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Yuko Kuhn, wie kommt man von den texttagen.nuernberg zum Debütroman?

Ansage: Kontaktaufnahme. Der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg. #00:00:10-8#

Katharina Mittenzwei: Schön, dass ihr bei einer weiteren Folge der Kontaktaufnahme dabei seid. Dem Podcast des Bildungszentrums. Mein Name ist Katharina Mittenzwei und ich muss sie fast als Hörende heute beglückwünschen über die Entscheidung, diese Folge zu hören. Denn heute haben wir Yuko Kuhn zu Gast, die mit ihrem Debütroman "Onigiri" bei den Texttagen 2025 sein wird. Hallo, liebe Yuko! #00:00:43-7#

Yuko Kuhn: Hallo! Guten Morgen! Ich freue mich sehr. #00:00:46-7#

Katharina Mittenzwei: Ich mich auch. Die texttage Nürnberg, die beginnen an dem Tag, an dem diese Folge online gehen wird, also am 10. Juli. Und wir Beteiligten freuen uns wirklich ganz unbändig auf die vor uns liegenden Tage. Die werden voller Schreiben, Lesen, Zuhören und Miteinander sein. Die ersten Texttage, die fanden ja 2018 statt. Mit so einer kurzen Corona Unterbrechung sind wir jetzt also im siebten Jahr. Und du spielst grundsätzlich eine ganz besondere Rolle für uns im texttage Kosmos. Denn du hast als Teilnehmerin der Meisterklasse von Fatma Aydemir 2023 erstmals zu uns gefunden. Und jetzt, und das ist natürlich die absolute Kurzversion erscheint Ende Juli Dein Debütroman. Erst mal ganz herzlichen Glückwunsch, liebe Yuko. #00:01:31-3#

Yuko Kuhn: Vielen Dank. Ja, das ist wirklich. Ich habe eine ganz besondere Verbindung zu den texttagen. Ich habe jetzt auch gerade kurz vorher zur Vorbereitung nochmal diese Broschüren rausgesucht und habe es mir hergelegt mit dem Bild von Fatma Aydemir. Und dann war ich ja 2024 auch bei Sasha Marianna Salzmann noch dabei und ich habe auch noch diesen tollen Stift hier bei mir liegen. Ich klicke mal mit ihm, den hier gemacht habe für die texttage. Genau. Also ich freue mich total, dass meine allererste Lesung bei euch auf diesem tollen, tollen Format stattfinden darf. #00:02:06-0#

Katharina Mittenzwei: Ja, richtig, richtig, Die allererste Lesung. Wir kommen dazu gleich noch. Wie es dazu kam, zu dieser relativ spontanen Entscheidung. Aber du hast jetzt schon angefangen. Wir wollen gerne über dieses Davor, Dazwischen und danach sprechen, wie es zu "Onigiri" kam. Aber erzähl uns doch noch mal genauer, was die texttage für dich bedeuten. Das Format an sich, aber auch der Ort der Katharinenruine. #00:02:29-2#

Yuko Kuhn: Es war so, dass ich das nicht kannte, die ersten Jahre. Was mich auch grämt im Nachhinein, weil da ja immer tolle Leute da waren und hätte ich es gewusst, ich wäre auch schon vor fünf oder sechs Jahren gekommen und jedes Jahr angereist. Ich habe es dann erfahren, eben erst 2023 über die Doris Dörrie, bei der ich ja gearbeitet habe, am Lehrstuhl, an der Filmhochschule. Und sie hatte ja auch eben die Lesung in der Katharinenruine und hat gesagt: Yuko, das ist ein super Format. Das ist genau das Richtige für dich. Weil ich eben auch schon seit Jahren dran war an meinem Stoff und am Manuskript. Und dann hat sie mir auch ganz explizit die Fatma Aydemir empfohlen. Und dann habe ich mich angemeldet und kam, wusste auch nicht, was mich so erwartet und fand es dann ganz besonders, weil das halt so viel vereint. Eben dieser Kontakt zu den Büchern und den Schreibenden und diese Mischung aus diesen Workshops, wo man dann so konzentriert arbeitet und abends dann aber auch zusammen wieder sitzt und was erlebt und sich unterhält und überhaupt. Ich meine der ganze Ort ist wunderbar. Was ich zum ersten Mal auch erlebt habe in diesem Format, war, dass sich mit diesem Text. Jeder durfte was vorlesen in der Meisterklasse und das war das erste Mal, dass ich da eben fremden Menschen dann aus "Onigiri" was vorgelesen habe, und das ist mir auch sehr stark in Erinnerung geblieben, dieser Moment als etwas sehr Schönes. #00:04:00-8#

Katharina Mittenzwei: Das heißt, du hattest da das erste Mal so ein ungefiltertes Feedback? #00:04:05-9#

Yuko Kuhn: Genau, denn sonst waren es mir nahestehende Leute. Genau. Und ich habe auch tatsächlich, also das lief ja über zwei Tage am Abend im Hotel, dann den Anfang geschrieben, der jetzt auch tatsächlich der Romananfang geblieben ist und der Workshop bei Fatma Aydemir ging ja über: Anfangen. Schreiben. Anfänge, schreiben. Und da habe ich mich dann eben abends hingesetzt und nochmal so viel gefeilt, weil ich wusste, am nächsten Tag bin ich dran mit diesem Vorlesen. Und ich habe dann auch noch einen ganz kleinen Satz noch rausgestrichen. Und sonst ist es eben einfach die Seite eins. #00:04:45-1#

Katharina Mittenzwei: Toll. Hattest du denn seitdem eigentlich Kontakt mit Fatma Aydemir? #00:04:49-7#

Yuko Kuhn: Nein. Also ich habe ihr dann einmal auf Instagram geschrieben: Ich freue mich total, dass es jetzt geklappt hat mit dem Buchvertrag? Ja, natürlich. 1000 Sachen, das wahrgenommen hat. #00:04:59-5#

Katharina Mittenzwei: Aber ja. Ach, aber schön, die Verbindung zu der Meisterklasse an sich. Lass uns doch einmal über das Davor sprechen, weil du natürlich nicht bei den Text Hagen angefangen hast zu schreiben, sondern das hat einfach schon eine relativ lange Geschichte. Du bist in München geboren, du hast auch japanische Wurzeln, du hast Kulturwissenschaften studiert und es sind ganz viele Dinge auf dem Weg geschehen, die dich geprägt haben, bis hin zu deinem Debütroman jetzt. Magst du uns ein bisschen so deine Stationen sowohl örtlich als auch inhaltlich erzählen? Du bist ja noch ein unbeschriebenes Blatt. #00:05:37-8#

Yuko Kuhn: Ja, Ja. Gut, gut. Ich versuche es mal! Also gut. Also, ich habe München, war ich an der Schule, habe da Abitur gemacht. Dann bin ich nach Passau gegangen, um Kulturwissenschaft zu studieren. War da fünf Jahre mit einem Auslandsjahr in Frankreich und nach dem Studium war ich dann in Tokio und habe dann am Goetheinstitut Praktikum gemacht. Und das war tatsächlich für das Schreiben schon so ein wichtiger Baustein, weil ich dort die Aya Irizuki kennengelernt habe. Das ist die Tänzerin aus dem Film Kirschblüten Hanami von Doris Dörrie. Da lief der Film halt im Rahmen des deutschen Filmfestivals und wir haben uns dann angefreundet und ich habe sie dann in den Folgejahren mehrfach nach München geholt. Für Auftritte. Und dann haben wir eben auch immer Doris eingeladen. Und dann habe ich ja auch mich mit Doris angefreundet. Und dann irgendwann, sehr, sehr viele Jahre später, bin ich halt über diese Arbeit am Lehrstuhl Creative Writing dann auch ins Schreiben reingekommen. Aber das ist schon so ein ganz großer Bogen irgendwie. Weil ohne diesen Aufenthalt, wer weiß, vielleicht wäre ich auch auf einem anderen Weg zum Schreiben gekommen, aber ich glaube nicht unbedingt. Ich habe wirklich nie darüber nachgedacht oder mit dem Gedanken gespielt, dass ich schreiben möchte. Gelesen habe ich halt immer. Mache ich auch immer noch mehr als das ich schreibe. #00:07:05-5#

Katharina Mittenzwei: Gibt es noch andere Kunstformen oder auch Kulturäußerungen, Einrichtungen, die dich da irgendwie geprägt haben auf dem Weg? Also du sagst, du hast schon immer viel gelesen. Ich durfte natürlich jetzt schon "Onigiri" lesen, auch wenn es noch nicht ganz erschienen ist, aber da findet man auch so Anleihen zu anderen Kunstformen, die ja vielleicht auch dich geprägt haben. #00:07:28-9#

Yuko Kuhn: Also zu viel würde ich sagen. Jetzt nicht unbedingt total intensiv, aber Tanz hat auch immer eine Rolle gespielt, weil meine Mutter immer getanzt hat. Ich habe auch als Kind getanzt, aber jetzt irgendwie das nicht weiterverfolgt. Aber ich habe es auch immer sehr, sehr gerne angesehen, also so als alte Sprache auch gelernt anzusehen. Und durch meine Eine Arbeit im Kulturbereich hatte ich eigentlich immer Kontakt in fast alle Sparten. Also auch dann im Film natürlich die letzten fünf Jahre, dann aber auch zwischendrin ganz viel in der bildenden Kunst. Also ich war dann nach diesem Praktikum in Tokio war ich dann fünf Jahre angestellt in der Mayer'sche Hofkunstanstalt . Das ist eine Werkstatt für Glasgestaltung und Mosaik hier in München. Die es gibt schon seit 1847 und die machen eben ganz, ganz einzigartige Kunst und Bauprojekte auf der ganzen Welt. Ganz viele öffentliche Gelder, die dann in unsere Bauprojekte fließen. Die übersetzen eben Arbeiten. Also das kann wirklich alles sein, von Zeichnungen, über Malerei, über Fotografie. In dieses Material, in verschiedene Techniken. Also da war es das tägliche Brot, erstens dort zu sein, an diesem wunderbaren Ort und in diesen Werkstätten, aber auch die ganzen Künstler zu treffen, kennenzulernen. Das auch zu begleiten und zu beraten, wie man was umsetzt. Und ja, das hat mich natürlich sehr geprägt. #00:09:02-9#

Katharina Mittenzwei: Auch die schönen Dinge, die haben dich irgendwie schon immer begleitet. Höre ich da so ein bisschen raus. Du hast Doris Dörrie kennengelernt und dann eigentlich erst mal eine Beschäftigung an der HFF, also an der Hochschule für Fernseh und Film in München gehabt. Du hast da gearbeitet, richtig? #00:09:19-2#

Yuko Kuhn: Genau das war so eine Teilzeitstelle eigentlich in der Organisation am Lehrstuhl. Also richtig so zur Betreuung von Seminaren. Jetzt nichts inhaltlich Künstlerisches, sondern Organisation. Und darüber hatte ich aber auch dann Zugang zu den Inhalten, insofern, dass ich halt einfach da war und dann hieß es natürlich auch: Ja, setz dich halt rein. Und das habe ich dann gemacht und dann habe ich einfach mitgeschrieben und dann habe ich nicht mehr aufgehört damit. Da ist wirklich was losgegangen, was mich dann jahrelang begleitet hat und auch irgendwie ich wollte es dann auch wirklich nicht mehr sein lassen. Auch wenn das jetzt insgesamt dann sich über fünf Jahre bis zum Buchvertrag hingezogen hat. Und jetzt der Vertrag ist jetzt auch schon wieder über ein Jahr her und der Text ist halt irgendwie im März in Satz gegangen und jetzt erscheint dann der Roman. Aber trotz dieser Ungewissheit, was daraus wird, habe ich das immer wieder hervorgeholt und draufgeguckt und es hat sich dann entwickelt und entwickelt. Und dass das jetzt so passiert, ist ja toll und noch gar nicht so ganz mir klar, was das jetzt bedeutet, aber das wird sich dann zeigen in den nächsten Wochen. #00:10:38-7#

Katharina Mittenzwei: Ein großes Glück für deine Leser|innen. Doris Dörrie hat ja die Texttage 2023 eröffnet mit ihrem Buch: "Leben Schreiben Atmen" Das ist ja dann auch genau so diese Zeit, in die du sozusagen hineingefallen bist. An HFF beziehungsweise in das Schreiben. Hat dich das irgendwie geprägt, diese Art, diese Herangehensweise, die sie da vermittelt? #00:11:01-6#

Yuko Kuhn: Ja, also diese, dieses Seminar, in dem ich saß, das war, glaube ich schon 2019. Also wirklich schon lange vorher. Deshalb bei den Texten saß ich dann natürlich auch in der Katharinenruine und habe gelauscht und kannte das aber schon sehr, sehr gut. Sie arbeitet ja an der HFF schon auch mit diesen Techniken, die in diesem Buch vorkommen. Und das war für mich ein sehr, sehr gut funktionierender Zugang, um in den Schreibprozess so reinzukommen. Weil das hat ja gar keine Hürde in dem Sinn, weil du setzt dich hin und du schreibst im Präsens. Du schreibst in der ersten Person und du schreibst einfach: Erinnere mich an und so. Erinnerungen hat ja wirklich jeder und wenn man eben gerade nicht weiß, was man schreiben soll, soll man ja auch immer schreiben: Ich erinnere mich an... ich erinnere mich an... ich erinnere mich... bis irgendwann dann wieder was kommt. Das habe ich schon so gemacht. Schon einige Zeit. Die ersten Monate habe ich einfach mit dieser Technik raus geschaut, was was kommt und das dann weiter entstehen lassen irgendwie. Das ist die erste Stufe die kommt und dann kann man ja die Sachen nochmal anschauen und sagen okay, jetzt mach es noch genauer und dann eben über die Sinne: Wie hat es ausgeschaut? wie hat es gerochen? Wie hat sich das angefühlt? Welche Geräusche kommen da vor? Also eben diese ganzen Sachen, die da entstanden sind, habe ich dann natürlich immer weiterentwickelt und immer genauer gemacht und und irgendwann natürlich dann im Stil und also ja, fünf Jahre lang. #00:12:46-4#

Katharina Mittenzwei: Kannst du uns diese Technik, die du da beschrieben hast, gerade: Ich erinnere mich an... näher beschreiben. Wie funktioniert das? #00:12:55-7#

Yuko Kuhn: Ja, eigentlich. Wir sitzen jetzt in diesem Seminar und und dann gibt Doris auch gerne so Schlagworte, also zum Beispiel: Ich erinnere mich an Ekel oder ich erinnere mich an die schlimmste Geburtstagsfeier oder halt einfach irgendwas. Das kann wirklich alles sein. Es kann auch eine Erbse sein oder ein Knall. Und dann fängt man einfach an und was dann daraus passiert, ist ja auch irrelevant. Also das muss ja überhaupt nichts mit dem zu tun haben. Weder mit diesem Wort noch mit den ersten Impulsen, sondern es geht ja nur darum, sich freizumachen und das Gehirn halt einfach machen zu lassen und den Stift zu nehmen und das irgendwie mit aufzuzeichnen, was da passiert. Und dann ist natürlich davon auch ganz viel überhaupt nicht zu gebrauchen. Ist ja auch klar. Aber es geht ja nur darum, dass man nicht zensiert, dass man nicht zu viel nachdenkt, dass man irgendwie in ein Gefühl reinkommt. Und es ist tendenziell schon einfacher, denke ich, wenn man unerfahren ist, über etwas zu schreiben, was man kennt. Also je genauer man etwas kennt, desto genauer kann man es auch beschreiben und mit den Sinnen erfassen und alles rausholen, was da vielleicht drinstecken kann an ein Gefühl. #00:14:19-8#

Katharina Mittenzwei: Gab es denn da jemanden Menschen in deiner Umgebung oder vielleicht auch Ereignisse, die dich immer wieder so ermutigt haben, weiterzuschreiben? #00:14:32-0#

Yuko Kuhn: Also es gab sehr viel. Sonst glaube ich nicht, dass ich jetzt wirklich diesen Roman hätte. Ich habe dann also ein irres Glück gehabt insgesamt. Also erstens hat mich ja Doris ermutigt. Von Anfang an, aber auch an der HFF ist natürlich ein Umfeld gewesen. Erstens sind da ganz viele, die Geschichten erzählen. Es ist ja egal, ob es dann ein Drehbuch ist oder aus welchem Gewerk auch immer am Film. Da hatte ich immer Leute, Kolleginnen, die irgendwie auch vielleicht mal gelesen haben oder irgendwas dazu gesagt haben. Und dann hatten wir eine große Veranstaltung. Es war eine Konferenz über Einsamkeit und da hatten wir Lena Gorelik eingeladen zum Lesen aus "Wer wir sind". Und dann hat Lena mir auch angeboten: Ja, gib. Schick und sie liest es mir. Und das war ganz ein wichtiger Meilenstein. Das ist auch viele Jahre her. Sicher drei oder vier, dass sie das gemacht hat, weil sie ja so eine wahnsinnige Erfahrung hat. Auch Texte von anderen jetzt natürlich ihr Schreiben darf ausgenommen aber auch andere Texte irgendwie gut zu nehmen und zu betreuen und die nicht verändern zu wollen, sondern so zu lassen, wie der Schreibende sie meint. Und die hat mir so ein großes Geschenk damit gemacht, weil sie einfach diesen ganzen Text ganz genau angeschaut hat und ganz viele Sachen markiert hat. Und dann hat sie mich einfach nach Hause eingeladen und wir saßen eineinhalb Stunden in ihrer Küche und sind das alles durchgegangen. Also alles, was sie sich eben angestrichen hat. Und das war ganz viel auch so Stil. Also einfach so, so ganz konkrete Tipps zum Beispiel wie: Pass auf mit so großen Begriffen wie Zukunft oder Liebe oder so halt. Ja, das wird halt leicht auch ja, theatralisch vielleicht. Und halt einfach ganz, ganz fein. Und viele solchen Sachen. Mit diesem Päckchen hatte ich so einen richtigen Aufwind. Kurz danach habe ich dann auch so bei meinem Mann und den Kindern, also da hatten wir auch schon drei Kinder, gesagt ich brauche jetzt ein Wochenende und dann bin ich dann wohin gefahren und war da ganz allein in sdiesem Zimmer am Schreibtisch gesessen und habe das dann alles versucht umzusetzen, was sie mir gesagt hat. Also das war zum Beispiel eine solche Station. Dann gab es auch noch immer wieder andere, die mir da geholfen haben. #00:16:58-0#

Katharina Mittenzwei: Das ist so eine richtige Münchner Literatur Bubble, in der du dich da befindest, oder? Lena Gorelik. Doris Dörrie, Du. Da gibt es ja sicherlich noch Vielzahl anderer Schreibender, die sich da scheinbar auch gut unterstützen. Sehe ich das richtig? #00:17:14-4#

Yuko Kuhn: Also ich habe das schon so wahrgenommen. Es war natürlich jetzt für mich also ein total gut möglicher Eintritt da rein. Natürlich über diese Verbindung hat mir das sehr viel geöffnet, auch im Literaturhaus oder einfach in diesen ganzen Veranstaltungsorten, in dieser Funktion, da über die HFF und über diesem Kontakt Ich weiß nicht, wie das ist, wenn man das nicht hat. Dann ist es vielleicht nicht so leicht. Aber wenn man, wenn man da irgendwie einmal drin ist, ich habe das Gefühl, das ist wirklich sehr unterstützend ist. Ich habe so viele tolle Schreibende kennengelernt, die auch einfach das so teilen, was sie gelernt haben oder auch eben, dass sie eben ermuntern möchten. Bei mir ist es jetzt auch schon so, dass ich mir denke: Oh Gott, ich habe so viel bekommen und ich habe jetzt auch schon ein paar Leuten mal was gelesen und irgendwie versucht das, was ich jetzt gelernt habe, auch denen mitzugeben. #00:18:16-0#

Katharina Mittenzwei: Jetzt hast du es gerade schon so ein bisschen anklingen lassen. Du sagtest nach dem Gespräch mit Lena Gorelik hättest du dir ein Wochenende genommen, um dich einfach nur auf deinen Text zu konzentrieren. Wie ist es denn grundsätzlich in deiner Schreibarbeit? Bringst du morgens die Kinder dorthin, wo sie hinmüssen und hast dann sechs Stunden am Stück konzentriert Zeit, dich dann im Text zu widmen? Oder bist du eine Nacht Schreiberin oder wie schreibst du? #00:18:44-7#

Yuko Kuhn: Ja, also am Anfang habe ich das wirklich abends spät so gemacht, also als es erstmal so losging damit und dann irgendwann, ja da war das schon noch sehr diffus. Da habe ich das total gestückelt hier und da mal so bisschen, wenn es ging. Ich hatte ja immer die Stelle und diese drei Kinder. Und in dieser Zeit am Vormittag kann man ja auch noch andere Dinge organisieren und erledigen und so weiter. Aber ich habe dann, als es dann ernster wurde und ich so gemerkt habe: So, jetzt musst du auch mal das irgendwie auf eine Ebene heben, wo du das als Arbeit anerkennst und nicht immer so ein rumgeschreibe. Da habe ich mir dann einen Schreibplatz gemietet, hier in der Nähe, weil ich gemerkt habe zu Hause, das ist einfach, auch wenn dann keiner da ist, dann rennt man zur Waschmaschine, dann macht man das. Überall liegt irgendwas, das ich da wirklich. Ich musste mich so konditionieren. Ich habe dann diesen Platz gemietet und habe dann auch wirklich mir geschworen: Wenn du dahin gehst, du machst auch nichts anderes. Du beantwortest auch nicht irgendwelche komischen Mails oder überweist irgendwas, sondern du hockst dich dahin und widmet dich wirklich nur diese Manuskript. Das habe ich dann auch schon einige Zeit durchgezogen. Gleichzeitig hat mir jemand aus der HFF das Programm Dramaqueen empfohlen. Was mir auch sehr sehr geholfen hat, weil ich hatte in einem Word Dokument irgendwie so viele Seiten Szenen und mein Roman ist ja sehr assoziativ komponiert. Es ist weder chronologisch, noch ist es irgendwie nach Welten. Es ist einfach sehr viel möglich, weil irgendwie alles mit allem zusammenhängt und da hatte ich ja schon so viele Jahre so viel hin und her geschoben und dann hatte ich endlich dieses Programm und da kann man halt einfach für jede Szene so was anlegen. Man kann da Farben markieren. Man kann das alles so verschieben und das war dann ganz toll. Und dann habe ich wirklich da einige Monate dran gearbeitet und dann dann eingereicht bei der Agentur. Aber seit ich das dann eingereicht hatte und dann auch den Buchvertrag hatte, ist es wieder ein bisschen undisziplinierter geworden. Natürlich war ich dann im Lektorat immer super eifrig und habe immer alles gleich versucht zu erledigen. Aber diese ganz disziplinierte Zeit, das war noch davor. Und seit es jetzt auch im Satz ist und jetzt weg ist, habe ich ehrlich gesagt kaum ein Wort geschrieben. Also ganz wenig. Ich möchte aber. #00:21:18-6#

Katharina Mittenzwei: Das, was ich aus dem Buch "Leben Schreiben Atmen" von Doris Dörrie mitgenommen habe, ist, dass sie sagt, man soll jeden Tag schreiben Yuko. #00:21:27-9#

Yuko Kuhn: Oh ja, das glaube ich auch. Das ist gut. In Gedanken. In Gedanken schreibe ich schon oft oder ständig. Ich sehe halt was oder ich beobachte irgendwas auf der Straße, denk mir ach, so ein tolles Bild, das kann dann irgendwie nur ein alter Mann auf dem Fahrrad von hinten sein. Und die Körperhaltung irgendwie. Also irgendwas. Und dann, ja, manchmal mache ich mir dann so eine komische Handynotiz, aber dann habe ich schon auch immer ein Notizbuch dabei und einen Bleistift. Aber ja. #00:21:57-5#

Katharina Mittenzwei: Du hast ja jetzt auch erstmal einfach genug anderes zu tun, muss man sagen. Aber trotzdem noch mal die Frage: Was ist denn für dich der Unterschied zwischen aufschreiben und literarisch schreiben? #00:22:08-2#

Yuko Kuhn: Ja, da fragst du mich was? Also. Na ja, aufschreiben kann man ja alles mal schnell. Aber damit es dann literarisch wird, da braucht es schon mehr. Aber was braucht es genau? Auf jeden Fall sehr stark verknappen oder so war es bei mir. Also ich habe wirklich immer geschaut: Was ist denn wirklich die Essenz? Was willst du da erzählen? Und dann brauchst du es auch nicht fünfmal erzählen in fünf verschiedenen Szenen, die eigentlich genau die gleiche Sache transportieren, sondern dann such dir die raus, die du am stärksten findest und dann ist es aber auch gut. Und da sehr streng sein und sich selber immer wieder redigieren, weil man schreibt und schreibt und dann mag man was, wenn man irgendeine Formulierung mag oder irgendwie denkt. Ach toll. Aber es hilft ja dann am Ende nichts, wenn es nichts. Ich habe dann schon gelernt zu schauen, was diese ganzen Ausfransungen irgendwie einzufangen und wegzunehmen und auch nicht zu viel erzählen zu wollen, weil es dann auch zu ambitioniert ist vielleicht für so einen Roman. Was mir auch sehr geholfen hat, dass ich wirklich jeden Absatz überprüft habe auf die erzählte Zeit. Also wie lang ist die erzählte Zeit und was funktioniert am besten? Und ich habe dann gesehen, es funktioniert bei mir am besten, wenn es eine möglichst kurze, erzählte Zeit ist. Also solche Entwicklungen von jemandem, wie der sich über Jahre entwickelt hat in einem Absatz. Das funktioniert nicht so gut wie eben einfach so eine ganz markante kleine Situation, die vielleicht ein paar Sekunden gedauert hat. Die hat eher einen starken Eindruck hinterlassen. Ich habe das dann schon so organisiert, diesen Text und analysiert und deshalb sehr viel und auf verschiedene Aspekte hin. Und dann irgendwann war es dann, ich weiß nicht, wie das dann passiert, dass es dann irgendwann so arrangiert war und auch so formuliert war, dass ich so gedacht habe: So, jetzt. Jetzt gehst du damit dann raus. Und dann haben wir aber im Lektorat auch wirklich schon noch größere Änderungen vorgenommen. #00:24:26-2#

Katharina Mittenzwei: Und war das schwierig für dich? Eine dir vermutlich fremde Person da ein so in deinem Text herumstochern zu sehen? #00:24:33-3#

Yuko Kuhn: Nee, es war überhaupt nicht schwierig für mich. Aber das liegt vielleicht auch einfach an der Person. Meine Lektorin von Hanser Berlin, die hat das so unfassbar toll mit mir gemacht von Anfang an, dass ich da nie das Gefühl hatte, die nimmt mir da jetzt was weg. Oder sie macht irgendwas, was nicht dem entspricht, was ich da rein gegeben habe. Klar, es gab dann schon auch Stellen, wo ich beim ersten Lesen beim Streichen so gedacht habe: Was? Was? Also Empörung quasi. Aber das hat sich dann meistens sehr schnell gelegt, nach ein paar Tagen. Manche Sachen waren dann auch klar, dass ich wusste: Nee, das möchte ich, aber ich will das unbedingt behalten. Und da musste ich das halt vielleicht noch mal ein bisschen überarbeiten, damit es eben nicht diesen Eindruck erweckte, den sie hatte. Also von außen. Es war ja einfach das größte Geschenk, dass sie da war und es dann einfach so unbefangen von außen in einem ganzen so gelesen hat. Es war richtig, richtig toll. Also mir fehlt es eigentlich. Ich möchte fast nur noch mal weiter einen schreiben, damit ich dann wieder mit ihr so schön am Ende daran arbeiten kann. #00:25:45-7#

Katharina Mittenzwei: Toll, so eine Expertin zu haben, die einem da so ein wichtiges Feedback gibt. Das ist ja schon auch ein großes Privileg als Schreibende würde ich sagen, wenn sich jemand so intensiv mit dem eigenen Text beschäftigt. #00:25:58-4#

Yuko Kuhn: Ja, das war, glaube ich, schon. Es ist jetzt auch nicht bei jedem Buch wahrscheinlich so machbar. Das ist ja ein irrer Aufwand gewesen und jetzt einfach eine lange Zeit. Aber das hat jetzt, insofern gepasst, weil sie auch diesen Platz nicht gleich frei hatten, sondern eben mit so einem Vorlauf. Und dann war irgendwie klar gut, wir können jetzt von Mai bis Weihnachten auf jeden Fall überarbeiten usw. und dann zum Satz nochmal. Aber wir haben wirklich dann bis zum Satz immer wieder was gefunden. Und jetzt, seit es gedruckt ist, habe ich es jetzt nicht noch mal ganz gelesen oder so. Ich habe jetzt noch nicht geschaut, ob jetzt irgendwo noch ein Fehlerchen ist, aber es ist auch jetzt nichts drin, was mich jetzt irgendwie nachhaltig beschäftigt. #00:26:42-2#

Katharina Mittenzwei: Aber ich habe es gelesen, liebe Yuko, und ich habe so gerne gelesen und habe es so genossen, diese Zeit mit deinen Protagonist|innen. "Onigiri" ist wirklich ein unglaublich schönes Buch. Es ist mir so schwer gefallen, auf der letzten Seite mich zu verabschieden von den Menschen, denen ich da begegnet war. Wie gesagt, das Buch erscheint am 22. Juli. Das heißt, wir können uns noch so ganz unverblümt dem Buch widmen. Es gibt keine Rezensionen, es gibt noch nichts über dieses Buch, was uns irgendwie beeinflusst. Und ich würde einmal, da es einfach noch nicht gelesen wurde, wenn du einverstanden bist, ein paar Sätze über dieses Buch verlieren und ich bin gespannt, was du dazu sagst. Wir lernen eine Familie kennen aus der Perspektive von Aki, allen voran die demenzkranke Mutter, aber auch den Vater, den Bruder, die japanische Großmutter, Onkel und Tante, die deutschen Großeltern. Im emotionalen Fokus steht etwas, das als Unglück der Mutter bezeichnet wird. Langsam tauchen die Leser|innen in die komplexe Struktur in der Familie ein, erfahren von Enttäuschungen, Schicksalsschlägen, rassistischen Entwicklungen und ganz, ganz viel Liebe. Eine Reise beginnt. Habe ich das getroffen, was du geschrieben hast? #00:28:03-5#

Yuko Kuhn: Ja, ja, auf jeden Fall. Für mich ganz komisch, das so zu hören. Aber ja. #00:28:11-1#

Katharina Mittenzwei: Das dachte ich mir schon. Ja, das gab es ja noch nicht zu lesen, außer eben den Klappentext. Das macht macht ja jetzt für mich keinen Sinn, den Klappentext einmal vorzulesen. #00:28:23-6#

Yuko Kuhn: Nein, ich finde es schon gut getroffen. Ja. #00:28:26-6#

Katharina Mittenzwei: Ich würde ganz gerne, auch wenn ich den Zugang über den Titel bei Autor|innen immer irgendwie so ein bisschen dröge finde, finde ich es bei dir ganz, ganz spannend, weil dieser Titel "Onigiri". Also "Onigiri" ist ja so ein Reisnack, der mittlerweile auch relativ bekannt in Deutschland ist. So quasi, das Äquivalent zum Käsebrot ist das Lieblingsessen von Aki, also deiner Protagonistin. Ich glaube, sie schreibt irgendwann immer wenn sie traurig ist, wenn sie Kummer hat, sehnt sie sich nach diesem Essen, bildet sozusagen den Fokus. Also es ist der Titel. Das Käsebrot hat sie nicht in den Titel geschafft der analog zu München die Leberkässemmel. #00:29:11-2#

Yuko Kuhn: Ja, ob das so attraktiv gewesen wäre? Auch in Tusche gemalt in die Onigiri? Ähm, ja. Tatsächlich war das so, dass ich ganz früh, also in diesen ersten Monaten, als ich da so abends geschrieben habe, habe ich das irgendwie so genannt. Also habe ich mir ein Deckblatt gemacht und so Onigiri drauf gemacht und so gedacht: Das nenne ich jetzt so! Ich glaube, es hat mit einer Szene im Buch zu tun, die ich da auch schon sehr früh geschrieben habe. Und zwar ist das eine Situation nach der Geburt des ersten Kindes von Aki und da liegt sie dann eben im Krankenhaus und sehnt sich nach diesem Essen, nach diesen Onigiri, weil die Mutter das immer früher gemacht hat und weil sie ja einfach auch erschöpft ist und irgendwie sich das wünschte, dass sie ihr das bringt. Und sie bringt es ihr aber leider nicht, weil sie mal wieder zu müde ist und eben es nicht schafft. Und das kann Aki da in dieser Situation gar nicht gut nehmen, weil sie halt auch so fragil ist und so verletzlich da liegt und das irgendwie dann so eine Enttäuschung für sie ist. Und dann habe ich so gedacht: Das passt ganz gut, weil es der Fokus des Romans ist ja eben diese Mutter Tochter Beziehung mit diesen Auf und Abs und eben dieses fragile Band. Dann dachte ich, das ist eigentlich ein ganz guter Titel. Unabhängig davon dachte ich dann auch schon bald, das ist auch irgendwie ein geschickter Titel, weil es halt irgendwie ein schönes, griffiges Wort. Das ist jetzt nicht so total bekannt, aber auch nicht ganz unbeschriebenes Blatt und ja, auch in Kombination dann mit meinem Namen. Und es war ja schon auch sinnvoll, dass man vielleicht erahnt, dass es irgendwie mit Japan auch zu tun hat. #00:31:00-7#

Katharina Mittenzwei: Ja, und es ist natürlich auch was sehr Sinnliches. Und mir fällt auch noch eine zweite Szene ein. Als Aki das gegen Ende des Buches für ihre Mutter zubereitet das erste Mal und sehr glücklich darüber ist, dass das auch funktioniert. #00:31:16-5#

Yuko Kuhn: Ja, das stimmt. Ja, ja, das gibt es dann auch. Und das ist halt lange Zeit gar nicht so denkbar, weil eben dieser kindliche Wunsch so stark ist, dass die Mutter das irgendwie zu machen hat. Und dann irgendwann, durch diese Krankheit natürlich, aber auch ganz grundsätzlich, durch die Veränderung der Beziehung der Beiden, wird es dann möglich. #00:31:39-1#

Katharina Mittenzwei: Jetzt hast du gerade erwähnt, du hast einen japanischen Titel gewählt, natürlich auch passend zu deinem japanischen Vornamen. Gibt es denn eine Autor|in, eine schreibende Person aus Japan oder eine Person, die sich mit japanischer Kultur in Romanen, in Belletristik beschäftigt, die dich begleitet haben oder beeinflusst haben auf deinem Weg des Schreibens? #00:32:00-5#

Yuko Kuhn: Also wie stark jetzt der Einfluss war, das kann ich nicht sagen. Aber ich habe natürlich schon einmal immer die aktuellen Belletristik Erscheinungen aus Japan gelesen. Und dann jetzt auf dem deutschen Buchmarkt gibt es ja zum Beispiel die österreichische Schriftstellerin Milena Michiko Flašar. Die hat ja sehr viele Romane schon geschrieben, die alle in Japan spielen. Und dann ist jetzt kein Japaner, aber Christoph Peters hat ja auch sehr viel über Japan geschrieben. Lustigerweise ohne jemals dort gewesen zu sein. Aber es gibt natürlich viele Bücher, die eine Handlung auch in Japan haben. Aber so eine deutsch japanische Familiengeschichte in dem Sinne habe ich jetzt eigentlich auch gar nicht gefunden. Also ich habe wirklich mal explizit auch recherchiert oder auch in den Buchhandlungen, wo ich halt immer bin, gefragt, weil es mich auch einfach interessiert hat, was gibt es da schon oder wie werde ich dann einsortiert? Aber es sind eigentlich fast alles Geschichten, die dann dort ausschließlich spielen und die auch Protagonisten japanische Protagonisten haben. #00:33:13-0#

Katharina Mittenzwei: Ja, also schön, dass du die Nische jetzt füllst. Ich habe es einmal anklingen lassen. Also es geht in deinem Buch um eine tatsächliche geographische Reise. Aki reist mit ihrer demenzkranken Mutter nach Japan. Es sind eigentlich nur neun Tage, die sie mit ihrer Mutter unterwegs ist. Sowohl für die Protagonistin als auch für die Lesenden fühlt es sich aber viel länger an. Es fühlt sich an wie wie ein ganzes Leben eigentlich. Und mit dieser Reise passiert ja auch ganz viel. Sprachlich, also sowohl mit der Protagonistin als auch im Buch. Dazu muss man wissen: Das Buch hat nicht nur einen japanischen Titel, sondern auch die Kapitel sind nach japanischen Begrifflichkeiten genannt. Und Aki fällt auf während der Reise, sie hat Japanisch von ihrer Mutter gelernt, sagt also selbst, sie hätte ein sehr weibliches, eine sehr weibliche japanische Sprache, weil sie natürlich keinen anderen Resonanzraum um sich herum hatte, in München lebend. Und ihr fällt vor allem auch auf, dass es im Japanischen So wunderschöne Begriffe für warmes Wasser oder den Stapel ungelesene Bücher gibt. Was ja die deutsche Sprache so überhaupt gar nicht hat. Was hat diese Mehrsprachigkeit für dein Schreiben bedeutet? Das sind ja ganz viele Ebenen, die da mit hineinfließen. #00:34:38-0#

Yuko Kuhn: Ja, das. Ich weiß nicht. Ich glaube nicht, dass ich es bewusst gemacht habe, aber ich habe schon von Anfang an einfach japanische Worte mit aufgenommen beim Schreiben, weil sie einfach in mir sind. Und dann hatte ich aber sie zuerst immer so übersetzt. So als Komma. Da habe ich gedacht: Ach, das muss man ja dann erklären und habe dann immer so irgendwas geschrieben und dann Komma und dann die Übersetzung. Dann nach dem Workshop bei Sasha Marianna Salzmann bei den texttagen, habe ich auch irgendwie mit ihr darüber geredet und dann hat sie wirklich ganz entschieden gesagt: Um Gottes Willen! Bloß nicht! Nie was erklären. Du schreibst ja nicht, da nicht einen Roman um irgendjemand was zu erklären. Und es war natürlich auch total unsinnig das Aki bei ihrer Tante in Japan am Tisch sitzt und dann übersetzt was "Genmaicha" zum Beispiel heißt. Dann habe ich das alles zum Glück auch wieder verändert und manchmal so gelöst, dass man es halt irgendwie anders versteht oder halt eben auch nicht. Und dann haben wir uns auch für ein Glossar entschieden und viele Begriffe sind aber auch vielleicht ein bisschen gängig. Und wenn nicht, kann man sie entweder überlesen, weil man wahrscheinlich den Zusammenhang versteht, oder wenn man eifrig ist und auch was lernen möchte, kann man es nachsehen. Also ich glaube schon, dass da ganz viel in mir drin ist, was da mit reingeflossen ist. Auch allein über die Musik. Meine Mutter hat immer gesungen, also ihr ganzes Leben lang gesungen. Auch so richtig mit ganz viel Auftritten und die singt auch jetzt immer. Meine Kinder können also leider wirklich gar nicht gut Japanisch. Sie können so zählen und so paar kleine Sachen. Aber sie hören halt die Oma immer singen. Das finden sie auch gut. Und dann für diese Kapitel. Da bin ich auch sehr glücklich, dass ich das so machen konnte. Die größte Herausforderung war, eine Struktur zu finden für diese ganzen vielen Szenen, die ja eben in diesen neuen Tagen, in diesem kleinen Rahmen, dieser Reise, ja, wie du sagst, ein ganzes Leben irgendwie abbilden oder versucht haben abzubilden. Und dann dachte ich: Ja, man braucht ja irgendwie eine Art von Hilfe, weil sonst wird es halt irre unübersichtlich. Und dann konnte ich eben diese Reiseteile so einzeln für sich stehen lassen. Und da findet man, glaube ich, relativ gut rein, dass man immer weiß: Ah, jetzt bin ich irgendwie wieder da. Reise. und Mutter und Tochter sind unterwegs. Diese ganzen Zwischenteile, die habe ich dann überschrieben mit japanischen Begriffen. Und zwar habe ich da wirklich überlegt, was sind so größere Motive, die für mich drinstecken in diesem Text oder oder ganz wichtige Sprachbilder? Und die habe ich dann zusammengesucht. Und ich finde jetzt, auch wenn man sie dann von oben nach unten so durchliest, hat man schon auch irgendwie so eine Art, was heißt Faden, aber schon etwas, womit man was anfangen kann, wie sich da was entwickelt zum persönlichen Hin und sagen wir mal so. #00:37:43-2#

Katharina Mittenzwei: Und zum Persönlichen Hin, ja. Dieses Buch spielt ja auf mehreren Erzählebenen, so viel haben wir jetzt schon rausgefunden. Und du hast vorhin auch erwähnt, dass das Buch aus so ganz vielen verschieden gearteten Szenen besteht. Also zum einen aus der Gegenwart, aus Erinnerungen, Rückblenden und Szenen, die fast wie Miniaturen wirken. Ganz kurze Momente. Die kleine Aki steckt sich ein Legosteinen in die Nase und fährt dann zu den Großeltern. So sehr nüchterne Miniaturen, die sich aber ganz, ganz geschmeidig in diese Gesamtform einfügen. Wie hast du diese Form gefunden? Ab wann war klar, so möchte ich es machen? #00:38:22-2#

Yuko Kuhn: Es war eigentlich schon ziemlich früh klar. Mir war das schon ziemlich klar. Ich hatte so Bilder, die waren mir irgendwie ganz wichtig und ich habe sogar zwischendrin mal so kurz versucht oder überlegt, ob ich die nicht so richtig einzeln stelle. So einzelne Sätze, die dann wirklich davor und danach eine Zeile Abstand haben. Aber das war dann irgendwie zu viel des Guten. Auch eben, dass so Einschübe immer möglich sind, die eben nicht deine konkrete Erinnerung, sondern vielleicht nur ein Satz und man weiß dann nicht, ist es jetzt oder gilt es als Kind oder gilt das als Jugendliche ist? Oder gilt es dann als sie Erwachsen ist? als die Mutter wird oder eigentlich immer? Das war schon mein Wunsch, dass ich das so lassen kann und das nicht so zuordnen muss in so eine Chronologie. Was ich ja schon musste irgendwann, dass ich diese diese Zwischenteile schon ein wenig chronologisch sortiert habe. Also ich habe da sehr viel probiert. Ich hatte auch mal eine Fassung, da war das nach Welten alles unterteilt, da waren es drei große Teile und ein Teil spielte halt in Japan. Also alles was in Japan war, war ein Teil. Ein Teil war nur zu Hause mit der alleinerziehenden Mutter und Aki und ein Teil war diese ganz andere bürgerliche Welt dieser deutschen Großeltern und des Vaters. Aber das war auch nicht interessant, weil es war natürlich doch viel toller, das ineinander zu schneiden und die Kontraste zu haben und so stark zu springen. Aber ich habe da wirklich in den Jahren so viel rumprobiert und irgendwann habe ich dann gemerkt, das geht aber nur so. Wie so ein Puzzle ist, das man halt immer weiter liest und immer mehr einem klar wird oder auch eben das Stellen, die weiter hinten sind, dass man die auch erst schätzt, wenn man bestimmte Dinge vorher weiß. Dieser Aufbau, der ist natürlich jetzt auch nicht in Stein gemeißelt. Da wären sicher andere Versionen auch möglich gewesen. Aber intuitiv habe ich das natürlich dann so entschieden. #00:40:31-3#

Katharina Mittenzwei: Jetzt bin ich wahnsinnig froh Yuko, dass wir ja noch eine Lesung gemeinsam haben. Ich wäre so in Not gewesen, hier ein Ende zu finden, weil wir noch über ganz viele andere Dinge reden müssen. Allein über die Figur und über die Figurenpsychologie. Und ich freue mich wahnsinnig, dass du ja auch auf unserer texttage-Bühne sein wirst, und zwar an dem Sonntag. Das ist der 13. Juli um 15:00 dürfen wir beide uns auf der großen texttage-Bühne unterhalten. Das ist der Tatsache geschuldet, dass Rasha Khayat eben leider absagen musste. Dass du jetzt auf der Bühne bist, fühlt sich nicht an wie eine Alternative, sondern wie ein ganz großartiges Ereignis. Wir können das Buch noch nicht in der Hand halten, dauert noch ein paar Tage. Aber was wünschst du dir denn für dieses Buch? #00:41:16-7#

Yuko Kuhn: Ich wünsche mir, dass es neugierig und liebevoll aufgenommen wird. Dass die Leute Lust haben, sich davon berühren zu lassen. Vor allem Menschen, denen die Eltern so auch entgleiten, halt in ein Alter oder auch in ein Verschwinden aus welchem Grund auch immer. Was glaube ich universellsten ist und so darin steckt, ist eben was passiert mit einem? Man ist ja immer Kind, auch als Erwachsener, wenn eben die Mutter sich so verändert oder halt ganz verloren geht. Und auch natürlich dieses deutsch japanische zwischen den Kulturen. Ja, was soll ich sagen. Dieses Schweben irgendwie zwischen diesen Welten und den Identitäten und den Versuch, das zu einem sinnvollen Paket zusammenzuschnüren. #00:42:23-5#

Katharina Mittenzwei: Und was wünschst du dir für dich als Autorin? #00:42:26-8#

Yuko Kuhn: Tja, dass ich das möglichst gelassen alles dann schaffe und mich nicht furchtbar aufregen muss, wenn jemand was was kritisiert oder ich keine Schluckaufanfälle bekommen, wenn ich vorlese und das überhaupt alles dann jetzt auch ganz gut klappt. So organisatorisch. Mit den drei Kindern. Mit den ganzen Terminen, die ich jetzt habe. Aber ich freue mich darauf. Also ich habe auch von anderen gehört, das fand ich auch voll schön: So, jetzt ist das abgeschlossen und das Buch ist da und das, was jetzt kommt, das ist wie so ein Geschenk und das gehört zum Buch dazu und es ist nochmal so eine ganz lange Phase und Zeit, wo man eben in Kontakt kommt mit den Menschen, die diesen Text lesen und die dann auch auf einen zukommen und irgendwie was dazu sagen möchten oder wie auch immer. Darauf freue ich mich jetzt. #00:43:19-1#

Katharina Mittenzwei: Ja, genau. #00:43:20-6#

Yuko Kuhn: Ganz geheuer ist mir das alles nicht, aber gleichzeitig denke ich mir dann, wenn ich mich mal ein bisschen verrückt mache, dass es einfach nicht klug ist, das zu tun. Weil jetzt habe ich doch so viel da reingesteckt und jetzt soll ich mich doch einfach freuen. #00:43:36-7#

Katharina Mittenzwei: Ja, du solltest dich einfach freuen, weil es so viele Menschen große Freude und und Gefühle mit deinem Buch auch einfach haben werden. Wir wünschen dir im Namen des texttage Teams natürlich genau das, was du dir jetzt eben auch gerade gewünscht hast. Ich glaube, vor Unbekanntem hat man einfach immer ein bisschen Respekt. Ein bisschen Respekt ist vielleicht auch gar nicht so verkehrt. Du bist ja bei den texttagen nicht nur auf der großen Bühne, sondern du hast auch das Format der textalks. Das ist ein ganz neues Format. Das wird 2025 jetzt eben etablieren möchten. Besteht aus einem sehr exklusiven Kreis an Teilnehmenden. Dein texttalk war sofort ausgebucht und besteht darin, dass 15 Personen die Möglichkeit haben, mit dir über dein Buch zu sprechen. Ich glaube, das wird ganz, ganz, ganz toll. Bestimmt auch für dich eine tolle Erfahrung. Für die Teilnehmenden ganz sicher eine gute Erfahrung. Und jetzt bleibt es mir einfach nur, mich bei dir zu bedanken. Meine Vorfreude auf den 10. Juli auszudrücken: Start der texttage. Ihnen, liebe Zuhörenden, rate ich: Schützen Sie sich vor der Hitze. Bringen Sie schattenspendende Regenschirme mit, wiederaufbare Wasserflaschen, Cremen Sie sich mit einem hohen Lichtschutzfaktor ein, damit Sie gesund bleiben. Wir versuchen natürlich auch schattige, luftige Oasen zu schaffen in der Ruine, so gut es möglich ist. Zur Not bei großer Hitze, können wir in den klimatisierten Katharinensaal ausweichen. Ja, lieber Yuko, ich mag mich gar nicht von dir verabschieden, aber das Schöne ist, wir können einfach unser Gespräch weiter führen. #00:45:20-5#

Yuko Kuhn: Also vielen Dank. Wirklich. Das ist so besonders, dass ich jetzt bei den texttagen diesen Auftakt habe. Die allerersten Kontakte zu den Lesenden und dann diese Lesung. Alles auch noch vor dem ET. Aber das ist für mich jetzt auch emotional so schön und dich kenne ich schon. Und das mit dir spreche ich ja ganz gerne. Ich freue mich auf alles und ich werde auch fleißig den anderen lauschen. #00:45:43-8#

Katharina Mittenzwei: Ja, ja, genau. #00:45:46-2#

Yuko Kuhn: Mach's gut, Yuko. Liebe Grüße nach München. #00:45:48-2#

Katharina Mittenzwei: Tschüss. #00:45:48-9#

Dieses Projekt/Diese Maßnahme/Initiative leistet einen wichtigen Beitrag, Nürnberg schrittweise inklusiver zu gestalten. Es/Sie ist Teil des Nürnberger Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Den Ersten Aktionsplan hat der Nürnberger Stadtrat im Dezember 2021 einstimmig beschlossen. Um die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in Nürnberg zu verwirklichen, wurden und werden umfangreiche Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Weitere Informationen finden Sie unter www.inklusion.nuernberg.de.

Zwischen Reisbällchen und Erinnerungsfragmenten: Yuko Kuhn über ihr Debüt Onigiri, Sprache, Herkunft – und das Schreiben vor dem ersten Buch.

In dieser Folge sprechen wir mit der Münchener Autorin Yuko Kuhn, die im Juli 2025 ihr literarisches Debüt Onigiri im Hanser Verlag veröffentlicht. Das Gespräch findet wenige Wochen vor Erscheinen des Buches statt – und bietet einen seltenen Blick in eine besondere Zwischenzeit: die Phase des Dazwischen – zwischen Schreiben und Veröffentlichen, zwischen dem Jetzt und dem Erinnern.

Yuko Kuhn erzählt von ihrem Weg zum Schreiben, über die Bedeutung von Mehrsprachigkeit und Klang – und darüber, wie ein Roman entsteht, der sich über verschiedene Erzählebenen, Miniaturen und Erinnerungssplitter nähert.

Außerdem geht es um ihre Verbindung zu den Texttagen Nürnberg, wo sie das Buch erstmals vor Publikum vorstellen wird.

Ein leises, intensives Gespräch über Literatur, Herkunft und das Schreiben als Akt der Selbstbehauptung.

 

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Aufgenommen am: 30. Juli 2025
Veröffentlicht am: Moderation: Katharina Mittenzwei
Im Gespräch: Yuko Kuhn

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