größtenteils, dass man auch, ich erlebe es auch, dass auch wie die Eltern untereinander kommunizieren, sich Ratschläge geben und so dabei. Es wird nicht mehr so versteckt. Das war ja früher ein großes, großes Schicksal. Ist ja immer die Frage, haben psychische Erkrankungen zugenommen, werden die öfter diagnostiziert, woran liegt das jetzt, dass vermehrt Diagnosen gestellt werden. Das liegt sicherlich zum Teil auch, weil man eben sich traut, auch darüber zu sprechen und auch sich traut, Hilfe zu holen. Oft wurde das früher so weggebügelt, was du eben sagtest, Stimmungsschwankungen in der Pubertät, wenn es dann doch mehr wird und vertraut sich einem Elternteil an und man bekommt dann als Reaktion eigentlich nichts, oder Stell dich nicht so an, das hatte ich damals auch und das vergeht und dann war's das, ja. So war das lange Zeit, verstärkt das die Einsamkeit bei den Betroffenen? Und gerade jemand, der die Depression kennt, der kennt das Gefühl der Einsamkeit und wenn sich das noch verstärkt, wenn man in der eigenen Familie, bei der Mutter, beim eigenen Vater kein Verständnis findet, dann ist das eine ganz, ganz, dann verstärkt dass das Leiden immens. Und das hat sich verändert. Da sind auch Eltern hellhörig geworden und sagen okay, wenn du da was hast und so, selbst wenn man es als Elternteil anders sieht, wir wollen das doch mal, wir wollen mal nachschauen und wir wollen das ernst nehmen. Und das finde ich sympathisch. Da hat sich sicherlich vieles, vieles sehr positiv verändert. #00:12:39-8#

Anne Wasmuth: Du hast es schon so ein bisschen angedeutet, wenn du jetzt offiziell eine Statistik führen müsstest, oder vielleicht musst du das sogar, mit welchen Anliegen kommen denn Kinder und Jugendliche in deine Praxis? #00:12:52-3#

Johannes Wilkes: Ja, das ist natürlich auch immer vom Alter ein bisschen ein bisschen unterschiedlich. Bei den ganz Jungen sage ich mal auch so Vorschulalter, Kindergarten sind es oft Entwicklungsverzögerungen oder Auffälligkeiten, sage ich mal, Sprachentwicklung oder Kontaktverhalten, also auch ernsthafte Fragen, Autismus, das Kind spielt nicht mit anderen Kindern, ist isoliert. Das sind so Fragen, die so ganz, bei den ganz kleinen Kindern im Vordergrund stehen. Bei den Grundschulkindern sind es oft auch Schulprobleme, die dann eine Rolle spielen. Da steht dann die Frage im Raum, ist das vielleicht ja ein Schulleistungsversagen? Vielleicht auf auf ein ADS zurückzuführen, auf Konzentrationsstörungen, die so relevant sind, dass das Kind diese Fortschritte nicht macht. Dann mehr so Im Jugendalter sind es dann die emotionalen Störungen, Depressionen, die sehr zugenommen haben. Tatsächlich von der Anzahl, wo du das sagst, wir müssen Statistik führen, das ist so und andere auch, die Depression haben sehr, sehr zugenommen mit einem Kick, nochmal durch die Corona Pandemie. Die Maßnahmen haben ja dazu geführt, dass die Menschen auch wenig Kontakt halten konnten, sich nicht mehr ausprobieren konnten, auch Jugendliche eigentlich oft isoliert zu Hause saßen und oft jetzt noch verunsichert sind und nicht mehr wissen wie mache ich das eigentlich, wie komme ich mit anderen in Kontakt? Wie ergreife ich da die Initiative? Ja. Die neuen Medien können das nicht ersetzen, die, die direkte Begegnung mit Menschen und viele sind dadurch sehr vereinsamt und leiden weiterhin dort daran. Also das sind so Störungsbilder, so typische Störungsbilder, die wir haben. Oft natürlich auch gibt es auch Situationen, auch traumatisierte Kinder. Wir haben Flüchtlinge, viele auch Flüchtlinge, unbegleitete Flüchtlinge bei uns und so dabei, die viel erlebt haben in ihren Herkunftsländern, aber auch hier in Deutschland. Natürlich Familien, wo manchmal leider nicht so auf der Sonnenseite leben, wo die Elternbeziehung schwer gestört ist, wo vielleicht auch Todesfälle eine Rolle spielen, also auch so traumatische Erlebnisse, mit denen haben wir es natürlich auch immer wieder zu tun. #00:14:54-4#

Anne Wasmuth: Hast du auch Akutfälle in deiner Praxis? #00:14:59-4#

Johannes Wilkes: Immer wieder natürlich. Das ist mal, so der worst Case ist natürlich immer auch, es sind Suizidversuche oder sehr drängende Selbstmordgedanken, wo man auch dann schnell reagieren muss und schauen geht das so ambulant, müssen wir eventuell auch mal eine Klinik kontaktieren? Ist es mal notwendig, da mal eine Ruhezeit zu nehmen, eine intensive Therapie zu diskutieren? Das sind so natürlich auch so Notfälle, die auf einen zukommen oder auch zunehmendes Problem Schulverweigerer. Kinder, die aus verschiedensten Gründen nicht mehr zur Schule wollen. Auch das ist eine akute Situation, denn die Eltern stehen ratlos da. Was mache ich jetzt? Wie komme ich da weiter? Was kann ich machen? Da kann man keinen Aufschub gewähren, da muss man möglichst rasch reagieren und auch zum Teil extreme Mobbing Situationen, gar nicht mal nur persönlich erlebt in der Schule, auch durch entsprechende WhatsApp-Gruppen und so, da wo jemand den halt völlig verliert und an sich selbst völlig zu zweifeln beginnt. Gibt auch die Situation natürlich auch dann bei den Jugendlichen. Wir dürfen bis 21 als Kinder und Jugendpsychiater, also man hat uns das gewährt und da, eigentlich ist 18 so die Grenze, aber bis 21 dürfen wir da dann auch natürlich Dinge, so wie Drogenprobleme, Alkoholprobleme, die dann auch mal eskalieren können in dem Alter, wo es dann auch sehr schnell zu einer Vorstellung, einer notfallmäßigen Vorstellung kommen muss. Das sind so Krisensituationen. Es gibt noch, sicher noch viele andere Beispiele, aber das sind so die häufigen Dinge. #00:16:33-2#

Anne Wasmuth: Und wo dann letztlich noch mal andere Einrichtungen, oder eben du nicht mehr als ambulanter Mediziner. #00:16:38-8#

Johannes Wilkes: Genau. Wo wir dann eigentlich sozusagen eher so Weichensteller sind, um zu gucken, wie geht das? Wo kann man die, wo ist dieser Patient am besten, wo kann man ihm am besten helfen? Welche Klinik käme in Frage? Wenn man an eine Klinik denkt, wir haben ja Gott sei Dank hier auch im Bereich der Metropolregion auch einige Häuser, auch mit Tageskliniken, also Klinik heißt nicht immer, dass ich da übernachten muss, sondern es gibt auch Kliniken, die arbeiten so von montags bis freitags immer bis zum Nachmittag, um auch diese, die Kinder, die Jugendlichen in den Familien zu lassen, mit den Familien auch intensiver arbeiten zu können. Solche Möglichkeiten gibt es ja. Es gibt auch spezialisierte Kliniken für essgestörte Patienten zum Beispiel auch, die da gute Angebote bieten. Es gibt auch Einrichtungen, sogar auch für Eltern-Kind, bei den Jüngeren, bei den ganz Kleinen zum Beispiel schon. Auch wenn das starke Bindungs störungen im Kleinkindalter bestehen oder sehr unsichere Eltern da sind, die mit dem Kind gar nichts anfangen können. Auch da gibt es tagesklinische Angebote, in Fürth zum Beispiel. Also es ist eigentlich ein sehr großes Angebot, aber es wird von den Eltern natürlich, die sind zum ersten mal in so einer Situation, gar nicht durchblicken. Wo ist man, wo ist die beste Anlaufstelle, wo gehe ich hin? Und auch das ist manchmal eine Aufgabe von uns, einfach als Kinder- und Jugendpsychiater, das ein bisschen zu managen und zu schauen und zu informieren, um diese Wege am besten zu bahnen. #00:18:04-3#

Anne Wasmuth: Das ist total schön, dass du das so sagst, weil man ist ja wirklich als Betroffene oder Betroffener in so einem System. Man steht da ja erstmal völlig perplex. Also wo kommt mir wirklich die beste Hilfe zu? Wer ist der Richtige, die Richtige für mich? Das ist schon mal gut zu wissen, dass das auch so eine Aufgabe ist und dass man da nicht als Patient/Patientin, ja, dass man da einfach eine Anlaufstelle hat. #00:18:28-0#

Johannes Wilkes: Ganz genau. Also es ist auch so, dass es natürlich, das nicht in jedem Fall auch eine Diagnose stellen. Es ist auch manchmal, dass man auch nur so berät und und und auch beruhigt oft auch. Der Erfahrungsschatz ist vielen verlorengegangen, auch durch die, diese Mehrgenerationenhaushalte auch nicht mehr haben. Die auf den Erfahrungsschatz sozusagen, von Großeltern nicht immer so zurückgreifen können. Ist natürlich auch sehr viel Information, auch Desinformation in den Medien gibt und da warn ich immer vor, auch vor diesen Selbstdiagnosen, die immer häufiger gestellt werden. Da gibt es ja 1000 Portale, da gibt man seine Befindlichkeiten an und dann spuckt einem dann der Apparat dann, das Internet spuckt einem die Diagnose aus. Das kann unglaublich verunsichern. Auch gerade Jugendliche, die dann selber, ja, unsicher sind. Bin ich eigentlich normal? Ist das, wie ich denke, welche Ängste ich habe, Sorgen? Ist das alles noch im Rahmen des Normalen oder ist das alles, hat das schon krankhafte Natur? Und dann fangen die an und je nachdem, wo man dahin gerät, gibt es schreckliche Verunsicherungen. Und weil, wenn das Internet sagt na klar, das ist eine schwere Depression oder du hast Autismus usw, dann, ja, dann reißts einem oft erst mal die die die Füße weg und dann kann es auch sinnvoll sein, einfach mal, wenn jemand, eine Fachärztin, Facharzt einfach sich das anschaut und einfach auch nur beruhigt und sagt Mensch, das ist in deinem Lebensalter eine völlig, völlig normale Gedanken, das haben andere auch und das kann man ganz anders einordnen, dann reicht das manchmal schon, einfach so auch zu beruhigen. #00:20:00-3#

Anne Wasmuth: Das heißt, die sozialen Medien kommen so voll in deiner Praxis an. Bist du dann stärker als das Internet, die Meinung des Internet? #00:20:09-2#

Johannes Wilkes: Ja, ich sage es mal so, es ist auf der einen Seite, es hat natürlich seine Tücken, ganz klar in verschiedener Hinsicht, aber es hat natürlich auch seine Vorteile, das darf man nicht verschweigen, weil die Patienten extrem gut informiert sind, wenn sie auf den richtigen Seiten sind. Es gibt ja auch, für jedes Störungsbild gibt es Selbsthilfeorganisationen, die auch gut sind und auch gute Literatur zur Verfügung stellen, mit dabei. Das betrifft auch, wenn man zum Beispiel die Situation hat, auch mal medikamentös zu behandeln, sei es ein Antidepressivum, oder mit ADHS, Ritalin, oder etwas ähnliches, dann sind die Familien dermaßen schon vorab schon so informiert, man kann also schon mal aufsetzen, zumindest, auch wenn da sicherlich manche Dinge da sind, die, die auch falsch vermittelt worden sind. Aber Informationen sind in aller Regel schon mal relativ gut vor. Ja, man kommt vorbereitet hinein in das Gespräch. Die Probleme mit dem Internet ist eher diese Probleme mit den negativen Selbstbild, was sich bei vielen Jugendlichen ausformt, durch so Formate wie Instagram und so Vorbilder, durch die Influencer gesetzt werden, die einfach ein Jugendlicher nicht erfüllen kann. Ich meine, so hat Werbung immer funktioniert, indem man Bedürfnisse schafft, die eigentlich vielleicht gar nicht so existieren. Aber so ist das natürlich auch bei diesem ganzen Influencertum, dass da Modelle, Rollenmodelle entwickelt werden, natürlich mit ganz klaren finanziellem Hintergrund. Wir verdienen ja alle gut damit. Und den Jugendlichen zu suggerieren, du musst nur das und das machen und vielleicht noch die und die Sachen am Äußeren ändern und von deiner Oma vielleicht noch die und die Operation zu Weihnachten schenken lassen und dann bist du zufrieden mit dir und dann geht es dir gut, dann hast du kein Problem mehr. Und natürlich besteht das Problem dann weiterhin auch und man kommt dann in so eine Spirale rein, versucht dem nachzueifern, kommt aber eigentlich nicht an das Ziel, was man eigentlich erreichen möchte, wenn man mit sich selbst im Reinen zu leben und zufrieden zu sein. Das gelingt einfach nicht auf diesem Weg und das ist, ich meine, es hat es immer gegeben, solche Dinge, aber durch das, durch das Internet wird das schon alles wie ein Katalysator nochmal so brandbeschleunigt und kriegt noch mal eine andere Dimension. #00:22:27-0#

Anne Wasmuth: Ich würde gerne noch mal nachhaken bei dem Label deiner Praxis Sozialpsychiatrisch. Du hast es gesagt, Du arbeitest mit vielen Partnern zusammen. Was heißt das noch mal so, auch im Unterschied zu anderen psychiatrischen Praxen? Oder anders gefragt, welche Rolle spielen da noch Eltern und das familiäre oder schulische Umfeld bei der Behandlung? #00:22:49-0#

Johannes Wilkes: Ja, das ist gerade bei den Kindern und Jugendlichen ganz elementar, dass man das Umfeld, in aller Regel, es gibt Ausnahmen, aber in aller Regel auch mit einbezieht. So haben wir also regelmäßig also auch Kontakte zu den Lehrern, ja, immer wieder mal auch runde Tische, wo man sich zusammensetzt und sich austauscht. Die Eltern spielen natürlich eine ganz, ganz zentrale Rolle. Die Geschwister nicht zu vergessen, auch oft ganz, ganz wichtig. Das wird alles mit eingebunden. Es ist also nicht so, dass man innerhalb der Praxis aufgrund der Teamstruktur mit den Mitarbeitern, von denen ich eben sprach, Psychologen, Heilpädagogen, Therapeuten, sondern dass es auch darüber hinaus, also nach außen hin eine große Vernetzung gibt. Wir treffen uns also regelmäßig, zum Beispiel mit den Schulpsychologen, Beratungslehrern, ein Schulsozialarbeiter hat jetzt eine große Runde gehabt und so mal versucht, einerseits auch mal zu informieren, aber auch sich wechselseitig sozusagen auch zu erzählen, was macht ihr eigentlich, wo könnt ihr noch helfen? Welche Möglichkeiten gibt es? Da sind auch die Jugendämter sehr, sehr wichtig, die auch gute, ja auch Angebote machen für Familien, die Unterstützung benötigen. Also es ist ein sehr, sehr großes Netzwerk und dieses Netzwerk wird eigentlich, je länger man da drin ist, natürlich immer, immer noch intensiver. Das ist schon eine Erfahrungswissenschaft auch, das muss man sich selber auch erst mal erarbeiten über viele Jahre, um das alles zu durchblicken. Wer macht wo was und dabei und auch die Menschen persönlich kennenzulernen, damit man weiß, wo kann man hinschicken und welche Hilfen gibt es überhaupt. Also das ist die erwachsenen Psychiater, die, wir treffen uns auch mal regelmäßig. Die sagen manchmal " Mensch, mit euch möchte ich nicht tauschen. Also ich bin froh, dass ich keine Eltern da sitzen habe. Ja mit nur ja meinen Patienten und mit dem alleine das alles klären kann. Und ihr müsst euch noch mit so und so vielen anderen Stellen auch noch rumschlagen", das macht die Sache schon ein bisschen manchmal komplizierter, aber aber nicht minder interessant. #00:24:44-9#

Anne Wasmuth: Ja. Ja, es ist ja mehr so ein ganzheitlicher Ansatz. Wo ich mich frage, stellt sich dann immer raus, dass Kinder und Jugendliche so das Problem haben oder eigentlich vielleicht jemand anderes? #00:24:57-7#

Johannes Wilkes: Ja, das ist ein sehr berechtigte Frage. Also der systemische Ansatz geht ja davon aus, dass eigentlich sozusagen, eigentlich immer es gibt nur Symptomträger, ja, dass jemand, wenn es irgendwie in diesem System Familie was nicht stimmt, ja Irgendeiner, der zeigt dann diese Symptome und wird dann vorgestellt. Aber eigentlich die Ursache liegt eigentlich vielleicht in Störung der Kommunikation, des Umgangs miteinander. Das trifft auch nicht auf jeden Fall zu, aber es gibt natürlich diese Dinge und die Kinder sind natürlich in extremer Weise auch abhängig von ihren engsten Bezugspersonen, von den Eltern. Ja, die Ansprüche der Eltern sind sehr unterschiedlich. Manchmal sind sie auch überhöht, auch diese überhöhten Ansprüche. Das Kind soll jetzt etwas, was vielleicht man selbst nicht erreicht hat im Leben, soll das jetzt erreichen, dieses Ziel, ja, es wird dann, werden sozusagen alle Erwartungen und Wünsche dann auch sozusagen projiziert in dieses Kind hinein. Und wenn das Kind, das aus irgendeinem Grunde nicht kann oder seinen Weg ein ganz anderer ist und dabei kann es zu erheblichen Konflikten kommen. Das heißt auch Neurosen der Eltern, unsere Erwartungen können wir auf unsere Kinder projizieren und dadurch natürlich auch für Unheil sorgen. Und da ist es wichtig, auch zu gucken, dass die Eltern selber auch reflektieren. Manchmal ist es auch so, dass man einfach sagt mit dem Kind, also dem Kind, fehlt eigentlich nichts, wir empfehlen eine Therapie speziell für die Eltern, sei es als Paartherapie, wenn es dann in der Beziehung nicht stimmt oder auch einzeln, wenn man merkt, dass auch einer, ein Elternteil doch mit seinem eigenen Leben nicht richtig klarkommt und dass man viele Probleme schon lösen könnte, wenn ein Elternteil auch bereit ist, für sich etwas zu tun. #00:26:33-4#

Anne Wasmuth: Ich habe irgendwo gelesen, du bietest auch Elterntraining an. Was ist das? #00:26:40-9#

Johannes Wilkes: Ja, also Elterntraining. Man muss mal anfangen mit der einfachen Beratung natürlich und so, die den man Eltern zu teil kommen lässt. Man macht manchmal auch mit der gesamten Familie mehrere Sitzungen und zwar wo die Eltern mit zusammen mit ihren Kindern kommen, ja, wir merken, dass sozusagen doch die Probleme sehr, sehr stark bei der Erziehungshaltung der Eltern liegt, dann ist es, fällt es schon nicht mehr so ganz in unser Fachgebiet. Dann gibt es diese Erziehungsberatungsstellen, mit denen wir auch intensiv zusammenarbeiten und wo man dann erweitert, weitervermittelt dorthin. Gelegentlich arbeiten wir aber auch, dass sie gerade bei jüngeren Kindern vorwiegend mit den Eltern. Wenn wir zum Beispiel sehen, das ist ein Kind, auch die große Gruppe der autistischen Kinder, wo es bei den jüngeren Kindern gerade wichtig ist, dass die Eltern den Umgang mit diesen speziellen Eigentümlichkeiten des Kindes, eigentlich auch damit zu leben und ihnen gerecht zu werden, das auch überhaupt zu verstehen, überhaupt, was geht in meinem Kind vor? Da ist es sehr wichtig, sich Zeit für die Eltern zu nehmen. Und dann stehen auch die Eltern auch zeitlich im Fokus. #00:27:49-2#

Anne Wasmuth: Also dann auch der Ansatz, ja das ist weniger eine Krankheit, sondern einfach eine besondere Persönlichkeit, mit der man einfach auch lernen muss, dann umzugehen, oder? #00:28:01-7#

Johannes Wilkes: Ganz genau das ist so die große Kunst, auch den Eltern das zu vermitteln, weil natürlich hat jedes Elternteil immer den Wunsch, mein Kind ist ganz normal, läuft alles ganz glatt und alles ganz gerade. Ja, das gibt es in der Regel nie, sage ich mal. Aber das ist immer so die Idealvorstellung, die man so hat. Auch die Kunst ist eben auch zu unterscheiden was kann ich durch Erziehung beeinflussen und was ,was liegt in meiner Macht und was liegt vielleicht nicht in meiner Macht? Und was ist vielleicht auch nicht sinnvoll, groß zu verändern, sondern eher günstiger, das zu akzeptieren? Auch nicht mein Fokus so zu legen auf die Schwächen, die mein Kind vielleicht hat, vermeintlich hat, sondern eher die Stärken zu sehen und er dort anzusetzen und dort zu fördern. Ich sage es mal extrem. Also wenn jetzt mal der Vater von Mozart, der angeblich hatte auch so eine leichte Legasthenie gehabt, der Mozart, wenn er jetzt sozusagen von einem Therapeuten zum anderen, gesagt jetzt fokussiere ich mein Leben lang auf diese Schwäche, dann wäre vielleicht aus ihm nie ein großer Musiker geworden, sondern das Talent zu erkennen und lieber die Stärken und die Talente zu fördern, das ist oft für die Persönlichkeitsentwicklung viel befriedigender und für die Eltern letzten Endes auch. #00:29:09-9#

Anne Wasmuth: Hm. Jede Generation hat ja so ihre eigenen Erziehungsmethoden. Also jahrzehntelang galt es in erster Linie, Respekt vor Autoritäten und Gehorsam zu vermitteln. Dann, in den 1960er Jahren mehr so die Gegenbewegung der antiautoritären Erziehung. Schlagwort unserer heutigen Zeit ist eher bedürfnis- oder bindungsorientierte Erziehung. Also es geht darum, den Kindern auf Augenhöhe zu begegnen, sie einzubeziehen und Liebe und Zuneigung nicht an Bedingungen zu knüpfen. Kritisch wird es dann, so kann man in der Literatur lesen, wenn Bedürfnisorientierung zu grenzenloser Wunschorientierung wird oder Bindung mit permanentem Kontakt zwischen Kind und Eltern. Mittlerweile haben ja schon Grundschüler Smartphones überbehütete Kinder, Smartphones, Soziale Medien. Sind das so Schlagworte, die so allgemein, wo man sagen kann, die sind jetzt schuld, an allen psychischen Problemen, die unsere Kinder und Jugendlichen haben? #00:30:12-8#

Johannes Wilkes: Das wäre sicherlich eine Verkürzung, aber die Tendenz ist tatsächlich so diese bedürfnisorientierte Erziehung, dass viele davon angetan sind, viele Eltern das auch umsetzen wollen. Wobei natürlich auch immer sehr abhängig ist, welche Erfahrung hat man selbst in der Erziehung genossen? Ist das jetzt so eine Gegenbewegung? Habe ich sehr autoritäre Eltern gehabt, hat mich immer gestört. Ich will es jetzt ganz anders machen und schieße aber über das Ziel hinaus. An sich ist diese bedürfnisorientierte Erziehung an der Stelle eine sehr sympathische Form der Erziehung. Das heißt nicht, dass man an Autorität verliert, das ist nicht Laissez-Faire, sondern das ist ein Eingehen auf das Kind um zu versuchen, die wichtigen Entscheidungen dem Kind plausibel zu machen. Warum mache ich das Ganze, dass das Kind das jetzt nicht einfach nur akzeptiert, weil es jetzt mal so von den Eltern kommt, sondern dass sie auch die Gründe der Eltern nachvollziehen können. Dann ist es für die Kinder letzten Endes einfacher, das auch zu akzeptieren, weil es merkt, das ist keine Willkür, sondern es ist der Versuch, auch dem Kind vermittelt, es ernst zu nehmen. Wie du sagtest, auf Augenhöhe mit dem Kind zu kommunizieren, das kostet Zeit. Und es ist zunächst ja, wenn man es eine Weile gemacht hat, dann lohnt sich das Ganze, weil das Kind das versteht und man letzten Endes auch wieder viel Zeit sparen kann durch die ganze Geschichte. Aber es ist etwas, was natürlich auch auch eine Herausforderung ist, was man manchmal auch erlernen muss, was nicht jeder in gleicher Weise kann. Da lohnt es sich auch mal auch ja vorbereitet zu sein, entsprechend auch mal einen Kurs zu machen in dieser Richtung und so sein eigenes Handeln auch mal auch zu reflektieren. Denn ich meine, wir werden auf alles, Führerschein brauchst du fürs Auto, wir werden auf alles, Kinder sozusagen, kriegt jeder Und jetzt mach mal. Man ist eigentlich nicht unbedingt so darauf vorbereitet, auf all die Herausforderungen, die auf einen zukommen. Das ist, denke ich, wichtig, dass man sagt, Mensch, wenn ich merke, ich bin selbst unsicher dabei, ich hole mir die Hilfe und ich will gerade einfach nicht autoritär erziehen, aber ich suche doch einen Weg, dass mir die Kinder auch nicht auf der Nase rumtanzen, ja, sich da entsprechende, sozusagen auch Support zu holen und solche Angebote wahrzunehmen. Ja, und das mit den Medien, das ist, natürlich ist das natürlich für heutige Eltern eine riesen Herausforderung. Ich meine, kaum ein Thema wird mehr diskutiert, auch wenn man bei Elternabenden ist, ja Smartphone. Wie machst du das? Ja, wie soll der Umgang gemacht werden, auch mit den sozialen Medien? Australien hört man jetzt, will die sozialen Netzwerke bis 16 Jahre ganz verbieten und erst ab 16, weil man merkt, das läuft so nicht. Schulen zum Beispiel auch die, alle so eher iPad Klassen, was heute so gemacht wird. Skandinavische Länder fangen schon wieder an, das völlig wieder abzuschaffen, weil sie sagen das führt zu nichts. Und so Medienkompetenz erwerben sich die Kinder alleine schon zu Hause, da brauchen wir gar nicht so einen Schwerpunkt setzen. Es kommt bei uns auf ganz andere Sachen an, auf das Miteinander und das soziale Lernen und das kann ich, vor so einem Computer kann ich das nicht so lernen, wie ich das vielleicht ganz anders so 3D in der Realität, wie man es früher gemacht hat, getan hat. Ich habe es erlebt, dass es für Eltern eine ganz große Hilfe sein kann, von Eltern von Schulkindern, wenn man sich auch einigt innerhalb der Schule auf bestimmte Standards, die auch verbindlich sind, um nicht diese dauernden Kämpfe zu haben. Auch dabei wie viel Zeit, was darf ich denn überhaupt. Das sind alles sehr fruchtbare Sachen, wenn man auch diese, diese Mediengeschichten auch zum Thema in den Schulen macht, mit der ganzen Schulfamilie und sich da auf bestimmte Standards einigt, das ist dann oft bisschen leichter, kann man sich auch mal durchaus mal hinter verstecken, hinter Wissen, verschlüssen und sagen, alle anderen auch nur eine halbe Stunde am Tag und nicht länger. Ich denke, es ist wichtig, dass die Eltern auch da zusammenhalten und versuchen, Standards zu definieren. Vereinfacht vieles. #00:34:05-3#

Anne Wasmuth: ja, vor allem auch die eigene Vorbildfunktion bei der Nutzung vielleicht auch zu reflektieren. #00:34:13-3#

Johannes Wilkes: Wichtiger Punk dabei. Ich sage mal diese schöne Handy Garage, die man so eine Familie hat. Ich sage auch das hilft jetzt gar nichts, wenn Sie jetzt Ihrem Jugendlichen das Smartphone wegnehmen wollen und Sie selbst hängen dann immer davor. Also da ist die Vorbildfunktion, ab einer gewissen Uhrzeit die Dinger einfach in diese Handygarage zu schieben, ja, für jeden sichtbar und die sind dann ab einer gewissen Uhrzeit einfach mal aus. Ja, da war er. Aber das ist klar das Vorbild, Vorbilder wirken immer viel stärker als Vorsätze und die stärksten Vorbilder sind weiterhin die Eltern. Man fragt ja immer wieder, an wem orientierst du dich denn? Das sind doch auch auch die Influencer nicht, das stärkste Vorbild ist und bleiben die Eltern und das ist auch gut so! #00:34:57-4#

Anne Wasmuth: Das hätte ich jetzt tatsächlich gar nicht so gedacht, also im bestimmten Alter hätte ich mehr auf die Peergroup gesetzt, dass die stärkere Bedeutung noch hat. #00:35:06-1#

Johannes Wilkes: Das ist tatsächlich auch klar nach Lebensphase, ein bisschen Unterschiede gibt es. Die Kinder müssen sich ja dann, auch wenn sie in die Pubertät kommen, auch bewusst ein bisschen abgrenzen von den Eltern und müssen ihre eigenen Wege finden und können sich nicht immer orientieren. Aber es ist auch dieses innere Bild, was wir von den Eltern haben. Das ist ja nicht immer nur so in der Gegenwart. Es wird ja geprägt von den ganz frühen Jahren her, und das trage ich in mir. Das ist etwas, was mir auch, so eigentlich wo da immer so die Frage im Raum steht, was würde jetzt, was würde meine Mutter tun, was mit meinem Vater in der Situation tun? Und das ist geprägt durch dieses ganze Erleben Wie gehen die Eltern miteinander um, wie sind sie mit mir umgegangen, wie gehen sie weiter mit mir um? Das bleibt einem, das bleibt einem selbst als Erwachsenen noch, wenn man ausgezogen ist und längst nicht mehr unter der permanenten Aufsicht der Eltern steht, ist dieses innere Bild, was wir von unseren Eltern haben, das ist präsent und prägt uns weiter. #00:36:01-0#

Anne Wasmuth: Ich habe neulich gelesen, eine Expertenkommission des Fachmagazins "Lancet Psychiatry" hat die Warnung vor einer globalen psychischen Gesundheitskrise Heranwachsender ausgesprochen. In Deutschland sind es besonders Teenager, ganz besonders die weiblichen, die statistisch auffallen. 2022 lag die Zahl der 15 bis 17 jährigen Mädchen mit einer Angst oder Essstörung jeweils ungefähr 50 % höher als vor der Pandemie. Du hast es vorhin ja auch schon erwähnt, welche Rolle das spielt. Auf dem Markt gibt es Bücher zu kaufen, die Titel tragen wie "Generation Lebensunfähig" oder "Generation Angst". Wissenschaftler sehen die Betrachtung teilweise als zu einseitig. Was ist so deine ganz subjektive Beobachtung aus dem Berufsalltag? Sitzt vor dir eine Generation lebensunfähig oder Generation Angst? #00:36:53-7#

Johannes Wilkes: Das würde ich so generell nicht sagen. Gott sei Dank. Auch wenn, die Trends werden manchmal dann auch überspitzt und so, als wäre die ganze Generation jetzt lebensunfähig und depressiv und mit Ängsten durchsetzt. Das ist natürlich nicht der Fall. Und Gott sei Dank gibt es ganz wunderbare, auch Verläufe von Kindern und Jugendlichen, die da auch sehr aktiv sind, die sich unheimlich einbringen, die viel tun, die auch versuchen, aufkommende Ängste bewusst sozusagen, da was dagegen zu setzen. Denn was hilft denn gegen Ängste? Gegen Ängste hilft im Grunde immer Aktivität, wenn ich weiß, ich kann etwas machen, ich habe Möglichkeiten, ich stehe da nicht so hilflos dem Ganzen gegenüber. Als Beispiel jetzt diese "Friday for Future"-Bewegung. Die machen sich Gedanken, die jungen Leute ganz besonders und so, in welcher Welt leben wir denn dann mal irgendwann in 10, 20, 30 Jahren. Und was ist jetzt notwendig? Was müssen wir jetzt verändern? Wenn ich mit diesen Ängsten so ganz alleine bin und dann versinke ich in Weltschmerz und denke ich, na ja, ich weiß, ich bin so ein kleines Würstchen, ich kann eh nichts machen, das überschwemmt mich alles mal. Dann kann ich tatsächlich in so depressive Zustände kommen. Aber wenn ich mich zusammenschließt, wenn ich weiß Mensch, da geht es. anderen, geht es genauso. Lass uns was machen. Lass uns anfangen. Ganz konkret durch Maßnahmen. Nicht nur, dass man auf die Straße geht, sondern auch sein eigenes Leben reflektiert, was kann man ändern? Dann hat man die Chance, sozusagen aus dieser Passivität rauszukommen und dann doch so ein Gefühl zu entwickeln, jawoll, wir können es ja doch selbst in die Hand nehmen. Dabei das Schicksal, das ist kein Schicksal, wo ich, wo ich dem hilflos gegenüberstehe, sondern in mir, trage ich auch Kräfte, die muss ich entwickeln, das schaffe ich nicht alleine. da muss ich mich auch zusammentun, irgendwas zu erreichen. Und es gibt ja, wir haben ja so wunderbare Jugendliche, die sich auch sozial engagieren, die vieles machen, ob das im Tierschutz ist, oder ob die da ein freiwilliges soziales Jahr machen wollen und sagen, ich will mich einsetzen für das und jenes. Das Bedürfnis von den Jugendlichen was zu machen und und und wir müssen sie bloß auch lassen und müssen in diese Möglichkeit schaffen. Das ist die Aufgabe, die wir Erwachsene haben. Und das wird manchmal zu wenig gesehen, dass wir immer sagen, ach, oder zu viel abnehmen und sagen, ach, das macht das mal besser nicht und so mache ich lieber den bequemeren Weg. Das ist eben das Unding. Man sollte die die Jugendlichen eher ranlassen und sagen, macht einfach, probiert euch aus, auch was Jobs angeht und was immer, Fangt früh genug damit an, macht Lebenserfahrungen. Da ist man vielleicht insgesamt eher so ein bisschen ja, so na ja, ein bisschen auf Watte packen und das regeln wir schon alles für dich, zu viel abnehmen. Das führt natürlich gerade eher zu Unselbstständigkeit und letzten Endes auch zu Unzufriedenheit bei unseren Leuten. #00:39:38-7#

Anne Wasmuth: Ich finde das total schön, dieses positive Bild, was du von dieser Generation zeichnest, die zuletzt eher, ich sag mal negativ auch in den Medien weg kam als Wähler der AfD, was einen ja schon erstaunt und dem diesem Bild, was du jetzt zeichnest, entgegentritt. Und wenn ich mir so den Kontext ansehe, den wir auch gesellschaftlich haben wir leben ja einfach in einer Zeit vielfältiger Krisen. Also wir haben Kriege. Wir Menschen verschließen uns vor den klimatischen Veränderungen und leben einfach so weiter, als wenn nichts wäre. Also im Gegenteil, Populisten feiern Wahlerfolge, extreme Nationalisten. Die Gesellschaft ist ja eigentlich eher hoffnungslos und reagiert mit Verdrängung und auch durch die Wahl, einfache Antworten. Da kann ich ja auch nicht einfach sagen alles wird gut. Welche Möglichkeiten hast du da als Mediziner und als Therapeut? #00:40:33-5#

Johannes Wilkes: Ja, das ist natürlich diese Möglichkeiten. Bei uns ist das ja immer sehr individuell, Das heißt, wir nehmen, fast, leider muss man sagen, auch wenig Einfluss sozusagen auf gesellschaftliche Entwicklungen, auch auf das wichtige Gebiet der Prävention. Wir versuchen das schon auch durch entsprechende Fortbildungsveranstaltungen und auch eben zu Elternabenden gehen, dass wir informieren. Also wir werden immer wieder, auch ich persönlich eingeladen und das ist mir auch ein wichtiges Thema, dass man nicht immer nur da ansetzt, wo das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, sondern eben um auch bestimmte Dinge, also was, was tut unseren Kindern gut, was brauchen sie eigentlich und wie können wir als Eltern unseren Kindern das möglichst vermitteln? Nicht nur der Umgang mit den Medien ist ein wichtiges Thema. Es geht um ganz, ganz andere Dinge, auch Persönlichkeitsreifung. Was für Dinge sind da wichtig? Worauf muss ich achten? Ich denke, das ist aber, was du zu Recht sagt es ist eigentlich immer, das wird ein bisschen stiefmütterlich weiterhin behandelt, wir gucken immer was, bis was passiert und dann versucht man dem Einzelnen zu helfen in diesem Schicksal. Aber was können wir machen, damit es überhaupt gar nicht dazu kommt? Ja, dieser wichtige Präventionsgedanke da müsste man viel stärker ansetzen, und das können wir natürlich als Ärzte oder als Kinderpsychiater nicht alleine. Das ist gesamtgesellschaftliche Aufgabe, wo man sehr früh anfangen muss, gerade bei Eltern, die auch noch kleine Kinder haben, wo es nicht so viel, sagen wir mal, nicht so viel passiert ist, aber sehr viel passieren wird, dass man diese Eltern stärkt und und sicherer macht in ihrer Elternrolle. #00:42:02-5#

Anne Wasmuth: Und wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, welche Therapieansatzmöglichkeiten hast du dann? #00:42:09-9#

Johannes Wilkes: Ja klar, es hängt ein bisschen vom Störungsbild ab. Es gibt natürlich, dass es, so der Klassiker, die ambulante Psychotherapie, wo das Kind dann oft anfangs mal wöchentlich, dann noch später dann auch in größeren Abständen kommt, wo man mit dem Kind zentral arbeitet, die Eltern natürlich nicht vergisst und auch mit einbindet, so sind Therapien. Das ist so der klassische Ansatz, den wir verfolgen, gibt aber auch darüber hinaus eben auch was, du hast das mit dem Netzwerk zu Recht angesprochen, dass man auch versucht Kontakte aufzunehmen, dann, wenn das notwendig ist, wenn zum Beispiel Schulprobleme eine Rolle spielen. Wie kann ich jetzt zum Beispiel, wenn ich ein Kind hat, das überhaupt nicht mehr zur Schule geht, Ja, sage ich mal, aus irgendeinem Grund, verweigert die Schule, nimmt extrem zu, also jede Schule kann da heute schon ein Lied singen. Fast in jeder Klasse gibt es das. Wie kann es gelingen, dieses Kind wieder hinein zu führen, wieder einzugliedern in den Schulunterricht? Da gibt es auch entsprechende Modelle, die wir dann versuchen mit den Schulen zusammen umzusetzen. Dass man sagt na, jetzt versuchst du es erst mal zwei Stunden, dass da überhaupt mal ein Rhythmus reinkommt und die ersten Unterrichtsstunden hingehst. Oder dass man Notenbefreiung macht, für eine gewisse Zeit. Dass das Kind wieder diese, wieder Vertrauen zur Institution Schule gewinnt, auch zu den Freunden dort, solche Konzepte umzusetzen. Also da muss man auch wieder diesen Netzwerkgedanken, ist wieder ganz entscheidend, um dem Kind helfen zu können. Das alleine ist es manchmal auch nicht ausreichend, eine Psychotherapie alleine, je nachdem welche Situation vorliegt, muss man auch da weiter greifen und andere mit ins Boot nehmen. #00:43:39-8#

Anne Wasmuth: Was können wir selbst tun als Umfeld, um bei anderen Krisen nicht noch zu befördern? #00:43:49-6#

Johannes Wilkes: Ich denke, das ist, das ist ein sehr wichtiges Thema, der Solidargedanke auch, dass wir uns verstehen, wirklich als Menschen, die einfach füreinander da sind, helfen. Das geht los in der Nachbarschaft, dass man so eine Achtsamkeit entwickelt, auch für Menschen, denen es nicht so gut geht. Ich kenne vorzügliche Lehrer, denen das gelingt, Kinder, denen es nicht so gut geht, aus verschiedenen Gründen, die zu integrieren in die Klassengemeinschaft. Ich kann mich erinnern an hervorragenden Grundschulrektor, der, wo unsere Kinder damals die Grundschule in Erlangen besuchten. Da kam ein Junge neu in die Klasse, der zu einer Pflegefamilie geschickt worden ist. Der kam eigentlich aus Norddeutschland war plötzlich bei einer Pflegefamilie und es war alles erst mal für ihn ganz fremd und anonym. Und er war auch vom Verhalten her sehr auffällig. Und dann hat er, der Rektor, nur einen Elternabend gemacht mit den anderen Klasseneltern, um darauf hinzuweisen, dass da jetzt ein Kind kommt, das große Probleme hat bislang, dem es noch nicht so gut geht und alle aufgefordert zu gucken, was kann man den machen, denn mal einzuladen und zu integrieren, zu helfen? Das hat wunderbar geklappt. Es war wunderbar. Es war ein ganz großer Solidargedanke da. Die Menschen helfen veil, also viel lieber, als man sich das vorstellen kann. Den ist oft gar nicht so viel gleichgültig. Man muss das bloß mal ansprechen und mal darauf zugehen und das hat dieser Rektor getan und deswegen hat das funktioniert. Ich denke, wenn er es nicht getan hätte, dann würde das Kind schnell isoliert werden und es wäre vielleicht gescheitert das Ganze. Also das meine, dieser, diesen Solidargedanken zu haben und auch nicht so ängstlich zu sein, wenn die Kinder mal jemand einladen wollen, den kennen wir vielleicht nicht so gut und den lassen wir besser zu Hause, oder der ist vielleicht ein bisschen hyperaktiv und springt ein bisschen rum. Wer weiß, wie meine Wohnung hinterher aussieht, wenn du den mitnimmst, dass man auch da ein bisschen gelassener wird und auch Kindern, den merkt ja, vielleicht ein paar Probleme, aber versuchen wir auch zu integrieren, einzuladen und denen zu helfen, auf diese Weise ja, auch nicht so ängstlich zu sein, unsere eigenen Kinder auch mal Wege gehen zu lassen, die vielleicht ja, wo wir sagen Mensch, ja, also welche Kinder dürfen am Nachmittag noch rumlaufen draußen und so? Die meisten, du hast es angesprochen, die werden zum Teil auch schon getrackt, damit man genau weiß, wo läuft man gerade mal wieder rum. Furchtbare Entwicklung. Ja, kenne auch das andere, dass Kinder ihre Eltern tracken, auch das habe ich schon erlebt, mit dabei, also ich denke einfach Mut zu haben, auch nicht zu wissen, was gerade läuft, ja. Das ist so, weil diese Verfügbarkeit, dieses wissen könnens verführt auch dazu, das immer auszunutzen. Man kommt dann so eine Spirale rein und macht sich auch davon abhängig, können das gar nicht mehr aushalten, dass man mal vielleicht mal eine Zeit lang nichts gehört hat. Also Schullandheim, zum Beispiel für viele ein Problem, wenn dann die Smartphones abgegeben werden, dann denke ich "Um Gottes willen, jetzt weiß ich eine Woche lang nicht, was mein Kind macht", mit dabei, furchtbare Vorstellung. Das meine ich eben, auch selber sich mal, sich mal zu reflektieren, mal zu gucken als Eltern, muss ich denn immer alles so ganz genau wissen, ist es nicht vielleicht sogar auch ganz gesund für das Kind, mal eigene Erfahrungen sammeln zu können, ohne dass ich von denen sofort immer alles erfahre? #00:47:07-1#

Anne Wasmuth: Ich finde das herrlich, ganz ehrlich. Ich kann es mir kaum vorstellen von dem, was du mir hier so über den, wir sind per Bildschirm verbunden, ausstrahlst, das es dir überhaupt mal schlecht geht, aber du bist ja trotzdem in einem Beruf, in dem du ständig mit Krisen zu tun hast. Was hilft dir, selbst gesund zu bleiben, nicht in Depression zu verfallen? Was gibt dir Kraft? #00:47:36-1#

Johannes Wilkes: Der Austausch ist natürlich schon mal ganz wichtig, auch mit Kollegen und der Intervision, dass man sich über doch, über wichtige Punkte auch immer wieder austauschen kann, dass man nicht alleine ist. Das ist halt in der Klinik ist das normal und sicher, da hat man seine ganzen Kollegen ständig um sich und so muss man auch da ein gesundes Freundes-Kollegen-Netzwerk auch haben, was einen auch trägt und hilft. Auf der anderen Seite braucht man auch einen Ausgleich dazu. Das ist ja vielleicht wieder der Bogen zum Schreiben, dass man wirklich etwas hat, was einen so erfüllt, dass man ja eine andere Welt, wieder in eine andere Welt eintauchen kann, die einem hilft auch das ganze Leid, was man natürlich tagtäglich mitbekommt und so dann auch hilft, auch besser zu ertragen. #00:48:18-4#

Anne Wasmuth: Du hast, Gott sei Dank, den Ball direkt aufgenommen. Deshalb noch eine Frage um die Brücke zum Schreiben zu spannen. Was löst der Aufenthalt in einem Strandkorb in dir aus? #00:48:32-2#

Anne Wasmuth: Das ist jetzt eine sehr, sehr nett formulierte Frage. Da war der Strandkorb. Ja, dieser Strandkorb, du weißt ja, wo er steht, er steht natürlich auf der Insel Spiekeroog. Und auch das ist natürlich auch für die Psychohygiene etwas sehr wesentliches, dass man seine regelmäßigen Rituale auch in der Freizeit pflegt, ja, und das Meer und der Strand und speziell die Insel Spiekeroog hat tatsächlich eine sehr, sehr große Bedeutung in meinem Leben und auch sehr heilsame Wirkung. Autofrei. Und man ist völlig allein und man sitzt dann da in seinem Strandkorb. Nur das Wellenrauschen und sonst nichts. Und das der anderen Seite entstehen dort, wenn ich da sitze, in diesem Strandkorb von Spiekeroog, entstehen dann auch wieder interessante Phantasien. Wenn es so friedlich um einen herum ist, dann kriegt man plötzlich das Gespür dafür, irgendwas könnte doch passieren. Irgendwo könnte doch eine Leiche vielleicht herumliegen. Warum liegt sie dort? Und was sind die Hintergründe? Hier kommt die nächste Geschichte wieder. Ich schleiche dann ums Eck um den Strandkorb herum. Dann hat sie ein wieder. #00:49:36-9#

Anne Wasmuth: Jetzt kommt doch noch die morbide Persönlichkeit des Johannes Wilkens hier zum Vorschein. Wie bist du zum Schreiben gekommen? Auch im Strandkorb, oder wie war das? #00:49:49-1#

Johannes Wilkes: Ja, die ersten Bücher. Tatsächlich. Das waren eher so fachliche Sachen, die ich geschrieben hatte und so auch der Zusammenhang Literatur und Psychotherapie sehr interessiert hatte, ich dann auch mal so nach Büchern geguckt habe, die auch für, für mich von großer Bedeutung waren. Kinderliteratur auch mit durchaus ganz wichtigen Ansätzen, auch therapeutischen Ansätzen, die man auch, Literatur kann man ja nutzen, das wissen wir nicht nur durch das Buch "Kinder brauchen Märchen" von Bruno Bettelheim, dass man weiß, dass auch Märchen sehr heilsame Aspekte haben. So fing ich an, also mich damit ein bisschen näher zu beschäftigen und habe, am Anfang war ich noch an der Uniklinik tätig, für Fachmagazine geschrieben über diese Wechselbeziehung. Dann haben mich andere Dinge fasziniert, die ich hier in Erlangen, meiner neuen Heimat, kennengelernt habe, unter anderem das tragische Schicksal des Dichters und Sprachgelehrten Friedrich Rückert, der zwei Kinder verloren hat, unter dramatischen Bedingungen, die waren erst drei und fünf Jahre alt. Und wie der mit seiner Trauer umgegangen ist um diese Kinder und wie er das durch Gedichte bewältigt hat, auch die Phasen der Trauer. Das hatte ich alles mal so niedergeschrieben und das hat mich sehr bewegt und habe aber gemerkt, ich will nicht immer nur für Fachzeitungen schreiben, weil man schreibt man ja ganz anders und im wissenschaftlichen Ton, sondern das sind alles Menschheitserfahrungen, die ich vielleicht auch anderen mitteilen möchte. Und so sind dann erste Bücher entstanden, die sich eher mit solchen Fragen beschäftigt haben. Auch speziell habe ich noch mal geguckt, was gibt es in Erlangen, was gibt es in Nürnberg, Fürth, drumherum? Bin da, also auch für mich sehr interessante Sachen gestoßen. Und die habe ich dann mal so niedergeschrieben. Und der erste, die Krimis dann, ja die Krimireihe, die begann tatsächlich auf Spiekeroog, ja. Das also, dass Krimis schreiben, das ist eine interessante Geschichte, weil man durch das Medium Krimi manchmal auch Themen transportieren kann, die man sonst vielleicht so nicht unterkriegen würde. Da habe ich auch mal über diesen Friedrich Rückert zum Beispiel mal einen Krimi geschrieben, "Der Fall Rückert", weil es ist so ein interessanter Typ gewesen dieser Rückert und ich denke mal, na ja, wenn du da jetzt eine Biografie über den Rückert schreibst, ja, das interessiert keinen, aber wenn du schreibst, jetzt einen Krimi über ihn, einen Krimi lesen die Leute lieber und dann kannst du vielleicht über den Rückert doch manches Interessante erzählen, erreichst vielleicht auch ein größeres Publikum,wenn du's auf diese Weise probierst. Ist tatsächlich dann auch so gewesen. Also manchmal steht da auch so diese Intention im Vordergrund ist so ein Thema, sich dem zu nähern, aber über den Umweg von einigen Leichen natürlich. #00:52:25-7#

Anne Wasmuth: Ein Rezensent hat deinen Schreibstil als "Infotainment" beschrieben, also darin würdest du dich dann auch wiederfinden? #00:52:32-8#

Johannes Wilkes: Teilweise gerade was die Sachbücher, die populären Sachbücher so angeht, dass das sicherlich und so beim Krimi, ja vielleicht auch, bei diesen Sachbüchern über das schöne Frankenland, also ich bin total verliebt in dieses schöne Frankenland und habe so ein bisschen was über das Frankenland mal schreiben können und dürfen. Und das ist schon so, dass ich versuche, Informationen aber doch auf eine unterhaltsame Weise rüberzubringen. Ob es mir immer gelingt, das weiß ich nicht, aber der Versuch ist auf jeden Fall da, weil ich sage mal, das Leben, wie du gesagt hast, ist manchmal schon sehr ernsthaft und sehr trocken und manchmal auch wirklich ein bisschen, ja. Und da ist es auch wichtig, dass auch der Humor und das Lachen nicht zu kurz kommen, weil das weiß man natürlich, dass nichts besser therapeutisch wirkt, als der Humor, ja. #00:53:20-0#

Anne Wasmuth: Ja. In Dortmund geboren. Wahlfranke. Wie ist es dann, ein Frankenbuch zu schreiben? Haben das die Franken akzeptiert? Wie waren die Reaktionen? #00:53:30-6#

Johannes Wilkes: Die lachen sich tot darüber, was der Westfale so über die Franken denkt. Also nein, aber, aber kritisch wird es immer dann, wenn ich anfange, auf den Dialekt einzugehen oder so, dann geht es natürlich 100%ig schief, das ist klar. Aber ich meine, das geht uns allen ja so, dass wir, wenn wir irgendwo neu hinkommen, man sieht die Sachen mit anderen Augen, ja, dass selbstverständliche ist, plötzlich nicht selbstverständlich. Was für einen Franken selbstverständlich ist, da reflektiert er ja gar nicht drüber, das ist halt so, und wenn du von woanders herkommst, siehst du das dann doch, das Besondere, vielleicht auch das, was die Gegend besonders macht und die Menschen besonders macht und ja, da hat man einen anderen Blick dafür. Nein, also bisher habe ich, Gott sei Dank, noch keinen Shitstorm geerntet, was das angeht. Im Gegenteil, also da werde ich immer besonders gern eingeladen, auch zu Lesungen aus dem Frankenbuch und da noch ein bisschen was zu erzählen und auch mal so, was der Dialekt über den Charakter des Franken besagt und solche, solche Überlegungen, die man sich dann macht. Aber ich muss auch ehrlich sagen, ich habe mich hier noch keinen Tag gelangweilt im schönen Frankenland, also insofern fällt mir das auch leicht, hier auf Entdeckungsreise zu gehen, gerade weil es auch wunderschöne Städte sind, wunderschön und es gibt viel, viel zu entdecken. Ich glaube, der Stoff geht mir da nicht aus. #00:54:50-0#

Anne Wasmuth: Ja. Wie hast du dir das Schreiben dann angeeignet? Du hast ein bisschen erzählt, wie du reingekommen bist. Hast du das jetzt auch über die letzten zehn Jahre so für dich auch reflektiert, oder Workshops besucht, oder deinen Anspruch auch irgendwo verändert an dein eigenes Schreiben? #00:55:11-4#

Johannes Wilkes: Also es springen ja manchmal andere Dinge an und es ist also unterschiedlich, auch von den Themen, die, also für mich ist es immer wichtig, dass ich selber Spaß daran habe und dass es mich unheimlich interessiert das Thema. Es ist ganz schlimm, wenn ein Verlag auf mich zukommt und sagt zu dem und dem Thema hätten wir gerne irgendwas. Ist nicht so meine Sache, weil ich gerade die Freiheit brauche. Und das ist ja gerade das auch, du hast es schon angesprochen, der Ausgleich zum Beruf. Der Beruf, der bringt einen so ins feste Geschirr, man muss sehr diszipliniert sein und ich freue mich eigentlich, beim Schreiben nicht so diszipliniert sein zu müssen, sondern das machen zu können, was mich selbst interessiert. Habe auch schon mal auch auf Fachbücher natürlich, auch was geschaut, Elternratgeber geschrieben und so "Der kleine Kindertherapeut" oder "Der kleine AD(H)S-Therapeut", weil es mir wichtig war, mal was für Eltern auch zu schreiben, aber das sind eher die Ausnahmen. Das sind andere, sind eher so, so Dinge die ich, ich reise sehr gerne, ich fahr sehr gerne mit dem Fahrrad, das ist auch ein Ausgleich, die Natur, unterwegs sein und so sind auch da eine Reihe von Reisebüchern entstanden, die eigentlich keine klassischen Reiseführer sind, sondern eher Erlebnisberichte von diesen Reisen, Busreiseführern. Und das nicht nur in Franken sondern ganz Deutschland, wo ich dann Gegenden abgeradelt bin, unter anderem in meiner Heimat, dem Ruhrgebiet, wo ich dann mal die Emscher entdeckt habe, den Emscher. Das ist die Kloake des Ruhrgebiets, ausgebuddelt vor ein paar Jahren, und versucht wieder so ein grünes Flüsschen draus zu machen. Wo ich da ganz gerührt war, in Dortmund, ich wusste nie, wo fließt die Emscher eigentlich lang und auf einmal hat man es ausgebuddelt und und ich sehe dich dann ein kleines Flüsschen, du Emscher dort. Da bin ich mit einem Freund zusammen damals 100 Kilometer abgeradelt und habe einiges über das Ruhrgebiet und auch Kindheitserinnerungen und solche Dinge niedergeschrieben. Das ist das Mal, oder mit Freunden zusammen haben wir mal, das war auch so eine verrückte Idee, da sind wir mal den Aldi-Äquator lang geradelt, also nicht geradelt, mit Autos haben wir es gemacht. Deutschlands letzte real existierende Grenze ist ja zwischen Aldi Nord und Aldi Süd, wo die so zusammenstoßen. Das ist so der Aldi-Äquator. Und da haben wir uns viele Gedanken gemacht. Sind von Aldi Nord zu Aldi Süd Filiale gefahren, so von Ost nach West bis nach Holland, von Tschechien bis nach Holland und haben verschiedene Aldi Märkte besucht und uns Gedanken gemacht über Einkaufen, heute und damals. Und das war auch so eine etwas verrückte Idee, wie man kommt. Und ja, diese Krimis, das ist dann, das verselbstständigt sich dann ist da so ein Ermittler, der Mütze, Kommissar Mütze mit seinem Freund, Karl Dieter, der hier erfolgreicher Bühnenarbeiter in Erlangen ist. Manchmal weiß ich selber nicht genau, existieren die beiden, oder existieren sie nicht, weil jetzt schon einige Bücher entstanden sind. Und dann bekommt das so seine eigene Dynamik auch wieder dann irgendwann die Lebensgeschichte und und und dann wollen auch viele Leser wissen wie geht es denn jetzt weiter mit denen und was machen die, was stellen die dann jetzt so an? Und dann juckt es mich, hin und wieder dann doch mal wieder einen neuen Band zu schreiben auch dazu. Aber es ist alles nie so, es folgt eigentlich keinem ganz klaren Plan, sage ich mal, sondern es ist, ich brauche auch eine gewisse Flexibilität. Und der letzte war jetzt einzelne Liebesgeschichten aus Franken, weil ich dachte, jetzt kann man nicht immer nur morden, jetzt muss man sich auch mal mit der Liebe beschäftigen und dann haben wir mal gesammelt, was es da in 2000 Liebesgeschichten aus 2000 Jahren, was für die schönsten oder ergreifendsten, tragischsten Liebesgeschichten aus dem Frankenland bis zur Moderne, mit einem Freund Michael Knies das ist ein Journalist im Nürnberger Land, mit dem ich auch schon vier Bücher jetzt gemacht habe. Da haben wir mal die Liebesgeschichten mal zusammengetragen. #00:58:49-7#

Anne Wasmuth: Oh, das ist sehr speziell. Ja dann Oeuvre sozusagen ist wirklich ganz breit aufgestellt und was mir raus gestochen ist und du sagst, du bist viel unterwegs und ein Titel ist, eines deiner Romane "Wie ich loszog, die Welt von Putin zu befreien". Ist es dir gelungen? #00:59:08-7#

Johannes Wilkes: Das wäre natürlich optimal, wenn das funktioniert hätte. Habe mich so aufgeregt. Das ist manchmal auch eine Motivation zum Schreiben, wenn man sich wahnsinnig aufregt. Also wir haben uns natürlich alle aufgeregt über den Typen da, was er sich da erdreistet. Und, aber wir haben auch einen persönlichen Grund, weil wir eine sehr intensive Partnerschaft hatten, Erlangen mit Wladimir bei Moskau gelegen und jedes Jahr russische Freunde zu Hause hatten. Immer die kamen zum Sprachkurs im Juli immer zwei Wochen bei uns und so viele nette Russen/Russinnen kennengelernt habe, auf diese Weise große Freundschaften entstanden. Das ist alles auch zerschlagen worden, natürlich durch den Krieg, wo keine Begegnung mehr möglich ist, hat mich das aufgeregt und dann habe ich gedacht, jetzt lässt du mal jemanden los. Einen Attentäter, der sich mal auf den Weg macht. Muss natürlich ein Russe sein, kein anderer darfs machen und so, der schon lange in Nürnberg lebt, wie der von Nürnberg aus loszieht, um, ja an Putin ranzukommen. Da ist man eigentlich drei Russen und einer von ihnen muss es machen. Die haben das dann so, russischen Roulette, so einer Variante des russischen Roulettes haben Sie es ausgekartet, wer es machen muss. Aber an Putin ranzukommen ist nicht so einfach, da braucht man schon ein paar Tricks. Das ist also, Grob mal der Inhalt dieses Romans ist es, die Welt von Putin zu befreien. Vielleicht als Gebrauchsanweisung zu verstehen. Ich würde mich freuen. Ich schreibe eine wunderbare Widmung rein, wem es gelingt, der kriegt von mir eine extra schöne Widmung. #01:00:33-6#

Anne Wasmuth: Man findet deine Bücher in der Stadtbibliothek, da bist du gut vertreten. Also ein Besuch lohnt sich. Und das auch immer wieder in Bibliotheken zur Lesung, was auch schon bei uns in der Stadtbibliothek zu Gast am Bildungscampus. Und ich frage mich Hast du schon das nächste Projekt auf dem Schreibtisch? Also genug. Despotendiktaturen, Kriegstreiber gibt es genug, aber vielleicht gibt es ja noch was anderes. #01:01:02-1#

Johannes Wilkes: Ja. Ja, es ist, es ist, also das Nächste, was, was ganz aktuell erschienen ist, das war, weil ich auch immer gern in Weimar unterwegs gewesen bin, von meiner Jugend auch, ich kenne Goethe rauf und runter, da ist dieser Kommissar Goethe entstanden. Und zwar hat Goethe festgestellt, dass man Schiller, seinen Freund Schiller, der viel früher gestorben ist als er, das der, dass man den ermordet hat, weil der, tatsächlich verbirgt diese Anekdote, dass er den Schädel von Schiller auf dem eigenen Schreibtisch stehen hatte mit, der Goethe und hatte mal den Freund sein, den Freundesschädel. Ein bisschen skurrile Geschichte schon. Also ich weiß nich, ich möchte nicht auf dem auf dem Schreibtisch meines besten Freundes mal landen. So ein Schädel ,also ich denke und und den hat er sich dann gut angeguckt, der Goethe und hat festgestellt, den hat jemand erschlagen. Jetzt macht sich der Goethe völlig entsetzt auf dem Weg, dieses, den ja, den Mörder zu jagen. Aber das ist gerade erschienen und du hast mich gefragt was kommt, also was kommen wird, ist tatsächlich mal wieder ein Erlangenkrimi im nächsten Jahr, Anfang nächsten Jahres. Und zwar ist Erlangen auch, was viele nicht so wissen, eine Nietzsche Stadt. Friedrich Nietzsche, der große Philosoph, hat also prägende Erlebnisse in Erlangen erfahren. Und zwar hat er hier eine Ausbildung gemacht zum Krankenpfleger. Ja, ja, ja, der war, da war der Krieg ausgebrochen, 1870 gegen Frankreich. Er war ein junger Professor in Basel, Schweiz, und wollte in den Krieg ziehen, fühlte sich patriotisch berufen, gegen die Franzosen zu kämpfen, aber die Schweizer haben gesagt Ja, das ist uns zu heikel, der Nietzsche und so, und dann gewinnen die Deutsche und dann Neutralität, Schweiz immer schon neutral, du darfst mitgehen, aber nur als Krankenpfleger. Dann hat er geguckt, wo kann man denn, keine Ahnung von Krankenpflege, wo kann ich das denn machen? Da ist er nach Erlangen gekommen. Das war ganz prägende Episode in seinem Leben, wo er dann losgezogen ist, die Kriegsfelder in Frankreich und das völlig überfordert war, mit diesem ganzen furchtbar, furchtbaren Elend, was er da erlebt hatte, kam dann, erkrankte selbst und kam als Patient zurück nach Erlangen. Und da ist jetzt dieser Fall Nietzsche, das wird das nächste sein, was im nächsten Jahr kommt. Da geht es dann also Mütze und Karl-Dieter müssen dann erst, sein Lehrstuhl wird dann neu besetzt und liegt dieser, kann der Favorit für diese, liegt in der Neischlgrotte. Das kann ich schon mal spoilern. Ich weiß nicht, ob du die Neischlgrotte kennst, das ist eine Grotte im Botanischen Garten in Erlangen. Die ist so als Tropfsteinhöhle nachgebaut, also sehr aufwendig, aufwendig, mit diesen ganzen Tropfsteinen da drin. #01:03:43-2#

Anne Wasmuth: Wir sind sehr gespannt und vor allen Dingen spannt das wunderbar den Bogen nochmal zurück zu deinem Arztberuf und deiner Praxis. Was ist da wichtiger, Fragen stellen oder zuhören? #01:03:55-8#

Johannes Wilkes: Ich sage mal, auch die richtigen Fragen zur richtigen Zeit zu stellen, das ist schon eine Kunst. Das Zuhören ist natürlich was eine wichtige Eigenschaft, ohne die geht es gar nicht. Wobei man manchmal auch, Kinder und Jugendliche nicht so gewohnt, auch über sich Auskunft zu geben. Sie haben, was vielleicht auch vernünftig ist, manchmal so ein gesundes Misstrauen auch jemand der ihnen völlig fremd erst mal ist, ja, warum soll ich dem was erzählen? Und da sind manchmal auch die Fragen ganz, ganz wichtig, auch die richtigen Fragen zu stellen, dass derjenige, der einem gegenübersitzt, auch das Gefühl hat, der versteht wirklich, versucht zu verstehen, was mich beschäftigt. Das ist schon das Frage, das Fragen, es steht oft, in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, oft am Anfang, aber dann eben auch mal, dann auch zuhören zu können, wenn was kommt, ja. Wenn das nicht gelingt, wenn wenn etwas auch vielleicht so ein bisschen chiffriert von den Kindern kommt. Nicht so explizit ausgesprochen, aber das ist auch zu dechiffrieren mit den Kindern zusammen, dass die wahre Botschaft, die dahinter steckt, die zu erkennen das ist, das ist eine Kunst. #01:05:09-2#

Anne Wasmuth: Eine Kunst. Und was ist schwieriger, anderen Fragen zu stellen oder selbst Fragen zu beantworten? #01:05:17-8#

Johannes Wilkes: Ja, ja. Ich weiß, die Fragen kommen natürlich. Und das ist auch nicht immer einfach. Auch wenn die Fragen von den Eltern ständig kommen und im Beisein des Kindes kommen. Und auch da muss man manchmal auf die Bremse treten und sagen, also jetzt mal nicht zu viele Fragen aussondern, das auch alles sortieren und langsam hintereinander. Also das kann man schwer pauschal sagen, aber die Fragen sind eher Routine. Deshalb gewöhnt man sich natürlich bestimmte Fragen an, als Arzt, als Therapeut, aber nie Routine sind die Antworten. Und da muss man aufpassen, dass man nicht was rauszuhören meint, was man schon oft gehört hat, wo doch ganz was anderes gemeint ist. Deswegen ist eigentlich, sagen wir mal, die Reaktion auf die Antworten und die Antworten richtig einzuordnen, das ist das Schwierigste. #01:06:08-3#

Anne Wasmuth: Eine wunderbare Antwort auf diese Frage und ganz viele wunderbare Beantwortungen auf die Fragen davor und vielen, vielen Dank, dass du dich darauf eingelassen hast, Rede und Antwort zu stehen. Einblick gegeben hast in, deinen beruflichen Alltag, in das, was dich umtreibt und das, was du tust. Vielen, vielen Dank, Johannes. Vielen Dank. #01:06:29-5#

Johannes Wilkes: Sehr gerne, Anne. Herzlichen Dank. #01:06:30-8#

Dieses Projekt/Diese Maßnahme/Initiative leistet einen wichtigen Beitrag, Nürnberg schrittweise inklusiver zu gestalten. Es/Sie ist Teil des Nürnberger Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Den Ersten Aktionsplan hat der Nürnberger Stadtrat im Dezember 2021 einstimmig beschlossen. Um die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in Nürnberg zu verwirklichen, wurden und werden umfangreiche Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Weitere Informationen finden Sie unter www.inklusion.nuernberg.de.

Der Kinder- und Jugendpsychiater über seinen sozialpsychiatrischen Praxisalltag, Elterntraining und seine Leidenschaft zum Schreiben.

Seit über 25 Jahren betreibt Wahlfranke Dr. Johannes Wilkes eine Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie in Erlangen. Themen der Folge sind die besondere Arbeitsweise seiner sozialpsychiatrischen Praxis, was den Unterschied zwischen einem Durchhänger von einer psychischen Krise ausmacht, Fragen bedürfnisorientierter Erziehung und der persönliche Blick des Therapeuten auf die „Generation Angst“ (US-Psychologe Jonathan Haid). Im Podcast gibt er tiefe Einblicke über den Zusammenhang zwischen aufkommender Mordlust und der Nordseeinsel Spiekeroog, warum Schreiben für ihn mehr als ein Hobby ist – und wie er es schafft, mehrere Bücher pro Jahr zu veröffentlichen. Außerdem verrät er, wem er eine ganz persönliche Widmung schreiben würde.

Foto: Sophia Wilkes

-------

Aufgenommen am: Montag, den 11. November 2024 
Veröffentlicht am: Donnerstag, den 12. Dezember 2024
Moderation: Dr. Anne Wasmuth
Im Gespräch: Johannes Wilkes

-------

Alle weiteren Folgen von KontaktAufnahme – der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg finden Sie hier. Jede Woche, immer donnerstags, veröffentlichen wir ein neues Gespräch.  

Wen sollen wir noch befragen - haben Sie Ideen und Anregungen? Oder möchten Sie Ihre eigenen „Glücksmomente“ (manchmal am Ende des Interviews zu hören) an uns schicken? Schreiben Sie uns an