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Shabnam Zamani, warum dürfen Frauen im Iran nicht singen?

Hannah Diemer: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Kontaktaufnahme. Mein Name ist Hanna, und ich darf heute zu Gast sein bei. Shabnam Zamani. Wir sitzen gerade in ihrem Wohnzimmer, bei einer Tasse schwarzen Tee und hören vielleicht später manchmal den Kater, weil er würde so gerne hier bei uns mit dabei sitzen, aber wir haben ihn ausgesperrt. Das heißt, wenn ihr hört, dass irgendwas an die Tür klopft, dann wisst ihr, dass der Kater ist, der sehr gerne reinkommen würde. Shabnam Zamani ist 1975 in Teheran geboren und lebt aber seit 2014 in Nürnberg, und wir werden heute über die aktuelle Revolution im Iran sprechen. Weil wir wissen, wird die Folge ausgestrahlt am 09. März und gestern, der 08. März, ist der internationale Frauentag, und bevor wir aber einsteigen, würde ich dich gerne bitten Shabnam, dass du von deinem Leben erzählst, dass du am Anfang in Teheran hattest. #00:01:19-2#

Shabnam Zamani: Ja Hallo, ich bin 1975 in Teheran geboren und habe meinen Studienabschluss in Teheran gemacht, und dann bin ich 2004 nach Deutschland gekommen, ich habe geheiratet und bin nach Deutschland gekommen. Wir sind erst mal nach Saarbrücken gezogen, wo wir auch 8 Jahre gelebt haben und 2014 sind wir dann nach Nürnberg umgezogen. #00:01:51-7#

Hannah Diemer: Du hast in Teheran ganz viel Musik gemacht und auch Musik studiert. #00:01:56-0#

Shabnam Zamani: Ich habe mit der Musik als ich sehr jung war. Mit 18 habe ich angefangen Gesangsunterricht zu nehmen, zu meiner Zeit, war Gesangsunterricht für Frauen verboten. Deswegen konnte ich kein Gesang studieren, aber ich habe Privatunterricht genommen. Wo ich sehr spirituell war, sehr idealistisch war, wollte ich Mystik studieren und hatte es auch angefangen aber im Angesicht der Situation im Iran wollte ich dann Richtung Jura studieren. Meinen Studienabschluss habe ich dann mit dem Schwerpunkt Jura gemacht. Gleichzeitig hab ich meine Gesangsausbildung weiter gemacht, also dieser Privatunterricht, dass bei meiner Zeit so übel war. Ich habe Radif gelernt, ja, und dann habe ich auch gearbeitet als Sängerin, dass war nicht öffentlich, außer einmal bei einem Theater haben wir live Musik gemacht und live gesungen mit zwei anderen Frauen zusammen, dreistimmig, weil allein durften wir nicht singen. Das war eine sehr schöne Erfahrung. Natürlich, das war sehr mutig, trotzdem, obwohl wir zu dritt waren. #00:03:40-4#

Hannah Diemer: Warum durfte man nicht alleine als Frau auftreten? #00:03:43-2#

Shabnam Zamani: Ja, das ist halt verboten. Frauenstimmen im Iran sind verboten. Alleine dürfen die Frauen nicht singen und das ist sehr, sehr schade. Es gibt sehr schöne, wunderschöne Frauenstimmen im Iran, und die geben sich Mühe, die lernen Radif und das dauert Jahre. Ich zum Beispiel, ich habe erst mal mir keine Hoffnungen gemacht, dass ich auftrete oder Sängerin werde. Ich wollte nur diese Musik lernen. Dieses Musiksystem wollte ich lernen, weil es ganz spezielle Musik ist. Das gehört zum Iran. Bei uns zu Hause wurde immer diese Musik gespielt, also diese Musik bei klassische oder traditionellen Sänger*innen wie Parisa oder Marzieh. Ich wollte wissen, wie sie singen, was sie singen, und wenn man es versteht, kann man viel mehr genießen. #00:05:00-4#

Hannah Diemer: Du hast mir schon verraten, dass du aber inoffiziell als Sängerin gearbeitet hast, und zwar mit Freunden von dir zusammen. #00:05:09-3#

Shabnam Zamani: Ja, genau ich habe tolle musikalische Freunde gehabt. Beide waren Komponisten, die haben zum Beispiel Musikvideos gemacht und ich habe gesungen. Ich hatte auch auf CDs gesungen, das war eine tolle Zusammenarbeit. Meine Freunde haben mich auch unterstützt. Wir haben relativ gut verdient, wenn ich jedes Mal gesungen habe, das war natürlich wie ein Nebenjob für mich, weil ich auch beim Notar gearbeitet habe. #00:05:54-5#

Hannah Diemer: Das war dir aber möglich, weil ihr eine sehr moderne Familie wart, hast du erzählt. Kannst du mal erklären, warum ihr moderner wart als zum Beispiel jetzt auch die Nachbar*innen? #00:06:07-1#

Shabnam Zamani: Ja genau, wir waren eine moderne Familie. Ich habe sieben Schwestern und die haben natürlich alle verschiedene Vorstellungen vom Leben. Zwei davon waren politisch aktiv und die andere war Künstlerin. Meine Eltern waren auch sehr offen, meine Schwestern und ich durften erleben, was wir wollten. Das war eigentlich der hohe Preis für dieses freie Leben, für die Freiheit, wie man Leben möchte. #00:06:43-0#

Hannah Diemer: Du hast gesagt, der Preis dafür, dass sie so gelebt habe, wie ihr gelebt hat, war sehr hoch. Was meinst du damit genau? #00:06:48-0#

Shabnam Zamani: Im Iran ist es so, dass Frauen sich immer verstecken oder sich zensieren oder die können überhaupt nicht ausleben, was sie sind. Von Anfang an fängt diese Angst an, dass man sich gut benimmt, damit man gut in der sozialen Gesellschaft ankommt. Zum Beispiel eine Frau sollte gut lachen, gut laufen und nicht laut lachen nicht, also sich gut benimmt. Viele Sachen darf eine Frau nicht tun oder so. Ich bin mir sicher, dass es heutzutage viel besser geworden ist, ich bin mittlerweile 20 Jahre weg aus dem Iran. Zu meiner Zeit war es wirklich schwer, war wirklich sehr, sehr schwer, aber wir haben auch dafür gekämpft, aber das war natürlich sehr schwer. #00:07:48-7#

Hannah Diemer: Was ist passiert, wenn man so aus der Reihe getanzt ist und wenn man versucht hat, moderner zu sein? #00:07:54-4#

Shabnam Zamani: Natürlich, die Nachbarn haben hinterher gesprochen, die haben gelästert und so weiter. Das hat irgendwie dazu gehört! #00:08:05-4#

Hannah Diemer: Es ist ja auch so, dass es nicht nur von den Nachbarn geahndet wird, wenn man sich anders verhält, sondern dass auch die Regierung da was dagegen hat, wenn die Leute modern sind, und dass die Regierung das iranische Volk so auch unterdrückt. Hast du da auch so eine Art von Unterdrückung erlebt? #00:08:22-0#

Shabnam Zamani: Ja, ich habe Unterdrückungen erlebt, viele sind natürlich von der Regierung. Es kommt alles von der Regierung, diese Unterdrückung, dass die Frauen überhaupt "Halbmenschen" sind in solchen Länder. Ja, ich sage nicht nur Iran, aber wenn eine Frau zur Hälfte von einem Mann wert ist, natürlich. Da kann man sich die restliche Geschichte schon vorstellen, wie es ist. Die Frauen dürfen nicht singen, die Frauen durften nicht Fahrradfahren, Motorradfahren, die Frauen dürften viele Einstellungen nicht nehmen und überhaupt wurden Frauen nicht respektiert, wenn kein Gesetz die Frauen unterstützt. Wenn eine Frau nicht sicher ist in einer Gesellschaft, das ist eine Männergesellschaft, dann hast du keine Ruhe, du musst ganze Zeit nur kämpfen, das ist kein Leben, das ist nur ein Krieg von Anfang an bis zum Ende. #00:09:33-0#

Hannah Diemer: Und es ist ja auch rechtlich so, dass die Frauen die Hälfte wert sind von einem Mann. Du hast vorher gesagt, es gibt, wenn eine Frau vor Gericht geht, dann braucht es zwei Frauen für die Stimme von einem Mann. #00:09:45-2#

Shabnam Zamani: Ja, zwei Frauen gegen einen Mann, oder wenn eine Frau stirbt, kostet das Blut die Hälfte vom Blut eines Mannes. Das ist wirklich lächerlich! #00:09:57-5#

Hannah Diemer: So in den 90er-Jahren im Iran kam es zu den "Kettenmorden" und da bist du dann auch tatsächlich mit auf die Straße gegangen. Wie war das denn damals? Wie haben sich denn diese Proteste gefunden? Wie hast du da mitgemacht? #00:10:11-8#

Shabnam Zamani: Ja, damals war es die Zeit der Präsidentschaft von Herrn Chatamis. Ich habe auch bei der Wahl ihn gewählt, aber dann sind diese "Kettenmorde" passiert, und die waren sehr, sehr schrecklich. Wir waren auch bei den Opfern zu Hause. Wir haben Blutspuren gesehen auf dem Teppich, und das war unglaublich! Das war sehr brutal! Viele intelligente Schriftsteller und Dichter haben sie umgebracht und verschwinden lassen. Eigentlich war es damals eine Studentenbewegung, bei der viele Studenten umgebracht wurden, die wurden beispielsweise von den Dächern runtergestoßen. Aber das war damals die erste Bewegung nach der Revolution. Diese Studentenbewegung war damals so heftig. Ja, ich war natürlich dabei, weil es in meinem Blut ist, aktiv zu sein. Ich glaube, man kann nicht einfach schweigen gegenüber so viel Druck und Ungerechtigkeit. #00:11:46-9#

Hannah Diemer: Wie habt ihr euch damals organisiert? #00:11:49-3#

Shabnam Zamani: Einfach so unter uns, ich weiß es nicht. Es war sehr schwierig, weil es gab keine Handys hat, wir haben mit einem Telefon telefoniert und nur mit Wörtern gesprochen, die nur wir verstehen konnten, wir haben uns vorher informiert oder die waren mit uns. Wir waren eigentlich viel zusammen unterwegs, und dann ja, genau. #00:12:11-5#

Hannah Diemer: Das heißt, im Iran wurde schon immer und wirklich oft gegen das ganze Regime protestiert, so wie auch jetzt. Die aktuelle Frauenrevolution hat ja jetzt begonnen am 19. September, weil Jina Mahsa Amini man von der Sittenpolizei ermordet worden ist, und dann sind die großen Proteste wieder losgegangen. Wie hast du denn davon mitbekommen hier in Nürnberg? Wie hast du erfahren, dass es die Proteste im Iran gibt? #00:12:40-5#

Shabnam Zamani: Ich verfolge ständig die Nachrichten im Iran, besonders solche Nachrichten, die ein bisschen Puls haben, alle warten zusammen, was da passiert und so weiter, weil Mahsa Amini war überhaupt keine Aktivistin. Sie war ein normales Mädchen, sie kam nach Teheran und wollte ihre Tante besuchen, aber auf einmal wurde sie verhaftet oder sogar ihr Aussehen war nicht so auffällig, ganz normal. Ich habe ihr Foto gesehen. Viele Leute haben Mitgefühl gehabt oder haben sich auch betroffen gefühlt, weil die haben gedacht, wenn wir auch nichts machen, sind wir auch in Gefahr. Das ist kein Unterschied, ob du etwas machst oder Äußerungen machst, Proteste und so weiter, du bist genauso in Gefahr wie die anderen, vielleicht ein bisschen weniger, aber das ist Risiko, also ein Leben mit Risiko. Und das war wirklich Unrecht, weil diese Unschuld in diesem Mädchen, das hat irgendwie diese Wut ausgelöst. #00:14:11-4#

Hannah Diemer: Und wie erlebst du den Unterschied von den Protesten, wo du damals dabei warst, und den Protesten jetzt? #00:14:17-6#

Shabnam Zamani: Alle Altersgruppen sind sehr solidarisch. Dieses Mal war es wirklich anders, fast alle Städte sind aufgestanden und die haben alle diese Bewegungen wirklich ernst genommen, und vor allem wurden die Bewegungen von Frauen geführt. Frauen waren im Vordergrund, die haben ihre Kopftücher in der Öffentlichkeit verbrannt, und die haben wirklich Mut gezeigt, also in dieser Gesellschaft, dass eine Frau wirklich sehr in Gefahr ist. Die haben aber viel Mut gezeigt, auf die Straße gegangen, Parolen gesungen. Aber wir haben wirklich viele Opfer gebracht, viele Opfer, viele junge Leute, viele Teenager, also Kinder. Je mehr Opfer es wurden, desto wütender wurden die Leute. Es hat leider immer noch kein Ende, viele Leute wurden hingerichtet, die haben viel auf der Straße geschossen, und dann haben sie viele festgenommen und hingerichtet. #00:15:45-5#

Hannah Diemer: Die aktuellen Zahlen sind, glaube ich, mehrere 100 Menschen, die getötet worden sind, und es sind mehr als 15.000 Menschen aktuell festgenommen worden. #00:15:53-1#

Shabnam Zamani: 19.500 ja, ja. #00:15:55-9#

Hannah Diemer: Und jetzt, ganz aktuell, haben wir gehört von den Giftgas Attacken auf Mädchenschulen. #00:16:01-1#

Shabnam Zamani: Das ist überhaupt nicht akzeptabel, weil es ist unglaublich! Das ist unvorstellbar, dass eine Regierung ihre eigenen Kinder in der Schule mit Gas vergiftet. #00:16:15-3#

Hannah Diemer: Was glaubst du, warum die Regierung so viel Angst vor den Mädchen hat? #00:16:18-4#

Shabnam Zamani: Ja, also Chamenei hat in seiner Rede gesagt, kleine Mädchen müssen eine kleine Bestrafung bekommen, weil die kleinen Mädchen sogar in dieser Frauenbewegung waren. In der Schule haben sie auch ein paar Parolen gesungen, die haben alle gesagt: "Zusammen nieder mit den Diktatoren" und so. Chamenei war dann beleidigt, weil er wurde als Diktator bezeichnet. Deshalb wollte er die kleinen Mädchen bestrafen. #00:16:56-0#

Hannah Diemer: Glaubst du, dass jetzt diese Mädchenschulen Angriffe, die Proteste noch mal befeuern werden? #00:17:01-6#

Shabnam Zamani: Ja natürlich, jetzt sind alle Städte davon betroffen! Die Schulen und die Leute gehen auf die Straße, weil entweder mussten die Kinder zu Hause bleiben oder in die Schule gehen. Vielleicht haben die ihr Ziel erreicht, dass Mädchen nicht mehr in die Schule gehen. Das ist keine optimale Entscheidung, aber ich hoffe, dass mehr Leute auf die Straße kommen, und das wirklich etwas passiert, weil das geht nicht mehr weiter. Wenn die Kinder keine Sicherheit in der Schule mehr haben, das ist keine Gesellschaft, das ist kein Land, in dem man leben kann, und alle Iraner können nicht aus dem Iran abhauen. Das ist unmöglich. Das ist unser Land, wir müssen unser Land zurückbekommen. #00:17:55-2#

Hannah Diemer: Es geht ja nicht bei den aktuellen Frauenprozessen darum, dass zum Beispiel das Kopftuch tragen zur Pflicht wird oder sowas abgeschafft wird, sondern es geht ja wirklich darum, sich gegen die iranische Regierung zu stellen und ein neues System zu entwickeln. #00:18:07-9#

Shabnam Zamani: Richtig, ja, es geht um das Leben und die Freiheit von Frauen. Die Regierung hat von allen Menschen das Leben beraubt. Frauen führen diese Bewegung, und ich glaube, wenn Frauen etwas anfangen, dann schaffen sie es, dann haben wir wirklich ein gutes und optimales Resultat. Die Frauen geben überhaupt nicht auf, das ist die Natur der Frauen. Wir hoffen, dass dieses Mal etwas Schönes passiert, dass wir unser Leben im Iran zurückbekommen können. #00:18:47-1#

Hannah Diemer: Und dafür kannst dir auch du persönlich, weil du hast nicht nur 1999 selbst protestiert, sondern natürlich jetzt, 2022 auch sofort wieder angefangen. Du hast gesagt, du hast gleich in der "Frauen Leben Freiheit Gruppe" in Nürnberg-Erlangen angefangen, was habt ihr da denn gemacht? #00:19:03-6#

Shabnam Zamani: Das ist von meinem Herzen und ich kann nichts anderes dazu sagen. Ich kann nur helfen, in dem ich was mache. Am besten kann ich singen. Deswegen singe ich bei Protesten, ich helfe bei Kunst, und ich gebe meine Stimme dieser Bewegung "Frau Leben Freiheit". Ich wünschte, dass ich im Iran auch singen kann. Immer wenn ich hier singe, denke ich, das ist nicht mutig, weil ich hier frei bin. Wenn ich im Iran ein mal singen würde, dann ist das mutig. Hier bekommt man keine Strafe dafür, im Iran schon. Mein Wunsch ist es, in der Freiheit im Iran zu singen! #00:20:09-7#

Hannah Diemer: Und jetzt ist aber nicht nur für dich die Musik in den Protesten so wichtig, sondern für die Proteste insgesamt hat Musik eine ganz besondere Bedeutung. Kannst du uns erzählen, was Shervin Hajipour gemacht hat mit seinem Song ? #00:23:10-7#

Shabnam Zamani: Shervin Hajipour hat als er diesen Song gemacht hat, alle Sätze verknüpft, die von allen Leute per Hashtag gesendet wurden in Medien. #00:23:25-3#

Hannah Diemer: Ich glaube, er hat gefragt, warum will man das Ende des Regimes? Und dann haben alle geantwortet. #00:23:30-4#

Shabnam Zamani: Ja, wir singen immer dieses Lied und das ist wunderschön. Er hat das wirklich gut gemacht. #00:23:40-1#

Hannah Diemer: Ja, dafür hat er den Grammy bekommen in der Kategorie "Social Change" , die Kategorie ist ja extra geschaffen worden für ihn. #00:23:48-8#

Shabnam Zamani: Ja, genau weil, es wurde oft gehört und gespielt. Es ist wie ein nationales Lied. #00:23:55-9#

Hannah Diemer: Das ist eine Hymne geworden? #00:23:56-9#

Shabnam Zamani: Für diese Bewegung, genau! #00:24:02-7#

Hannah Diemer: Du hast erzählt, dass du nicht nur in Nürnberg an Protesten teilgenommen hast, sondern auch deutschlandweit oder europaweit. Wie war das für dich, mit so vielen verschiedenen Menschen nochmal zusammenzukommen und wirklich zu erleben, dass so viele sich aktuell einsetzen? #00:24:17-9#

Shabnam Zamani: Ja, das war natürlich eine einzigartiges Erlebnis, besonders in Berlin. Da kamen Iraner aus allen Gruppen, aller Richtungen, verschiedene Richtungen. Jeder hatte eine eigene Fahne dabei, alle hatten Ziel. Das war einzigartig! Die wollten nur alle eins: Freiheit für Iran! Ich habe das erste Mal dieses solidarische unter den Menschen gesehen. #00:24:58-3#

Hannah Diemer: Jetzt ist es ja aber nicht nur wichtig, dass Menschen aus dem Iran sich für die Proteste interessieren, sondern es ist auch wichtig, dass sich die westliche Welt für diese ganzen Proteste interessiert. Was würdest du denn fordern, was als nächstes passiert? #00:25:12-2#

Shabnam Zamani: Als Nächstes haben wir gefordert, dass die Revolutionsgarde in der Terrorliste landet, aber das ist nicht passiert. Dieses Regime darf kein Geld mehr bekommen für ihre Aktivitäten, weil Geld wird zur Unterdrückung benutzt und so weiter. Aber es ist nichts passiert, leider. Iran unterstützt Russland mit Drohnen und so. Ja, ich verstehe überhaupt nicht diese Politik, das einfach die allgemeine kollektive Bevölkerung in Europa versteht, was auf der Welt passiert. Das ist eine Frauenbewegung für die ganze Welt, das ist nicht nur eine, wie sagt man, übliche feministische Bewegung. Nein, das ist eine Revolution in einem Land, dass die Frauen gar keine oder fast keine Rechte haben. #00:26:28-0#

Hannah Diemer: Ich finde das sowieso so beeindruckend, wie optimistisch du bist, was du für eine freudige und positive Ausstrahlung hast, trotz allem, was du erlebt hast und was gerade passiert. Wo kommt es her? #00:26:43-9#

Shabnam Zamani: Also, mein Gesang kommt von meiner Mutter. Meine Mutter hat immer gesungen zu Hause, aber sie hatte oft sehr traurige Lieder gesungen. Sie hat auch gleichzeitig gedichtet über sich gemäss ihrer Gefühle und Situationen und hat gesungen. Das war natürlich meistens sehr traurig, aber dann, es gab auch sehr fröhliche Lieder. Sie hatte eine wunderschöne Stimme, aber trotz ihres sehr schwierigen Lebens, war sie sehr stark, sie war sehr stark, sie hat viele Kinder großgezogen, sie war früh Witwe. Also sie ist wirklich ein Vorbild für uns alle. Sie hat nie aufgegeben, und sie hat alle Kinder unterstützt, bis zum Ende. #00:28:00-6#

Hannah Diemer: Sie hat ja noch ein freies Iran erlebt. Weißt du, wie das dann für sie war, dann 1979, als dann die iranische Revolution kam und dann auf einmal alle wieder unterdrückt wurden? #00:28:16-6#

Shabnam Zamani: Meine Schwestern haben teilweise diese zwei Welten erlebt. Die waren vorher ohne Kopftücher und alles schön und geschminkt und so weiter. Ich erinnere mich, dass ich in der ersten Klasse war, die Hälfte vom Schuljahr war schon vorbei und wir sollten dann Kopftuch tragen, ich als kleines Kind. Meine Mama hat immer vergessen, mir ein Kopftuch zu geben, ich bin dann ohne Kopftuch in die Schule gegangen und meine Lehrerin hat mir eins gegeben, weil da kamen die Leute von diesem Amt, die wollten kontrollieren, ob die kleinen Mädchen mit fünf, sechs Jahre Kopftuch in der Schule tragen. Das war wirklich eine traurige Situation. Ja, aber wie soll ich sagen, ich war ein Kind. Natürlich konnte ich nicht die Gefühle von meiner Mama mitbekommen, aber das war schwierig, weil meine Schwestern waren auch ganze Zeit aktiv, die waren Aktivisten und es gab keine Ruhe bei uns zu Hause. Es gab immer diese Angst, dass die festgenommen werden. Die waren meistens auf Flucht. Ich dachte als Kind, dass das Leben so ist. #00:30:02-4#

Hannah Diemer: Du hast dir auch selber gesagt, dass du mehrere Male von dieser Sittenpolizei kontrolliert worden bist und aufgegriffen worden bist und das immer wieder nochmal, was oben drauf kam und mit dazukam. #00:30:14-1#

Shabnam Zamani: Ja, genau ich habe zum Beispiel mit meinem Neffe wurde ich kontrolliert, weil er zwei Jahre älter als ich ist und ein sehr attraktiver Junge ist. Wir waren Teenager, also ich war 15, er war 17 Jahre alt, und wir waren in den Bergen wandern und die haben uns kontrolliert. Das war natürlich sehr heftig und vor lauter Angst konnte mein Neffe nicht sagen, dass ich seine Tante bin. Er wurde dann geschlagen und war total schockiert. Und dann habe ich geschrien, "Ich bin wirklich seine Tante", und die haben sogar gefragt, was für einen Kühlschrank wir zu Hause haben. Die haben ihn gefragt, wenn du wirklich ihr Neffe bist, dann musst du sagen, was für einen Kühlschrank es da gibt. Bei den Kontrollen Fragen die viele Sachen, zum Beispiel die Namen von Verwandten und so weiter. Die haben uns viele Fragen gestellt und dann haben sie uns freigelassen. Ich bin mehrere Male schon kontrolliert und verhaftet worden und wirklich wegen solchen Gründen, obwohl ich nichts gemacht habe, ich war sehr harmlos. #00:31:58-8#

Hannah Diemer: Ja. #00:31:59-2#

Shabnam Zamani: Eigentlich konnte ich nichts machen. #00:32:02-2#

Hannah Diemer: Du arbeitest ja in der Erstaufnahme, Einrichtung für geflüchtete Menschen. #00:32:40-9#

Shabnam Zamani: Ja, das liegt mir wirklich am Herzen und das ist wirklich das schönste, dass ich mit Gesang, natürlich mit Musik, mit Kindern zu arbeiten. Und ja, die Kinder, die in diesem Lager sind, die erleben alles mit, die haben es schwer, wirklich schwer, aber die können sich nicht so richtig äußern, die können nicht über diese Schwierigkeiten, diese Probleme reden. Die leben mit der Familie in einem Zimmer die ganze Zeit und es gibt keinen Platz, keine richtige Routine und so weiter. Deswegen, die sollen besser unbewusst alles auslassen wie mit Kunst, mit Musik, mit besonderen Malen oder etwas also Kunst allgemeinen. Und ich habe bemerkt, dass es wirklich viel bringt. Das bringt wirklich viel. Manchmal können die keine richtige Linie malen, aber dann fangen die an, Häuser zu malen oder die malen, was sie erlebt haben oder was, was für sie neu ist. Beim Pinsel streicheln kann man verstehen, was passiert in der Zeit der Kinder. Die Kinder sind unsere Zukunft, die sind unsere Hoffnungen, wir dürfen uns Hoffnungen machen, weil es Kinder gibt. Es gibt Kinder, die können vielleicht schaffen, eine schönere Welt aufbauen, als wir es bis jetzt gemacht haben, aber wir müssen wirklich die Möglichkeiten vorbereiten für sie, damit sie das schaffen. Das ist schade, dass wir alles so ruinieren. Es ist besser, dass wir vorbereiten, dass vielleicht jetzt einige Maßnahmen nochmal retten. Wenn wir wissen, jedes Kind ist individuell und kann eine neue Welt zeigen, ist individuell. Alle sind nicht für nur eine Sache gebaut. Die sind kein Roboter, die können nicht alle gleich reagieren, gleich sprechen, das ist nur für Maschinen. Aber für die Menschen, die denken, dass jeder Mensch ihre eigene Welt haben, ist natürlich alles so individuell, und das ist eine wirklich eine Gabe, müssen wir wie einen Schatz beschützen, diese Sache mit Kindern. #00:36:33-9#

Hannah Diemer: Wie war das denn für dich, als du nach Deutschland gekommen bist? Du warst ja kein Kind mehr, du warst ja schon fast 30, oder ? #00:36:44-1#

Shabnam Zamani: Ja, ich war schon alt. #00:36:45-4#

Hannah Diemer: Wie hast du das denn erlebt? Den Unterschied zwischen Iran und Deutschland? Warst du davor schon mal hier? #00:36:54-2#

Shabnam Zamani: Nein, ich bin mit ungefähr 28 Jahren nach Deutschland gekommen und wir waren erst mal in Saarbrücken. Natürlich, ich bin verheiratet nach Deutschland, mein Mann ist halb Deutscher, halb Iraner. Und ja, ich wollte erst mal Musik studieren und dann habe ich mich dann vorbereitet. Zwei Jahre habe ich Unterricht genommen, Klavierunterricht und so weiter, und ich war wirklich, muss ich sagen, war ich nicht schlecht. Aber dann gab es diese Altersbegrenzung bei der Gesangsschule, weil das war für mich natürlich ein Wunsch. Ich habe mir mein ganzes Leben gedacht Gesang in Europa zu studieren, wenn ich es kann. Es gab dann diese Altersbegrenzung und ich habe dann nicht mehr weiter gemacht, einfach so, leider. Ich habe schon etwas gelernt. In diesen zwei Jahren habe ich viel gelernt, habe ich europäische Gesangssystem gelernt, viel von Musiktheorie und so weiter gelernt in Deutschland. Da habe ich einen guten Master gehabt, man muss das immer auch positiv betrachten. #00:38:21-8#

Hannah Diemer: Was würdest du dir denn für die Zukunft des Irans? Was würdest du dir wünschen? #00:38:27-8#

Shabnam Zamani: Freiheit, ein schönes Leben und eine schöne Natur. #00:38:39-3#

Hannah Diemer: Vielen lieben Dank für das Gespräch. Danke, dass ich bei dir sein dürfte und ich würde gerne noch eine Werbung machen für eine von deinen Veranstaltungen, weil ihr habt eingeladen am 19. März. Erzähl doch davon! #00:38:57-8#

Shabnam Zamani: Am 19. März haben wir ein Benefizkonzert für die Betroffenen vom Erdbeben in der Türkei und Syrien. #00:39:06-4#

Hannah Diemer: Wann und Wo? #00:39:12-3#

Hannah Diemer: In Nürnberg um 19 Uhr. #00:39:17-5#

Hannah Diemer: Und du singst? #00:39:20-8#

Shabnam Zamani: Ich singe ja, wir haben eine internationale Band. Es kommt darauf an, was für ein Projekt es ist, und dann machen wir zusammen. #00:39:33-9#

Hannah Diemer: Genau super, da freue ich mich drauf! #00:39:37-2#

Shabnam Zamani: Dankeschön, ich mich auch auf euch. #00:39:40-3#

Die Iranerin berichtet vom Aufwachsen in Teheran, wie sie es immer wieder schafft für ein freies Iran zu kämpfen und welche Rolle ihr Gesang dabei spielt.

Shabnam Zamani kommt aus einer Familie mit vielen mutigen und aktivistischen Frauen. Das Protestieren und Kämpfen liege ihr im Blut, attestiert sie. Sie spricht von ihrem Leben in Teheran, von Zusammenstößen mit der Sittenpolizei und von den ihrer Teilnahme an den Protesten zu den Kettenmorden in den 90er Jahren im Iran.
Seit 2004 lebt Zamani in Deutschland, doch auch hier hört sie nicht auf für ein freies Iran zu kämpfen. Die aktuelle, von Frauen geführte Revolution im Iran, die am 19. September 2022 nach dem Mord an Jina Mahsa Amini durch die Sittenpolizei gestartet ist, gibt ihr viel Hoffnung:

“Frauen sind zum Kämpfen und Durchhalten gemacht! Wenn Frauen etwas starten, wird es erfolgreich sein!”

Shabnam Zamani gibt den Protesten ihre Stimme, sie schreibt Lieder und singt den traditionellen persischen Gesang Radif. Im Podcast ist eines ihrer Stücke zu hören.

Jin, Jiyan, Azadî

Frauen, Leben, Freiheit

Weitere Infos zum Iran:

https://www.bpb.de/themen/naher-mittlerer-osten/iran/40110/machtkonstante-theokratie-iran-nach-1979/

 

  • “IRAN Update” – Podcast von Gilda Sahebi & Sahar Eslah (Journalistinnen), z.B. auf Spotify zu finden
  • Iranische Machtstrukturen (mit Schaubild)

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Aufgenommen am: Montag, den 6. März 2023 
Veröffentlicht am: Donnerstag, den 9. März 2023
Moderation: Hannah Diemer
Im Gespräch: Shabnam Zamani

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Alle weiteren Folgen von KontaktAufnahme – der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg finden Sie hier. Wir sind mindestens jeden zweiten Donnerstag mit einer neuen Folge online, manchmal öfters.
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