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Peter Münch, wie leicht wird man wohnungslos?

Ansage: KontaktAufnahme. Der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg. #00:00:10-9#

Hannah Diemer: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge KontaktAufnahme. Mein Name ist Hannah Diemer und ich spreche heute mit Peter Münch von der Heilsarmee. Hallo Peter. #00:00:32-1#

Peter Münch: Hallo. #00:00:32-9#

Hannah Diemer: Ich freue mich sehr, dass Sie bereit sind, mit uns zu sprechen. Wir werden heute über Ihre Arbeit bei der Heilsarmee sprechen, was die Heilsarmee macht. Über Obdachlosigkeit, Obdachlosigkeit in Nürnberg. Ich würde Sie bitten, sich kurz vorzustellen. Wer sind Sie? Wie sind Sie zur Heilsarmee gekommen? Und was ist die Heilsarmee? #00:00:49-8#

Peter Münch: Also, mein Name ist Peter Münch. Ich bin Sozialpädagoge seit 33 Jahren, jetzt hier. dann auch bei der Heilsarmee in Nürnberg. Nicht mehr lange, ich gehe Ende des Jahres in Rente. Aber mach die Arbeit, wie gesagt, jetzt seit 33 Jahren. Ich bin an die Arbeit mit Wohnungslosen gekommen, wie die Jungfrau zum Kind. Ich habe in Mönchengladbach studiert. In der Zeit ist mein Schwiegervater schwer krank geworden. Der wohnt in der, oder hat in der Nähe von, oder, oder hat in Feucht gewohnt und das Anliegen meiner Frau war, irgendwo in die Nähe der Schwiegereltern zu ziehen. Und dann habe ich mich halt schwerpunktmäßig hier im Großraum Nürnberg beworben nach dem Studium und bin dann über diverse Kontakte auf die Heilsarmee gekommen. Ich hatte überhaupt keinen Plan, was Wohnungslosenhilfe ist. Hab mich dann hier vorgestellt und bin genommen worden und habe im Laufe der Zeit festgestellt, das ist das Arbeitsgebiet, wo ich wirklich gut mit klarkommen, dass ich, also, man wächst rein, man wächst wirklich rein. Also man braucht, denke ich, um mit mit wohnungslosen Menschen arbeiten zu können, ein Herz für, für, für Menschen, die die, die schlichtweg vom Leben arg gebrochen worden sind und die entsprechend auf diese Brüche reagiert haben. Also reagiert heißt wenn man durch derartig heftige Krisen geht, reagiert man oft mit psychischen Erkrankungen oder mit, mit Suchtgeschichten, also man weicht dem, was man nicht mehr verarbeiten kann, in irgendeiner Form aus, weil es einfach zu viel ist, das man es gar nicht mehr auf die Reihe kriegt und in irgendeiner Form steckt man es dann weg oder verbirgts, ja. #00:02:43-6#

Hannah Diemer: Und was ist die Heilsarmee? #00:02:45-9#

Peter Münch: Die Heilsarmee ist eine eine evangelische Freikirche, eine Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts, wie es juristisch heißt, zuzuordnen, wie gesagt, unter die, unter eine Evangelische Freikirche. Die Heilsarmee ist weltweit tätig. Gegründet im 19. Jahrhundert in Großbritannien. In Großbritannien ist nach wie vor der weltweite Haupt-, das weltweite Hauptquartier der Heilsarmee. In Deutschland ist die Heilsarmee vergleichsweise klein, also in anderen Ländern ist sie sehr viel größer und sehr viel präsenter. Warum die jetzt in Deutschland diese Entwicklung genommen hat, weiß ich nicht, ich weiß bloß, dass sie von ihrem Anspruch her und von ihrer, ja, von ihrem Auftrag her eine gute Arbeit macht. Der Gründer der Heilsarmee war der William Booth, der im 19. Jahrhundert während der industriellen Revolution als Methodistenpfarrer unterwegs war und festgestellt hat, dass er den Arbeitern, denen es wirklich hundeelend ging, also man muss sich vorstellen industrielle Revolution, Massenverarmung, die in Deutschland schon schlimm war, aber in Großbritannien wirklich richtig heftig gewesen sein muss, also bis hin zur völligen Verwahrlosung, völligen Verarmung. Die Menschen waren wohnungslos, meistens Hunger, nichts zu kleiden, keine Möglichkeit, sich zu waschen, nichts dergleichen und seine Erfahrung war schlicht die, man kann über Menschen, die, die derartig existenzielle Nöte haben, über nichts anderes reden als über diese Nöte. Heißt denn, sein Anliegen war es eigentlich, über das Evangelium zu reden und er sagt, das geht überhaupt nicht, also jemand, der, der, der schlicht Hunger hat, mit dem muss man erst mal irgendwo essen gehen, der braucht erstmal irgendwas zu essen und dann kann man reden. Und er hat bewusst irgendwann entschieden, dass das also wirklich so, so Armee-mäßig aufzuziehen, weil hinter der Uniform die sozialen Unterschiede verschwinden. Also die Briten haben da ohnehin weniger Schwierigkeiten mit Uniformen, als wir Deutschen. Das Anliegen von dem William Booth, so wie ich es verstanden habe, war, hinter der Uniform verschwindet der soziale Unterschied, also jemand, der eine Uniform hat, der sieht, also die sehen alle gleich aus, die Leute. Da ist nicht der eine besser und der andere schlechter gekleidet, sondern sondern die Uniform ist Halt, macht, macht ein Stück weit gleich. Wir in Deutschland tun uns mit Uniformen schwer und mit militärischen Dienstgraden auch. Mag sein, dass die Heilsarmee aufgrund dessen auch hier in Deutschland nicht so ganz doll Fuß fasst. Und von da aus hat sich dann die Heilsarmee Arbeit weltweit etabliert und verbreitet. In Deutschland, quatsch, in Europa ist glaube ich, also neben Großbritannien, in der Schweiz eine relativ große Heilsarmeearbeit. #00:05:41-5#

Hannah Diemer: Muss man denn religiös sein, um die Hilfe von der Heilsarmee zu bekommen? #00:05:46-1#

Peter Münch: Nein, nein. Also erstmal die Heilsarmee versteht sich als als diakonische Einrichtung. Das heißt also, es geht wirklich um die Hilfe am Not leidenden Menschen, völlig unabhängig davon, welchen weltanschaulichen Hintergrund diese Person hat. Ich bin immer wieder gefragt worden im Laufe der Jahre, ja, es müssen denn die Leute bei euch beten, oder müssen die irgendwie, was weiß ich? Also jemand, der nichts davon mitbekommen möchte, dass das eine freikirchlich getragene Einrichtung ist, der kann dem auch mühelos aus dem Weg gehen, der kriegt ja auch nicht viel davon mit. Es gibt wohl Angebote, gottesdienstliche Angebote und sonstige religiöse Angebote von Seiten der Heilsarmee. Die kann man annehmen. Aber wer die nicht annimmt, der hat auch keinerlei Nachteile. Es geht wirklich in erster Linie um die Hilfe an Menschen. #00:06:41-2#

Hannah Diemer: Jetzt ist es wahrscheinlich schwierig, Wohnungslose zu beziffern, zahlenmäßig rund um Nürnberg. Können Sie trotzdem eine ungefähre Einschätzung geben, wie viele Menschen die Hilfe bei Ihnen in Anspruch nehmen? Wie viele Wohnungslose gibt es denn? #00:06:55-6#

Peter Münch: Das ist der Punkt, wo ich wo ich überfragt bin, wo ich keine Zahlen habe, wo ich also jetzt wirklich nur aus dem blauen Dunst heraus beziffern könnte. Ich weiß bloß, wir haben hier 200 stationäre Plätze für Männer und 14 stationäre Plätze für Frauen und wir sind fast durchgehend voll, obwohl wir eine relativ hohe Fluktuation haben, also ein ständiges Kommen und Gehen. Aber wir sind fast durchgehend voll. Also es gibt mit Sicherheit mehr Wohnungslose als, als Angebote. Also so viel, so viel weiß man. #00:07:31-2#

Hannah Diemer: Jetzt haben Sie mehr Plätze für Männer als für Frauen. Ist es so, dass Wohnungslose eher männlich sind? #00:07:36-2#

Peter Münch: Ja, also es ist tatsächlich so, also der klassische Wohnungslose, also die Wohnungslosenhilfe hat sich ja im Grunde auch, glaube ich, 19. Jahrhundert, wo sich die Wohnungslosenhilfe entwickelt hat. Es waren damals die Landstreicher, also wirklich Männer, die halt aus verschiedensten Gründen einfach irgendwo Hummeln im Hintern hatten und an keinem festen Ort bleiben konnten und dann durch die Lande gezogen sind. Und das waren, warum auch immer, überwiegend Männer. Tatsächlich haben die also die meisten wohnungslosen Menschen sind Männer. Wobei sich die Anzahl der wohnungslosen Frauen ganz schlecht beziffern lässt. Das hat damit zu tun, dass Männer und Frauen mit dem, mit dem Umstand der Wohnungslosigkeit sehr verschieden umgehen. Wenn ein Mann wohnungslos wird, landet er in der Regel, über kurz oder lang, entweder in der Notunterkunft, oder auf der Straße, oder in einer dieser der der Einrichtungen für Wohnungslose. Wenn eine Frau wohnungslos wird, landet sie oft in irgendwelchen dubiosen Beziehungen, das heißt, die kommt bei, bei, bei Männern unter, die nicht selten die Notlagen dieser Frauen ausnutzen und die Frauen entsprechend unter Druck setzen. Also sprich die Frauen, die hier bei uns ankommen, haben in der Regel wirklich traumatisierende Erfahrungen, traumatisierende Beziehungen hinter sich, sind oft Missbrauchsopfer und man weiß tatsächlich nicht, wie viele Frauen tatsächlich wohnungslos sind, weil man die nicht zählen kann. Also die Frauen, die, die in den Beziehungen untertauchen, werden ja als wohnungslose Personen nicht erfasst. Man weiß bloß, dass da, wo man Plätze für wohnungslose Frauen anbietet, die sind also innerhalb kürzester Zeit belegt, obwohl im Vorfeld ganz wenig zu erkennen ist. #00:09:29-1#

Hannah Diemer: Gibt es auch wohnungslose Kinder oder Jugendliche? #00:09:32-4#

Peter Münch: Ja, die gibt es. Also vom Anspruch her sollte es eigentlich keine wohnungslosen Jugendlichen geben. Der Anspruch des Gesetzgebers ist ja der, dass Jugendliche, sofern sie keine Familie haben, sofern sie kein Obdach haben, in irgendwelchen Jugendhilfeeinrichtungen unterkommen. Nun gibt es aber eine ganze Reihe Jugendlicher, die mit diesen Jugendhilfeeinrichtungen nicht zurechtkommen, die auch da den Rahmen und die Grenzen sprengen, oder da einfach untertauchen, abtauchen und verschwinden. Das heißt, es gibt, ich weiß, also ich weiß keine Zahl, aber ich weiß, es gibt Jugendliche, die auf der Straße leben, die zum Teil vom Betteln leben, zum Teil vom, wovon auch immer. Manches will ich so genau gar nicht wissen, weil es wahrscheinlich einfach nur schlimm ist. Um es uns deutlich zu sagen, also manche dieser Jugendlichen, sowohl Männer wie junge Frauen, prostituieren sich, um irgendwie mit finanziell über die Runden zu kommen. #00:10:30-0#

Hannah Diemer: Wenn Sie über die Wohnungslosen sprechen, die bei ihnen in der Einrichtung sind, sind es Klienten, sind es Bewohner, oder wie bezeichnen Sie die, wenn Sie mit ihnen arbeiten? #00:10:39-8#

Peter Münch: Wir bezeichnen die in der Regel als Bewohner. #00:10:43-5#

Hannah Diemer: Wie alt, wie jung war denn Ihr jüngster Bewohner? #00:10:47-4#

Peter Münch: Der jüngste war 19, 20. Wir hatten eine Zeit lang wohnungslose Jugendliche hier bei uns. Die sind einfach bei uns aufgelaufen. Nun ist es so, vom Gesetzgeber her ist bis zum vollendeten 21. Lebensjahr das Jugendamt zuständig. Also bis zum 18. Lebensjahr muss das Jugendamt zuständig sein und vom 18. bis zum bis zum 21. Lebensjahr gibt es eine Kannbestimmung. Wir haben dann mit dem Jugendamt verhandelt und sind irgendwann haben wir festgestellt, es ist einfach zu mühsam, weil die Ansprüche der Jugendhilfe und unsere Angebote so weit auseinandergehen und wir haben dann gesagt, machen wir einfach nicht. Wenn Jugendliche also unter 21-jährige bei uns nachfragen, die schicken wir zum Jugendamt. Der Bedarf wäre sicher da, aber die, die, die Ansprüche der Jugendhilfe kollidieren einfach mit unserer Niederschwelligkeit, die wir, die wir haben. #00:11:46-4#

Hannah Diemer: Was sind denn da die Ansprüche? #00:11:47-8#

Peter Münch: Bei Jugendlichen gibt es immer noch einen Erziehungsauftrag. Bei Kindern und Jugendlichen gibt es explizit einen Auftrag zum zum Erziehen, das heißt also die, da hat man immer noch irgendwelche Erziehungsvorgaben oder man muss zumindest irgendwo links und rechts Barrieren oder, oder, oder, oder Leitplanken hinstellen und sagen, also bis dahin und nicht weiter und muss der muss damit im Grunde ähnlich wie in der Familie auch ständig umgehen, während wir hier in der in der Wohnungslosenhilfe in der Regel mit Erwachsenen zu tun haben, die, wie das bei Wohnungslosen üblich ist, sich eher vor Konflikten zurückziehen. Also bevor jemand bei uns um Hilfe nachfragt, hat er alle möglichen anderen Geschichten schon durch und die Männer ziehen sich eher zurück. Also wir arbeiten bewusst sehr niederschwellig und geben sehr wenig Vorgaben. Wir gehen schon davon aus, wenn jemand kommt und hier bleibt und und sich dieser dieser Tagesstruktur hier unterzieht, dann ist das schon ein Erfolg. Das heißt also, wir haben deutlich weniger Ansprüche als die Jugendhilfe. #00:12:54-5#

Hannah Diemer: Jetzt ist die spannende Frage: Gibt es Gründe, wie man in die Wohnungslosigkeit rutscht? Sind es typische Gründe? Sind es super diverse Gründe? Wie kommt man denn in so eine Situation? #00:13:08-3#

Peter Münch: Da gibt es unterschiedliche Wege, in die Wohnungslosigkeit zu rutschen. Ich kenne jetzt nur die männliche Perspektive. Ich kann mir vorstellen, dass das aus der Perspektive von Frauen noch mal eine andere Sicht ist. Ich kenne nur die männliche Variante, weil ich halt mit den Männern arbeite. Aber vonseiten der Männer ist es so, da kommt in der Regel eins zum anderen. Also da ist oft, also entweder ist der Alkohol ursprünglich und führt dann dazu, dass die Ehe oder die Beziehung eine entsprechende Belastung hat, dass man irgendwann die Arbeit verliert und irgendwann auch, auch sich um nichts mehr kümmert. Da kommt dann wirklich so eins zum anderen und irgendwann hocken dann diese Männer in ihren Wohnungen und kümmern sich um nichts mehr, öffnen auch keine Post mehr, lassen alles schleifen und werden irgendwann zwangsgeräumt. Und dann erst realisieren viele dieser Männer Oh, jetzt habe ich ja keine Wohnung mehr. Und landet man erstmal buchstäblich auf der Straße, beziehungsweise in Notunterkünften, kann aber auch, also da gibt es unterschiedliche Wege. Es gibt auch Personen, also Männer, die die aufgrund ihrer psychischen Erkrankung wohnungslos werden. Also ich kenne einen Fall persönlich, wo ein, wo ein Mann irgendwann beschlossen hat, ich nehme meine Medikamente nicht mehr, weil diese Medikamente ihm sehr sehr unangenehm waren. Daraufhin hat die hat die die Ehefrau von ihm entschieden, die hatten miteinander zwei Kinder, das halte ich nicht aus, was ich durchaus nachvollziehen kann, also mit einem psychisch kranken Menschen, der ständig halluziniert, unter einem Dach zu leben ist, ja, ist also, ist heftig. Die haben sich getrennt. Er ist in eine eigene Wohnung gezogen, hat sich in dieser Wohnung einige Jahre gehalten, hat es aber vorgezogen, nachts mit sich selbst lautstark zu debattieren, was dann die Mitbewohner irgendwann auf die Barrikaden gebracht hat. Irgendwann stand dann die Polizei nachts bei ihm vor der Tür und er wusste gar nicht, was die da wollen. Subjektiv war für ihn das alles überhaupt kein Problem, für die anderen war es sehr wohl ein Problem und er hat, irgendwann wurde ihm die Wohnung gekündigt, er wurde zwangsgeräumt, ist dann in eine Garage gezogen, hat in einer Garage gelebt. Ohne Wasser, also ohne, ohne Hygienemöglichkeiten, also der konnte Wäsche waschen, noch, noch hatte er eine Toilette, noch, noch fließendes Wasser und nichts dergleichen. Entsprechend roch der irgendwann. Hat aber in dieser Garage irgendwie überlebt und ist dann auch aus dieser Garage irgendwann rausgeflogen, weil also auch da der Vermieter sagt also das ist einfach nicht machbar, das halte ich nicht aus. Und ist dann hier bei uns gelandet. Also den Weg gibt es auch. Es gibt auch Männer, die, die, ja, also das ist wirklich so ein typisch männliches Verhalten, die irgendwann sagen ich mag nicht mehr, warum auch immer, hatte ich auch einen. Der hat irgendwann beschlossen ich mag nicht mehr. Irgendwann hat seine Frau gesagt: Du kannst mich mal, mit dieser Haltung. Hat den vor die Tür gesetzt, ja, und dann saß der unter der Brücke und hat auch bei uns über viele Jahre irgendwo demonstrativ kundgetan: Ich mag nicht. Bis wir irgendwann, weil wir den Eindruck hatten, der kann eigentlich schon, der will bloß nicht. Einer der Kollegen hat ihm irgendwann die Pistole auf die Brust gesetzt und gesagt: Du spinnst wohl, du ziehst jetzt hier aus. Der ist dann tatsächlich wieder in eine eigene Wohnung. Das ist ein typisch männliches Verhalten. Also also diese, dieses seltsame Verhalten von ich mag einfach nicht mehr ist bei Frauen ganz, ganz selten, wenn überhaupt bei Frauen zu finden. Also Frauen verhalten sich in Krisensituationen völlig anders. #00:16:57-3#

Hannah Diemer: Ist so was anerzogen oder woran liegt es? #00:17:01-1#

Peter Münch: Da kann man drüber streiten. Ich bin ja aus der Generation, die, die, die glaubte, Männlichkeit oder, oder Weiblichkeit werde anerzogen. Ich war mir dessen auch ganz gewiss, bis wir selbst Kinder gekriegt haben. Also wir haben unserer, unserer ersten Tochter völlig freigestellt, da haben wir Jungsspielzeug und Mädchenspielzeug hingestellt und die hat mit Puppen gespielt, während, während, während der Sohn, dessen erstes Wort war Auto. Also ich habe mich da im Laufe der Zeit eines besseren belehren lassen. Ich denke, Erziehung spielt, hat natürlich irgendwie immer Einfluss und auch die kulturelle, das kulturelle Umfeld hat einen Einfluss, aber ich glaube, Menschen bringen einfach eine Menge mit, wenn sie auf die Welt kommen und da hat man wenig Einfluss drauf. Also meine Erfahrung ist die nach, nach, nach, wir haben drei Kinder, die alle sehr unterschiedlich sind. Man kann im Grunde die Kinder nur bei der Entfaltung dessen begleiten, was sie mitbringen und was das jeweils ist, das ist eine Überraschung. #00:18:13-3#

Hannah Diemer: Das ist ein sehr spannender Erziehungsansatz. Wie ist es denn mit Inhaftierten, die aus einer Haftstrafe kommen und dann wieder sich ein eigenes Leben aufbauen müssen,i st da ein Risiko zu einer der Wohnungslosigkeit gegeben? #00:18:27-6#

Peter Münch: Ja, also vielfach haben inhaftierte Menschen, selbst wenn sie vorher eine Wohnung haben, je nachdem nach, nach Haftdauer wird die Wohnung während der Haft gekündigt oder die verlieren schlichtweg die Wohnung aus unterschiedlichen Gründen und sind dann nach der Haft schlichtweg wohnungslos. Wir haben auch immer wieder Anfragen von der, von der, von der Haft, von der Strafentlassenenhilfe, das haftentlassene Wohnung, also eine Unterkunft suchen, auch bei uns. Gibt sicher Haftentlassene die, die, die, die auch über die Haftzeit die Wohnung behalten oder wo dann eine Partnerin da ist, ein Partner da ist, der, der die Wohnung irgendwie weiter betreibt. Aber für viele ist das wirklich ein Einstieg in die Wohnungslosigkeit. #00:19:13-8#

Hannah Diemer: Wie kommt man denn jetzt da wieder raus, wenn es so viele Faktoren gibt, die Menschen dazu bringen, in die Wohnungslosigkeit zu kommen, wie läuft es dann ab, Ich rutsche in die Wohnungslosigkeit und dann, was passiert dann? #00:19:25-7#

Peter Münch: Also man muss sich ein stückweit vergegenwärtigen, was Wohnungslosigkeit heißt. Wohnungslosigkeit heißt, überhaupt keine Rückzugsmöglichkeiten mehr zu haben, keine Möglichkeit, sich vor irgendwelchen Übergriffen zu schützen. Jeder Mensch, der eine eigene Wohnung hat oder zumindest irgendwo ein Zimmer hat, hat die Möglichkeit, wenn es ihm alles zu viel wird, die Tür hinter sich zuzumachen und zu sagen: So, jetzt bis hier und nicht weiter, jetzt brauche ich meine Ruhe und dann zieht man sich zurück und kann auch wieder irgendwo ein Stück weit zu sich selbst kommen. Das fällt bei Wohnungslosen weg. Die sind ständig Übergriffen ausgesetzt. Selbst wenn man irgendwo in Notunterkünften übernachtet, hat man immer mehrere andere Personen mit im Zimmer, man kann sich nie sicher sein, ob man nicht über Nacht bestohlen wird, Geld oder andere Gebrauchsgegenstände einfach über Nacht verschwinden. Man ist ständig angespannt, man wird zum Teil auch regelrecht bedroht, sowohl verbal als auch richtig mit körperlichen Übergriffen, also sprich auch geschlagen. Bei Frauen, die auf der Straße leben kommen, kommen sexuelle Übergriffe dazu. Ich weiß von Frauen, die sich also bewusst verunstalten, also auch unschön, hässlich machen, um nicht angebaggert zu werden. Also eine Frau, die einigermaßen gut aussieht auf der Straße, wird ständig angegriffen, ständig angebaggert, ständig irgendwie, die ist im Grunde Freiwild. Also nicht nur für Normalbürger, sondern eben auch für die Wohnungslosen selbst, also die sind ja untereinander auch nicht unbedingt sehr freundlich miteinander, da gönnt ja auch keiner dem anderen irgendwas. Da kämpft jeder für sich, ums Überleben und das macht mit Menschen ja irgendwas. Die sind, also ich glaube nach, nach all den Jahren glaube ich, dass Menschen, die, die wohnungslos waren, in der einen oder anderen Form traumatisiert sind. Also anders, denke ich, überlebt und übersteht man diese Phase schlichtweg nicht. Wer also ständig ausgesetzt ist, ständig bedroht wird, ständig irgendwie Sorge hat oder sich nur mit mit mit Betäubungsmitteln irgendwie über Wasser halten kann, um nicht verrückt zu werden, hat irgendwelche Folgeschäden. Die Wohnungslosenhilfe arbeitet daher, also im Grunde mit, mit, mit, mit abwarten, in Ruhe lassen, die die Menschen erstmal bei sich selbst ankommen lassen, also ganz wenig fordern. Meine Erfahrung ist die, dass wenn man die Männer in Ruhe lässt, kann bei manchen Wochen dauern, bei anderen Monaten und bei manchen auch Jahre, wird über dieses, die einfach bei sich selbst ankommen zu lassen, einfach in Ruhe zu lassen und die mit Respekt zu behandeln, kommt vieles wieder, auch ein Stück ein Gefühl für sich selbst. Also man muss sich vorstellen, die kommen oft hier an die Männer und haben überhaupt kein Gespür für sich selbst. Die stinken oft bestialisch, aber irgendwie merken das selbst nicht. Die haben überhaupt keine Einschätzung mehr, wie sie auf andere wirken, dass das ja für andere wirklich extrem unangenehm ist, wenn man, wenn man entsprechend riecht und entsprechend aussieht, dass das Menschen verschreckt oder verunsichert, kriegt man also oft überhaupt nicht mehr mit, weil man ständig irgendwo entweder innerlich abschalten muss, weil man diese Bedrohung nicht aushält oder weil man sich ständig betäubt. Also bei den meisten Wohnungslosen kommt irgendwann der Alkohol mit ins Spiel. Also spätestens an dem Punkt, wo man wohnungslos ist und irgendwo auf der Straße überleben muss, kommt für viele der Alkohol ins Spiel, einfach, weil man sich dem entziehen will, also diesem, diesem ständigen, diesem ständigen Einfluss von Ratlosigkeit, von Hilflosigkeit, von Ohnmacht, von Übergriffen. Hält man wahrscheinlich nur aus, wenn man, wenn man sich, zumindest zeitweise, irgendwo betäubt. Entsprechend sind viele der der wohnungslosen Menschen, zumindest die Männer bei den Frauen kann es nicht sagen, suchtabhängig also die haben alle ein mehr oder weniger chronisches Alkoholproblem, wobei die wenigsten sich dessen bewusst sind. Also die meisten, wenn man die anspricht, ob sie denn da irgendwie ein Alkoholproblem hätten, sagen na ja, auch die trinken da auch mal ihr Bier. Dass ich mal ein Bier trinke und die anderen zehn Bier am Tag, wird dann irgendwie so links runter fallen gelassen. Eine eine konkrete Begebenheit, ich war mit einem Bewohner hier im Haus beim Arzt, also wir haben einen praktischen Arzt, der einmal die Woche hier ins Haus kommt und wir haben einen Psychiater, der zwei- oder dreiwöchentlich hier ins Haus kommt. für die Bewohner, die einfach Mühe haben, in eine normale Arztpraxis zu gehen. Ich habe mit dem auf den Arzt gewartet, hier im Haus, wir standen draußen auf dem Flur, früh, halb zehn, zehn. Wir haben uns irgendwie ganz nett unterhalten und dann stellte sich im Laufe des Gesprächs heraus, der hatte früh um halb zehn seine erste Flasche Wodka schon intus. Da war der aber nicht betrunken, da war der gerade so auf einem Normallevel. Aber er hatte kein Alkoholproblem., man trinkt halt mal. #00:24:48-0#

Hannah Diemer: Und wie, ich frag mich immer, wenn Wohnungslose, sind das Personen, die auch Geld haben von vielleicht davor, oder schlagen sich die Personen mit mit Almosen durch, wie können die diese Alkoholsucht denn finanzieren? #00:25:05-8#

Peter Münch: Ja, eine gute Frage. Also ich frage mich auch oft wie, wie das, wie das, wie das unsere Leute schaffen mit dem wenigen Geld, das sie haben, so viel zu trinken. Meine Vermutung ist, dass vieles durch Diebstahl läuft. Also da, wir haben, also unsere, unsere, unsere Bewohner haben immer wieder auch Anzeigen laufen wegen Diebstahl, sind oft Kleindelikte, während die, die, die, die, die dazu führen, dass die irgendwann auch inhaftiert werden. Also wer einmal beim Ladendiebstahl erwischt wird, bei dem passiert nicht viel, außer, das er vielleicht irgendwie eine Strafzahlung zu leisten hat, aber wer beim 20. Mal erwischt wird, der wird dann auch irgendwann das Gericht nervös, oder wird die Staatsanwaltschaft nervös und dann kommt es zur Verhandlung und wenn die Häufigkeit entsprechend hoch ist, kommt es eben auch zu Verurteilungen, also sprich auch zu einem Knastaufenthalt. Aber findet in der Regel bei unseren, bei unserem Personenkreis ist schlichtweg die Not, weil das Geld nicht reicht, um irgendwie die Sucht zu finanzieren. Und Alkohol kann man stehlen, also während illegale Suchtmittel muss man noch irgendwie anderweitig finanzieren, da ist noch schwerer dranzukommen, da ist die der Drang zur Illegalität noch noch stärker. Also bei den Alkoholikern ist es schlimmstenfalls Ladendiebstahl. #00:26:24-0#

Hannah Diemer: Und wie verhalte ich mich jetzt als normaler Bürger, wenn ich wohnungslose Menschen betteln sehe? Ist es dann in Ordnung, wenn man denen Geld gibt oder sollte man es eher nicht machen oder? Manche Menschen gehen ja dann soweit, dass sie was zu essen kaufen und den Personen geben. Wie ist denn das so der richtige Umgang? Kann man das sagen? #00:26:44-2#

Peter Münch: Ich weiß es nicht. Also ich habe, obwohl ich jetzt seit vielen Jahren damit zu tun habe, glaube ich, es gibt den richtigen Umgang nicht. Ich habe einen Bewohner, der inzwischen nicht mehr hier im Haus, der hat leidenschaftlich gebettelt. Nicht, weil er es unbedingt gemusst hätte, sondern, sondern das gehörte einfach für den dazu. Der hat immer hier am Plärrer U-Bahnausgang gestanden und hat gebettelt und er erzählte mir ab und zu: "Boah, hab schon wieder drei Brötchen gekriegt, ich weiß gar nicht, wann ich das ganze Zeug essen soll., der soll mir Geld geben.". Ja, und dann, dann gibt es halt hier, also zumindest in Nürnberg, um den Plärrer rum gibt es ja richtige Bettelbanden. Also das sind im Grunde arme Schweine, die, die ausgesetzt werden, also Männer wie Frauen, die einfach missbraucht werden, um Mitleid zu erregen und mit ihrem Pappbecher da stehen und dann in unverständlichen Sprachen die, die die Passanten anzuhauen. Gibt man denen Geld? Ja, weiß nicht. Die kriegen es abgenommen, gibt man ihnen nix, also es ist im Grunde, wie man es macht, ich glaube das ja. Es gibt nicht den richtigen Weg. Wobei sicherlich, es gibt wohnungslose Menschen, die auf der Straße leben, die wirklich auch davon leben, irgendwo ein bisschen Geld zu schnorren. Die also wirklich davon auch ihre Mahlzeiten bestreiten oder zumindest sich ein bisschen Luxus leisten. Also Mahlzeiten ist vielleicht noch eine Sache, wie ernährt man sich eigentlich, wenn man auf der Straße ist? Es gibt, in Nürnberg gibt es Möglichkeiten, sich Mittagessen zu organisieren, also es gibt von der von der Stadtmission gibt es die Wärmestube, da kann man hingehen und bekommt ein Mittagessen kostenlos. Das gleiche gibt es hier bei uns auch von der Heilsarmee, da gibt es die Oase, das ist auch so ein Aufenthaltsraum oder so eine Möglichkeit, sich aufzuhalten. Da gibt es auch kostenloses Mittagessen. Jetzt zu Corona Zeiten ist bei uns die Oase dicht. Aus baulichen Gründen, weil wir da einfach nicht garantieren können, dass die Personen sich da nicht zu nahe kommen. Die Wärmestube gibt, soweit ich weiß Essen aus, aber auch eben nur am Schalter und nur nach draußen, also da geht auch niemand rein im Moment, weil die einfach aus baulichen Gründen das auch nicht machen können. Aber es gibt etliche Organisationen hier in Nürnberg, die, die, die Mittagessen für Wohnungslose ausgeben und das wissen die Betroffenen in der Regel auch, wo sie da irgendwo an Essen kommen. #00:29:25-5#

Hannah Diemer: Das heißt, die Coronakrise hat die Wohnungslosen auch extrem getroffen. #00:29:29-7#

Peter Münch: Ja, ja, also mit Sicherheit. Also ich war jetzt vorhin unten an der Pforte und da kam ein junger Mann, der fragte nach dem Mittagessen, dem haben wir dann gesagt: Nee, also hier gibt es Mittagessen, gibt es hier nur für die, für die, für die Männer, die hier im Haus wohnen. Ja, und drüben in der Oase? Ja. Da gibt es im Moment eben nichts. Wo kriege ich dann was her? Also, ich denke, das trifft, trifft wirklich, also Menschen, die ohnehin nichts haben, die trifft es bestimmt heftig, weil. Weil ja aufgrund dieser dieser Maßnahmen viele Essensausgaben oder, oder das, was vorher einigermaßen funktioniert hat eben nicht mehr funktioniert. Wegen der Hygieneregeln, weil man die einfach nicht einhalten kann oder nicht garantieren kann, dass man sie einhält, finden einfach viele Organisationen oder viele Möglichkeiten, Essen weiterzugeben, Kleidung weiterzugeben, sonstige Materialien weiterzugeben, findet einfach nicht statt. #00:30:27-0#

Hannah Diemer: Und was passiert dann mit den Personen, die wohnungslos sind, die dann einfach nichts mehr bekommen? #00:30:32-9#

Peter Münch: Gute Frage. Also da kriege ich zu wenig mit, weil ich halt hier vor Ort bin und zu wenig mitbekomme, was was auf der Straße läuft. Also ich weiß bloß zu nicht Coronazeiten ist das relativ gut organisiert, also hier in Nürnberg und jetzt zu Coronazeiten habe ich zu wenig Überblick. #00:30:52-9#

Hannah Diemer: Wie viele Anlaufstellen gibt es denn? Also Sie haben gesagt, es gibt etliche, das heißt, es gibt die Heilsarmee, bei der man einen Platz in einem Zimmer bekommen kann, oder wie kann ich mir denn hier eigentlich den Alltag vorstellen? #00:31:04-0#

Peter Münch: Also es gibt insgesamt es gibt drei, drei stationäre Einrichtungen für Wohnungslose, also stationär heißt die Männer oder Frauen fragen hier um Aufnahme nach, dann wird in einem Aufnahmegespräch geprüft, ob der Anspruch dann tatsächlich besteht auf Aufnahme. Wir müssen ja einen Antrag stellen beim Kostenträger und müssen dem Kostenträger gegenüber auch rechtfertigen, dass da wirklich ein entsprechender Hilfebedarf ist. Wenn dann feststeht ja, der Hilfebedarf ist da, wird die Person aufgenommen. Das sind wirklich Menschen, die kommen oft mit zwei Tüten in der Hand und haben sonst nichts. Die wohnen dann hier. Manche zeitlich befristet, andere auf Dauer. Bei manchen lässt sich beim Aufnahmegespräch schon absehen, dass da eine Verselbstständigung relativ unwahrscheinlich ist. Die kommen dann gleich in den Bereich, in den Langzeitbereich. Bei anderen, wo man den Eindruck hat, da könnte vielleicht noch Potenzial sein, die kommen in den Bereich, wo es auch gezielt auf eine Wiedereingliederung hinausläuft, wobei der Zeitraum des Aufenthalts schwer vorhersehbar ist. Also es gibt so eine 18-Monats-Richtlinie, die ist irgendwann mal bundesweit gab's die. Inzwischen gibt es die gottseidank so nicht mehr. Aber das ist so, so über den Daumen gepeilt, geht man davon aus, anderthalb, zwei Jahre, dann sollte sich irgendwas bewegt haben. Also wenn sich nach anderthalb, zwei Jahren, wenn da absehbar wird, jemand, jemand schafft es einfach nicht, zumindest nicht in dieser Zeit, dann wird er bei uns in der Einrichtung in den Langzeitbereich verlegt und da gibt es einfach keine zeitliche Befristung. Es gibt neben der Heilsarmee noch die Großweidenmühlstraße, ist eine städtische Einrichtung. Die haben auch Möglichkeiten, Männer wie Frauen aufzunehmen und die haben auch einige wenige Plätze für Familien. Also sprich Paare mit Kindern. Gibt es da ganz, ganz wenig. Und auch deren Platzkontingent ist da, es ist sehr begrenzt. Also es gibt nicht viel. Und es gibt neben eben diesen beiden noch "Domus Misericordiae" von der von der Caritas in der Pirckheimerstraße. Die machen im Grunde eine ähnliche Arbeit wie wir. Die lassen auch wohnungslose Männer da wohnen, ausschließlich Männer. Und dann gibt es daneben reine Übernachtungsmöglichkeiten, es gibt Notschlafstellen, die werden zum Teil über die Großweidenmühlstraße vergeben, zum Teil über den Kirchenweg, das ist eine städtische Stelle, also das Sozialamt der Stadt im Kirchenweg. Die vermitteln Schlafplätze, beziehungsweise Pensionsplätze. Es gibt hier in Nürnberg sogenannte Pensionen. Die werden in der Regel von privat betrieben. Die Betreiber stellen der Stadt Zimmer, beziehungsweise Betten zur Verfügung und die Stadt zahlt dann pro Platz und Bett einen festen Betrag an die Betreiber. In der Regel sind mehrere Personen in diesem Zimmer, also 3 bis 4 Personen, ist fast der Normalzustand. Die Betreiber kriegen ein festes Geld und irgendwann sind diese Gebäude dann so ramponiert. Ja, aber bis dahin verdienen die Betreiber dieser Pensionen zumindest Geld damit. Es gibt einige wenige Pensionen, die von der Stadt selber betrieben werden, die dann auch Personal vorhalten vor Ort, also auch Sozialpädagogen und andere Fachkräfte. Aber das ist eine sehr, sehr niederschwellige Geschichte. Also sprich in der Pension, also wir, andersrum, also wer zu uns kommt, muss zumindest zugeben: ich habe ein Problem, ich habe ein Problem und ich muss dieses Problem in irgendeiner Form benennen, weil wir ja dem Kostenträger gegenüber Rechenschaft ablegen müssen, warum will jetzt diese Person diese Art Hilfe. Also sprich, die müssen in irgendeiner Form die Hosen runterlassen und sagen, was eigentlich los ist, zumindest ein bisschen an der Oberfläche kratzen. Wer in eine Pension geht, hat in der Regel, möchte in der Regel gar nichts preisgeben. Also das sind Männer, die, die vor sich selbst und vor anderen am liebsten alles verstecken und alles verdecken. Man geht halt hin, zu der Koordinationsstelle, lässt sich ein Schlafplatz oder eine Pensionsplatz zuweisen und muss im Grunde nichts weiter vorweisen als den Personalausweis, sofern man den hat, und sagen: Ich habe nichts, ich kriege nichts und ich brauche irgendwo eine Möglichkeit unterzukommen. Das sind dann, wie gesagt, Männer, die, die, ja, also für die ist schon die Schwelle, irgendwo zuzugeben oder, oder irgendwo zu signalisieren ich habe da vielleicht ein Problem, mit dem ich nicht selber klarkommen, schon schon zu hoch ist. #00:36:09-0#

Hannah Diemer: Das heißt, es gibt jetzt die Möglichkeit Pension, wo man für eine Nacht übernachten kann? #00:36:14-7#

Peter Münch: Ne, in den Pensionen wird man in der Regel auch fest aufgenommen, also sprich man hat, man kriegt, man kriegt einen Wohnberechtigungsschein für diese Pensionen, der wird glaube ich, monatlich oder in einem bestimmten Turnus muss man sich den jeweils neu ausstellen lassen. Da bekommt dann sowohl der, der, der, der wohnungslose Mensch, der in dieser Pension lebt, kriegt eine Ausfertigung und der Pensionsbetreiber kriegt die Mitteilung, weil der ja auch wissen muss, der wohnt wirklich berechtigterweise hier und da bezahlt die Stadt auch Geld dafür. Und dann gibt es wirklich die reinen Übernachtungsplätze. Also wir haben hier nebendran in der in der Gostenhofer Hauptstraße 53, das sind 30 reine Übernachtungplätze. Da stellen wir das Gebäude zur Verfügung und soweit ich weiß auch auf die Personalkosten, aber die Belegung läuft über die Stadt Nürnberg. Das sind eine von etlichen Notschlafstellen, die also wirklich so läuft, die Männer und Frauen kommen abends ab 20:00 Uhr oder ab 19:00 Uhr ist da jemand. Man lässt sich das zuweisen, man geht in die Großweidenmühlstraße, lässt sich da einen Platz zuweisen, kommt dann um 19:00 Uhr, wenn da geöffnet wird, und geht früh um acht wieder weg und dann ist da tagsüber auch zu. #00:37:30-1#

Hannah Diemer: Jetzt habe ich im Straßenkreuzer gelesen, dass diese Notschlafstätten auf Dauer wieder vergeben worden sind und dass die deshalb von den Bewohnern selbst als viel heimischer empfunden worden sind, weil die sich dauerhafter da einrichten konnten und weil diese Stätten dann weniger verwüstet hinterlassen worden sind. Wie ist es denn an so Übernachtungsorten, werden die tatsächlich so verwüstet, wie das manchmal beschrieben worden ist, oder, also wie geht man denn dann damit um, mit dem Haus und mit dem Eigentum? #00:38:00-0#

Peter Münch: Das ist sehr unterschiedlich. Also wir haben hier bei uns in der G53, so wird es genannt Gostenhofer Hauptstraße 53, hausintern ist das halt einfach die G53, da gibt, da gibt es einen, einen, einen Securitydienst, der die ganze Nacht über da präsent ist und der auch aufpasst, dass da nichts aus dem Ruder läuft. Das ist, denke ich, vergleichsweise gut geführt. Es gibt auch Unterkünfte, die im Grunde weitgehend sich selbst überlassen sind, also wo, wenn es hochkommt, ein sogenannter Hausmeister existiert, der aber auch nicht unbedingt sich jetzt da in Streitigkeiten einmischt, weil er, weil er aus gutem Grund da zurückhaltend ist und um nicht selber eine reinzukriegen. Also eines der bemerkenswertesten Erlebnisse, die ich hatte wir haben immer wieder Bewohner, die, die, die kommen aus solchen Notunterkünften und bitten dann darum, man möge doch mit ihnen hinfahren, ihre Sachen noch da holen, weil sie Angst haben, da allein hinzugehen. Ich war einmal mit, mit, mit einem Mann in einer solchen Unterkunft, ich weiß gar nicht mehr, wo die war, ist auch schon viele Jahre her, Da war so ein Keller, Kellergewölbe, so Souterrain. Der Boden war noch nicht mal Estrich, das war also wirklich der blanke Lehmboden In einem relativ großen Raum, der aussah wie ein Bunker, standen acht Metall-Stahlrohrbetten, der Raum relativ duster und man lag dann, lagen dann einige der, der, der, der Menschen, die da Männer in dem Fall, lagen da und mehr oder weniger betrunken. Und der Mann, mit dem ich da war, der da seine Sachen holen wollte, der sagte na ja, der Hausmeister, wenn man dem einen Kasten Bier da hinstellt, dann sieht er nichts mehr. Entsprechend geht es dann da zu. Ich weiß das von einem von einem anderen Mann, der zwar einen Pensionsplatz zugewiesen bekommen hat, aber da so gut wie nie übernachtet hat, weil er einfach Angst hatte, geschlagen zu werden, oder bedrängt zu werden, oder sonstwie über den Tisch gezogen zu werden. Es geht zum Teil wirklich heftig zu. Also mir hat auch mal jemand erzählt, der sei in einer Pension gewesen, da hätte er stundenweise hätten dann die, die, die, die, die Pensionsgäste das Zimmer verlassen müssen, weil da Stundenhotels draus wurden. Also sprich, man hat stundenweise an diverse Paare diese Zimmer vermietet und die Betreiber haben da entsprechend doppelt kassiert. Also da ist, ja. #00:40:30-4#

Hannah Diemer: Sämtliche Missstände zeigen sich auf. Gibt es denn auch, also jetzt gibt es Notunterkünfte, es gibt Sachen, wo man sich ein kostenloses Mittagessen holen kann, gibt es denn auch hygienische Angebote? Also gibt es was, wo ich mich duschen gehen kann? #00:40:43-6#

Peter Münch: Ja, wenn es nicht gerade Corona ist. Das ist einer dieser dieser Geschichten. Also bei uns drüben die Oase, sowohl dieser, dieser, dieser Tagestreff für Männer als auch, es gibt auch ein Tagestreff für Frauen. Da gibt es die Möglichkeit, Wäsche zu waschen, sich zu duschen, sich auch mal hinzulegen und vielleicht mal ein paar Stunden in Ruhe zu schlafen. Und dann gibt es von der, von der, von der Stadtmission auch. Also es gibt solche Orte. Ich weiß bloß, dass bei uns wie gesagt, im Moment wegen Corona all das nicht möglich ist. Und ich könnte mir vorstellen, dass es anderswo ähnlich nicht möglich ist und dass dann die wohnungslosen Menschen entsprechend auch da hinterherhinken, beziehungsweise dann keine Möglichkeit haben, Wäsche zu waschen. Man kann sich vorstellen, dass man von dem, von dem wenigen Geld, das man hat, jetzt nicht unbedingt in den Waschsalon gehen und sich da Wäsche waschen lässt oder die selber die Wäsche wäscht. Man läuft dann eben mit dieser mit diesen stinkenden Klamotten wochenlang rum. #00:41:47-2#

Hannah Diemer: Glauben Sie, dass es durch Corona mehr Obdachlose gibt? #00:41:50-5#

Peter Münch: Da müsste ich jetzt rätseln oder, oder mutmaßen. Ich weiß es nicht. #00:41:55-5#

Hannah Diemer: Ich würde gern über Ihr Angebot von dem Frauenhaus sprechen. Sie haben gesagt, Sie haben 18 Plätze... #00:42:00-4#

Peter Münch: 14 #00:42:01-1#

Hannah Diemer: 14 Plätze. #00:42:02-1#

Peter Münch: Ja. #00:42:02-3#

Hannah Diemer: Warum ist so ein Frauenhaus speziell so wichtig? Und was ist der Unterschied zu einem Frauenschutzhaus? #00:42:09-0#

Peter Münch: Der Unterschied ist der, dass die Frauen, die bei uns nachfragen, wohnungslos sind, also es ist in erster Linie wirklich eine Sache der Wohnungslosigkeit. Wir sind Wohnungslosenhilfe. In einem Frauenschutzhaus kommen auch Frauen unter, die eigentlich eine Wohnung haben, die aber einen gewalttätigen Partner haben, vor dem sie sich irgendwo zurückziehen und vor dem sie Schutz suchen. Die Frauen bei uns haben dieses Problem oft auch, aber nur unter anderem, also sprich, die haben noch eine ganze Palette mehr Schwierigkeiten. Da kommt neben dem gewalttätigen Partner oder neben gewalttätigen Männern, mit denen sie oft zu tun haben, eben noch die Wohnungslosigkeit dazu. Da kommen oft noch noch Sorgerechtsschwierigkeiten mit dazu, also sprich die, wenn Männer verschwinden oder wenn Männer untertauchen, verschwindet oft auch der Kontakt zu den Kindern. Wenn Frauen wohnungslos werden, betrifft es die Kinder in der Regel mit. Die Männer verdrücken sich einfach, tauchen einfach ab und kümmern sich wenig darum, was was aus den Kindern wird. Die Frauen sind den Kindern sehr viel mehr verbunden, kümmern sich sehr viel mehr um die Kinder, verpflichten sich, oder fühlen sich da auch sehr viel verpflichteter. Entsprechend gibt es da auch sehr viel mehr Sorgerechtsschwierigkeiten, was passiert mit den Kindern, darf ich meine Kinder überhaupt sehen? Wenn ja, unter welchen Bedingungen darf ich die sehen? Warum, wenn nicht, warum darf man den ich sehen? Was ist da passiert? Also da gibt es wirklich die ganze Palette. Und da ist die, die, die, die die Gewalterfahrung ist da wirklich nur ein Problem unter vielen, also das ist oft so uferlos und so gewaltig, dass also auch die Kolleginnen wirklich davorstehen und wirklich nur so die die oberste Schicht gerade so bearbeiten können. #00:44:02-8#

Hannah Diemer: Jetzt hatten sie vorher angesprochen ganz kurz mit dem Personalausweis. Jetzt kann ich ja in Deutschland keine Wohnung mieten, ohne einen Personalausweis zu haben, aber ich kann jetzt auch keinen Personalausweis beantragen, wenn ich keine feste Adresse habe. #00:44:16-6#

Peter Münch: Ja. #00:44:17-4#

Hannah Diemer: Wie adressiert man denn dieses Problem? #00:44:20-0#

Peter Münch: Also wer bei uns wohnt, hat hier eine Meldeadresse. Also jeder, der bei uns aufgenommen wird, wird zum Einwohnermeldeamt geschickt und hat dann eine Meldeadresse, bekommt dann auch entsprechende, entsprechende Unterlagen. Wenn jemand das nicht hat, wenn jemand wirklich auf der Straße lebt, der hat, der hat tatsächlich diesbezüglich ein Problem, weil er einfach keine Meldeadresse hat. Also ich bin mir nicht sicher, ob es die Wärmestube noch macht, aber die hatte auf jeden Fall lange Zeit das Angebot für Wohnungslose, dass man die, dass man die Postadresse angibt, das dann die Post an die Adresse der Wärmestube ging und die Betroffenen sich dann da ihre Post holen konnten. Aber das ist keine Meldeadresse, das ist dann auch nur eine Postadresse. Also sprich jemand der der tatsächlich von der Straße kommt, hat mit Sicherheit ein großes Problem, von der Straße aus eine Wohnung zu finden. #00:45:16-5#

Hannah Diemer: Und jetzt kostet ja so eine Beantragung von dem Personalausweis auch einiges an Geld. #00:45:21-3#

Peter Münch: Ja. #00:45:21-8#

Hannah Diemer: Wird es von der Heilsarmee dann zum Beispiel übernommen, diese Kosten, oder? #00:45:25-3#

Peter Münch: Es gibt eine Vereinbarung zwischen den Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe und der Stadt Nürnberg, dass unseren Personen die Gebühren erlassen werden. Also sprich, wenn jemand von uns, von unseren Leuten einen Personalausweis braucht, bekommt er eine Bescheinigung von uns mit fürs Einwohnermeldeamt. Es gab, zumindest vor Coronazeiten einen Sonderschalter für diese Fälle. Da kriegte man auch relativ problemlos, dann mit dieser Bescheinigung, kostenlos den Personalausweis. #00:45:58-1#

Hannah Diemer: Jetzt haben wir schon viel gesprochen, wie man in die Wohnungslosigkeit rutscht und welche Hilfestellen man sich suchen kann und wie lange es ungefähr dauert, bis man da wieder rauskommt. Würden Sie mal beschreiben, wie, wie laufen diese 18 Monate, wenn man das jetzt als Standardfall nehmen kann, wie läuft es denn so ab? Wie entwickeln sich die Personen und wie verabschieden sich denn die Menschen wieder aus der Wohnungslosigkeit heraus? Oder landen die wieder dann zurück auf der Straße? Wie läuft das? #00:46:24-0#

Peter Münch: Also es gibt alle Varianten. Es gibt Männer, die, die, die sang und klanglos hier einfach wieder verschwinden, ohne uns Mitteilung zu machen, wohin sie gehen oder warum sie gehen. Die gehen einfach. Es gibt Männer, die die geordnet in eine eigene Wohnung ziehen. Und es gibt Männer, die auch wieder auf die Straße gehen, weil sie auch hier nicht zurechtkommen. Also da gibt es wirklich das gesamte Spektrum. Wenn jemand hier aufgenommen wird, ist der Ablauf erstmal der, also man wird mit einem konkreten Wohnbereich zugeordnet, dieser Wohnbereich wird von einem von einem Sozialpädagogen betreut, in der Regel von zwei Sozialpädagogen, die sich gegenseitig vertreten. Wir arbeiten hier in Zweierteams, sind in der Regel relativ überschaubare Wohneinheiten. Wir haben Einzelzimmer überall. Den größten Teil unserer Wohnangebote sind diese Einzelzimmer mit Nasszelle ausgestattet, weil es einfach, unsere Erfahrung ist die, wenn man, wenn man Menschen gemeinsam eine Küche zur Verfügung stellt, völlig unabhängig vom Bildungsgrad und völlig unabhängig davon, wie die Personen sonst beieinander sind, sieht die Küche einfach irgendwann sehr verwüstet aus, weil niemand richtig zuständig ist. Das ist bei Wohnungslosen nicht viel anders als bei anderen Wohngemeinschaften. Ähnlich ist es mit dem mit den Toiletten, genau, die, die Männer werden, werden einem Wohnbereich zugeteilt, diese Wohnbereiche sind von der Belegung her relativ überschaubar, das sind 12 bis 14 Personen, also Männer, die da im Einzelzimmer diesen Wohnbereich sich miteinander teilen. Also man muss sich vorstellen, wenn jemand von der Straße kommt oder, oder, oder aus völlig ungeregelten Lebensverhältnissen, ist allein schon der Umstand, wieder eine Tagesstruktur zu haben, dass der Tag-Nacht-Rhythmus wieder irgendwo eingehalten werden kann, dass man regelmäßige Mahlzeiten hat, dass irgendwo ein stabiles Umfeld vorhanden ist, wo man nicht ständig Angst haben muss, Bestohlen, oder, oder, oder übergriffig behandelt zu werden, ist für viele schon schon irgendwo eine ganz existenzielle Erfahrung. Und wir lassen in der Regel die, die, die, die Männer auch in Ruhe, weil erstmal diese diese, diese Erfahrung ankommen muss. Hier bin ich wirklich sicher, hier kann ich bleiben, hier bedrängt mich niemand, hier klaut mir niemand irgendwas, ja, tut mir niemand irgendwas. Also, das braucht Zeit, bis so eine Erfahrung ankommt. Wir bieten unseren Männern, wenn nicht gerade Corona ist, tagsüber Beschäftigungsmöglichkeiten an, die auch bezahlt werden. Jetzt zu Coronazeiten schwierig, da sind nur einige der Beschäftigungsmöglichkeiten angeboten, aber es wird gewünscht, wenn es irgend geht, sollte es, sollte jemand einer tagesstrukturierenden Maßnahme nachgehen, einfach um, um irgendwie wieder in seinen Tagesrhythmus reinzufinden. Man weiß das ja von Langzeitarbeitslosen, also wenn jemand über viele Jahre arbeitslos ist, dann ist irgendwann völlig wurscht, ob man nachts aufsteht, oder tagsüber aufsteht, oder ob man überhaupt irgendwie sich durchwurschteln. Es ist völlig wurscht, weil es gibt keine Vorgaben mehr von außen und das ist noch extremer, wenn man wohnungslos ist, weil da ist dann wirklich alles futsch. Da hat man überhaupt keine, keine Struktur mehr von außen, es sei denn, man hat irgendwo eine Übernachtungsmöglichkeit und ist dann nachts zumindest in diesem Zimmer. Ansonsten ist jegliche Tagesstruktur völlig futsch. Und die, die Männer sollen erst mal wieder reinfinden in so eine Tagesstruktur. Das alles bieten wir an, also wir verpflichten niemand zu irgendwas. Weil, das ist unsere Erfahrung, funktioniert einfach nicht. Also man kann schon sagen, Sie müssen aber hier arbeiten und dann sagt er: Ne, mache ich nicht. Ja, und was mache ich dann? Dann setze ich ihn auf die Straße und mach damit genau das, was ich eigentlich verhindern will, nämlich, dass der auf der Straße sitzt. Und mehr Druckmöglichkeiten haben wir in der Regel nicht. Also haben wir irgendwann gesagt, es bringt nichts, jemand zu verpflichten, der, der sich nicht verpflichten lässt, sondern wir versuchen die die Angebote so zu gestalten, dass sie attraktiv sind für die, für die Betroffenen. Und selbst dann gibt es einfach eine gewisse Anzahl von Männern, die sich auf nichts einlassen. Aber damit kann man leben oder muss man leben. #00:50:51-7#

Hannah Diemer: Und das Ziel ist von ihnen auf jeden Fall, dass die Menschen, oder die Männer dann eine Wohnung wieder finden, oder was ist so das Ziel Ihrer Arbeit? #00:50:59-9#

Peter Münch: Das ist das Ziel der Arbeit. Also wir haben ja, auch vom Gesetzgeber gibt es ja einen Auftrag, also wir können nicht einfach vor uns hinwurschteln und sagen, jetzt machen wir mal irgendwie ins Blaue rein, sondern es gibt vom Gesetzgeber her einen Auftrag, der ganz klar besagt, es muss in die Richtung Verselbstständigung gehen, es muss in die Richtung Wiedereingliederung gehen und wir müssen dann Kostenträger gegenüber auch nachweisen, dass wir in diese Richtung mit den Personen arbeiten. Ob das dann immer gelingt, ist noch mal eine andere Sache, aber wir müssen zumindest in die Richtung arbeiten. #00:51:32-0#

Hannah Diemer: Ich stelle es mir extrem schwierig vor, als Wohnungsloser, der in einer Einrichtung wohnt, wahrscheinlich lange keinen Job mehr hatte diese Wiedereingliederung tatsächlich wieder zu schaffen, weil es ist ja jetzt schon für jemanden mit einer normalen Ausbildung nicht ganz einfach, tatsächlich eine Arbeitsstelle zu finden. Das muss für Wohnungslose ja noch dreimal so schwer sein. Schaffen sie das? Gibt es da erfolgreiche Fälle tatsächlich, oder? #00:51:56-6#

Peter Münch: Ja, die gibt es. Es gibt, also das Problem ist halt im Moment, der Wohnungsmarkt ist ohnehin sehr eng. Es gibt selbst für Menschen die, die, die ein einigermaßen brauchbares Einkommen haben, zu wenig Wohnraum und für jemand, der der auf öffentliche Gelder angewiesen ist, entsprechend noch viel weniger Wohnraum. Aber die, die eine Wohnung finden, wie auch immer, da gibt es etliche, die wirklich den Sprung schaffen. Also wir bieten an, wenn jemand hier bei uns gewohnt hat, kann er sich ambulant begleiten lassen. Der wird dann noch in der Wohnung für, was weiß ich, ein, zwei Jahre betreut, solange das halt auf Gegenseitigkeit, muss wirklich von dem Betroffenen gewollt werden. Es bringt nichts, das jemand aufzudrücken, der eigentlich sagt: Will ich nicht. Also das muss schon auch von Seiten des Menschen gewollt sein, dass da jemand mit reinredet und jemand mit reinschaut und dann auch begleitet. Dann bieten wir das an und da gibt es schon den einen oder anderen, der auch dann wirklich Fuß fasst und und und zurechtkommt. #00:52:59-0#

Hannah Diemer: Jetzt haben Sie mit Ihrer über 30-jährigen Erfahrung bestimmt Momente, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind oder die besonders ans Herz gewachsen sind. Können Sie da ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern? #00:53:10-0#

Peter Münch: Ja, also eines der schönsten Erlebnisse war, ich war mit einem mit einem Bewohner bei einem Gericht, der war angeklagt wegen Diebstahl, zum ich weiß nicht wie vielten Mal und der Richter fragte ihn, wie er denn dazu gekommen sei, in diesem Getränkemarkt einfach diese Kiste Bier mitzunehmen. Und er stand da bloß schulterzuckend und sagte "Herr Richter, da war das Bier, da war ich.", der Rest versteht sich von selbst. Oder ich war mit einem anderen Bewohner war ich, war ich bei ihm, auch beim Gericht. Er hatte auch irgendeine Klage laufen wegen irgendeiner Kleinigkeit und der Staatsanwalt stand auf und fragte ihn "Wollen Sie ins Guinness Buch der Rekorde?", meine er "Nein, Herr Staatsanwalt", "Ja, aber wenn ich Ihr Register lese, dann könnte man den Eindruck bekommen!". Also der hatte so viele Einträge, der hatte so viele Verfahren hinter sich. Also der Staatsanwalt hat in dem Fall verzichtet, die alle vorzulesen, weil es einfach zu viel war. Mit einem anderen war ich, war ich bei der Polizei. Der hatte eine Anzeige an der Backe und sollte Stellung nehmen bei der Polizei, zu dieser, zu dieser Anzeige. Und dann verlas der Polizist die Anklage: "Sie sind gesehen worden, am U-Bahnhof irgendwo.", "Ja, wie komme ich denn da hin?". Der Polizist: "Das müssten Sie doch wissen.", "Da war ich nicht.", "Sie sind da gesehen worden, am U-Bahnhof sowieso, und haben in einen öffentlichen Mülleimer uriniert und dann laut Heil Hitler gerufen." "Ach nee". Das Schönste war, ich kannte den Mann noch nicht so lange und dachte, das kann unmöglich sein, das ist so ein umgänglicher, friedliebender Mensch. Und dann bin ich mit denen, also, es kam dann zur Verhandlung, ich bin mit ihm hingegangen ins Gericht und dann wurden die, dann wurde die Anklage verlesen, beziehungsweise das Strafregister wurde aufgeführt und er hatte, ich weiß nicht, wie viele solcher solcher Delikte schon. Dessen Spezialität war es, einfach im volltrunkenen Zustand so lange zu provozieren, bis irgendjemand reagiert und das geht am besten, indem man irgendwie Naziparolen lautstark rumbrüllt, also da reagiert mit Sicherheit jemand. #00:55:48-6#

Hannah Diemer: Es gibt Taktiken, um Aufmerksamkeit zu erregen. Wie erhalten Sie sich denn diesen Spaß bei der Arbeit? Sie haben so viel zu tun mit diesen traumatischen Erlebnissen und versuchen den Menschen zu helfen in den ausweglosesten Situationen und sind aber trotzdem so positiv und strahlen so eine Freude aus. Wie haben Sie das geschafft? #00:56:10-4#

Peter Münch: Keine Ahnung. Ich denke, ich denke, ein Großteil hat sicherlich damit zu tun, dass wir hier ein gutes Kollegium haben. Also ich arbeite hier in einem Team, in dem ich mich einfach wohlfühle, in dem ich mich mitgetragen fühle. Ich hatte die ersten, die ersten Jahre immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich zu Kollegen gegangen bin, um zu reden. Irgendwann habe ich verstanden, dass dieses Gespräch über, über das, was ich hier mitbekommen, über die Gespräche, die ich mit Bewohnern habe, das gehört zur Psychohygiene, darüber reden zu können. Im Reden verarbeite ich und eine Möglichkeit, sich ein Stück Distanz zu verschaffen, ist Humor. Also manches dann eben auch von der komischen Seite her zu nehmen. Und da ist wirklich, da ist vieles immens komisch. Gott sei Dank habe ich, habe ich Kollegen und Kolleginnen, die zumindest diese Art von Humor mittragen. Ja, also ansonsten, wenn man, wenn man alles nur von dieser, von dieser menschlich tragischen Seite her nimmt, das ist überhaupt nicht auszuhalten. Da ist so viel Elend, so viel menschliche Tragik mit drin, auch unverschuldete Tragik, wo Menschen einfach wer weiß wo reingeraten sind, wo man im Grunde, wo es auch nichts bringt, jetzt jetzt zu überlegen, wer hat jetzt da in welcher Weise Schuld oder auch nicht, die sind einfach drin und wo ich mir denke, also, dass ich auf der anderen Seite des Schreibtisches sitze, das ist kein, weiß nicht, warum ich da sitze, warum ich nicht auch irgendwo abgestürzt bin. Also ich denke, abstürzen kann jeder. Es kann jeden treffen. Man hat Lebensphasen, wo man einfach durchdreht oder wo man einfach, was weiß ich was veranstaltet und warum es manche in dieser Weise trifft und andere nicht trifft, da bin ich sehr vorsichtig in der Bewertung. Ich empfinde es als als Privileg, auf der Seite des Schreibtisches zu sitzen und eben nicht auch auf der anderen Seite. Aber Ich habe einen großen Respekt vor den, vor den, vor den Menschen, die irgendwie in dieser dieser beschissenen Situation leben und überleben und erlebe auch vielfach die haben, die haben zum Teil selbst eine große Portion Humor. #00:58:25-4#

Hannah Diemer: Ich bedanke mich ganz herzlich für dieses interessante Gespräch. Ich könnte Sie noch stundenlang befragen über Ihre Anekdoten und Geschichten. Es freut mich wahnsinnig, dass Sie so viel Spaß bei Ihrer Arbeit haben oder sich das beibehalten konnten und ich bin Ihnen wirklich dankbar, dass Sie sich so mit Herz und Seele für die Wohnungslosen in Nürnberg einsetzen. #00:58:43-4#

Peter Münch: Danke schön. #00:58:44-3#

Dieses Projekt/Diese Maßnahme/Initiative leistet einen wichtigen Beitrag, Nürnberg schrittweise inklusiver zu gestalten. Es/Sie ist Teil des Nürnberger Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Den Ersten Aktionsplan hat der Nürnberger Stadtrat im Dezember 2021 einstimmig beschlossen. Um die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in Nürnberg zu verwirklichen, wurden und werden umfangreiche Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Weitere Informationen finden Sie unter www.inklusion.nuernberg.de.

Wir sprechen mit dem Sozialarbeiter über Alkohol, Aggression, Almosen und Anlaufstellen. Was führt zu Wohnungslosigkeit und: kommt man aus dieser überhaupt wieder raus?

Am Ende seiner über 30jährigen Berufslaufbahn sprechen wir mit Peter Münch, einem Sozialarbeiter für Wohnungslose in der Heilsarmee Nürnberg. Er beschreibt die oft ausweglose Lage der Wohnungslosen und, wie es überhaupt so weit kommt, das eigene Dach über dem Kopf zu verlieren.
Münch erklärt, welche Anlaufstellen es in Nürnberg für Obdachlose gibt und welche Voraussetzungen man erfüllen muss, um dort aufgenommen zu werden. Er berichtet aus dem Alltag seiner Einrichtung für Wohnungslose, über Gerichtstermine und persönliche Abgründe. Er erklärt, wie unterschiedlich die Erfahrungen für wohnungslose Männer und Frauen sind und wie schwer es ist, genaue Zahlen für wohnungslose Menschen zu finden.

Ganz nebenbei gibt er Erziehungstipps für die eigenen Kinder, sowie den Schlüssel für ein erfolgreiches, glückliches und humorvolles (Berufs-)Leben.

Nach dem Gespräch mit Peter Münch, erreichte mich noch diese Nachricht, dir wir gerne mit veröffentlichen dürfen: “Ich danke Ihnen für die angenehme Gesprächsatmosphäre und das ehrliche Interesse an dieser Arbeit. Was ich nicht mehr erzählen konnte, ist, dass ich im Alter von 23 Jahren selbst in der Drogenszene war und an dem Punkt war, dass ich dachte mein Leben sei gelaufen, es ginge nichts mehr weiter, weil alles über mir zusammengebrochen ist. Ich bin dann, über seltsame Umwege, Christ geworden, habe die Chance bekommen, mein Leben völlig neu auszurichten und bekam die Chance als ungelernte Hilfskraft den Hauptschulabschluss, die mittlere Reife und das Fachabitur zu machen um dann zu studieren. Das ich heute auf der Seite des Helfenden sitze, empfinde ich als großes Geschenk, denn es hätte auch ganz anders enden können. Daher fühle ich mich diesen gescheiterten Menschen ein Stück weit verbunden. Scheitern geht schnell und irgendwann hängt man drin und weiß nicht wo es einen Ausgang gibt und ob es den überhaupt gibt.”

Bonus-Information
Wie ergeht es Wohnungslosen mit Haustieren, insbesondere Hunden?
Peter Münchs Antwort nach der Aufzeichnung:

“Was den Umgang mit Hunden betrifft gibt es tatsächlich ein Problem. Es gibt wohnungslose Menschen, die mit einem Hund unterwegs sind. Leider gibt es kaum Möglichkeiten sowohl die Tiere als auch die wohnungslosen Menschen zu beherbergen. Für die Wohnungslosen bleibt dann oft nur die Möglichkeit selbst auf der Straße zu schlafen oder die Tiere, meist Hunde, ins Tierheim zu geben. Für eine Einrichtung ist es eine immense Herausforderung Menschen und Tieren gleichzeitig gerecht zu werden, schon aus Hygienegründen. In dem angehängten Artikel ist aber zu lesen, dass es ein entsprechendes Angebot gibt in Nürnberg, von dem ich persönlich aber auch nur das weiß, was in dem Artikel steht. "

Link zum Artikel

Weitere Informationen:

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Aufgenommen am: Freitag, 2. Oktober 2020
Veröffentlicht am: Donnerstag, 22. Oktober 2020
Moderation: Hannah Diemer
Im Gespräch: Peter Münch

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