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Fabian Schäfer, wie können wir mit rechtem Zynismus im Internet umgehen?

Hannah Diemer: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Kontaktaufnahme. Das ist ganz spannend, das abwarten zu müssen, bis das Intro ausläuft, weil normalerweise produzieren wir den Podcast komplett selber und ich schneide das danach rein, und jetzt dürfte ich mal uns den Ruf mit anhören. Ich darf heute sprechen mit Professor Dr. Fabian Schäfer. Fabian, du bist Inhaber des Lehrstuhls für Japanologie mit dem Schwerpunkt Japan der moderne und Gegenwart, und du forscht zur digitale Transformation der politischen Öffentlichkeit. #00:00:58-8#

Fabian Schäfer: Vollkommen richtig. #00:01:00-7#

Hannah Diemer: Mein Name ist Hannah Diemer und ich moderiere den Podcast des Bildungscampus Nürnberg "Kontaktaufnahme". Unser Grundgedanke ist, dass wir immer mit Menschen aus Nürnberg sprechen oder mit Menschen sprechen, die in Nürnberg wohnen und wir decken vor allem Themen ab, die so gesellschaftspolitisch sind: Politik, Kultur, und was uns ganz besonders wichtig war, ist, dass wir immer den Gästen ganz besonders nahe kommen und dass wir immer rausfinden, wo die Leidenschaft dahinter steckt und warum die Personen so für diese Themen so brennen. Und wir dürfen das Ganze machen seit drei Jahren, und dann habe ich mal zurückgeblickt und mir überlegt, wie viele Persönlichkeiten hatten wir eigentlich schon bei uns im Gespräch und wollte euch eigentlich so ne Zusammenfassung geben, wer so alles da war. Aber das ist tatsächlich nicht möglich, weil unsere Podcast Gäste so wahnsinnig divers sind wie einfach die Stadt bei uns selber. Also wir haben ganz viele große Nürnberger*innen schon da gehabt. Wir haben aber auch mit Sozialarbeiter*innen gesprochen, die mit wohnungslosen Menschen zusammenarbeiten. Also, ich glaube, die Spannbreite, die wir bei uns haben, ist ganz besonders groß, und wir hatten auch schon mal das Glück, mit dir, Fabian, eine Aufnahme zu machen, und zwar hast du uns schon mal erzählt, wie weit es von Corona Verschwörungen hin zu prorussischer Propaganda ist. Das ist die Folge 60, falls sie gleich mal jemand nachhören will. Ihr könnt mal oder Handys schon mal rausnehmen und "Kontaktaufnahme" in Spotify eingeben oder sämtlichen anderen Podcast, Dienstleistungen und der Kontaktaufnahme folgen, falls ihr das noch nicht gemacht habt, und im besten Fall direkt auf diese Glocke drücken, weil dann bekommt ihr immer die Hinweise für unsere neuesten Folgen. Die sind immer alle zwei Wochen am Donnerstag. Wir versuchen immer, sehr regelmäßig alle zwei Wochen Podcast zu senden. Ja! #00:02:56-9#

Fabian Schäfer: Sehr gut. #00:03:00-9#

Hannah Diemer: Zurück zu unserem heutigen Gespräch. Ich freue mich wirklich wahnsinnig. Vielleicht dazu eine kurze Anekdote. Meine Podcast Kolleg*innen und ich saßen zusammen und haben uns überlegt, jetzt haben wir zum ersten Mal eine live Podcast Aufnahme. Wen laden wir denn ein, wer kommt? Und dann? Wir haben uns alle gedacht, auch der Fabian, der war so toll, weil diese letzte Folge war schon zu großartig mit ihm, aber kommt bestimmt nicht nochmal. Und dann hast du aber der Gracia geschrieben und gesagt, hey, ich hab ein neues Buch, und ich würde darüber gerne sprechen, und das verbindet sich jetzt perfekt, weil wir hatten dich eigentlich von Anfang an auf den Schirm und haben uns nicht getraut, dich zu fragen. Dein neues Buch heißt: "Konnektiver Zynismus, Politik und Kultur im digitalen Zeitalter". Und jetzt habe ich vorher schon gesagt, dass du eigentlich den Lehrstuhl für Japanologie hast und jetzt so ein bisschen die Überleitung: Japan ist ja eine Metapolitik der neuen Rechten. Dürftest du deshalb als Japanologe ein Buch über das digitale Zeitalter schreiben? #00:04:10-3#

Fabian Schäfer: Also zuerst mal zu dem Titel. Der ist wahnsinnig kompliziert. Ich würde den wahrscheinlich auch ändern wollen, irgendwie, wenn es jemals dazu kommt, dass ich das Buch noch mal schreibe oder eine zweite Auflage kommt. Es hat sozusagen den Kern, der Steckt oder der Kern des Buches steckt in diesen Begriff. Aber den kann man jetzt einfach mal vergessen. Der Grund, warum man als Japanologe oder Japanologin ein Buch schreiben kann, wo es auch vor allen Dingen um Deutschland geht oder um Kultur und Medien und Politik in Deutschland, liegt darin begründet, dass man als Professor oder Professorin alles man, wozu man Lust hat, weil eigentlich im Grunde, niemand schreibt mir vor, wozu ich vorstelle. Das ist jetzt sozusagen die lustige Antwort. Aber eigentlich ist es so, wenn man sich nicht nur mit Japan beschäftigen will, dann forscht man sozusagen vergleichend, dann guckt man sich nicht nur an, was in Japan passiert, sondern ich habe mir dann halt auch irgendwann angeguckt, was passiert in den USA, in den sozialen Medien. Also jeder hat das mit Trump mitbekommen, das soziale Medien wie Facebook und wird dann eine entscheidende Rolle dabei gespielt haben, wie dieser Typ ins Amt gekommen ist und wir ähnliche Dinge auch in Deutschland gesehen haben. Also, wir haben mit der AfD eine Partei, die sehr servisiert ist darin, diese sozialen Medien auf eine ganz bestimmte Perfide, und ich sage gerne, zynische Art und Weise einzusetzen, weil sie eben damit ein strategisches Ziel verfolgen, nicht immer ein politisches. Und dieser Vergleich ist sozusagen für mich mein Feigenblatt, hinter dem ich mich verstecken kann. Als Japanologe kann ich mich auch mit Themen beschäftigen, die mit Deutschland zu tun haben, und deine Frage zielt darauf ab. Irgendwann mal hat mich eine Freundin angerufen und meinte: "Hast du vom Herrn Höcke das neue Tube Video von de Häuser treffen, von diesen neuen rechten Flügel von der AfD gesehen? Der hat da irgendwas gesagt, ja, mehr Japan Wagen". Ich dachte, was will denn eine rechtsextreme Partei mit Japan? Alsowie kriege ich sozusagen den deutschen Politiker, der irgendwie Deutsche Politik macht, mit Japan zusammen? Und die benutzen Japan, also besonders die Migrationspolitik, die ja sehr restriktiv ist, inzwischen in ihrem Wahlprogramm als Feigenblatt für eine menschenfeindliche und rassistische Asyl und Migrationspolitik. Das kann man nachgucken, und genau die es da gibt, wo man nicht versteht, was passiert da eigentlich? Das sind die Puzzels, mit denen ich mich auch beschäftige und als "Puzzel- Löser" mich betätige. #00:06:29-3#

Hannah Diemer: Bevor wir noch tiefer in dein Buch einsteigen, würde ich gerne ein paar Grundlagen noch mal erklären, weil nicht nur der Titel deines Buches ist relativ komplex, auch der Inhalt. Aber wir versuchen, euch komplett mitzunehmen. Was sind denn eigentlich "Chiffren" und was sind hiffren von neuen Rechten? #00:06:47-9#

Fabian Schäfer: Also, die Chiffre sind Codes, den nur Eingeweihte verstehen. Also das ist der Sinn von einer Geheimsprache oder von Code, und die neue Rechte, wieso bezeichnet wird die sich von den alten Rechten. Also das sind die Neonazis mit den Baseballschlägern, den Springerstiefeln, die eindeutig als Neonazi zu erkennen sind, die mit Symbolen hantieren, die auf das Geburtsdatum Adolf Hitler verweisen. Also, die sind sehr eindeutig, und die sind dumm und stumpf, und jeder denkt so. Das ist aber jetzt auch irgendwie, damit kriegt auch niemanden mehr überzeugt. Da gibt es die neuen Rechten, die sind sehr viel klüger. Die benutzen halt eben eine Art Sprache, die nur Leute verstehen, die eingeweiht sind oder die irgendwie angelockt werden sollen. Und ein Beispiel ist der große Austausch. Das wird vielleicht jeder oder jede schon mal gehört haben, das ist die oder Umvolkung findet man auch, die AfD benutzt das. Das ist ein Begriff, wo gesagt wird, die Deutschen sollen ausgetauscht werden gegen Ausländer, durch eine Migrationspolitik. Das heißt, das ist nicht justiziabel. Wenn ich mich jetzt hinstelle und irgendetwas sage, was sozusagen Volks Verhetzung ist, da komme ich in den Knast, klar. Wenn ich sage, irgendwie rassistischen Inhalt darüber bringe, dass ich sage, es ist droht der große Austausch. Also, es wird eine Dokuliste aufgebaut und dafür kann ichnicht ins Gefängnis gehen. Das ist sozusagen die Strategie und gleichzeitig auch der Grund, warum die diese Chiffren oder Codes verwenden. #00:08:15-9#

Hannah Diemer: Okay, diese Chiffren werden später nochmal wichtig. Ich hoffe, ihr habt alle aufgepasst. Dann der zweite große Begriffe in deinem Buch ist "Zynismus", was bedeutet "Zynismus" für dich? #00:08:27-7#

Fabian Schäfer: Also, ich habe immer versucht, wie mache ich mir den Sinn auf das, was ich da sehe? Wie verstehe ich, dass Leute mit bösartigem Hass, und wir hatten das Thema heute schon mal, in den sozialen Medien aufeinander eindreschen? Also, was geht denn, was geht in diesen Menschen vor? Die wissen ja eigentlich, dass man bestimmt Dinge in einem Angesicht nicht sagen würde. Also, ich würde, viele Menschen oder viele Menschen würden andere Menschen nicht so beleidigen, rassistisch, sexistisch, wie sie das im Internet tun. Aber die sozialen Medien bringen die Menschen dazu, sozusagen zu handeln, und diese Paradoxie, dieser Widerspruch, den bezeichne ich als "zynisch". Also, wir wissen eigentlich, dass wir sozusagen keine antisemitischen, keine sexistischen Witze machen sollten, weil wir die Person darüber verletzen, weil es strafrechtlich verfolgt werden kann. Aber trotzdem, Internet macht das jeder, und das war sozusagen dann denke ich mir, okay, das ist ne sehr, sehr zynische Grundhaltung irgendwie. Ich sage, da waren die sozialen Medien vor allen Dingen mitverantwortlich und durchgesetzt hat, und die auch aus den sozialen Medien wieder raus schwappen. Also, viele Dinge kann man heute öffentlich sagen, dafür wäre es vor 30 Jahren, auch Politikerinnen und Politiker hätten ihre Karriere beenden müssen. #00:09:38-7#

Hannah Diemer: Da kommen wir zu der dritten und letzten Grundlage, und zwar der Funktionsweise der sozialen Medien. Und würdest du einfach kurz erklären, wie die funktionieren und was dann in dem Zusammenhang Konnektivität ist und was frische Kommunikation ist? #00:09:56-4#

Fabian Schäfer: Also, das sind auch so zwei schwierige Begriffe. Das sind immer so Begriffe, die ich benutze, um ganz verknappt zu sagen, was ich eigentlich sagen will und was ich jetzt irgendwie so in zwei Minuten hier aushalten muss. Also, ich glaube, die sozialen Medien zeichnen sich durch eine bestimmte Art zu kommunizieren aus, und die ist sehr verkürzt, sehr verknappt. Die funktioniert über solche Emojis, wo man eigentlich nicht mehr miteinander reden muss. Also, ich kann jemandem sagen, ich finde das voll gut, was du gemacht hast, indem ich einfach auf so einen Knopf drücke und dadurch das bestätige, was diese Person sagt. Das heißt, Kommunikation findet da in so einen ganz engen Kanal statt. Das machen natürlich die sozialen Medien, weil die dann leichter daraus sozusagen ableiten können, wer was gut findet, und das lässt sich dann gut verkaufen oder als Marketing Instrument irgendwie einsetzen. Das ist das eine. Das andere ist, dass die sozialen Medien so funktionieren, dass was am lautesten ist, was am extremsten ist, algorithmisch bevorzugen, also alles was irgendwie schrill, schräg, extrem ist. Da sagen die Argumente, ja, das wollen die Leute, das wird verstärkt, das wird weitergeleitet, das ist sozusagen in diesen sozialen Medien ein viel größerer Raum. Das interessiert da einfach keinen irgendwie. Und das dritte ist, dass sich dieser Quatsch zu Geld machen lässt. Also, es gibt Leute, die machen antisemitische Witze, die machen sexistische Witze, und die machen das nicht, weil sie wirklich sexistisch oder antisemitisch sind, sondern die machen damit, das finden die lustig, was ja noch irgendwie, wenn das in einem begrenzten Raum stattfindet, Okay ist, aber die machen das zu Geld, das heißt, die Plattformen, es lässt sich sozusagen radikaler Inhalt monetarisieren, sagt man. Ich meine, jeder wird das schon mal irgendwo gelesen haben, was so ein bekannter YouTube Influencer verdient, das können 10.000 € im Monat sein, und da muss man noch nicht mal so viele 100.000 Follower haben. Und das sind die drei Probleme, die sozusagen genau diese Tendenzen verstärken. #00:11:54-9#

Hannah Diemer: Jetzt hast du vorher angesprochen, dass es eigentlich schon Grundwissen ist, dass die sozialen Medien dazu geführt haben, dass Trump erfolgreich ist. Du stellst aber jetzt noch eine andere These auf, und zwar nicht nur, dass die Rechtspopulist*innen diese sozialen Medien einfach besonders geschickt ausnutzen, was jetzt ehrlich gesagt, mein erster Eindruck gewesen wäre, sondern du sagst, dass die sozialen Medien die Tabubrüche und diese Normen Brüche der Rechtspopulist*innen bevorteilen. Warum genau? #00:12:30-0#

Fabian Schäfer: Ja, genau das ist das, was ich eben meinte. Die soziale Medien Plattform ist so gebaut, die haben eigentlich nur ein Ziel, die wollen, dass der Nutzer oder die Nutzerin so lange wie möglich auf der Plattform bleibt, das heißt, wenn jemand diese Plattform verlässt, ist dafür sozusagen Werbung verloren. Um möglichst viel Werbekontakt zu generieren, wollen die Plattform oder die Algorithmen der Plattformen. Also, das sind diese Programme, die sozusagen vorsortieren, wer was gut findet oder was, was jetzt Facebook oder Twitter denkt, was ich gut finde, um mich eben auf der Plattform zu halten, dass die genau so gebaut sind, dass das passiert, dass Menschen, das System, sozusagen, diese Architektur, diese Plattform nicht mehr verlassen und da sind und damit sozusagen Bewerbung Verfügung stehen, das ist das einzige Ziel. Also, diese Algorithmen sind nicht nur sexistisch, rassistisch oder antisemitisch, sondern die wollen einfach nur, dass du da bleibst, und dann haben sie halt irgendwann kapiert, die sind ja auch teilweise selbst lernt. Ah ja, das finden die Leute lustig, dann gebe ich ihnen mehr davon. Man kann das bei YouTube ausprobieren, da gibt es auch Studien zu. Wenn man, und das war auch bei der Wahl von Trump so, wenn man irgendein Thema eingibt, was polarisiert, ist die Wahrscheinlichkeit relativ groß, und man kriegt ja immer Videos vorgeschlagen. Das sind diese verwandten Videos oder Vorschlagslisten, wenn man das nicht aktiv ausstellt diesen Algorithmus, einen nach und nach immer weiter in so eine extreme Ecke bringt, weil der Algorithmus denkt eigentlich nur, ah, ja, okay, der interessiert sich für ein polarisiertes Thema in dem polarisierten Thema, also Klimawandel, die ganze Gender Thematik und so weiter. Also wo die ganze Gesellschaft sich die Köpfe einschlägt, da sagen die ja, okay, wir bringen den jetzt also, es ist leichter, ihn in die rechte Ecke zu bringen als in die Linke Ecke zu bringen, weil dann bleibt er bei uns, dann bleibt er auf der Plattform, und das sozusagen zur Verfügung. Und dass diese Funktionsweise, die nicht beabsichtigt ist, sozusagen von den Konstrukteuren, von den Programmierern, die sich aber so ergeben hat, das ist das, wo ich sagen würde, da liegt eigentlich das eigentliche Problem. Darin besteht diese Verknüpfung, diese enge Verknüpfung. #00:14:54-6#

Hannah Diemer: Und jetzt bringen wir in diese ganze Thematik den zynischen Humor nochmal mit rein. Und zwar hast du gerade angesprochen, dass ihr eine Studie gemacht habt über den Youtuber "Adlersson". Könntest du darüber berichten? Was habt ihr da gemacht? Wieso habt ihr euch den angeguckt, und warum war der interessant? #00:15:12-3#

Fabian Schäfer: Ich gehe noch mal einen Schritt zurück. Ich habe mir die Zeit überlegt, aber ich das jetzt, ich das mit reinbringen. Also, wir waren eben auf der Toilette, zwei andere Jungs, ich gucke niemanden an, und wenn man so nebeneinander steht, dann steht man sehr intim beieinander bei manchen Toiletten, und das war tatsächlich so. Und dann kommt natürlich ein Pimmel Witz, ähm, und also, das war jetzt kein sexistischer Witz, aber da wurde sozusagen ein Geschlechtsorgan kommentiert, also auch wirklich nur total dumm, also einfach nur so "Pimmel". Bei Humor oder bei Ironie ist es, solange die in so einem begrenzten Raum stattfindet wie der Toilette oder der Fußball Kabine. Also da werden ja auch gerne dumme Witze gemacht. Also ich habe Basketball gespielt, dann passiert das genau auch so. Ich glaube, Fußballer sind noch ein bisschen extremer im Humor. Aber dann die Gruppe der Menschen, die sozusagen diesen Witz mitbekommt weiß, okay, der findet in diesem Raum statt, und der verlässt den Raum auch nicht. Also ich habe sozusagen ein Geheimnis verraten. Aber der verlässt den Raum nicht. Das ist sozusagen die stillschweigende Übereinkunft, und dann sind sexistische Witze, antisemitische Witze, sind erst mal nur blöde Witze, also sind Witze, die sozusagen in diesem Spielraum, Toilette, Fußball Umkleidekabine oder sowas stattfinden. Was passiert aber jetzt? Wenn ich den gleichen Witz poste, bei Twitter oder bei Instagram oder irgendwas anderes, dann kann der potenziell eine Reichweite haben, die ich den Witz jetzt nur geben konnte, weil ich ihn sozusagen hier anderen Leuten erzählt habe. Aber der bleibt auch hier doch nicht bei, der hat eine Reichweite, kann Reichweite bekommen dadurch, dass der dann weitergeleitet wird, geteilt wird und so weiter. Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen nicht mehr reflektieren, also die Tragweite sozusagen eines solchen Witzes, der in einem Rahmen wie gesagt, völlig okay ist, wo er diesen Rahmen nicht verlässt, wo diese stillschweigende Übereinkunft ist. Das ist ein Witz! Niemand meint das Ernst gerade hier. Aber trotzdem gibt es sozusagen die Form von Humor. Humor und Witze waren in der Menschheitsgeschichte, solange die Witze machen, immer derb und irgendwie grenzüberschreitend. Aber das Problem sind Zusagen, dass wir viele dieser Witze jetzt gelernt haben, auf so sozialen Medien zu machen, und die dann einfach nicht mehr nur sexistisch werden, sondern die können dann sexistisch verstanden werden, wenn man nicht weiß, was bei dem anderen sozusagen ankommt, und dadurch glaube ich, geht Politik und Kultur sozusagen Hand in Hand. Der Humor hat diese Spielrahmung verlassen, und dadurch kann er sich mit politischen Akteuren und Akteurinnen, die strategisch versuchen, sozusagen Dinge sagbar zu machen, die früher nicht sagbar gewesen sind, eine enge Verbindung eingegangen. Deswegen ist Kultur und Politik im Titel dieses Buches, weil das besondere, glaube ich, also, es gibt wahnsinnig viele Bücher, gute Bücher über Rechtspopulismus, gute Bücher über Internet Humor, aber ich glaube, es gibt noch zu wenige Bücher darüber, die sagen, okay, da findet in beiden Feldern was statt, im kulturellen, wie Leute Witze machen, und im politischen. Jetzt habe ich deine Frage nicht beantwortet! #00:18:38-4#

Hannah Diemer: Ich wollte gerade noch sagen, dass das wahrscheinlich mal ein überraschender Podcast Moment war. #00:18:43-3#

Fabian Schäfer: Weil ich zweimal das Wort "Pimmel" gesagt habe? #00:18:48-5#

Hannah Diemer: Ja! In dem politischen Gespräch über den konnektiven Zynismus, dass wir uns Pimmel Witze erzählen, hätte ich tatsächlich nicht gedacht. Damit habe ich nicht gerechnet. #00:19:00-8#

Fabian Schäfer: Wie gesagt, ich dachte, es ist vielleicht erleuchtend. #00:19:06-0#

Hannah Diemer: Ich glaube, so ein sehr gutes Beispiel. Jetzt geht es ja darum, dass diese Witze weitergetragen werden und dass die ein größeres Publikum bekommen, und das ist vor allem dessen, wenn man das jetzt in dem rechten Kontext sich anschaut, deshalb problematisch, weil es so eine vorgeschobene Ambiguität hat. Was bedeutet das? #00:19:25-6#

Fabian Schäfer: Also, Ambiguität heißt ja mehr Mehrdeutigkeit oder Doppeldeutigkeit. Das heißt, eigentlich lebt Ironie oder gute Ironie, ein guter Witz lebt von Doppeldeutigkeit. Also, es gibt nichts blöderes als platte, dumme Witze, das sind so Schenkel Klopfer, da lachen vielleicht Leute drüber, aber das ist jetzt, da sagt man nicht, okay, das ist eine kluge Satire oder so. Eine kluge Satire ist vor allen Dingen auch selbstironisch. Also, wenn ihr euch mal anguckt, eine gute Kabarettistin oder ein Kabarettist der macht oder die macht immer auch einen Witz über sich selbst, und damit wird sozusagen viel wieder eingefangen. Selbstironie ist ein wahnsinnig wichtiger Faktor und das Problem ist aber, dass die Ironie, wie sie strategisch eingesetzt wird, also auch über Memes oder sowas. Die ist eben oft nicht doppelbödig, also die ist sehr eindeutig, wenn man diese Chiffren und diese Codes versteht, und das ist, glaube ich, das Problem, dass der Humor als Vorwand dient oder Ironie als Vorwand dient, nicht um einen Witz zu machen und das andere Leute darüber lachen, um irgendein politisches Ziel zu verfolgen. Also ein Beispiel, das ist jetzt, das hat nichts mit Humor zu tun. Aber wenn man sich, wenn man verstehen will, wie diese Strategie zum Beispiel von AfD Politikerinnen und Politikern funktioniert, mein Lieblingsbeispiel, der Höcke. Er hat mal irgendwo eine Rede gehalten, da hatte das Holocaust Mahnmal in Berlin als Mahnmal der Schande bezeichnen. Das kann zwei Sachen heißen, das kann heißen, ein Mahnmal für die Schande, die Nationalsozialisten im zweiten Weltkrieg begangen haben, indem sie Millionen von Menschen getötet haben. Das kann aber auch ein schändliches Mahnmal sein, sozusagen was wie ein Schandfleck auf der deutschen Geschichte lastet. Und jetzt ist dieses also, das hat er auch gemeint, jetzt ist dieses riesige Mahnmal mitten im Zentrum von Berlin. Das war sein Verständnis, wie so ein schwarzer Fleck, den man nicht mehr abbekommt, also gerade was das Mahnmal soll, nämlich erinnern, dass das sozusagen dadurch abgeschwächt werden soll und das ist, das passiert sehr, sehr oft, also sehr, sehr oft, werden Sachen gesagt, die so oder so verstanden werden können, und die werden dann von seiner eigenen Basis oft so verstanden, wie sie es wollen. In den Medien ersteht dann ein großes Aufschreiben, "Was hat er denn jetzt schon wie gesagt", und es geht aber, und das muss man verstehen, es geht genau um diese zwei Sachen. Erstens, der eigenen politischen Basis zu sagen, hey, ich hab hier was ganz krasses gesagt, guck mal, was ich für krasser Typ bin, und gleichzeitig aber ne Aufmerksamkeit zu erzeugen in den Massenmedien, die sagen, was hat denn der jetzt schon wieder krasses gesagt? Man muss wissen, das Ziel ist einzig und allein, eine Aufmerksamkeit zu erzeugen, und das geht natürlich mit den sozialen Medien wunderbar. Also weil Aufmerksamkeit, also schlechte Publicity ist, auch Publicity, und darum geht es im Grunde, und die wollen eigentlich immer häufiger wie möglich im Gespräch sein, und dann ist es egal, ob das jetzt irgendwie kritisiert wird oder nicht. #00:22:35-3#

Hannah Diemer: Und in den sozialen Medien ist es so, dass jeder Witz noch mal stärker sein muss, nochmal schlimmer sein muss. Kannst du da nochmal weiter darauf eingehen? #00:22:45-4#

Fabian Schäfer: Ja, ich glaube, das sowieso. Man kennt das ja. Man sitzt irgendwie Abends in der Kneipe oder so, und da macht man Witze, und das ist wie so ein Pingpong Spiel, und die Witze nehmen dann auch natürlich, je mehr Alkohol fließt oder so, nehmen dann immer weiter zu. Das ist sozusagen das normale Verhalten beim Witze erzählen, würde ich sagen. Also, weil das ist ja auch gerade das lustige, dass nicht jemand vorne steht und irgendwie einen Witz nach dem anderen runter erzählt, sondern dass das irgendwie wie so ein Dialog oder wie so ein Hochschaukeln funktioniert. Das Problem ist aber einfach, und das ist der gleiche Punkt, sobald dieses Hochschaukeln in den sozialen Medien passiert, weiß keiner, was nachher mit dem Produkt, mit dem Ergebnis dieses Hochschaukeln passiert. Wie gesagt, solange das in der Kneipe bleibt, am Stammtisch oder sonst was, verlässt das nicht diesen Raum. Aber die sozialen Medien haben diesen Echoraum einfach wahnsinnig erweitert. Deswegen ist so ein Grund das Kommunikationsverhalten beim Witze machen, das sich gegenseitig überbieten, mit dem krassesten Witz, befördert eigentlich auch wieder diese Aufmerksamkeit, Algorithmen der sozialen Medien. #00:23:50-3#

Hannah Diemer: Und du sagst auch, dass dadurch, dass in den sozialen Medien die ganzen rechten Witze jetzt verbreitet werden, die eben nicht nur in dieser Bubble bleiben, sondern dass die so auch in die Mitte der Gesellschaft kommen. Und ich probiere es jetzt noch mal mit dem Adlersson, und zwar hätte ich wirklich gerne, dass du uns von dem erzählst, warum der gerade so problematisch war. #00:24:12-5#

Fabian Schäfer: Adlersson ist ein YouTuber, Influencer, würde man auch sagen. Der hatte zu Spitzenzeiten so 600.000 Follower, also Abonnenten auf YouTube. Es ist jetzt keine kleine Nummer gewesen. Natürlich jetzt gibt es größere, es gibt viel bekanntere, die noch größere Zahlen haben. Aber der hatte schon so seine Community, und ich habe den erst kennengelernt durch einen Dokumentarfilm, den ich jedem empfehlen kann. Der heißt "Lord of the Toys", der lief auf dem Filmfestival in Leipzig. Ich weiß nicht, ob es den inzwischen auch auf DVD gibt oder irgendwie anders auf einer Plattform. Ich hoffe ja, weil der folgt sozusagen dem Erfolg dieses YouTubers Adlersson. Adlersson ist Anfang 20 Jähriger junger Mann, arbeitet als Kassierer in irgendeiner Supermarktkasse am Anfang noch, verdient da nachher so gut, dass er davon leben kann, der halt am Anfang nur filmt, was er mit seinen Freunden macht, also Saufspiele, dumme Witze, sexistische Witze, stellt ständig seine Freundin bloß, erzählt über eine Krankheit, die sie hat, oder so öffentlich. Sozusagen alles, was sich irgendwie zum Material eines Videos machen lässt, macht er zum Material eines Videos, und im Grunde ist das eigentlich so. Also, wie wahrscheinlich viele Jugendlichen passieren, die Saufen, die machen dumme Witze, und er stellt es aber auf YouTube und kriegt damit diese Follower und verdient damit dann Geld. Er ist auch dadurch bekannt geworden, dass er irgendwann und aufgefordert Geschenke zugeschickt bekommen hat, also teilweise auch Witzgeschenke also, ihm wurden Sticker von der Linksjugend, aber auch von der identitären Bewegung zugeschickt. Eigenen Urin hat jemand auch mal zugeschickt in einem Paket, und das Krasse war aber daran, dass er halt sehr, sehr viele antisemitische Witze auch gemacht hat, und er sagt dann irgendwann in diesem Film, ja, das funktioniert. Er hat so eine Ostdeutsche, so einen Ostdeutschen stolz, und sagt also auch dieses, was ja viele, diesen Bruch, den die Eltern hatten, in der Familie, durch die Wände und so dann Job verloren, und so wird es vielleicht selbst Viktimisierung bezeichnen, aber auch irgendwie ein verständliches Verhältnis dazu, stolzer aus Ostdeutscher zu sein. Er sagt auch, der Humor in Ostdeutschland ist halt einfach immer ein bisschen rechts, und dann sagt aber im nächsten Satz, ja, und rechts zieht immer irgendwie in YouTube-Videos also, und den haben wir uns angeguckt, analysiert, haben dann geguckt: Okay, was passiert denn, wenn man da, was ich eben meinte, welche Videos werden einem da vorgeschlagen, und da bist du Ruckzuck beim tief neurechten extrem Spektrum gelandet? Also der Algorithmus denkt, ah, ja, jemand, der irgendwie sexistische, rassistische, antisemitische wie gut findet, der gehört sozusagen als nächstes zu Kanälen gebracht wie der Volkslehrer, also diese eindeutig rechtsextrem YouTube Kanäle, und das geht über zwei Schritte. Also, man ist dann sehr, sehr schnell dabei gelandet, und das ist so ein Beispiel, wo ich denke, okay, da ist es das politische und das kulturelle so eng miteinander verbunden, und der also hat dadurch Abiturientinnen, Studentinnen, auch viele Ostdeutsche aus einer Gegend irgendwie als voller, das war, jetzt sehr, sehr heterogenen Menge an Leuten irgendwie. Da kann man jetzt nicht sagen, das ist eine Nische, sondern der hat dann mit eigentlich dazu beigetragen, dass das dumme, antisemitische und sexistische Witze normalisiert oder von vielen Leuten in dem großen Kontext nicht auf der Toilette, nicht in der Umkleidekabine irgendwie toll gefunden wurden, und der wurde damit mit Geld oder mit denen, den Werbeeinnahmen, die indirekt umgeleitet wurden, auf ihn. #00:28:09-9#

Hannah Diemer: Was glaubst du, warum der das gemacht hat? Hat er so eine rechte Agenda verfolgt und wollte wirklich diese Thesen mit in die Gesellschaft bringen? Oder warum hat er das gemacht? #00:28:19-5#

Fabian Schäfer: Also, er äußert sich da nie zu. Ich habe mich mit den beiden Filmemacher unterhalten, die ihn länger beobachtet haben und auch beobachtet haben, wenn die Kamera nicht dabei waren, die gesagt haben, nee, der ist nicht rechts. Das ist ein spezifisches Ostdeutsches Jugendmilieu, indem Antisemitismus als Humor eine viel, viel größere Rolle spielt als so, wie es, wie es sanktioniert wird in anderen Milieus. Aber der ist nicht rechts, der ist nicht rechtsextrem, der findet Neonazis scheiße. Es gibt so eine Szene, da prügelt er sich mit. Ich weiß gar nicht mehr, mit wem. Irgendwo in Wien sind die und da fallen halt irgendwie sehr, sehr antisemitische, sexistische Beleidigung. Aber wenn man, wenn ich in einordnen würde, würde ich sagen, dass ein Unternehmer also der will, der hat gemerkt, ah, okay, das zieht, damit mache ich jetzt Kohle, und das ist eben das Zynische dran. Er macht damit Kohle mit Witzen, die eigentlich als woanders das Lachen im Hals stecken bleibt, irgendwie. #00:29:29-4#

Hannah Diemer: Das ist auch eine deiner Schlussfolgerung. Das Buch ist, dass du sagst, dass dieser ganze Aufstieg von Trump und Bolsonaro und dieser große Zustrom an so rechten Thesen und rechten Humor, dass das eigentlich überhaupt gar kein Indiz für eine Rückkehr von dem Servatius oder für also Aufstreben von diesen ganzen Thesen, sondern du sagst, es ist ein Zeichen für eine absolute Vorherrschaft der Kultur des Nonkonformismus und der Respektlosigkeit als Selbstzweck. Wie beschreibt es mal genau bitte? #00:30:05-0#

Fabian Schäfer: Also wenn ich, ich habe nicht so einen Zettel ausgefüllt von den zwei Weinflaschen, aber draufgeschrieben, mich nervt das wahnsinnig, dass die Leute sich so hassen im Internet. Mich nervt, dass das irgendwie sowohl diese Algorithmen, bestimmte politische Akteure und Akteurinnen es schaffen, die Gesellschaft so krass über Themen zu spalten, wo man eigentlich eher diskutieren müsste, als dass man sich da die Köpfe einschlägt, verbal, und da denke ich, jedes mal, das macht, das macht mich sozusagen am Ende total fertig. Irgendwie, jetzt musst du noch mal kurz die Frage sagen, jetzt habe ich meinen Rand losgelassen. #00:30:43-3#

Hannah Diemer: Ich wollte von dir eine Erklärung bekommen, warum du das so einordnest, dass es keine Rückkehr, das Konservative, also dass im Konservatismus ist, sondern dass es um eine Respektlosigkeit als selbst weggeht und dass es da um nichts außer der Entfaltung von dem Individuum geht. #00:31:03-7#

Fabian Schäfer: Genau. Es bezieht sich auf diesen Adressen, wo ich, wo ich einfach denke, der hat erkannt, dass, und das ist mit Selbstzweck gemeint, dass eben mit hasserfüllten Humor sich Geld machen lässt. Das heißt also früher, es gab immer schon, und wenn man den jetzt als Teil einer Jugendbewegung irgendwie um den berühmten Song so zitieren, sehen würde, dann wäre das ein Auflehnen sozusagen gegen die älteren Generationen. Da gibt es diese Szene in dem Film, wo er mit seinem Vater redet und der Vater fragt, was machst du, was soll eigentlich dieser ganze Scheiß? Was machst du dafür? Der sagt, ja, bringt Kohle irgendwie, und das ist sozusagen Konformismus, nicht wie die Bank sich irgendwie gegen die konservative britische Regierung aufgelehnt haben, sondern das ist Konformismus zum Selbstzweck. Also der hat kein politisches Ziel, sondern der Selbstzweck ist sozusagen, dass er das Monetarisieren kann und zu Geld machen kann. #00:32:02-5#

Hannah Diemer: Aber das ist dann jetzt trotzdem total gefährlich, weil dadurch, dass er dann rechten Thesen so eine Plattform bietet, zieht er auch wahnsinnig viele rechte Zuhörer*innen an. #00:32:12-8#

Fabian Schäfer: Ja, das ist total schwer, das zu sagen, ob der wirklich rechte Zuhörer*innen anzieht, was er macht. Auf jeden Fall, er bereitet den Hof für die Akzeptanz, glaube ich, von antisemitischem Humor und von rassistischem Humor, und das braucht irgendwie kein Mensch so. Also, ähm, wir können gleich noch weitergehen. Willst du sagen, okay, wo waren wir stehen geblieben? #00:32:53-1#

Hannah Diemer: Dass es trotzdem Nährboden gibt für rechte Personen, die sich dann bei diesen zynischen Humor Verbreiter*innen sammeln und ja da trotzdem sich finden. #00:33:04-4#

Fabian Schäfer: Ich glaube das einfach, dass am Ende mehr Leute toll finden als vorher, und das ist das ist der Effekt. Oder mehr Leute, weniger Leute stehen am Ende auf, wenn irgendwo jemand ein Judenwitze macht und sagt, nee, im Moment, das geht nicht, weil einfach man denkt, im Internet sagt jeder diesen Quatsch, warum soll ich jetzt irgendwie aufstehen und sagen, das geht nicht? Ich glaube, das ist der Effekt, und man kann diesen Effekt auch schon beobachten. Es gibt eine Studie von der Friedrich-Ebert-Stiftung, die "Mitte-Studie" heißt das, und die fragen immer so, wie beurteilen sie sozusagen diese Aussage antisemitisch, rassistisch oder sonst was? Und da gibt es eine Verschiebung in den letzten zwei Jahren, dass immer mehr Leute sagen, ja, teils, teils, also die sagen nicht, dass das nicht klar ab, sondern die sagen teils teils, und das ist, glaube ich, schon ein messbarer Effekt davon, dass Leute das immer akzeptabler erfinden, solche Aussagen, die klar, eindeutig ideologisch sind. #00:33:53-9#

Hannah Diemer: Was kann man denn jetzt dagegen machen? Weil ich habe das Gefühl, wenn man sich diese ganzen YouTube Kommentare durchliest, und das sind nur diese ganzen rechten Thesen da oder auch unter Artikeln, wenn es dann auf einmal dort heißt diskutiert wird, habe ich überhaupt keine Lust mehr da, mich weiter einzubringen oder was dazu zu sagen, oder bin total frustriert, weil ich das Gefühl habe, es ist nur diese Meinung da. Wie kann ich denn dieser Flut von rechten Thesen oder rechten Witzen? Wie kann ich der entgegentreten? #00:34:22-2#

Fabian Schäfer: Mit raufen. Also, ich mach das, ich meine das unter Klarnamen. Bis jetzt stand noch niemand bei mir vor der Tür und wollte mir auf die Fresse hauen dafür. Es ist immer ein bisschen schwierig, weil man muss einfach wissen, dass inzwischen so viele gesteuerte Accounts, Bots, die entweder von russischen Troll Fabriken bezahlt werden oder die auch sozusagen von der AfD mit finanziert werden oder unterstützt werden oder wo Überlappungen sind, zu die sich organisieren. Und gerade die Lokalzeitungen sind ein Angriffsziel, weil die haben meistens sehr, sehr kleine social media Abteilungen. Da sitzen irgendwie zwei Hanseln. Ich habe mich mit einem von der Abteilung von Kicker unterhalten, und Fußball meint, er, zieht eine gewisse Community an, gewisse Form von Humor. Da geht's richtig ab, und die sitzen da zu viert oder zu fünft, die sagen, okay, bestimmte Posts schicken wir nur weg, wenn wir wissen, wir sind genug Leute im Haus, dass wir da irgendwie dagegen steuern können. Das heißt also, da finden verabredete Rates, nennt man das auch statt. Da wären Threads irgendwie übernommen von Leuten, die ganz gezielt versuchen, diese Themen depolarisieren, zu kapern. Das heißt, wenn man dagegen als einzelne Person steht, dann merkt man ziemlich schnell, dass man ziemlich abgewatscht wird und auch wüst beschimpft wird. Das heißt, das einzige Gegenmittel, und da gab es eine schöne Aktion vom Böhmermann. Ich weiß nicht, ob sich jemand erinnert. Die rechte Internetaktion von, das ist jetzt auch schon ne ganze Weile her. Die wurde auch über Magazine beworben, sich auf diesem Discord Server, dass es so ein Gaming Server zu verabreden, genau wie das sich die Rechten getan haben, diese rechten Rolle, und dann einfach ganz gezielt gegen zu sein, haben sie das genannt, also die, die das völlig durchschaut, dass wie man soziale Medien einsetzt, und als einzelne Person kann man das nicht. Man muss sich genauso organisieren und verabreden, um dagegenzuhalten. Und das ist, glaube ich, also, es gibt viele andere Möglichkeiten. Man kann das juristisch einhegen. Man kann die Unternehmen zwingen, also die großen sozialen Medien, diese Inhalte zu sperren, zu zensieren und so weiter, die strafrechtlich, also ich rede jetzt hier nicht über ein Dumm wir, ich rede über strafrechtlich verfolgbar, Aussagen zu löschen oder zu zensieren, das sind zwei Methoden, aber wenn jemand jeder was tun will, so ganz zivilgesellschaftlich, dann kann man einfach ein bisschen mit hauen, macht Spaß! #00:36:52-8#

Hannah Diemer: Bisschen Nazis boxen! #00:36:55-9#

Fabian Schäfer: Virtuell. #00:36:58-3#

Hannah Diemer: Ich würde die Fragerunde auch ins Publikum öffnen, jetzt, wo ihr die Gelegenheit habt, an Fabian fragen zu stellen, wie man sich diesem konnektiven Zynismus in den Weg stellen kann oder was da dann so besonders problematisch ist. Gerne da vorne! #00:37:17-2#

Fabian Schäfer: Ähm, also, ich habe eine Anmerkung. Der Algorithmus an sich ist ja nicht böse. Der Algorithmus tut einfach nur das, was er tut, nämlich Geld produzieren für diejenigen, die den Algorithmus produziert haben. Wenn ich auf Katzenvideos stehe, dann kriege ich Katzenvideos in Zukunft. Ich finde, es ist unheimlich wichtig, dass wir da schon ganz früh ansetzen, in der Schule zum Beispiel, und den Jugendlichen einfach vermitteln, was da passiert, damit da ein Gefühl dafür entsteht, was das ist und man unter Umständen manipuliert wird. Das ist, glaube ich, ganz wichtig. #00:38:05-5#

Fabian Schäfer: Ja, das ist meine erste Antwort, ist auch immer irgendwie Medienkompetenz, Medienkompetenz, Medienkompetenz, die die Schüler*innen müssen lernen zu Wissen, was das für Inhalte sind, warum die da sind und was sie selbst für Inhalte irgendwie hinterlassen. Aber das ist, finde ich immer so krass problematisch, weil immer, wenn es irgendein Problem in der Gesellschaft gibt, dann jeder zweite Politiker oder Politikerin sagt, ja, da muss die Bildung besser werden, die Schulen müssen besser werden, wird aber einfach überhaupt kein Geld reingesteckt. Also, es gibt kein Fach Medienkompetenz. Also, vielleicht gibt es inzwischen, ich hatte das nicht so gut, da gab es auch nicht so viel Internet. Aber das heißt, die Bildung ist auf jeden Fall ein wichtiger Faktor. Aber ich glaube, das hat auch. Man kann es auch in die Erwachsenenbildung reinbringen, und ich glaube, das Bildungszentrum ist genauso eine Institution, die da, die da wichtig ist. #00:38:57-4#

Hannah Diemer: Ich muss da leider zeitlich unterbrechen. Ich hab nämlich schon das fünf Minuten Zeichen gekriegt, aber wenn du weiter diskutieren willst, gleich darf ich dich einladen, am 26 Juli, zu uns ins Bildungszentrum zu kommen, weil der Fabian da diskutieren wird, zusammen mit Julia Ebner zu genau diesem Thema. Und zwar spricht Fabian noch mal über das Buch, welches wir gerade ganz kurz umrissen haben, und Julia Ebener hat ebenfalls ein Buch geschrieben. Also 26. Juli am Gewerbemuseumsplatz 2, herzliche Einladung zu der Diskussion zum Thema radikalisierte Mitte, und wer noch nicht von dir genug bekommen hat, du kommst nochmal schon ein bisschen früher, und zwar am 25. Mai zu uns an den Gewerbemuseumsplatz, und zwar moderierst du unsere Reihe Sachbuch des Monats "Rechte Gefühle, Affekte und Strategien des digitalen Faschismus", geschrieben von Simon Strick und von dir moderiert. #00:40:11-6#

Fabian Schäfer: Es ist ein ganz tolles Buch, also arbeitet ganz anders als ich, geht wahnsinnig ins Detail, hat sich durch Tausende von Memes gewühlt, sehr, sehr nahe am Material dran ist, hat mehrere 100 Seiten, aber das liegt vor allen in darin, weil viele Abbildungen drinne sind und sehr, sehr viele Beispiele drin sind. Wer das wirklich verstehen will, wer sich wirklich dafür interessiert, wie das funktioniert, was ich jetzt so ein bisschen angerissen habe, da ist das Buch vom Simon Strick auf jeden Fall zu empfehlen. "Rechte, Gefühle" heißt das schöner Titel. #00:40:41-7#

Hannah Diemer: Herzlichen Dank fürs Zuhören. Das wars von der Kontaktaufnahme bis zum nächsten Mal. #00:40:48-4#

Fabian Schäfer: Vielen dank. #00:40:48-9#

 

Dieses Projekt/Diese Maßnahme/Initiative leistet einen wichtigen Beitrag, Nürnberg schrittweise inklusiver zu gestalten. Es/Sie ist Teil des Nürnberger Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Den Ersten Aktionsplan hat der Nürnberger Stadtrat im Dezember 2021 einstimmig beschlossen. Um die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in Nürnberg zu verwirklichen, wurden und werden umfangreiche Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Weitere Informationen finden Sie unter www.inklusion.nuernberg.de.

Warum ironischer Humor heute so problematisch sein kann und wie die neuen Rechten diesen gezielt einsetzen, bespricht Prof. Dr. Fabian Schäfer live.

Dieser Podcast wurde im Rahmen der Podcastbrause live im afterwork in Nürnberg aufgezeichnet. Hier werden an einem Abend drei Podcasts live und vor Publikum aufgezeichnet, Termine jeden 1. Mittwoch im Monat. Wir haben uns sehr über die Einladung gefreut, vielen Dank!

In unserem live Gespräch sprechen wir mit Prof. Dr. Fabian Schäfer, der in seinem neuen Buch “Konnektiver Zynismus” die Zusammenhänge zwischen Humor im Internet und der Verbreitung von rechten Thesen beschreibt.
Warum er dennoch findet, dass dies kein Indiz für ein Erstarken der neuen Rechten ist und wie er das auch noch mit einem Penis-Witz verdeutlichen kann, erfahrt ihr in dieser kurzweiligen Folge.

Gut zu wissen:

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Aufgenommen am: Mittwoch, 3. Mai 2024
Veröffentlicht am: Donnerstag, 8. Juni 2024
Moderation: Hannah Diemer
Im Gespräch: Prof. Dr. Fabian Schäfer

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Alle weiteren Folgen von KontaktAufnahme – der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg finden Sie hier. Wir sind mindestens jeden zweiten Donnerstag mit einer neuen Folge online, manchmal öfters.
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