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Natasha Wodin, woher kommt die Kraft zum Überleben?

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Ansage: KontaktAufnahme. Der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg. #00:00:10-8#

Grazyna Wanat: Hallo, herzlich willkommen bei unserem Podcast. Mein Name ist Grazyna Wanat und heute bei uns zu Gast. Natascha Wodin, Schriftstellerin und Übersetzerin. Die Liste ihrer Bücher ist lang, das vermutlich bekannteste Buch, ausgezeichnet vor drei Jahren mit dem Preis der Leipziger Buchmesse. Heißt sie kam aus Mariupol. Eine sehr beeindruckende und berührende Lektüre wie alle ihre Bücher. Guten Tag, Frau Wodin. Guten Tag, Frau Weinert. Wir sitzen nicht in einem Raum, sondern sprechen über eine App. Sie sind in Mecklenburg, oder? Ich bin gerade in Hamburg. Es ist ja eigentlich ganz egal, wo man ist, wenn man mit diesem Medium kommuniziert. Aber, und das und ungewohnt ist es trotzdem. Ich sitze in Nürnberg und ich möchte Sie gerne gleich am Anfang fragen. Welche Emotionen verbinden Sie mit Nürnberg? Na ja, die Emotionen sind natürlich bestimmt von den Erlebnissen, die ich in Nürnberg hatte in meiner Kindheit. Und die waren also alles andere als positiv. Wobei mir klar ist, dass natürlich das, was ich damals in Nürnberg und Franken überhaupt was ich damals erlebt habe, das hätte ich zu dieser Zeit überall erlebt. Das hat jetzt nichts. Das ist jetzt keine Spezialität von Franken, aber es hat sich nun mal in Franken abgespielt, und ich habe heute keine sehr lebendige Beziehung mehr zu dem Ort. Aber der Ort der Kindheit ist bleibt natürlich irgendwie immer der wichtigste Und ich schreibe ja auch fast in jedem Buch noch darüber und es ist als innerer Ort immer präsent. Sie lebten aber dann später auch noch in Nürnberg, nicht nur in Ihrer Kindheit. Genau. Ich habe später noch mal nach einer Pause von Ich bin mit Zahlen ganz schlecht und mit Jahren. Ich glaube so 15 Jahre habe ich dann noch mal zwischen in den 70er und 80er Jahren noch mal zehn Jahre in Nürnberg gelebt. Ja, ich weiß das. Ich habe nämlich gelesen, dass sie 1984 den Kulturförderpreis der Stadt Nürnberg bekommen haben. Da standen Sie noch eigentlich am Anfang Ihrer schriftstellerischen Karriere. Nach meinem ersten Buch. Ja, Ja, genau. Ja. Ja. Ja. Können Sie sich an diese Preisverleihung erinnern? Ja, ich kann mich daran erinnern. Das war war nicht nicht so besonders erbaulich für mich, weil ich damals wahnsinnig öffentlichkeitsscheu war und mich gar nicht vor ein Publikum traute. Das hat sich inzwischen sehr geändert. Durch den Erfolg von Mariupol war ich also sehr viel unterwegs und sehr, sehr viel mit Publikum konfrontiert. Aber damals war das alles noch ganz neu und ich habe also so, so eine Angst gehabt. Ich habe auch nicht gelesen, habe mich ständig versteckt. Mich fasziniert, dass ich so ängstlich bin in dem Buch. Sie kamen aus Mariupol. Erzählen Sie die Geschichte Ihrer Mutter und in dem Buch irgendwo in diesem Dunkel die Geschichte Ihres Vaters. Aber gleichzeitig erzählen beide diese Bücher eigentlich ihre eigene Geschichte. Wie es war als Kind russischer Eltern, ehemalige Zwangsarbeiter im. Ich würde sagen Nazi verseuchten Deutschland direkt nach dem Krieg aufzuwachsen. Ja, sie kamen zur Welt im Dezember 45 in Fürth. Wo hat Ihre Familie zu diesem Zeitpunkt gewohnt? Also wir. Meine Familie. Meine. Meine Eltern haben in Nürnberg gewohnt und ich weiß sogar noch die Adresse Stadtgrenze eins A, also die Grenze zu Fürth. Wir wohnten in Nürnberg. Ich wurde geboren in einem Fürther Krankenhaus. Ich habe den Namen mal gewusst. Das ist ein ganz bekanntes Krankenhaus. Auch heute noch. Fällt mir jetzt leider nicht ein, aber da wurde ich nur geboren. Ich war dann wahrscheinlich ein paar Tage nicht länger, aber ich kenne Fürth natürlich auch. Aber in Nürnberg habe ich die die ersten fünf Jahre meines Lebens verbracht. Nein, stimmt nicht. Also an der Stadtgrenze eins a in diesem Schuppen die ersten fünf Jahre. Und dann kamen wir in zwei Lager in Nürnberg Langwasser, wo heute die Hochhäuser stehen. Ja, das Walker Lager wurde errichtet für die sogenannten Displaced Persons. Also staatenlose Menschen. Genau. Genau. Genau. Und trotzdem haben Sie auf diesem Fabrikgelände gewohnt. Die ersten fünf Jahre ihres Lebens. Warum nicht in dem Lager? Ja, das weiß ich auch nicht so genau. Ich kann nur vermuten, Ich denke, dass meine Eltern so Lager traumatisiert waren, dass sie versucht haben, irgendwie anders durchzukommen. Und offenbar. Aber das sind alles nur Vermutungen. War der der Mann dem also, auf dem das Territorium gehörte, auf dem dieser Schuppen stand, da war eine Eisenbahnfabrik und an die angelehnt stand dieser Schuppen und der Besitzer dieser Fabrik war offenbar ein intelligenter und und guter Deutscher sozusagen. Er hat uns da wohnen lassen. Ich erinnere mich. Ich denke, dass es so war, weil ich erinnere mich an furchtbare Ängste meiner Mutter, dass wir da rausgeschmissen werden und immer wieder auch an Gespräche mit diesem Fabrikbesitzer, die ich nicht richtig verstanden habe. Aber so viel ist mir irgendwie in Erinnerung, dass er immer wieder meine Mutter beruhigte, Dass sie, dass wir bleiben können. Aber irgendwann, es war ja verboten. Also entdeckte er uns ja. Wir mussten also alle Displaced Persons, mussten im Lager leben, damit man sie unter Kontrolle hatte. Und er machte ja etwas Verbotenes, indem er uns deckte, und irgendwann ging das offenbar nicht mehr. Und dann mussten wir da raus und kamen ins Walker Lager, so wie sich das gehörte für Displaced Persons. Und wie sind Ihre Erinnerungen an das Lager? An das Walker Lager? Ja, ich war natürlich noch klein. Also, ich war so zwischen fünf und sechs. Ich bin dort auch in die Schule gekommen. Also, ich sehe diese Baracken vor mir. Eine Hälfte war Steinbaracken, die andere Hälfte war Holzbaracken. Wir waren in den Holzbaracken gelandet und es gibt ja ziemlich viele Bilder darüber. Man kann sich die im Internet anschauen, dass das, so vergegenwärtige ich mir die selbst auch heute noch mal. Das waren so, so Holzbaracken mit vielleicht je zehn, zwölf, vielleicht 15 Zimmern, jede für jede Familie ein Zimmer und natürlich dünne Holzwände. Also man wohnte eigentlich so in einem, in einem Bienenstock. Man hörte alles von nebenan. Und ich erinnere mich, dass meine Mutter sehr gelitten hat unter diesem Krach. Also es war Tag und Nacht war Lärm. Es war nie ruhig. Ich denke, das war schon vorher im Lager so gewesen. Im Arbeits, im Zwangsarbeiterlager. Und davon hatte sie wahrscheinlich schon ein kleines Trauma von dem Lärm. Und jetzt ging das wieder genauso. Also es wurde natürlich auch viel gestritten und die Leute waren natürlich alle traumatisiert, alle mit den Nerven fertig. Es wurde viel gestritten, geschrien, dann auch gesoffen und gelacht usw Also es war immer was los. Man kam wirklich nie richtig zum Schlafen. Dann erinnere ich mich, dass es immer abwechselnd mal für die Steinbaracken und mal für die Holzbaracken nicht gab. Also es war immer eine Nacht mit Licht und eine Nacht ohne Licht oder bzw. Mit so einer kleinen Petroleumlampe, die wir dann angemacht haben. Ja und ich habe also ansonsten ich habe so eine emotionale Erinnerung daran, die ist sehr beklemmend, aber so wahnsinnig viele Einzelheiten sehe ich nicht mehr vor mir. Ich weiß nur, ich bin in die Schule gekommen und das war für mich, also ich glaube erstmal auch sehr schwierig, weil warum auch immer, ich wusste nicht, mit Sicherheit wurde in dieser Schule, obwohl sie auf dem Gelände des Walker Lagers war, wurde Deutsch unterrichtet und die Kinder konnten eigentlich alle kein Deutsch. Also denke ich mal, also und ich natürlich auch nicht. Aber ich habe das dann irgendwie. Ich hatte so eine Gier nach dem Deutschen, weil ich wusste schon, da gibt es ein Deutschland, irgendwo, wo ich nicht sein darf eigentlich. Und ich wollte eigentlich dahin immer schon. Also soweit ich mich erinnere, so lange ich mich erinnern kann. Und dann habe ich glaube ich irgendwie sehr schnell und intuitiv Deutsch gelernt, obwohl ich es sicher auch schon ganz viel gehört habe und es schon irgendwie in mir hatte. Ich habe vor kurzem im Web, bin vor kurzem eben auf einen Film Porträt des Walhalla gestoßen, gedreht von Frankenschau des Bayerischen Rundfunks. Kennen Sie den Film? Nein, das ist so ein. So ein kurzes Porträt entstand 2012 in Zusammenarbeit mit der Geschichtswerkstatt des Gemeinschaftshauses Langwasser. Und da kamen auch Einige ehemalige Bewohnerinnen und Bewohner zusammen, die damals Kinder waren. Ich glaube, ich habe es doch gesehen, dass dieser Lette dabei oder dieser Litauer. Den Namen weiß ich jetzt nicht mehr. Na egal. Auf jeden Fall hat mich das sehr betroffen. Einen Moment, als einer diese Damen damals war sie ein Kind im Walker Lager und jetzt sagt sie 60 Jahre später. Ich habe es mir aufgeschrieben. Genau, was sie gesagt hat. Diese ganze Lage, das alles hat mich geprägt. Und ich kann nicht sagen, dass ich eine Deutsche bin. Ich bin zwar hier geboren, aber vom Gefühl her. Ich fühle mich nicht wie eine Deutsche, nein, sondern Journalist. Staatenlos. Ich bin weiterhin staatenlos. Ich fand das ziemlich erschütternd, weil es gibt ja das Wort Entwurzelung. Aber um entwurzelt zu werden, muss man erst irgendwo Wurzeln schlagen, Erschlagen, denke ich. Und wie würden Sie diese Frage nach der Identität beantworten? Also ich könnte nicht sagen, dass es das Walker Lager ist, das mich geprägt hat. Das natürlich auch, aber mich hat. Mich haben natürlich auch diese ersten fünf Jahre in dem Lagerschuppen geprägt. Mich haben die ganzen Jahre danach das war, das war. Eigentlich empfinde ich das als meine stärkste Prägung, weil ich dann älter wurde und immer mehr verstand. Nachher, als wir in Forchheim gelebt haben, in dieser Siedlung für ehemalige Displaced Persons, die dann heimatlose Ausländer hießen. Aber es waren alles ehemalige Zwangsarbeiter. Und da waren wir so hinter der Stadt in so Steinblocks angesiedelt. Menschen aus allen osteuropäischen Ländern eigentlich und darüber hinaus aus Aserbaidschan und Armenien und Kasachstan usw. Also es war immer dieses Außerhalb, ob im Walker Lager oder woanders. Und das hat mich natürlich immens geprägt. Ich kann auch nicht so hundertProzentig sagen, ich fühle mich als Deutsche. Ich war auch lange staatenlos, bin dann durch Heirat Deutsche geworden. Aber es ist immer so ein Rest geblieben von einer Erfahrung, die ich mit Deutschen in der Regel nicht teilen kann. Die kann ich nur mit Menschen teilen, die das eben auch erlebt haben. Und Heimat, glaube ich, ist schon sehr davon abhängig, dass man verstanden wird irgendwie, dass man mit seinen Erfahrungen eingebettet ist in sein Umfeld. Und das bin ich nicht immer. Und haben Sie je in Erwägung gezogen, in Russland zu leben oder in der Ukraine? Ja, ja, ich habe das sogar sehr in Erwägung gezogen. Ich war schon. Ich war. Ja, Sie fragten mich vorhin nach der gläsernen Stadt. Da habe ich diese dieses Abenteuer beschrieben, also nach meinem ersten Buch. Ich war schon in Russland und ich wollte heiraten. Ich hatte dort einen Mann gefunden und habe mich tatsächlich entschlossen. Das war 1979. Nein, 1980. Ich habe mich tatsächlich entschlossen, aus Deutschland in eine Diktatur zu gehen, was reichlich verrückt war und dann letztlich auch gescheitert ist, weil. Ja, weil dieser Mann eine Woche vor der Hochzeit einfach gestorben ist. Und dann habe ich schon überlegt, ob ich da bleiben soll. Also ich war dann schon sehr eng verbunden mit vielen Menschen und habe mich dort eigentlich auch ganz glücklich gefühlt. Aber das habe ich mich dann letztlich doch nicht getraut. Ich wollte dann doch wieder in ja soll ich sagen in die Freiheit? Also das ist ja ein schwieriger Begriff, das ist Freiheit, aber dort ist man schon mehr gefangen. War man jedenfalls, weil man keine Bewegungsfreiheit auf jeden Fall hatte und durfte nicht ohne Weiteres rein und raus. Und das, das war irgendwie entscheidend, dass ich dann eben doch zurückgekommen bin. Wenn wir in der Geschichte noch mal wieder zurückspringen zur Forchheim, da wohnten sie in den sogenannten Häusern. Das war ach, was waren diese Häuser. Na ja, wie ich eben schon sagte, das waren so Steinblocks, vier Stück, die im Quadrat da standen, an der Regnitz, in der meine Mutter sich dann ertränkt hat nach einigen Jahren. Ja, das waren vier zweistöckige Blocks, so langgezogene. Wenn ich die heute auf dem Foto sehe, da schaudert es mich, weil es so unheimlich öde ist. Es ist so, steht sie in einer öden Landschaft außerhalb der Stadt. Und es sind eben diese viereckigen Fenster mit den damaligen Fensterkreuzen und ansonsten wirklich Wildnis und und da lebten nun diese ganzen verschiedenen Nationen zusammen, genauso wie im Walker Lager. Im Grunde genommen war das auch ein Walker Lager. Wir hatten keinen, kein Zaun, keinen, keinen Stacheldrahtzaun herum, oder. Walker Lager war glaube ich, sogar zum Teil eine Mauer umgeben, aber das weiß ich nicht mehr genau. Ich weiß nur, dass es da eine Kontrolle gab. Wenn ich in die Schule ging, raus, Kontrolle und zurück, gab es immer Kontrolle. Und die gab es dann in Forchheim. Die gab es nicht mehr, aber nicht mehr. Nein, nein, Aber ich glaube im Grunde, es war noch dieselben Leute. Wahrscheinlich kamen die auch alle aus dem Walker Lager, vermute ich. Und es war dieselbe Atmosphäre eben ein paar Jahre später. alles. Die meisten Leute waren noch arbeitslos, aber dann kam ja das Wirtschaftswunder, dann kriegten viele Arbeit und dann beruhigte sich, glaube ich, auch die Situation ein bisschen. Aber ich war ja dann auch gar nicht so lange dort. Erstmal, weil dann meine Mutter starb. Und dann kam ich nach Bamberg, in ein Kinderheim. Als ich Ihr Buch jetzt zum Zweiten Mal gelesen habe und als ich über diese Häuser gelesen habe, da passierte in Deutschland etwas, was ich in meinem Kopf sehr verbunden hat mit dieser Geschichte, nämlich diese Corona Ausbruch in einem großen Wohnblock in Göttingen. Da gab es sofort Schlagzeile Ansteckung beim Zuckerfest Familienfeier mehrere Großfamilien. Also sofort eine Stigmatisierung. Sofort gab es Schuldige und na ja, und dann hat die Zeit eine. Das Fremde ist ja immer das Gefährliche. Da projiziert man immer so alles Mögliche drauf. Und so war es sicher auch mit Corona. Ja, das ist wahr. Genau. Und die Zeit brachte dazu eine Reportage unter dem Titel 18 Stockwerke Stigma und man hat das ein bisschen diese Situation analysiert und auch teilweise die Schuldzuschreibungen widerlegt, aber auch einige Phänomene sichtbar gemacht. Zum Beispiel sagt eine der dort wohnenden Roma, weil da wohnen tatsächlich 600 Menschen, alle mit Migrationshintergrund, in diesem riesengroßen Wohnblock. Und eine von den dort wohnenden Roma sagte, dass er jetzt Angst um seine Kinder habe, weil sie schon in der Schule gemobbt werden. Und was soll das jetzt werden, wenn sie aus der Quarantäne zurückkommen. Ja, Ja. Und schlimmer noch, als die Behörden mitteilten, dass sich unter den Kontaktpersonen erstes Grades der Infizierten 57 Kinder und Jugendliche befinden. Und öffentlich würden deren Schulen aufgezählt, aufgezählt. Da fand sich darunter kein einziges Gymnasium. Ja, ja, ja, ja. Und das ist erstaunlich, oder? Also 57 Kinder in einem Haus, aber dort keine Kinder aufs Gymnasium gehen und ein Gymnasium in der Stadt hat sofort auf die Webseite groß gepostet. Bei uns kein Corona. Wir sind nicht betroffen. Oh ja, also da habe ich mir gedacht, wie gesagt, das habe ich parallel zu Ihrem Buch gelesen, habe ich mir gedacht, die Häuser, die gibt es nach wie vor. Ja, ich glaube bestimmt. Vielleicht gibt es heute noch schlimmere Häuser. Also die Flüchtlingslager zumindest sind bestimmt noch um einiges schlimmer. Wir hatten ja wenigstens ein Dach überm Kopf. Wir wohnten nicht im Zelt und wir mussten nicht irgendwie in der Landschaft aufs Klo gehen. Also das ist für mich alles unfassbar, was sich da abspielt. Aber das ist, finde ich, sehr typisch. Was? Was, Was, Was Sie eben gesagt haben. Diese Gefahr, die immer vom Fremden ausgeht und die, auf die immer alle möglichen Gefahren projiziert werden, das kenne ich sehr gut von früher. Wann immer irgendwas in der Schule war, das war immer. Ich war immer schuld, wenn ein Radiergummi geklaut wurde, Dann wurde ich schon rot, weil ich wusste, man wird jetzt wieder mich beschuldigen und weil ich rot wurde. Das war ja dann auch irgendwie der Beweis dafür, dass ich es war. Ganz schrecklich. Und das ist ein großes Problem? Ich weiß nicht. Sicherlich nicht nur von Deutschen. Ich glaube, die Menschen auf der ganzen Welt haben Angst irgendwie vor dem Fremden. Aber wenn man sich überlegt, wie viele solcher Natascha sich jetzt in allen diesen Lagern und in diesen Häusern stecken und verzweifelt auf irgendwelche Unterstützung hoffen. Ich glaube an Ihre Geschichte. Hat mich auch am meisten berührt, dass da eben kaum Hoffnung gegeben hat und kaum Unterstützung von keiner Seite. In der Schule wurden sie auch gemobbt und verfolgt und gejagt. Eine Hilfe von Lehrern konnten sie auch nicht erwarten. Weiß Gott nicht. Im Gegenteil. Die Lehrer haben das Feuer geschürt, indem sie schreckliche Geschichten über Russen erzählt haben. Aber ich glaube, der Unterschied, wissen sie, ist trotzdem. Es ist trotzdem ein Unterschied, da. Ich glaube, ich habe meine Kraft zum Weitermachen, zum Überleben sozusagen. Daraus bezogen, dass ich doch in Deutschland, also ich hatte eine Bleibe. Ich wusste, dass ich da bleiben kann. Die Flüchtlinge, die müssen ja die meisten oder sehr viele müssen ja darum bangen, dass sie wieder weggeschickt werden. Ich denke, das ist eine noch sehr viel schärfere Situation, die Menschen zutiefst verunsichert, wenn sie damit rechnen, dass sie wieder an den Ort müssen, von dem sie geflüchtet sind, weil es, weil es ihnen dort sehr schlecht ging. Also schwer vorstellbar für mich. Ich wusste, ich kann in Deutschland bleiben. Und irgendwann, da war ich mir sicher, werde ich mich da raus arbeiten und dann wird für mich schon alles gut werden. Und so ist es ja irgendwie auch gekommen und so ist es gekommen. Aber als Kind konnten Sie bestimmt noch nie in diesen Kategorien denken, wenn Sie keine Unterstützung in der Schule, keine Unterstützung von Lehrer und zu Hause war auch alles andere als harmonisch. Ja, trotzdem. Trotzdem auch als Kind. Ich habe das sicherlich nicht so bewusst gedacht, aber ich sah immer ein Ziel vor Augen. Doch ich will nach Deutschland und da werde ich auch hinkommen. Also ich war ja nicht in Deutschland irgendwie, da wir immer außerhalb gewohnt haben. Im Kloster war ich irgendwie auch nicht in der Welt, weil wir da eingeschlossen waren. Und da war dann mein Stigma nicht, dass ich russisch bin. Da war mein Stigma, dass ich nicht katholisch bin. Das war nämlich ein Kloster. Und wer nicht katholisch war, na ja, der war des Teufels, der kam nicht in den Himmel Usw. Also da hatte ich ein neues Stigma weg, aber irgendwie ich wusste da, ich komme da wieder raus und ich bin dann ja auch in Forchheim. Früher, also dann später nicht früher, aber später dann doch auch abgehauen, einfach aus den Häusern und bin auf die Suche nach meinem Leben gegangen, sozusagen. Das war schon später. Sie haben schon gesagt, Ihre Mutter hat sich ertränkt, als Sie, als Sie zehn Jahre alt waren. Das sind auch sehr beeindruckende Bilder. Wenn Sie zehn jähriges Mädchen wissen, dass ihre Mutter das Zuhause verlassen hat, nicht mehr zurückgekommen ist. Und Sie wussten schon, man soll sie im Fluss suchen. Ja, also das war auch nicht schwer, das zu wissen, weil sie, seit ich sie kannte, das eigentlich fast jeden Tag angekündigt hat, dass sie ins Wasser geht. Also ja, das war so unvorstellbar. Als ich mich auf dieses Gespräch vorbereitet habe, habe ich mir ein paar Begriffe notiert und unter anderem das Wort Schweigen. Glaube. Ich glaube. Schweigen. Kernwort. Das Kernwort. Das Kernwort. Jawoll! Ich habe mir so einen Satz auch heraus notiert. Meine Eltern schwiegen über etwas anderes als die Deutschen. Es gab zwei Wahrheiten, von denen ich nicht wusste. Ich spürte noch immer und überall das Ungesagte und gab ihnen dieses große Schweigen, den Antrieb, alles zu sagen. Weil in Ihren Büchern gibt es wahnsinnig viele Tabubrüche. Also als ob Sie sich gesagt haben Okay, jetzt sage ich alles. Also ich bin tatsächlich, ich habe ein Schweigetrauma, glaube ich. In der Tat. Also mich hat dieses Schweigen, das war eigentlich mein größter Feind, weil man sich dagegen irgendwie nicht wehren kann. Man weiß ja nicht, was verschwiegen wird. Man weiß nur, es wird verschwiegen. Aber ich weiß nicht, was verschwiegen wird. Und ich wollte das eigentlich unbedingt immer wissen. Und das Schweigen, das lastete immer so auf mir. Also da war das ganze Unheil lag in dem Schweigen. Das habe ich gespürt. Ich habe ja nichts gewusst. Na ja, dass es einen Krieg gegeben hat. Irgendwie habe ich das schon gewusst. Aber was das war und wer meine Eltern waren, das habe ich ja sowieso erst sehr viel später erfahren, dass sie Zwangsarbeiter waren. Ich habe also ich hatte keinen Zugang zu den Tatsachen und und das. Das hat mich am stärksten gelähmt. Und es kann schon sein, dass ich heute alles sage. Na ja, alles sage ich auch nicht, aber sehr vieles. Und dass das noch damit zusammenhängt. Also ich reagiere immer noch betroffen auf Schweigen und allergisch auf Schweigen. Ich bin also, wenn ein Mensch mir mit seinem mit seinem Verhalten signalisiert irgendwas und es nicht ausspricht, dann kommt bei mir sofort Verunsicherung. Ich muss dann fragen Was ist los? Sie haben es schon erwähnt Ihre Eltern kamen als Zwangsarbeiter nach Deutschland und darüber haben sie geschrieben. Und auch dafür würde ihr Buch so gefeiert. Denn das Thema Zwangsarbeit kommt in der deutschen Literatur kaum vor. #00:25:41-4#

Natasha Wodin: Ich verstehe nicht, warum. #00:25:43-7#

Grazyna Wanat: Ich auch nicht. Ich auch nicht. Ein bisschen verstehe ich es. Wissen Sie, die Zwangsarbeiter, wer sollte von den Zwangsarbeitern schreiben? Also der größte Teil also von den Sowjetbürgern jedenfalls, und das waren ja die allermeisten, die wurden repatriiert. Die hatten von dort aus keine Möglichkeit, irgendwas zu schreiben. Die waren sowieso ganz furchtbaren Repressalien ausgesetzt. Die mussten froh sein, wenn man sie überhaupt am Leben ließ. Und diejenigen, die in Deutschland geblieben sind, na ja, die waren in einer höchst schwachen Position. Die waren alle in diesen Lagern, die noch lange Zeit bestanden haben. Die meisten haben ihr Leben in diesen Lagern beendet. Die sind da nie rausgekommen und es waren sprachlose Menschen. Und sie konnten auch alle kein Deutsch. Sie lernten es nicht. Sie. Sie fühlten sich immer als Außenseiter und. Fanden auch keinen Zugang zur Sprache. Also das ist eine eine Erklärung dafür, warum es keine Literatur gibt. Es gibt Erfahrungsberichte, Das gibt es schon einige. Aber das. Aber. Also literarisch ist mir nur ein einziges Buch bekannt, das aber in Deutschland auch nicht bekannt geworden ist. Es hat ein Russe geschrieben und ich habe jetzt den Titel sogar vergessen. Auf jeden Fall waren es alleine in Nürnberg zwischen 39 und 45 ungefähr 100.000 Zwangsarbeiter und aus mehr als 40 Ländern. Ja, ja, ja, ja, das waren ja Millionen insgesamt. Insgesamt waren es tatsächlich zwischen sieben und 11 Millionen. Man weiß es nicht so ganz genau. Ja, ich habe auch schon von. Das kann aber sehr spekulativ sein. Im Internet ist ja alles. Da habe ich auch schon von 36 Millionen gelesen. Es kommt auch immer auf die Zählweise an, glaube ich. Also in Nürnberg haben Sie hauptsächlich in der Rüstungsindustrie gearbeitet, aber auch im Einzelhandel und in der Stadtverwaltung. Die haben beispielsweise bei der Trümmerbeseitigung nach Bombenangriffen gearbeitet. Ja, das weiß ich ja. Ja, das ist eine leichte Arbeit. Und ja. Aber sie haben in den Trümmern manchmal Lebensmittel gefunden. Das war. Das war dann das Gute an der Trümmerbeseitigung, dass man was finden konnte, wenn man Glück hatte. Nürnberg schreibt sich die Erinnerungskultur auf die Fahnen. Zu Recht. Und es wird hier auch viel zu diesem Thema gemacht. Ich kann erwähnen nur diese wirklich hervorragende Arbeit des Dokuzentrums oder auch das Memory im Nürnberger Prozesse. Aber tatsächlich gibt es auch in Nürnberg ein Zwangsarbeitermahnmal Transit. Wissen Sie das? Nein. Wann wurde das aufgestellt? Ja, die Geschichte ist auch spricht für sich. Und ich vermute, dass auch nicht viele Nürnberger davon wissen und das Mahnmal kennen. Das steht direkt am Plärrer. Das haben Sie mir geschrieben, glaube ich. Ja. Aha. Und die Realisierung des Mahnmals benötigte von der Beschlussfassung bis zur Einweihung 20 Jahre. Ja. 1987 fasste der Nürnberger Stadtrat den Beschluss, ein Mahnmal für Nürnberger Zwangsarbeiter zu errichten. Und die Einweihungsfeier war am 15. Oktober 2007. Ach, ich wollte Sie schon fragen, ob Sie dabei waren, aber anscheinend nicht. Ich habe davon nichts gewusst. Nein, 2007 war ich längst in Berlin. Und ich habe schon gesagt wenig Beziehungen eigentlich zu Franken. Es hat mich keiner informiert und ich habe es auch nicht mitgekriegt. Also ich war bei der Einweihung oder Einweihung. War das auch Bartoszewski? Der polnische ehemalige Außenminister hat zur Einweihung gesprochen, und es war eine ganz schöne Feier. Allerdings steht dieses Mahnmal jetzt ein bisschen vernachlässigt wieder und vergessen. Und wie gesagt, kaum jemanden nimmt es wahr. Ja, ja, ja. Ja, ja. Also, diese Zwangsarbeitergeschichte ist irgendwie. Wissen Sie, ich denke, die Deutschen hatten schon so viel zu tun mit dem Holocaust nach dem Krieg. Da war kein Platz mehr für weitere Gräuel. Das passte einfach nicht mehr in die Köpfe. So ein bisschen, glaube ich, spielte das auf jeden Fall eine Rolle, dass das Thema so vernachlässigt ist. Obwohl ich auf der anderen Seite auch immer wieder merke, dass, wenn ich zu Lesungen eingeladen bin, dass es viele kleine regionale Initiativen gibt, dass die Menschen durchaus eigentlich viele, sich damit befassen. Ich vermisse nur irgendwie so von auf auf Regierungsebene oder oder sagen wir mal in den in den großen Zeitungen. Und da kommt es eigentlich so gut wie gar nicht vor. Aber so kleine regionale Initiativen gibt es des Öfteren und das sind wirklich sehr tolle Menschen, die, die sich damit befassen und da oft irgendwas auf eigene Kosten machen und so, also das gibt es alles. Aber insgesamt ist das Thema auf höherer Ebene jedenfalls spielt es ja kaum eine Rolle meines Wissens. Unter meinen Stichworten findet sich auch großgeschrieben ein anderes Wort Einsamkeit. Ihre Bücher durchdringt eine bedrückende, traurige, unüberwindbare Einsamkeit, und alle Figuren in ihren Büchern sind schrecklich einsam. Empfinde ich zumindest. Auch ganz am Anfang. Ihre Mutter, auch Ihr Vater, Sie natürlich. Und aber auch die Menschen um sie herum. Auch Sie in den anderen Büchern, wo sie in Beziehungen sind. Mit den Einsamen. Die Einsamen suchen die Einsamen. Richtig. Ja. Ja, ja. Also, ich bin ja jetzt nicht mehr jung. Ganz und gar nicht. 74 Jahre. Und inzwischen wandelt sich das. Ich habe also wirklich mein Leben lang unter der Einsamkeit gelitten und immer so meinen, meine Mitmenschen gesucht. Und das hat sich, das hat sich sehr gewandelt inzwischen. Ich glaube, man muss seinen Mitmenschen eigentlich doch vor allen Dingen bei sich selbst suchen. Und inzwischen bin ich eigentlich gerne einsam. Ich liebe die Einsamkeit immer mehr. Die gibt mir Konzentration. Die, die ist für mich. Die stellt keine Anforderungen an mich. Die Einsamkeit. Ich bin für mich und ich kann arbeiten. Das ist eigentlich das Wichtigste für mich. Es wird immer mehr die die Arbeit. Ich habe früher gar nicht gerne geschrieben, ich habe aus Not geschrieben, also ich musste schreiben, weil ich ja, weil ich so furchtbar einsam war und weil ich so viel Angst hatte und auch furchtbar gebeutelt war vom Leben überhaupt. Das Schreiben war immer so mein einziger Halt. Das kann ich heute nicht mehr so sagen. Also heute ist es für mich einfach ein Hochgenuss. Eine Form für den Inhalt zu finden. Und dazu muss man allein sein. Also. Oder einsam? Eigentlich muss man einsam sein, sonst kann man. Sonst kann man diese Arbeit nicht machen. Also ich bin ausgesöhnt mit meiner Einsamkeit. Ausgesöhnt? Das klingt gut. In Ihren Büchern gibt es da nicht so viele Lichtblicke. Und ich glaube. Ich glaube, zu den absolut erhaltenden gehören diese Momente, in denen es unerwartet Empathie Zeichen von Seiten von anderen Menschen gibt, wie zum Beispiel als sie als Obdachlose, der man ihr Status sofort ansehen konnte, ihre erste Stelle bekommen haben. Ja, Ja. welche Bedeutung für das ganze Leben hatten eben diese Momente, wo man tatsächlich Menschen getroffen hat, die in einem Menschen gesehen haben. Ja, das ist nicht oft passiert damals. Also inzwischen. Natürlich ist es ganz anders. Aber damals ist das nicht oft passiert und ich habe das damals eigentlich nicht verstanden. Ich habe war zu selten. Ja, es war zu selten. Ich habe dann immer gedacht also da steckt irgendwas dahinter, ich weiß nicht mehr so genau. Also ich war ja ein Kind, aber ich habe den, ich habe den Braten nicht getraut. Ich habe ich also mich hat zum Beispiel mal ein ein Mann nachts in den Häusern draußen im Hof, wo ich auch gewesen bin, weil ich nicht mehr zu meinem Vater gegangen bin, das wusste er, dass ich eine Streunerin bin. Und er hat zu mir gesagt Das war ein Aserbaidschaner. Er hat zu mir gesagt Komm, komm, wohnt bei uns. Und ich denke, es hatte auch ernst gemeint. Aber ich habe gedacht also der hat sich mit meinem Vater verabredet und die wollen mich jetzt in die Falle locken. Und dann gab es noch so zwei, drei solche Fälle, wo ich das immer missgedeutet habe oder dem einfach nicht geglaubt habe. Und dieser Mann, der mich eingestellt hat damals. Na ja, das war natürlich. Also dann war ich eingestellt. Also das musste ich nun glauben und das war sicherlich. Und der hat mir vielleicht das Leben gerettet. Das. Ich weiß nicht, wie es mit mir weitergegangen wäre, aber ich war schon sehr hungrig. Und. Also der nächste Winter. Ob ich noch mal da durchgekommen wäre? Da bin ich mir nicht sicher. Also es gab dann immer wieder so immer wieder Menschen, die die, wie Sie schon sagten, auch in mir einen Menschen gesehen haben, als ich mit ihnen dieses Gespräch vereinbart habe. Dann habe ich Ihnen so grob gesagt, worüber ich mit Ihnen sprechen will. Und dann daraufhin haben Sie etwas milder, glaube ich, gesagt Ja, ja, da sind ja die Themen, über die man mit mir spricht. Das habe ich nicht so gemeint. Das habe ich gemeint. Ich Ich spreche hier ganz gern darüber. Aber ich kann das auch verstehen, dass man das machen Büchern mit ihren Autoren oder Autorinnen, dass man auf ein Thema dann reduziert wird. Ich habe das, ich habe das ja nun geschrieben, Ja und? Und da also dieses dieses Thema Zwangsarbeit ja nach wie vor vernachlässigt ist ist, spreche ich immer wieder gern darüber und freue mich über das Interesse der Menschen. Also ich wollte nur sagen, das ist für mich jetzt gar keine Last, mit Ihnen zu sprechen. Ganz im Gegenteil. Ja, so habe ich das nicht natürlich nicht gemeint, sondern ich wollte Sie fragen Worüber würden Sie dann gerne sprechen, wenn Sie auf einmal ein anderes Thema eröffnen könnten? Ich glaube, ich würde über gar nichts sprechen. Also vielleicht. Also mein mein zentrales Thema ist jetzt eigentlich das Altern. Der bevorstehende Tod. Aber sprechen würde ich darüber nicht so gern. Lieber schreiben. Und Sie schreiben auch schon darüber. Also Sie haben zumindest ein Buch darüber schon geschrieben. Ja, das da war ich. Aber empfinde ich heute, da war ich noch jung und hat eine große Klappe. Ein bisschen alt gespielt. Das heißt, ich kann jetzt diese langweiligste alle Fragen stellen. Was schreiben Sie jetzt? Im Moment schreibe ich gar nicht über das Alter. Also das ist ein Projekt, das immer da ist, und ich schreibe auch immer was dazu, aber das ist nicht das, woran ich jetzt sitze. Ich arbeite jetzt an einem Erzählungsband, der auch wieder wieder über, ja, über einsame Menschen, Außenseiter. Das sind Geschichten über solche Menschen, die ich in meinem Leben getroffen habe und ich sehr schade finde, dass die für immer aus der Welt verschwinden, ohne dass je über sie gesprochen wurde. Dass jemand von diesen Schicksalen erfahren hat. Und das versuche ich jetzt aufzuschreiben. #00:38:44-6#

Natasha Wodin: Wann können wir mit diesem Buch rechnen? #00:38:47-1#

Grazyna Wanat: Das weiß ich nicht. Also noch gar nicht. Nein, die Verlage sind ja jetzt auch alle im Stillstand wegen Corona. Also, da ich. Ich habe keine Ahnung. Keine Ahnung. #00:38:57-0#

Natasha Wodin: Und wie hat Corona ihr Leben beeinflusst? Hat sich was für Sie deutlich verändert? #00:39:04-5#

Grazyna Wanat: Ja. Wunderbar. Hat das mein Leben beeinflusst? Ich war mit meinem Freund in in Mecklenburg, wo ich gar nicht sein durfte. Aber ich war da und wir waren da praktisch dann eingesperrt. Und wir in dem Haus, in dem ich eine Wohnung habe oder wir eine Wohnung haben. Das ist alles. Das sind alles Zweitwohnungen von. Von Menschen, die woanders leben, in Berlin oder in Hamburg. Und die sind alle nicht gekommen. Jetzt durften nicht mehr kommen, aber wir waren schon da, bevor die Maßnahmen gegriffen haben, und waren dann drei Monate wie im Paradies ganz allein. Ansteckungsgefahr bestand für uns nicht. Und ich habe das alles auch. Ich weiß, dass man sofort als Ketzer. Tituliert wird, wenn man das sagt. Aber ich habe die Bedrohung auch nicht als sehr schlimm empfunden. In diesem Podcast haben wir eine Rubrik, in der wir unsere Gäste danach fragen Was würden Sie gerne lernen, wenn Sie noch dazu kämen oder Zeit hätten? #00:40:12-5#

Natasha Wodin: Gerne lernen. Es gibt. #00:40:14-4#

Grazyna Wanat: Ich glaube, es gibt drei Berufe, die ich noch gern hätte. Außerdem also mein absoluter Lieblingsberuf, das würde ich der Schriftstellerin noch vorziehen, wäre Opernsängerin. Ja, Ihr Vater war ja ein Sänger. Ja, ja, ja. Und auch meine Schwester war Sängerin und Opernsängerin. Also die Oper ist schon für mich, also die Musik überhaupt und speziell die Oper. Die menschliche Stimme als Instrument ist für mich ein ganz großes Glück. Und ich höre sehr viel Musik und vor allen Dingen eben Stimmen. Und ich würde wahnsinnig gern so singen können wie die Opernsänger. Das wäre mein, mein Traumberuf sozusagen. Und der zweite Beruf wäre Köchin. Ich würde sehr gern sehr gut kochen können. Also richtig gut, meine ich. Also mir alles Mögliche ausdenken Denken und. Und probieren, wie verschiedene Dinge zusammen schmecken und viel experimentieren. Also das finde ich auch sehr interessant. Ich würde auch sehr gerne Fotografie fotografieren. Ja, das Arbeiten mit dem Licht finde ich auch sehr interessant. Und außerdem Floristin auch gerne Floristin, Floristin, Blumen, Blumengebinde machen. Das finde ich auch so, diese japanische Floristen Kunst. Die Welt um uns herum in der Stadt hat sich jetzt ziemlich verändert, glaube ich. Also die Rosen werden jetzt nicht mehr so gemäht und es gibt wahnsinnig viele Blumen, die es nicht gegeben hat. Ja, also die Natur der Natur mehr Raum geben. Ja. Ja, ja, Ja. Haben Sie das nicht nicht gemerkt? Also, in Nürnberg ist es sichtbar. Auf jeden Fall. Also ich bin ja meistens jetzt schon seit Jahren. Seit seit März oder seit Februar sogar schon bin ich fast die ganze Zeit in Mecklenburg. Und ich weiß nicht, ob Sie hier in Berlin. Ich habe nur mal zwischendurch ein paar Tage da. Ich weiß gar nicht, was sich da verändert. Und ich bin sonst natürlich auch nirgends hingekommen, man durfte ja nirgends hin. Also ich kenne nur die Natur in Mecklenburg, die hat sich meines Wissens nicht verändert. Aber ich finde ich wunderbar, wenn der Natur mehr Raum gegeben wird. Also mir sowieso eine irrsinnige Vorstellung immer wieder, dass Leute, die Gräser überall raussuchen, mit der Nagelschere beschneiden, also dass man das wachsen lässt, also dass das die Häuser sollten alle in einer Wildnis stehen, das würde ich so schön finden, das wäre ein so wunderbarer Kontrast und wäre natürlich auch für für die, für die Umwelt ein großer Nutzen. Ja, mit viel Bäumen und Büschen und Blumen und Tieren. So sollte es sein. Und wenn Sie etwas nennen sollen, was Ihnen zurzeit am meisten Spaß macht, Was wäre das? Musik hören und schreiben. Das ist immer dasselbe. Eigentlich. Ja, das habe ich. Und? Und umgekehrt. Was ärgert Sie zurzeit? #00:43:21-0#

Natasha Wodin: Mecker Ecke. #00:43:23-8#

Grazyna Wanat: Das ärgert mich zurzeit, dass ich bald sterben muss. Das Thema beschäftigt Sie unglaublich, Merke ich schon sehr. Was ist das? Der Tod? Und was ist das Leben? Ich frage mich oft Was wäre was? Wie wird die Erde? Sagen wir, einen ganz kurzen Zeitraum in 10000 Jahren aussehen? Das ist ja aus der Perspektive der Ewigkeit gar nichts. Ganz, ganz kurze Zeit. Und wir werden wir dann gewesen sein, Sie und ich. Also man wird von uns nichts wissen, nehme ich an, und wir werden. Was werden wir sein? Wir haben. Das. Das sind so Fragen, auf die es keine Antwort gibt. Ich denke auch an die Menschen, die schon über die Erde gewandert sind, in den Tausenden und Abertausenden von Jahren, und von denen wir nichts wissen. Aus ihnen besteht eigentlich die Erdoberfläche, denke ich, aus ihren toten Körpern als aus ihrer Erde, aus ihrer Asche. Und ich würde so gerne irgendwie dran glauben, dass es weitergeht. Aber ich finde den das findet es schwierig, daran zu glauben. Deswegen beschäftigt also Menschen, die daran glauben, dass sie weiterleben werden, auf irgendeine andere Art nach dem Tod. Die haben es da leichter. Ich beneide diese Menschen. Aber ich selbst kann es. Ich kann auch nicht sagen, ich glaube gar nichts. Also irgendwas ist da schon, aber ich habe keinen richtigen Zugang dazu. Aber es beschäftigt mich sehr stark. Und nicht nur das, sondern mich beschäftigt auch der Weg zum Tod. Also das ist, glaube ich, viele Menschen, jüngere Menschen eingeschlossen Mich selbst, machen sich keine Vorstellung, was für eine Zumutung das ist. Also in also dabei zu sein, wie der Körper abbaut, wer verfällt. Und das täglich zu erleben und zu wissen, dass es mit dem Tod enden wird, Also davor gibt es ja kein Entrinnen. Das ist das Einzige, wovor es wirklich kein Entrinnen gibt. Als Mädchen wusste ich, ich komme da raus aus aus der Hölle. Ich bin aber aus. Aus dem jetzigen Zustand. Da komme ich nicht mehr raus. Im Gegenteil, der wird sich verstärken. Und ja, das. Das thematisiere ich auch beim Schreiben jetzt. Mich hat der Tod eigentlich immer schon beschäftigt. Ich denke, durch den Tod meiner Mutter, durch den frühen Tod. Und sie hat auch immer vom Tod gesprochen. Ich bin einmal zum Friedhof gegangen, habe mir die Leichen angeschaut. Also es war immer ein Thema in meinem Leben, der Tod. Aber sich das wirklich sinnlich vorzustellen und seitdem den zu Ende gehenden Körper sich vorzustellen ich glaube, wir sind so eingerichtet, dass wir das gar nicht können. Das sonst könnte man nicht nicht mehr gut leben. Und ich höre auch alte Menschen. Ja, ich höre auch alte Menschen, die sagen es ist schön, alt zu sein. Also man hat mehr Ruhe, man hat mehr, man hat mehr Einverständnis mit sich selbst und den anderen und der Welt. Das kenne ich auch ein bisschen, wer weiß. Ja. Na ja, ich finde, man kann ja ruhig über den. Über den Tod und das und und das Altwerden muss ja auch gesprochen werden. Also es soll auch nicht mit Schweigen bedeckt sein, finde ich. Ja, also ich würde sehr gerne mehr darüber hören von Menschen, die es erlebt haben. Es schreiben ja nicht sehr viele über das Alter. leider auch. Das ist nur die Zwangsarbeiter ein Tabuthema. Das ist definitiv ein Tabuthema. Ich glaube, Menschen wollen nicht darüber schreiben, aber vielleicht auch lesen. Ich bin mir nicht sicher. Also manche macht das zu viel Angst. Mein Buch Alter fremdes Land, obwohl das da ja noch sehr optimistisch ist. Das wurde fast gar nicht gelesen. Es ist das ist wirklich ein Flop gewesen, dieses Buch. Das kann ich mir vorstellen, das es doch die Ängste gibt, einfach. #00:47:35-3#

Natasha Wodin: Sich mit diesem Thema zu befassen, weil das Sterben und der Tod wird eigentlich aus unserem Leben komplett vertrieben. #00:47:43-5#

Grazyna Wanat: Ja, ja, ja, ja, der Tod ist auch so unsichtbar geworden. Ja, man macht ja auch die Särge heute zu. Früher waren die Särge oft. Man sieht ja heute keine Toten mehr, höchstens im Fernsehen. Aber leibhaftig sind die Toten ja eigentlich aus der Welt verbannt. Und das auch, die mehrere Generationen nicht unter einem Dach leben. Man sieht eigentlich auch nicht, wie die Menschen wirklich ganz alt werden. Und viele werden ja heute sehr alt. Ja, man sieht nicht, wie sie, wie auch wie sie alt werden. In der Tat. Sie sind allein. Ja, Sie leben allein. Oder Sie leben im Altenheim. Man sieht es nicht. Ich habe es. Mein Vater war auch im Altenheim. Also, ich habe das schon ein bisschen gesehen. Und auch die vielen anderen. Das ist schon sehr hart. Na ja, als ich das gelesen habe, wie Sie sich um Ihren Vater gekümmert haben, da konnte ich auch nicht wirklich ganz nachvollziehen, woher bei Ihnen diese dieses Verantwortungsbewusstsein für den Menschen, den Sie eigentlich gehasst haben und von dem Sie nur Angst gehabt haben. Ja, das hat, glaube ich, wieder mit der Einsamkeit zu tun. Also ich habe keinen. Ich glaube nicht, dass das Verantwortungsgefühl war. Das war, glaube ich, wirklich. Komischerweise. Ich wundere mich selbst, aber es ist so Mitleid, weil mein Vater ja mit der Einsamkeit, die ich ja nun so gut kannte und ich war ja auf einem ganz anderen Weg. Ich war auf dem Weg in die Welt und in die Gesellschaft und in die Gemeinschaft, in Beziehungen. Und mein Vater baute immer mehr ab und er konnte nach wie vor kein Deutsch. Er hatte keine Beziehungen. Er war wirklich ein völlig vereinsamte Mensch. Und dazu in diesem Altenheim, in dem wir alle natürlich nur Deutsch sprachen. Er konnte nicht mal sagen, dass ihm was wehtut und dass er Hilfe braucht. Also es war ja auch nicht immer eindeutig, immer nur Mitleid. Es war eine Mischung. Es ist eine schwierige Mischung. Hass und Mitleid, das ist immer, auch immer geblieben und ist auch jetzt noch da. Vielleicht ist das noch ein Rest an Aufgabe, den ich zu bewältigen habe. Also ich habe also diese Vergebung, die die ja letztlich glaube ich schon ein wirklich befreit. Denn wenn man hasst, dann bleibt man ja gebunden. Also das wäre mir ein Wunsch, dass ich diese Vergebung noch lernen könnte und dann wirklich frei wäre von meinem Vater. Vielleicht brauche ich dafür noch den Rest meines Lebens. Es ist eine unglaubliche Lebensgeschichte, die Sie da beschreiben in allen diesen Büchern. Manchmal habe ich mich auch gefragt Es ist alles sehr autobiografisch und doch. #00:50:40-2#

Natasha Wodin: Sind das Romane. Und Sie werden in diesen Interviews auch in dem Gespräch mit mir immer so angesprochen. Und dann waren Sie mit Ihrem Mann, und dann waren Sie mit Ihrer Mutter. Aber das ist doch eine literarische Figur eigentlich. #00:50:54-1#

Grazyna Wanat: Ja, das sind schon, das sind schon Mischungen aus Dichtung und Wahrheit, das muss ich sagen. Also ich weiß nicht, warum das bei mir immer so eins zu eins genommen wird, aber spricht nicht dagegen, nichts dagegen. Also das kann man ruhig machen, aber es ist aber. Es ist aber tatsächlich nicht so, dass alles eins zu eins genau, also genommen werden kann. Die, die, die Figuren, die Geschichten, die kriegen auch beim Schreiben eine eigene Dynamik. Und das habe ich. Ich habe, ich habe nicht dagegen angekämpft. Also wenn da etwas sich selbst erfunden hat. Ich habe mich nie hingesetzt und was erfunden, Aber wenn es ganz von selbst dann irgendwie was in eine bestimmte Richtung ging, dann habe ich dem auch nachgegeben. Also man darf mir auch nicht alles glauben, das ist mir klar. Ich fand zum Beispiel diese Figur in dem Roman Die Ehe auch super spannend. Ja, Sind dem Mann die oder die Frau oder. Die Frau? die die Icherzählerin, die dann die, die dann um jeden Preis eigentlich einen deutschen Mann finden möchte und von Anfang an eigentlich in dieser Beziehung überhaupt keinen Wert auf Liebe legt und auf eine Verbindung mit diesem Menschen. Nein, nicht mit diesem Ja, ja, ja, das ist, glaube ich, das. Das ist ja etwas, was auch heute leider noch sehr oft passiert. Ich Das war auch meine Lage. Ich schreibe gerade über eine Frau, über eine Ukrainerin, die einen Deutschen geheiratet hat, um in Deutschland bleiben zu können. Können. Sie wurde ausgewiesen und dann hat sie nach diesem Strohhalm gegriffen und hat diesen Mann geheiratet, nur um bleiben zu können. Das gibt es ja ganz vielfach auch heute noch. Und ich war in derselben Situation. Ich wollte nicht bleiben, ich musste weg und ich wusste nicht, wie ich das alleine machen sollte. Ich wollte zwar mal nach Berlin gehen, diese schöne Geschichte habe ich tatsächlich noch nie geschrieben, die erzähle ich Ihnen jetzt ganz kurz. Ich wollte, Als ich 17, 18 war, wollte ich nach Berlin gehen. Und ich war sehr naiv und total unwissend. Und dann habe ich in der Fabrik, in der ich Telefonistin war, in in, in der mich dieser, dieser Personalchef eingestellt hat, von der Straße weg und war der Telefonistin und habe das auch furchtbar gerne gemacht. Aber ich dachte Na, so ewig will ich hier auch nicht sitzen. Und ich will weg aus diesem Forchheim. Ich will irgendwo hin, wo mich niemand kennt. Und ich habe schon gehört von Berlin, also das ist die deutsche Stadt und ich gehe jetzt nach Berlin. Ich habe tatsächlich gekündigt. Ich habe mich dafür bereit gemacht. Ich hätte einfach ein kleines Köfferchen gepackt und wäre losgefahren. Dann hätte man schon gesehen, was wird. Und dann hat mich aber dieser Herr Dr. Böhme hieß. Er hat mich zu sich gerufen und sagte Ich habe gehört, dass Sie uns verlassen wollen. Darf ich denn fragen, warum? Dann habe ich gesagt, Ich gehe nach Berlin. Dann sagte er Nach Berlin. Na ja, das ist ja eine geschlossene Stadt, Das ist ja nicht so einfach. Ich dachte Geschlossene Stadt. Wie bitte? Was? Wieso sagte ich, wieso? Geschlossene Stadt? Berlin hat ja eine Mauer. Berlin ist ja eingemauert. Westberlin. Also, davon hatte ich noch nie was gehört. Ich habe wirklich nicht in der Welt gelebt damals. Ich hatte keinen Kontakt zur Welt. Ich war irgendwie voll, vollkommen unbedarft. Jedenfalls hat er mir dann so ein bisschen über Berlin erzählt. Und dann habe ich gedacht Nein, um Gottes willen. Also wieder eingesperrt? Nein. Na ja, und dann habe ich eben. Das war mein eigener Versuch, der gescheitert ist. Und dann war in meinem Kopf nur noch eine Möglichkeit Ich muss einen deutschen Mann heiraten. Und dann gab es einen, der mich heiraten wollte. Naja, und dann habe ich ihn geheiratet und bin dann auch. Das war dann tatsächlich mein Sprungbrett. Man muss sich auch offenbar auch etwas unlauterer Methoden bedienen, wenn man in so einer. Ja, in so einer Lage ist, in der man nicht viele Chancen hat. Da muss man nehmen, was man kriegt. So und so habe ich geheiratet. Das will ich mit allen Frauen heute, die ich kenne, so einige aus den vor allen Dingen aus den osteuropäischen Ländern, die so etwas machen. Ich würde allen davon abraten, eigentlich. Ich weiß, dass das eigentlich nie gut geht. Es gibt jetzt glaube ich, Es gibt natürlich auch Liebesheiraten, also auf jeden Fall. Aber ich meine solche, die, die heiraten, um hier zu bleiben, die geht jedenfalls in der Regel nicht gut. Frau von den, Ich könnte mit Ihnen noch ganze Nacht sprechen. Es ist spät geworden. Ich möchte mich ganz, ganz herzlich bedanken. Ich mich bei Ihnen auch. Ich habe mich gefreut, Sie kennenzulernen. Danke sehr. Tschüss. Tschüss. Tschüss. #00:56:24-7#

Natasha Wodin: Weitere Infos zu dieser und anderen Folgen unseres Podcasts. Finden Sie, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, auf unserer Webseite www.bez nürnberg punkt.de Schrägstrich Podcast. #00:56:53-3#

Dieses Projekt/Diese Maßnahme/Initiative leistet einen wichtigen Beitrag, Nürnberg schrittweise inklusiver zu gestalten. Es/Sie ist Teil des Nürnberger Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Den Ersten Aktionsplan hat der Nürnberger Stadtrat im Dezember 2021 einstimmig beschlossen. Um die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in Nürnberg zu verwirklichen, wurden und werden umfangreiche Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Weitere Informationen finden Sie unter www.inklusion.nuernberg.de.

Natascha Wodin, aufgewachsen als Kind russischer Zwangsarbeiter in Nürnberg, über Stigmatisierung, Ausgrenzung und menschliche Gesten, die lebensrettend sein können. Außerdem über Schweigen und Tabuthemen.

Als Natascha Wodin im Jahr 1984 den Kultur-Förderpreis der Stadt Nürnberg erhielt, stand sie noch ganz am Anfang ihrer schriftstellerischen Karriere. Sie hat gerade ihren ersten Roman „Die gläserne Stadt“ veröffentlicht, der – wie alle ihre später folgenden Bücher – starke autobiografische Züge trägt. Ihre traumatische Kindheit und Jugend in Nürnberg und in Franken porträtierte sie viel später in ihrem bekanntesten, mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichneten Buch „Sie kam aus Mariupol“. Als Siebzigjährige macht sich Natascha Wodin auf die Suche nach Informationen über Ihre Eltern und erfährt einiges, was ihr bisher unbekannt war. Denn ihre Kindheit war vom großen Schweigen umgeben. „Sie kam aus Mariupol“ erzählt die Geschichte ihrer Mutter, das folgende Buch „Irgendwo in diesem Dunkel“ – die des Vaters. Beide jedoch erzählen auf diesem Hintergrund vor allem ihre eigene Geschichte.

Im Dezember 1945 als Kind russischer Zwangsarbeiter geboren, erlebte Natascha Wodin eine Kindheit, die von Ausgrenzung, Einsamkeit und Gewalt geprägt war. Im Gespräch erzählt sie über das Leben in einem Schuppen auf einem Fabrikgelände in der Fürther Straße in Nürnberg und später in dem Valka-Lager in Langwasser. Sie spricht darüber, woher sie die Kraft zum Überleben nahm und darüber, was das „Jetzt“ mit dem „Damals“ zu tun hat. Sie erzählt, welche destruktive Kraft das Schweigen haben kann und wie wichtig Erinnerungskultur ist.

Bücher (auch Hörbücher!) von Natascha Wodin in der Stadtbibliothek Nürnberg

Mehr zum Valka-Lager:

Spiegel-Dossier

BR-Doku, entstanden in Zusammenarbeit mit dem Gemeinschaftshaus Langwasser im Rahmen der Geschichtswerkstatt Langwasser. Es war ein Teil des Projekts "Langwasser! Begegnungen, Gespräche, Expeditionen" (2007-2010).

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Aufgenommen am: Sonntag, 21. Juni 2020 
Veröffentlicht am: Donnerstag, 9. Juli 2020 
Moderation: Grazyna Wanat
Im Gespräch: Natascha Wodin

Alle weiteren Folgen von KontaktAufnahme – der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg finden Sie hier. Jede Woche, immer donnerstags, veröffentlichen wir ein neues Gespräch.  

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