Katharina Gerund, wie gespalten ist Amerika?
Speaker 1: Kontaktaufnahme: der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg. Herzlich willkommen zu einer neuen Kontaktaufnahme! Mein Name ist Anne Wasmuth und ich spreche heute mit Dr. Katharina Gerund. Katharina Gerund forscht und arbeitet an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Hier wohnt sie auch, und ihr Thema sind American Studies. Willkommen also zu einer Amerika-Folge. Willkommen, Katharina Gerund! #00:00:46-5#
Speaker 2: Danke für die Einladung! #00:00:47-6#
Speaker 1: Am 3ten November wird in den vereinigten Staaten ein neuer Präsident gewählt. Donald Trump und Joe Biden sind die beiden Kandidaten: republikanischer Amtsinhaber gegen demokratischen Herausforderer. In Umfragen liegt der Herausforderer vorne, aber so wissen wir es ja aus den letzten Wahlen, das bedeutet gar nichts. Das amerikanische Wahlsystem hat historisch gewachsen, so seine Eigenheiten. Deshalb muss ich fragen, wer wird der 46. Präsident der vereinigten Staaten von Amerika? #00:01:22-5#
Speaker 2: Das ist eine Frage, die treibt uns jetzt natürlich alle um, und das wird sie auch mindestens bis zum Dritten November tun, und ich glaube, wenn wir etwas gelernt haben aus 2016, dann ist es auch, dass wir das jetzt nicht vorhersagen können. Ich wäre ganz vorsichtig im Spekulieren. Wir haben auch gerade eine Wahl, die anders ist als alle Wahlen vorher. Wir haben ein ungeahntes Ausmaß an Briefwahlnotwendigkeit aufgrund der Corona Krise. Wir haben einen Amtsinhaber, der sozusagen die politische Kultur zumindest mal temporär sehr stark verändert hat, auch in der Art und Weise, wie Wahlkampf geführt wird und wie gewählt wird, der auch gerade schon versucht, die aktuelle Wahl zu delegitimieren. Und insofern ist es ganz, ganz schwierig, das so eine Vorhersage zu treffen, wobei ich natürlich, wie viele wahrscheinlich hier in Deutschland auch, durchaus hoffe, dass Joe Biden das Rennen macht. #00:02:11-0#
Speaker 1: Ich finde es ganz interessant. Es sind ja zwei alte Männer, eine Altersbeschränkung für dieses Amt, da ist nie drüber diskutiert worden, oder? #00:02:21-3#
Speaker 2: Eine Altersbeschränkung nach oben gibt es tatsächlich nicht. Also, es gibt ein Mindestalter, aber kein maximales Alter für die Kandidatur und auch für die Amtsausübung. Was daran gerade spannend ist, ist, glaube ich, dass wir noch nie so viel drüber gesprochen haben, wer Vizepräsidentschaftskandidatin ist. Denn tatsächlich muss man ja sagen, Joe Biden würde das Amt antreten im Alter von 77 Jahren, und da ist die Wahrscheinlichkeit natürlich durchaus gegeben, dass eine Vizepräsidentin schon während seiner Amtszeit, und er hat ja gesagt, er wird nur eine machen, übernehmen müsste. Das heißt, es macht gerade ein viel stärkeres Augenmerk auf die Person, die einen eigentlich in der zweiten Reihe stehen, die ganz oft im Wahlkampf gar nicht so interessant sind, sondern eher strategisch gewählt werden, damit man noch einen bestimmten Swing State anspricht oder eine bestimmte Zielgruppe unter den Wählerinnen anspricht. Und aktuell sehen wir eben, dass die Vizepräsidentschaftskandidatin insbesondere auf demokratischer Seite viel stärker von Relevanz ist, eben aufgrund des Alters der aktuellen Kandidaten auch. #00:03:22-8#
Speaker 1: Ja, und merkt man das im Wahlkampf, dass sie jetzt auch stärker eine Rolle spielt? #00:03:26-9#
Speaker 2: Ich würde sagen, man merkt es durchaus. Also Kamala Harris ist sehr viel unterwegs auf dem Campaign Trail, weil sie wird auch in den Medien sehr stark wahrgenommen. Ich finde, man hat es vor allen Dingen daran gemerkt, wie genau wir alle beobachtet haben, wer es denn wird. Also Joe Biden hat sich ja durchaus auch Zeit gelassen, bis er seine Kandidatin gekürt hat. Er hat sich sehr früh festgelegt, es wird eine Frau sein. Es gab dann großen Druck, dass es doch eine Person of Colour sein sollte und keine weiße Frau, und er hat sich sehr viel Zeit gelassen, und er hat sehr lange überlegt. Also sein Team hat er lange überlegt mit ihm, wer das denn sein könnte. Und ich finde, allein die Tatsache, dass wir auf diesen Moment mit so viel Spannung und so viel Medienaufmerksamkeit gewartet haben, zeigt ja durchaus die symbolische Bedeutung,. Und mit Kamala Harris hat er jetzt auch eine Person gewählt, die symbolisch natürlich Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Sie ist die erste Frau und gleichzeitig Person of Colour, die so ein Amt übernehmen könnte, und das ist natürlich auch was, was uns jetzt interessiert. Was heißt das, was könnte das bedeuten, und was bedeutet das vor allen Dingen für die Teile der amerikanischen Gesellschaft, die sie eben auch repräsentiert? #00:04:30-9#
Speaker 1: Und was bedeutet das also? #00:04:34-7#
Speaker 2: Für Joe Biden ist sie, glaube ich, eine ganz naheliegende Wahl gewesen. Also Joe Biden steht eigentlich genauso wie Donald Trump für mich, für eine gewisse Rückwärtsgewandtheit. Es sind alte Herren, die haben schon viel gesehen und viel erlebt und Donald Trump möchte sein Amerika Great Again machen. Joe Biden hat ganz oft sich sozusagen den Erben der Obama Legacy inszeniert. Also auch da ist es ein zurück. Es ist jetzt nicht so weit zurück wie vielleicht Donald Trump. Also vielleicht ein anderer Referenzpunkt, historisch, aber es zeigt zurück, und Kamala Harris symbolisiert die Zukunft. Als erste Frau, als eine Person, die sozusagen, die ja die Glasdecke durchbricht in so ein Amt und die quasi dann auch ja eine Zukunft Amerikas verkörpern kann, was Joe Biden natürlich sehr schlecht kann. #00:05:18-0#
Speaker 1: Wir haben das ja jetzt auch gesehen. Durch den Tod der Ruth Bader Ginsburg hat Trump ja die Chance, einfach das oberste Richteramt am Supreme Court neu zu besetzen, und das finde ich schon ganz interessant. Diese Vergleiche Amerika, Deutschland, wir haben es gerade schon gesagt, die Altersbeschränkung beziehungsweise keine Altersbeschränkungen in Deutschland. Ähm, könnte die Angela Merkel in eine fünfte Amtszeit gehen? Das würde in Amerika nicht gehen. Für den Bundespräsidenten müsste man in Deutschland mindestens 40 Jahre alt sein. Du kannst, da muss ich, glaube ich, nur 18 Jahr sein, und Richter am Supreme Court in Amerika werden auf Lebenszeit gewählt. In Deutschland werden Verfassungsrichter maximal für zwölf Jahre eingesetzt. Das ist ja schon ein Unterschied. Damit kann und auch so diese Rolle des Supreme Courts, wenn man sagt, Zukunft, ist dann ja durchaus, dass er da auch eine Wegmarke gesetzt hat. Oder ist das jetzt im Wahlkampf? Spielt das eine Rolle? #00:06:20-5#
Speaker 2: Es wird eine ganz große Rolle spielen, also, es tut es schon, und es wird es, glaube ich, auch weiterhin. Generell muss man sagen, es ist ja inzwischen die dritte Position, die dann Trump neu besetzen kann im obersten Gerichtshof. Also, er hat ja mit Neil Gorsuch und Brett Kavanaugh davor schon zwei neue, relativ junge konservative Richter in dieses höchste Amt gebracht in seiner Amtszeit. Das ist durchaus relativ viel für eine erste Amtszeit, jetzt auch noch eine dritte Kandidatin ins Rennen zu schicken, und insofern wird das sicherlich auch ja Donald Trumps Legacy sein, also die Art und Weise, wie er die Judikative auf höchster Ebene jetzt nochmal geprägt hat. Das wird sicherlich für seine Amtszeit in die Geschichte eingehen. Und was wir jetzt gerade sehen, ist auch ein relativ interessantes Verfahren. Also dass die Republikaner jetzt versuchen, im Schnellverfahren, in ganz wenigen Tagen für so einen Prozess, also die Ernennung eines Richters, einer Richterin am obersten Gerichtshof, ist durchaus ein langwieriger Prozess, mit öffentlichen Anhörungen, mit Diskussion im Senat und jetzt das in dieser Rekordzeit vor der Wahl noch durchzubringen, das ist durchaus auch eine Seltenheit und interessanterweise ja durchaus auch etwas, was die Mehrheit der Amerikaner*innen gar nicht möchte. Also in Umfragen ist sehr deutlich, eine Mehrheit wäre dafür, dass der neue Präsident, auch wenn es vielleicht der alte ist, entscheiden darf wer dieses Amt, das eben so lange prägen wird, wie die Rechtsprechung funktioniert, welche Präzedenzfälle dort verhandelt werden und wie sie verhandelt werden, erst vom nächsten Präsidenten entschieden wird. #00:07:56-5#
Speaker 1: Ist das dann auch ein Indiz dafür, dass sich Trump seiner Wiederwahl wirklich nicht sicher ist, dass er das jetzt so durchboxen will? #00:08:02-7#
Speaker 2: Also wenn, dann würde ich sagen, ist es ein Indiz dafür, dass die Republikaner sich unsicher sind, weil letztlich ist das ja auch nicht Donald Trumps alleiniges vorgehen. Also, die Republikaner haben ein ganz großes Interesse da jetzt ihre Kandidatin an den Start zu bringen und erfolgreich unterzubringen. Und das ist ja was, worauf die Republikaner letztlich oder auch generell die konservativen Kräfte in den USA ein bisschen gewartet haben, dass mit der Trump ein Präsident an der Macht ist, mit dem sie eben die etwas liberalere Ausrichtung des Supreme Court, die wir bisher hatten, und auch generell an den Gerichten eben ihren Stempel aufdrücken können und da ihre Linie platzieren können. #00:08:44-8#
Speaker 1: Ja, wir haben jetzt über den Wahlkampf gesprochen, da schon so die Stichworte, die Besetzung dieses Richteramtes, auch das durch Corona, das nicht so ist, wie sonst es möglich war. Auch ja, was für Themen vielleicht durch die Besetzung verschiedener Posten dadurch so ein bisschen eine Rolle spielen. Ist das so wie wie immer, trotz allem, von den Themen her, auch von den Ritualen her, oder ist es trotzdem jetzt anders? #00:09:11-4#
Speaker 2: Hm, also, ich würde sagen, es ist schon anders. Es gibt natürlich Themen, die wie in jeder Wahl eine große Rolle spielen. Das sind Streitthemen wie Abtreibung, wie Waffengesetze, auch die aktuellen Proteste und Black Lives Matter und die Diskussion um Polizeigewalt. Die Themen sind da, die sind auch nicht weggegangen. Auch Klimawandel ist nach wie vor ein großes Thema, dass uns jetzt nicht verlässt, nur weil Corona sozusagen die Aufmerksamkeit zieht. Was anders ist, ist das durchaus, das haben wir schon im Vorwahlkampf gesehen, die Wahl jetzt unter anderen Vorzeichen stattfindet. Demokraten haben sich entschieden, ihren Nominierungsparteitag komplett online abzuhalten. Das ist natürlich ein ganz großer Bruch mit dem üblichen Ritual, wo das ganze Spektakel ist, wo viele Leute zusammenkommen, wo das im Fernsehen übertragen wird. Also, das ist eine ganz neue Art und Weise gewesen, da den Kandidaten in Szene zu setzen. Bei den Republikanern haben wir was ähnliches gesehen, wobei die natürlich schon durchaus vor Ort waren bei ihrem Nominierungsparteitag und sogar, und das wäre ein Bruch mit der politischen Tradition, vorm weißen Haus. Also, es ist ja unüblich, dass der Präsident sein Amt nutzt, um Wahlkampf zu machen. #00:10:16-1#
Speaker 1: Okay. #00:10:16-6#
Speaker 2: Und eigentlich auch sozusagen ein ungeschriebenes Gesetz, dass man das nicht macht, also das Amt zu nutzen, um sich für die Kandidatur in Position zu bringen. Aber auch das war natürlich anders als sonst. Also auf beiden Seiten sieht man schon an den Nominierungsparteitagen recht schön, dass das nicht der übliche Wahlkampf ist. Es wird jetzt spannend werden mit den Fernsehduellen, wie die vonstatten gehen, ob die vielleicht auch aufgrund der aktuellen Situation, sie werden ja auch gestreamt, mehr Aufmerksamkeit bekommen als sonst. Das kann man jetzt noch nicht sagen, aber ich glaube, das wird noch spannend. #00:10:48-1#
Speaker 1: Haben sie sich das angetan? Haben sie sich das alles angeschaut? #00:10:51-6#
Speaker 2: Die Parteitage hab ich in Auszügen gesehen. Tatsächlich komplett angeschaut habe ich sie mir nicht. Das geht ja wirklich, das ist ja ein Event, das zieht sich über mehrere Tage, und da sprechen alle möglichen Personen aus der Öffentlichkeit, aus der Parteielite und so weiter. Also, ich habe mir nicht die kompletten Parteitage angeschaut, aber natürlich die wichtigen Reden und auch sozusagen so ein bisschen, wer da sprechen durfte und wer sozusagen als Stimme für die jeweilige Partei ausgewählt wurde. Das habe ich mir schon angeschaut, und das war total spannend. Also wenn sie daran denken, wie zum Beispiel Michelle Obama aus ihrem Zuhause quasi eine Videobotschaft geschickt hat, bei der sie wirklich auch mit so einer ganz ruhigen, leisen Stimme, fast schon flüsternd, den Amerikanern erklärt hat, wie wichtig diese Wahl ist. Ja, das ist ein ganz anderer Ton. Auf dem normalen Parteitag mit riesen Publikum, da wird laut gesprochen, da wird sich breit inszeniert, und das war sozusagen auch ein Moment, wo man gesehen hat, wie anders das jetzt ist in der politischen Kommunikation, also dieser wirklich schon fast intime Moment, wo sie sozusagen versucht, Wählerinnen zu mobilisieren, um Joe Biden ins Amt zu bringen. #00:11:55-0#
Speaker 1: Das wollte ich gar nicht fragen, aber ich muss es jetzt fragen, weil sie Michelle Obama erwähnt haben. Wird Sie eines Tages Präsidentin von Amerika? #00:12:03-6#
Speaker 2: Ich glaube nein. Sie ist Konsens Figur. Sie ist eine sehr beliebte öffentliche Figur, die großen Zuspruch in der amerikanischen Gesellschaft hat. Den hat sie aber natürlich auch gerade deshalb, weil sie wahrgenommen wird als eine Figur, die gar nicht so arg in der Politik drin steht. Also eine doch ein Stück weit immer noch Außenseiterin. Sie hat sich oft auch kritisch über den politischen Betrieb geäußert. Sie hat nie selber ein Amt inne gehabt. Sie hat ihre Rolle als First Lady zwar, also mustergültig ausgeführt in allen Belangen. Aber sie hat sich sozusagen nie als eigenständige politische Figur verstanden und hat auch immer gesagt, sie würde nicht für so ein Amt kandidieren.nd das heißt, sie hat deswegen diese große Zustimmung. Und die Frage wäre natürlich auch, wenn sie jetzt kandidieren würde und sich sozusagen in den Alltag des politischen Lebens damit auch entsprechend anders einbringen müsste, als sie das bisher getan hat, wäre auch die Frage, ob sie noch diese Zustimmungswerte generieren kann. Denn dann müsste sie ja sich in diese ganzen politischen Diskurse auch einschalten, die sie jetzt noch viel leichter kritisieren kann und wo sie sprechen kann zu den Amerikanerinnen als jemand, der den politischen Betrieb in Washington zwar von ganz innen heraus kennt und gut kennt, aber dem auch nicht unkritisch gegenüber steht und sich selbst auch nicht davon hat vereinnahmen lassen. #00:13:21-4#
Speaker 1: Mhm also, in Deutschland würde man so jemand vielleicht eher zur Bundespräsidentin machen. Ja, Okay, also, sie haben gesagt, die Andersartigkeit des Wahlkampfs. Aber ich find, was trotzdem immer wieder auffällt, gerade aus deutscher Perspektive, ist so die Rolle von Bildern und von Inszenierung. Mir fällt ein, der Trump vor dem Mount Rushmore oder vor einem militärischen Nazaret Schiff, das in New York verankert war. In Deutschland sind Politiker doch sehr zurückhaltend mit solchen pompösen, heroischen Bildern und Inszenierungen. Wer in Nürnberg auf der breiten Straße steht oder auf dem Zeppelin Feld, der ist ja im besten Fall irgendwie historisch sensibilisiert. Deutschland ist international, ich sag mal, auch mit Verwunderung anerkannt für seine Erinnerungskultur. Also weil wir eben nicht sagen, ja, die Deutsche Geschichte, die ist Glorios, sondern wir sind ja durchaus geübt, den Finger in unsere geschichtlichen Wunden zu legen. Also, wir benennen oder nicht immer, aber doch sehr oft unsere historische Schuld. Wie ist das in Amerika? #00:14:30-0#
Speaker 2: Also, das Geschichtsbewusstsein ist natürlich ein anderes. Es ist ja auch interessant, dass zum Beispiel der Holocaust in USA an vielen Orten erinnert wird, während sozusagen es zum Beispiel für die Erinnerung an die Versklavung und die Opfer von Linchings es jetzt überhaupt erst seit wenigen Jahren das erste große Museum gibt, das diesem Leid und dieser Geschichte auch sozusagen einen Raum gibt im öffentlichen Erinnern. Insofern ist es sicherlich ein anderer Umgang mit dieser Geschichte. Wir sehen aber durchaus auch, und das eben schon genannte Museum wären Beispiele dafür, dass sich das ändert. Also dass auch die Stimmen jetzt gerade lauter werden, die an diese Geschichte erinnern, und nicht nur an die dominante, eine heroische Weiße Geschichte, an die sich Trump so gerne hin inszeniert. Sondern eben auch die andere Seite dieser Geschichte, die die Versklavung, die Vertreibung, den Genozid an den indigenen Bevölkerungen beinhaltet, ins Zentrum rückt. Und ich glaube, das sehen wir auch gerade an den aktuellen Protesten um Denkmäler, die gestürzt werden. Um die Diskussion, sollen bestimmte Wahrzeichen umbenannt werden? Ein schönes Beispiel wäre die Edmund Pettus Bridge, die wir kennen, weil die berühmten Voting Rights Marches von Selma nach Montgomery stattgefunden haben, mit Martin Luther King und anderen berühmten Bürgerrechtsaktivisten und Aktivistinnen, und wo heute viele sagen, eigentlich erinnern wir uns ja gar nicht an Edmund Pettus, sondern an John Lewis, den gerade verstorbenen Kongressabgeordneten, der bis heute eigentlich eine Ikone dieser Bewegung ist. Und das ist zum Beispiel ein, ein Monument, wo gerade wieder diskutiert wird. Soll man das umbenennen, und was bedeutet das, und was erinnert man dann damit? Also den Südstaaten General oder den Kongressabgeordneten, der dort zusammengeschlagen wurde von der Polizei, der dort protestiert hat und bis heute eigentlich die Politik geprägt hat In den USA? Also, das heißt, man sieht das sind umkämpfte Orte, und es wird kontrovers drüber diskutiert, was man da erinnern sollte und wem man erinnern sollte. Und ich glaube, wir beobachten ganz viel, was sich aktuell ändert, also was sich ändert über die Proteste, über das Bewusstsein und über eben diese kontroversen Debatten, was wo, wie erinnert werden darf. Also auch wenn sie daran denken, gerade die Diskussion im Militär, welche Kasernen umbenannt werden sollten, wird in den USA gerade diskutiert. An den Universitäten ist das ein großes Thema, welche Gebäude, die nach ehemaligen Sklavenhaltern oder Figuren, die sicherlich nicht mehr unstrittig als Helden zu bezeichnen sind, benannt sind, vielleicht doch einen anderen Namen kriegen sollten. Also, ich glaube, es passiert gerade ganz viel, und das ist spannend. #00:16:56-9#
Speaker 1: Also, ich finde das insofern spannend, weil, wenn sie sagen, ja, da passiert eine Diskussion, da passiert ein Diskurs. Weil, was wir wahrnehmen, ist, dass der Trump die 1776 Kommission einsetzt, die die patriotische Bildung sich zum Thema machen soll, oder seine Vorstellung davon, eigentlich durchsetzen soll. Und ja, dass Schüler da eben das Wunder der amerikanischen Geschichte lernen sollen. Und wir dann vielleicht auch so ein bisschen...Also ich frage mich jetzt, wenn ich sie höre, ob wir da vielleicht auch ein bisschen überheblich auf Amerika schauen. Wie machen wir das in Deutschland? Also ich sehe Berlin, man baut ein Humboldt Forum, aber da stand vorher ein Palast der Republik, also man hat da ja auch einfach ein Stück DDR-Geschichte, einfach, ähm, ja, abgerissen, und man sieht es einfach nicht mehr, dieses Stück DDR, was, denke ich, auch wichtig wäre, jetzt unabhängig davon, was man jetzt zum Humboldt Forum sagt, sind wir da vielleicht ein bisschen? Haben wir da einen falschen Blick auf Amerika? #00:17:58-0#
Speaker 2: Wir haben sicherlich oftmals einen etwas einseitigen Blick auf Amerika, würde ich sagen. Das hat verschiedene Gründe. Also, Amerika kommt uns einerseits sehr bekannt vor, wir alle kennen amerikanische Populärkultur, wir schauen amerikanische Filme, wir hören amerikanische Musik, also in vielerlei Hinsicht kommt unser Amerika kulturell schon einfach sehr, sehr bekannt und sehr nah vor. Das Tuts auch aufgrund seiner Geschichte, natürlich gerade in Deutschland über die Nachkriegsgeschichte und die amerikanische Präsenz auch tatsächlich hier vor Ort. Und andererseits sehen wir natürlich immer nur einen kleinen Ausschnitt von den USA. Also, wir hören gerade viel über Trump und auch etwas für die Proteste, aber vielleicht jetzt nicht über all die Diskurse, die das auch kritischer einordnen. Und wir sind, glaube ich, oftmals schnell darin, aus einer europäischen Perspektive genau das zu sagen. Wir machen das doch besser, und wir fühlen uns dann überlegen, vielleicht auch, in vielen Punkten, und da ist manchmal natürlich auch was dran. Das ist nicht per se immer ganz verkehrt zu sagen, es gibt auch Sachen, die machen wir gut und die machen wir vielleicht auch besser. Aber ich glaube, es lohnt sich schon, im Detail immer noch mal genauer hinzuschauen, was denn in Amerika passiert. Denn, die USA sind ein sehr, sehr großes und diverses Land und wenn sie sich anschauen, was in den Küstenmetropolen passiert, dann hat es oft sehr wenig damit zu tun, was in Montgomery Alabama, in einer liberalen Collegetown in Main oder irgendwie im mittleren Westen auf einem kleinen Ort passiert. Also, ich glaube, diese Unterschiede, die die USA auch prägen, die verlieren wir ganz oft aus dem Blick, wenn wir sozusagen über Amerika sprechen. Und ich denke, da gibt's mehr Konfliktlinien, mehr Widersprüche, auch unterschiedliche Sichtweisen, als wir ganz oft auf den ersten Blick erkennen, und das macht für mich auch als Gegenstand die USA so interessant, also auch als Forschungsgegenstand so interessant, dass man einfach diese Vielfalt hat und die sich sozusagen in allen Bereichen Kultur, Politik, Gesellschaft auch tatsächlich zeigt. #00:19:48-3#
Speaker 1: Ja, ich meine, wir lassen uns ja auch in erster Linie als Deutsche ansprechen, dann vielleicht auch als Europäer. Wie ist das in Amerika? Wie sagt man dann eben derjenige aus dem Bundesstaat, oder ist das immer der Amerikaner? Wie ist das da? #00:20:03-1#
Speaker 2: Mhm also, es gibt natürlich schon eine große nationale Identität, also Amerikaner zu sein. Das heißt natürlich schon was, und das ist, glaube ich, auch durchaus ein Identifikationsangebot, das nach wie vor sehr breit angenommen wird. Also die Frage ist eigentlich eher, passen sie in das Bild des Amerikaners, der Amerikanerin, und können sie diese Identität überhaupt annehmen? Also, sie gilt ja für viele schwarze Amerikanerinnen nicht gleichermaßen, weil es natürlich da auch Aktivisten gibt, die sagen, ich habe hier gar nicht die gleichen Bürgerrechte. In welchem Sinne gelte ich dann als Amerikanerin? Also das ist vielleicht gar nicht unbedingt eine Frage davon, wo sie leben oder in welchen Bundesstaat sie sind, sich befinden, sondern vielleicht tatsächlich eher eine Frage, ob sie dem Idealbild eines Amerikaners entsprechen, der auch mit allen Rechten und Pflichten, die das Amerikaner-sein mit sich bringt, ausgestattet sind. Oder ob sie sozusagen als Bevölkerungsgruppe oder als Figur da nicht so gut reinpassen und auch mit den entsprechenden Nachteilen zu kämpfen haben. #00:20:55-7#
Speaker 1: Das gibt mir wieder ein Bild in den Kopf. Eins der letzten Bilder, nämlich, die ich im Sinn habe, ist Trump mit der Bibel in der Hand vor der Kirche gegenüber des weißen Hauses. Also um dieses Bild möglich zu machen, hat er Einsatzkräfte gegen friedlich Demonstrierende vorgehen lassen. Also eine Woche davor ist George Floyd durch Polizeigewalt zu Tode gekommen, und die Demonstrationen richten sich gegen Polizeigewalt und Rassismus. Und die Demonstrationen sind unter dem Slogan Black Lives Matter, sie haben es vorhin schon gesagt, auch bekannt geworden. Aber diese Bewegung ist ja gar nicht erst in diesem Jahr entstanden. #00:21:36-7#
Speaker 2: Die ist überhaupt nicht neu. Also Black Lives Matter ist quasi als Schlagwort 2013 entstanden, zunächst auch erst mal als Hashtag. Und schon da war es ja nichts Neues. Also die drei Gründerinnen der Bewegung Patrisse Cullors, Alicia Garza und Opal Tometi sind jetzt gerade auch vom Time Magazine unter die 100 wichtigsten einflussreichsten Personen gewählt worden. Es hat auch mal sozusagen markiert, das mit der Black Lives Matter Bewegung natürlich seit 2013 im Nachgang der Ermordung von Trayvon Martin sich was geändert hat in der Wahrnehmung und in der Aufmerksamkeitslenkung. Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt ist überhaupt nicht neu. Das war letztlich auch schon ein Anliegen der Bürgerrechtsbewegung in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts für schwarze Menschen. In den USA war da auch keine Pause dazwischen, so wie wir das vielleicht wahrnehmen können. Was sich geändert hat, ist, dass wir jetzt wieder mehr hinschauen, und so muss man es eigentlich auch sehen. Der Aktivismus war nie weg, den gibt es da sozusagen aus der Geschichte der Versklavung heraus, in einer ganz, ganz langen Tradition des Kampfes für Befreiung und volle Bürgerrechte. Und den gibt es nach wie vor. Und tatsächlich sagen sie ganz zu Recht, die Bewegung hat wieder 2020 begonnen, aber auch nicht 2013 mit einem Hashtag und nicht mal mit Martin Luther Kind in den 50er und 60er-Jahren, sondern viel, viel früher mit den Aufständen gegen Sklaverei, mit dem Bemühen um die Abschaffung der Versklavung, also, das ist eine lange Geschichte von Protest, die eigentlich dahinter steckt, und das darf man, glaube ich, auch nicht vergessen, dass vieles von dem, was uns jetzt so neu erscheint, vielleicht auch nur deshalb neu erscheint, weil wir gerade hingucken und aufmerksam sind. #00:23:06-9#
Speaker 1: Kann dann aber diese Bewegung jetzt auch bei der Wahl eine relevante Rolle spielen? Also wenn man ich habe so das Gefühl, jeden Tag kommt eine neue Wählergruppe oder irgendeine Minderheit, wo man sagt, die können es am Ende ausmachen. #00:23:22-4#
Speaker 2: Das stimmt. Ob das wirklich der Fall ist, muss man mal abwarten, und ich glaube, da ist es gerade auch ganz, ganz schwer zu spekulieren, weil einfach so wenig vorhersagbar ist, wer unter den aktuellen Bedingungen wählen geht, wer wählen gehen kann, unter welchen Bedingungen? Tatsächlich glaube ich, dass die Black Lives Matter Bewegung vielleicht jetzt einen Unterschied macht, weil sie doch, und da sind wir beim Thema Aufmerksamkeit, nochmal tatsächlich so breit wahrgenommen wird, weil sie einfach auch viele Unterstützer und Unterstützerinnen hat, die vielleicht nicht typischerweise schon gegen Polizeigewalt demonstriert haben. Also wenn sie an die Mütter denken, die in Portland auf die Straße gegangen sind, an die vielen jungen weißen Menschen, die sich jetzt solidarisieren, wenn sie daran denken, dass selbst in Nürnberg Black Lives Matter Proteste stattgefunden haben und stattfinden. Es ist also auch so eine internationale Wahrnehmung, die gerade wieder vielleicht ein bisschen Druck ausübt, oder es zumindest im Gespräch hält. Also ich glaube, die Bewegung wird sicherlich einen Unterschied machen. Ob wir das jetzt schon im Wahlkampf sehen, bleibt abzuwarten. Aber ich habe tatsächlich die Hoffnung, dass dieser Druck, den die Bewegung aufgebaut hat, bleibt, dass die Aufmerksamkeit bleibt, auch von uns allen, und dass dadurch vielleicht tatsächlich was passiert im Bereich der Polizeigewalt, im Bereich des strukturellen Rassismus, bei all den Fragen, die jetzt dringend zu klären sind, unabhängig davon, wer Präsident wird. Die Probleme bleiben ja erst mal. #00:24:40-7#
Speaker 1: Ich fand es schon nochmal interessant, weil es ja auch gerade in der Reaktion von Trump, ja die Person nochmal mehr offen gelegt hat in ihrer Überzeugung, und er ist ja ganz häufig oder wird als unkalkulierbar beschrieben. Also ich muss auch gerade am Anfang, als er Präsident wurde, an ganz viele so Fremdschämen-Momente denken, aus meiner europäischen Perspektive, was die Sprache angeht, weil er Dinge sagt und tut, die uns so unglaublich vorkommen, also diese üble Beschimpfung von auch anerkannten Persönlichkeiten, das vor den Kopf stoßen jahrzehntelang aufgebauter internationaler Beziehungen und einfach das Lügen über wissenschaftliche Erkenntnisse. Im Gespräch höre ich ganz häufig Menschen sagen, wie können Amerikaner, vor allem Amerikanerinnen, People Of Colour, andere Minderheiten? Wie können sie diesen Menschen wählen? Haben wir da auch wieder eine unvollständige Perspektive, weil er am Ende eigentlich doch genau das gemacht hat, was er vorher immer gesagt hat, nämlich Amerika First, komme, was wolle? #00:25:49-5#
Speaker 2: Ja, also, es gibt verschiedene Punkte, glaube ich, die man dazu berücksichtigen muss, warum Trump gewählt wurde. Also erstens, die Mehrheit der Amerikaner und Amerikanerinnen hat Trump nicht gewählt. Trump hat das Popular Vote nicht gewonnen 2016, er hat aufgrund, das haben sie eingangs angesprochen, des amerikanischen Wahlsystems gewonnen. Faktisch die Mehrheit der Amerikaner*Innen, also nicht mal sozusagen, wenn wir nur anschauen, wer gewählt hat, und die nicht-Wähler und nicht-Wählerinnen rausnehmen. Die Mehrheit hat ihn nicht gewählt. Das ist, glaube ich, der erste wichtige Punkt, den man nicht vergessen darf, wenn man jetzt sozusagen über die Amerikaner spricht, die Trump gewählt haben. Das war zu keinem Zeitpunkt eine Mehrheit. Donald Trump hat die schlechtesten Umfragewerte, die man sich eigentlich vorstellen kann. Ich glaube, zu keinem Zeitpunkt in seiner Präsidentschaft ist er über 50 Prozent Zustimmung hinausgekommen. Auch das zeigt uns ja, dass er keine unumstrittene Figur ist und für die meisten Amerikaner und Amerikanerinnen auch kein guter Präsident. Ich glaube, aktuell liegt er bei 42 Prozent Zustimmung. #00:26:46-0#
Speaker 1: Mhm. #00:26:46-9#
Speaker 2: Der zweite Punkt ist das Amerika, das für verschiedene Gruppen natürlich schon auch Politik gemacht hat. Das Beispiel Supreme Court haben wir schon angesprochen. Für viele konservative wie auch christliche Gruppierungen ist das ein wichtiger Punkt. Er hat Richterinnen und Richter benannt, nicht nur im obersten Gerichtshof, sondern auch an anderen Stellen, die da Positionen vertreten, die für viele sehr, sehr wichtig sind. Er hat sich, genauso Mike Pence, sehr klar gegen Abtreibung, das Recht auf Abtreibung positioniert, auch dahingehend, dass die beiden ja am March for Life teilgenommen haben und das sehr publik gemacht haben. Auch das Bild mit der Bibel, das sie angesprochen haben, spricht er eine bestimmte Klientel durchaus an. Also, es gibt Menschen, für die er sozusagen etwas tut und für deren Agenda eher sozusagen auch ein Asset ist, im weißen Haus. Das ist natürlich auch wieder eine spezifische Gruppe, eine kleine Gruppe und letztlich, wenn man nochmal genau auf die Zahlen guckt, also über 90 Prozent der schwarzen Frauen haben Trump nicht gewählt, 2016, also auch da. Wir sehen natürlich schon, dass die meisten Wählerinnen und Wähler wissen, was sie da wählen am Ende des Tages. Und ich glaube, das darf man auch nicht vergessen bei allem, was sozusagen da erratisch und komisch erscheint, aus unserer Perspektive, dass es durchaus politische Interessen gibt, die es unter Umständen als sinnvoll erscheinen lassen, Donald Trump ins Amt zu bringen und dort auch zu belassen. #00:28:06-4#
Speaker 1: Weil er letztendlich Republikaner ist. Also, es gibt nur zwei Parteien in diesem Land. Das ist ja einfach auch was, was wir uns im Moment gar nicht vorstellen können. #00:28:15-9#
Speaker 2: Ja, das 2-Parteien-System kommt da natürlich auch zum Tragen, und die Frage ist natürlich, inwiefern Donald Trump als Republikaner ist? Also, er hat jetzt keine lange Parteigeschichte. Das hat ihm sicherlich auch geholfen, dass er immer noch diesen Außenseiterstatus in seinem ersten Wahlkampf durchaus geltend machen konnte, also weil er eben nicht schon über eine lange Parteikarriere und vorherige politische Ämter verfügt hat. Er hat sich aber sehr, sehr stark für eine konservative republikanische Linie stark gemacht und das jetzt auch am Abend bestätigt. Das ist sicherlich richtig, und das wird ihm an der Stelle auch eine bestimmte Klientel halten, wahrscheinlich für jetzt die nächste Wahl, die ansteht. #00:28:54-4#
Speaker 1: Hm, also, ich finde das faszinierend, wie der das schafft, über das Establishment herzuziehen und sich wirklich immer als diesen Außenseiter zu zeigen, obwohl er jetzt selber in dieser Rolle ist, also jetzt auch über die amerikanische Post so Zweifel zu sähen, wo ich denke, du bist der Präsident. Also wie wäre das, wenn jetzt Frau Merkel oder sei es nur Herr Laschet oder Herr Söder oder wer auch immer dann noch Kandidat wird, hier über die Deutsche Post so reden würden? Es ist eigentlich trotzdem nicht vorstellbar für uns. #00:29:26-9#
Speaker 2: Ja, tatsächlich ist das etwas, was ich auch gerade sehr, sehr bedenklich finde. Wir haben in den letzten Wochen ja auch viele Figuren des öffentlichen Lebens, von ranghohen Militärs bis hin zu republikanischen Politikern gehört, die so öffentlich sich dazu bekannt haben, dass sie das Wahlergebnis anerkennen werden, und das finde ich eigentlich fast noch bedenklicher als Signal, als Trumps übliche Tiraden, an die wir uns fast schon ein bisschen gewöhnt haben, weil das sollte ja die größte Selbstverständlichkeit in der Demokratie sein. Und wenn es jetzt sozusagen eines öffentlichen Bekenntnisse dazu bedarf, offensichtlich, auch aus Sicht dieser Figuren, dann finde ich, ist das durchaus besorgniserregend, und das finde ich beängstigend tatsächlich, wenn ich da drauf schaue. Donald Trump selber ist natürlich auch Entertainer. Donald Trump ist bis ins Amt gekommen, das haben wir inzwischen schon viel diskutiert, vor allem auch darüber, dass er als Reality TV Star, da schon über Jahre in vielen Haushalten über den Fernseher präsent war für die Menschen. Also, wenn sie sich das überlegen. The Apprentice, also die Sendung, über die er so ganz breit nochmal berühmt wurde, eigentlich, die lief über viele Jahre, 14 Staffeln, die er sie moderiert hat, wo er sich sehr, sehr gekonnt als erfolgreicher Geschäftsmann inszeniert hat. Und das Bild war, glaube ich, ganz, ganz wichtig für diesen ersten Wahlerfolg, und auch diese Karriere hilft uns ein bisschen zu erklären, was wir jetzt sehen. Also wenn Trump bei Auftritten sich eher als Showman gibt als als Politiker, und auch das erlaubt es ihm, sich von diesem Betrieb so ein bisschen zu distanzieren, dass er sich auf diese andere Rolle zurückzieht, und wir sehen ja eben andersrum auch, auch das wurde schon viel geschrieben, dass er eben ja Modi des Realitätsfernsehens ins, eigentlich in die Politik gebracht hat. Also die jüngsten Beispiele dafür wären die Corona Briefings, wo man das nochmal so gesehen hat, diese Inszenierungsweise, die er mitgenommen hat, oder auch die Tatsache, dass er für den Nominierungsparteitag der Republikaner Produzenten der Fernsehsendung The Apprentice engagiert hat, um die Inszenierung sicherzustellen. Also das ist, glaube ich, noch immer was, das darf man nicht vergessen, Donald Trump kommt aus der Entertainment Branche eigentlich in dieses Amt und mit diesen wirkmächtigen Bildern, die da schon da waren, lange bevor er sozusagen ins Rennen gegangen ist. #00:31:46-8#
Speaker 1: Es gibt eine total sehenswerte Dokumentation über das World Economic Forum, in Davos, was einfach mal hinter die Kulissen geblickt hat, blicken durfte, erstmals und einfach auch nochmal gezeigt hat, wie viel mehr noch läuft als nur diese Gespräche der Mächtigen der Welt, einfach was da noch auch für eine gemeinnützige Institution und Stiftung dahinter steckt, die ganz, ganz tolle Projekte weltweit macht. Und man hat gesehen, den Anflug des amerikanischen Präsidenten und wie er dann da in die Räume kommt und diese ganze Entourage drum herum und wie er dann da kam, alleine mit seiner körperlichen Größe auch, und ich fand nur bei diesem Blick auf diese Fernsehbilder, ja, der kann einen schon einnehmen, also, der nimmt einen Raum, einen Saal, das nimmt er ein, und da habe ich zum ersten Mal begriffen, wie er Menschen überzeugen kann. Weil wenn man wirklich nur die Inhalte nimmt oder nur nur so Ausschnitte von der Sprache her oder von der Unfähigkeit, dann dann fasst man sich an den Kopf. Aber das war dann noch mal, wo ich dachte, ja, ich verstehe es, wie Menschen sich davon angesprochen fühlen. #00:32:57-0#
Speaker 2: Ja, und was natürlich auch in die Hände spielt, das haben sie vorhin selbst schon angesprochen, dieses zwei Partien System, also für viele sozusagen Wähler und Wählerinnen, die vielleicht, es gibt ja diese viel besprochenen One-Issue-Voters, die eigentlich zum Beispiel das Thema Abtreibung so wichtig finden, dass sie danach wählen und jemand, der für das Recht auf Abtreibung ist, niemals unserem Amt sehen wollen. Also dass das spielt natürlich auch rein, dass die Frage ist, viele Wählerinnen und Wähler würden wahrscheinlich auch sagen, sie haben schon nicht deshalb gewählt, weil er so tolle Kommentare macht über die Politik oder mit den Frauen oder was auch immer uns gerade einfällt, sondern sie haben ihn trotzdem gewählt, weil er am Ende die wichtigen Punkte, die sie in der Politik sehen wollen, vertritt. Also, ich glaube, die Differenzierung ist auch nochmal wichtig zu sehen. Wenn wir dann so drauf gucken und uns fragen, ja, wie können überhaupt Frauen Trump wählen, nach den Aussagen, die er da öffentlich getätigt hat, und ich jetzt auch nicht wiederhole natürlich, dann ist sozusagen die Antwort in vielen Fällen sicherlich auch: Sie haben ihn nicht deshalb, sondern trotz dieser Aussagen gewählt, weil er andere Standpunkte vertritt, die sie im Parteienspektrum auf der anderen Seite nicht finden können. #00:34:02-9#
Speaker 1: Ja, denke ich trotzdem, ohne Frage eine polarisierende Persönlichkeit, und meine Frage wäre dann, inwieweit er dann die Kraft hat, wirklich Amerika zu spalten. Davon ist ja ganz viel die Rede, und wir sprechen aber von den vereinigten Staaten von Amerika. Wie vereint ist dieses Amerika? Gibt es da noch mehr im gesellschaftlichen Diskurs? Sie forschen ja auch im Bereich der Populärkultur. Gibt es dann noch mehr, was die Amerikaner eint? Und wir schauen immer nur auf Trump, und die sagen ja, lasst mich doch mit unserem Präsidenten in Ruhe! Was schauen die zum Beispiel für Serien? Was beschäftigt die? #00:34:38-4#
Speaker 2: Ganz unterschiedlich, was die Amerikanerinnen, Amerikaner angucken, das ist ganz spannend, dass man auch da eigentlich nicht sagen kann, es gibt so die Phänomene, die überall gleichermaßen rezipiert werden. Da muss man viel, viel genauer hingucken und sich fragen, also das, was sozusagen populär ist an den, in den Küstenmetropolen, ist nicht unbedingt, dass was auch populär ist, sozusagen im mittleren Westen. Das heißt, das ist tatsächlich sehr, sehr unterschiedlich, und das merken wir zum Beispiel auch, wen wir jetzt auf die Populärkultur gucken mit Blick auf die wirklich große Diversität an populär-kulturellen Repräsentationen, die da sind. Also gerade auch jetzt in den Streaming Angeboten , wo so viele Nischen bedient werden können, dass jede und jeder Zuschauer Zuschauerin tatsächlich etwas für sich finden kann. Also ich glaube, das ist wichtig, dass es da einfach eine zunehmende Diversifizierung gibt, auch im Sinne neuer Märkte, die sich damit erschlossen werden, dass eben Kultur für alle möglichen Zielgruppen tatsächlich auch produziert wird und dass man vielleicht die großen Produktionen, von denen man sagt, das schauen jetzt wirklich alle Amerikaner in der Form, einfach aufgrund der Größe und der Diversität der Bevölkerung gar nicht Identifizieren kann. Und das interessante ist aber natürlich, wie sie sagen, wir sprechen viel von der Spaltung der amerikanischen Gesellschaft, und ich würde sagen, keine Frage, es gibt Polarisierungen, es gibt tief gerade Konfliktlinien. Aber ich denke, es wäre trotzdem sinnvoll, wenn wir immer genau gucken, welche Spaltungen und in welchem Bereich wir die tatsächlich sehen und meinen. Also, es gibt natürlich einen Mangel im politischen Konsens. Wenn sie drüber nachdenken, wir haben schon über den Supreme Court gesprochen. Ruth Bader Ginsburg wurde damals mit einer ganz großen Mehrheit im Senat bestätigt, ich glaube, mit nur drei Gegenstimmen. Das ist heute aktuell kaum vorstellbar. Also, wenn Amy Coney Barrett jetzt den Platz bekommt, dann weil alle Republikaner mit wenigen Ausnahmen für sie stimmen, und alle Demokraten und Demokratinnen werden gegen sie stimmen. Also, da ist kein Konsens zu finden, und das ist ein schönes Beispiel, wo man schon sieht, dass es diese politische Spaltung gibt. Wir sehen auch eine gesellschaftlich-kulturelle Spaltung, die wir über die Proteste und den Umgang mit den Protesten vor allen Dingen nachvollziehen können. Und wir sehen auch eine ökonomische Spaltung, die sozusagen in der Kluft zwischen Arm und Reich natürlich auch da ist. Und das alles kommt zusammen mit strukturellen Ungleichheiten, Rassismus zum Beispiel, und anderen Differenzkategorien, die eben Diskriminierung und Benachteiligung verursachen, die auch noch das ganze Überlagern. Also, das ist eine wahnsinnig komplexe Gemengelage, diese Spaltung, und gleichzeitig frage ich mich ganz oft auch, was würde denn passieren, wenn wir mehr auf das gucken, wofür es durchaus Mehrheiten gibt? Wie sie es gerade auch schon angedeutet haben, eine Mehrheit der Amerikanerinnen, Amerikaner, möchte striktere Waffengesetze. Die Zahl ist zwischen 2017 und 2019 auf 60 Prozent gestiegen, von 52 Prozent also, da ist die Zustimmung größer geworden, und eine Mehrheit will das jetzt, wenn wir gucken. Das Beispiel Supreme Cord hatten wir vorhin schon. Eine Mehrheit Amerikanerinnen möchte nicht, dass es jetzt schnell vor der Wahl passiert. Es wird wahrscheinlich trotzdem passieren. Das heißt, ich finde es schon spannend, was für ein Bild entstehen würde, wenn wir viel stärker auf diese Mehrheiten auch schauen würden. Das heißt ja nicht, dass die Probleme deswegen verschwinden würden oder wir keine Konfliktlinien mehr haben. Ich glaube, das ist offenkundig, dass sie alle da sind. Aber ich glaube, das Narrativ von der einen Spaltung Amerikas, der stark polarisierten Gesellschaft, da ist die Frage, wem nutzt das? Und nutzt es nicht letztlich denjenigen Kräften, die sozusagen sich gerade an der Macht halten und genau dieses Narrativ auch für sich in Anschlag bringen können? #00:38:11-4#
Speaker 1: Wenn wir jetzt eine Umfrage starten würden und in der Fußgängerzone oder hier am Gewerbemuseumsplatz rumgehen würden und fragen, was verbinden sie mit Amerika, was kämen dann für Antworten? Wir können was sammeln. Also, ich werfe mal in den Raum, Fast Food, Obama und natürlich Trump. Ja, mir würde noch einfallen Cowboys und Country Music, Thanksgiving, American Dream. Was würde ich ihnen noch einfallen? #00:38:46-8#
Speaker 2: Freiheit wird sicherlich ein großer Begriff, also die Freiheitsstatue, genau, der mit Amerika noch assoziiert wird, aktuell vielleicht tatsächlich auch noch so Sachen wie "Fake News", über die wir jetzt viel in den USA reden. Also wir benutzen ja gerade ganz viele auch so englische Begriffe, die amerikanischen Phänomene auch für uns dann greifbar machen. Ich glaube, da ist noch ne ganze Liste. #00:39:09-1#
Speaker 1: Aber ich finde es super, weil Freiheit, darauf wollte ich hinaus, dass sie es gesagt haben. Ich habe so das Gefühl, der Begriff von Freiheit, der ist total elementar für die amerikanische DNA. Dass ich da jetzt nicht falsch liege, ich sage das als Audiokommentar. Sie nicken, das heißt, ich muss nicht fragen, stimmt das, sondern das ist das, was mich da immer wieder umtreibt. Also, das ist ja wirklich was, was wir uns tatsächlich auch wieder aus unserer deutschen Perspektive nicht vorstellen können, diesen Begriff von Freiheit, vor allen Dingen auch nicht, warum man deshalb über Waffen sprechen muss. #00:39:45-4#
Speaker 2: Ich finde noch viel spannender die Frage, wessen Freiheit das tatsächlich ist? Denn die amerikanische Freiheit, ...also Freiheit, ist so ein ganz zentraler Begriff, den finden sie von der Unabhängigkeitserklärung bis zum Freedom Tower heute in New York City. Der kommt immer wieder, und die Frage ist, wessen Freiheit? Denn die Freiheit der einen war auch in der amerikanischen Geschichte schon immer die Unfreiheit der anderen. Also die ersten europäischen Siedler, die in die sogenannte neue Welt haben und sich da auch befreit fühlten von religiösen Zwängen, von den Gesellschaften, aus denen sie kamen, haben das getan auf Kosten der indigenen Bevölkerungen, die sie vertrieben haben. Die Freiheit der Unabhängigkeitserklärung, die die Gründerväter für sich imaginiert haben, haben sie bekommen um den Preis, dass sie die Sklaverei weiterhin zementiert haben in den USA, die natürlich schon von Anbeginn, Beginn der Geschichte auch Teil der amerikanischen Realität war. Das ist ja eins der kontroversen Dinge, ja aus der Unabhängigkeitserklärung rausgeschrieben wurden, sozusagen, die sich zur Sklaverei nicht verhalten hat, sondern sie weiterhin geduldet hat. Also dieser große Befreiungsakt, der die Kolonisten aus der britischen Herrschaft herausgeholt hat, hat letztlich auch die Sklaverei zementiert, also die Unfreiheit anderer. Und das können sie weiterspinnen, wenn sie schauen auf die Einwanderungsgesetze und zum Beispiel den Chinese Exclusion Act, der im späten 19 Jahrhundert letztlich die Einwanderung aus China komplett gestoppt hat und bis in die 40er Jahre aktiv war. Also, die Freiheit der einen war immer die Unfreiheit der anderen, sowohl derer, die schon da waren, als auch derer, die noch kommen wollten. Und das ist, glaube ich, ganz zentral für dieses Freiheitsnarrativ, dass wir immer über die Freiheit einiger sprechen, die wir dann als universal imaginieren in Amerika, während diese Freiheit tatsächlich immer auch die Unfreiheit anderer von vornherein mit eingeschrieben hat. #00:41:33-3#
Speaker 1: Wie merkt man das jetzt im Umgang mit der Corona Pandemie? Also in Deutschland merkt man ja, dass gerade da Demonstrationen sind, wo sich Menschen eben in ihrer Freiheit auch eingeschränkt fühlen, also die aus dieser Maske so einen Maulkorb machen, so ein Narrativ spinnen, wo andere sagen, mein Gott, es ist einfach nur ein Stück Stoff, und das, da kann ich anderen helfen, eben ihre eigene, ihr eigenes Recht, ihre eigene Gesundheit zu leben. Also eben auch meine Freiheit und die Freiheit der anderen, es endet meine, wo fängt aber auch die des anderen an? Wie ist das in Amerika? #00:42:13-6#
Speaker 2: Kann ich, glaube ich, ganz pauschal nicht beantworten. Aber um vielleicht nochmal auf den Punkt zu kommen, auf den sie eigentlich ja auch ein bisschen raus wollten, nämlich die Frage auch nach den, nach den Waffen. Das ist tatsächlich ein Punkt, wo also auch viele jetzt wieder dafür auf die Straße gegangen sind, dass ihre Waffen behalten dürfen. Und ich glaube, das ist aus europäischer Sicht immer ganz schwer nachzuvollziehen, warum Waffen so dieses symbolische, diese symbolische Bedeutung haben in den USA. Es ist aber auch so, dass man das historisch wieder auch ein Stück weit nachvollziehen kann, also nicht nur historisch, sondern sogar auch heute. Die USA sind nicht nur New York City und San Francisco, sondern ganz viel weites Land, wo sie vielleicht irgendwo wohnen oder die nächste Stadt, das nächste Krankenhaus, der nächste Ort Kilometer weit weg ist, wo sie wirklich auch viel mehr auf sich alleine gestellt sind, als wir uns das im dichtbesiedelten Deutschland manchmal vorstellen können. Und ich glaube, sozusagen über die Geschichte der Besiedelung, aber auch sozusagen die Realitäten, die in vielen ländlichen Regionen durchaus nach wie vor bestehen, ist vielleicht ein Stück weit, nicht rechtfertigbar, aber zumindest nachvollziehbar, warum dieses Recht auf Selbstverteidigung und auf die Waffe nach wie vor so eine große Rolle spielt, obwohl ja, wie gesagt, auch die Mehrheit inzwischen dass durchaus kritisch sieht und für striktere Waffengesetze ist. Also ich glaube, da gibt es durchaus historische Erklärungen dafür, warum das sozusagen so ein zentraler Punkt ist, und eben die Verfassung sieht das Recht auf die Waffe vor. Auch das ein großer Unterschied zu unserem Diskurs darüber, dass sozusagen sich die Personen, die jetzt dafür demonstrieren, natürlich auch auf die Verfassung berufen können und sagen, das steht hier drin, ich hab das Recht, eine Waffe zu haben und mich selbst zu verteidigen. Also ich glaube sozusagen, dass das die beiden großen Unterschiede sind, also einerseits eben die historische Perspektive und aber eben auch tatsächlich der rechtliche Unterschied, der sozusagen für uns in Deutschland sich ganz anders darstellt, als es in den USA der Fall war. #00:44:08-9#

Speaker 1: Würde Biden oder die Demokraten da überhaupt was dran ändern an diesem verfassungsgemäß verbrieften Recht? #00:44:16-9#
Speaker 2: Also, eine Änderung der Verfassung ist wahnsinnig schwierig. Also, die amerikanische Verfassung dafür, dass sie ja gar nicht mehr so jung ist, hat sich sehr, sehr selten geändert. Also, das liegt auch daran, dass man dafür eine Mehrheit der Staaten hinter sich bringen muss, um das durchzusetzen. Und mit Blick auf die aktuelle, vielleicht auch ja vielleicht Polarisierung tatsächlich im politischen Bereich ist das total unwahrscheinlich, dass es machbar ist. Also einfach die Mehrheit dafür zu bekommen, das ist ganz schwer in einer Partei, ist es eigentlich nicht durchsetzbar. Das heißt, da müsste man jetzt zumindest einen überparteilichen Konsens und einen Zuspruch aus einer Mehrheit der Bundesstaaten für bekommen, um die Verfassung zu ändern. Das halte ich für äußerst unwahrscheinlich, dass es in der nahen Zukunft passiert. Deswegen ist es in den USA auch ganz oft spannend zu gucken, was die Bundesstaaten selber machen, denn die können ja auch Gesetze erlassen, und da gibt es erhebliche Unterschiede bei ganz, ganz vielen großen Fragen, und oftmals ist das wirklich viel relevanter für die Menschen, die dort leben als die Bundesgesetzgebung, die man vielleicht außen eher sieht, die aber vielleicht für den Alltag und die Realitäten in den einzelnen Bundesstaaten weniger wichtig ist als die Gesetzgebung vor Ort sozusagen. Und das zweite, warum das vielleicht auch unwahrscheinlich ist, ist das auch in der Vergangenheit demokratische Präsidenten jetzt nicht unbedingt dadurch aufgefallen sind, dass sie sich gegen die Waffenlobby durchsetzen konnten. Also, es wäre sicherlich wünschenswert, wenn eine Präsidentschaft Joe Bidens das mit sich bringen würde. Optimistisch bin ich da nicht. Weder der historische Track Record der Demokraten gibt das her, noch die Prozesse, die notwendig wären, um die Verfassung zu ändern. #00:45:53-9#
Speaker 1: Mhm ja, Trump erzählt das nur jedem. Das ist das erste, was der Joe machen wird. Er wird euch die Waffen wegnehmen. Das ist ganz interessant, wie er doch dann aber diese Geschichte erzählt, und worüber ich aber gerne sprechen würde, wäre die Rolle von Wissenschaft. Wir haben auch gerade in den letzten Monaten in Deutschland eine Debatte darüber gehabt, in Ansätzen immer wieder, wie das Verhältnis von Wissenschaft zu Politik ist. Virologen sind aus naheliegendem Grund etwas in den Fokus gekommen. Ich erinnere mich aber sehr gut an die leidenschaftliche Einladung von Emmanuel Macron an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in Amerika Forschten, als Trump zum ersten Mal gewählt wurde, und er hat gesagt: Europa heißt euch willkommen, kommt zu uns, hier könnt ihr Forschen, und es wird nicht aussortiert, was ist genehm an Ergebnissen, was es nicht genehm. Also, das Verhältnis von Trump ist, ich sag mal, sehr speziell. Wir haben schon gesagt, Fake News, das postfaktische Zeitalter ist mit ihm eingeläutet, alternative Fakten. Sie forschen nun über Amerika. Was sind da ihre Quellen? Wie arbeiten sie? Wie erklären sie auch Studenten, dass die nicht auf Fake News reinfallen? #00:47:16-7#
Speaker 2: Ja, also das Amerikanistin habe ich schon immer natürlich auch kritisch auf Amerika geschaut, auf die großen Erzählungen, auf den medialen Diskurs, auf die fundierenden Mythen, die die USA tragen. Also, der kritische Diskurs auf Amerika ist durchaus beim Fach auch ein Stück weit eingeschrieben, und das ist natürlich auch das, was wir den Studierenden vermitteln, also das genauer hinschauen, das nicht bei der Schlagzeile hängenbleiben, sondern schauen, wer hat sie denn getextet, wo kommt sie her? Kann ich die anhand einer anderen Quelle auch noch verifizieren? Und wer profitiert davon, dass diese Schlagzeile zu prominent wahrgenommen wird? Also, ich glaube, dass kritische Nachfragen das nicht an der Oberfläche hängen bleiben, sondern immer nochmal selbst gucken, wo die Information herkommt, wer sie bereitgestellt hat und was sie eigentlich für Effekte hat. Das hilft da schon sehr viel, um einen genau einen Blick drauf zu haben, was man eigentlich an Informationen gerade konsumiert. Und der andere Punkt ist, dass Donald Trump natürlich diese Begriffe so groß gemacht hat. Also ich glaube "Alternative Facts", "Fake News" als Begriffe, die wir jetzt auch mit Donald Trump assoziieren. Er hatte ja auch den Begriff, der Fake News immer wieder benutzt, um eigentlich etablierte Medien, CNN, die New York Times, zu diskreditieren. Und Trump ist da eigentlich für mich auch ein Symptom eines viel größeren Antiintellektualismus, den wir in den USA sehen, aber auch bei uns. Also größere Skepsis gegenüber der Wissenschaft. Und was sich diese Figuren, die diese Skepsis vorantreiben, eigentlich versuchen zu Nutze zu machen, ist die Tatsache, dass Wissenschaft natürlich dynamisch ist, sich verändert und unterschiedliche Meinungen und Perspektiven braucht. Und dem, glaube ich, muss man ganz klar entgegensetzen, natürlich, wissenschaftliche Erkenntnisse haben eine gewisse Halbwertszeit, die ändern sich, es gibt einen neuen Forschungsstand, Wissenschaftlerin und Wissenschaftler haben unterschiedliche Perspektiven, kommen vielleicht auch mal zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das braucht man, wenn überhaupt, sich Forschung und Wissenschaft entwickeln sollen. Und trotzdem gibt es in allen Fächern, die ich irgendwie kenne, einen wissenschaftlichen Konsens, also durchaus eine Erkenntnisstand, auf den sich die ganz, ganz große Mehrheit der Vertreterinnen und Vertreter eines Faches einigen können, dass wir nach bestem Wissen und Gewissen die aktuelle Situation, die aktuelle Frage, Lage in der Forschung abbildet. Und ich glaube, die beiden Dinge muss man einfach auch im Hinterkopf behalten, dass klar, Wissenschaft muss kontrovers sein, sie muss sich wandeln, sie muss flexibel sein, und trotzdem gibt es sowas wie einen wissenschaftlichen Konsens, den man auch ernst nehmen kann und soll. #00:49:38-8#
Speaker 1: Sie sind kurz vom noch in Amerika gewesen. Ich weiß, ich wollte sie als Dozentin haben fürs Studium Generale, und sie sagten, Oh, ich bin dann noch in Amerika, und dann haben wir das für den Sommer hinbekommen, weil sie dann eben da waren. Sie sind jetzt auch im Herbst wieder da. Was machen sie, wenn sie in Amerika sind? #00:50:00-0#
Speaker 2: Also ich bin natürlich sehr oft in den USA, vor allem für Konferenzen, also wissenschaftliche Tagungen, Gastvorträge, aber auch um tatsächlich für Recherchen in Archiven. Also ich wollte eigentlich von Washington D. C. in die Library of Congress und die National Archives gehen zu dem Zeitpunkt, als dann die Pandemie uns in voller Breite getroffen hat. Also ich war gerade aus Kalifornien in Washington D. C. angekommen, als die Archive schlossen, also klar war, ich werde da keine Forschung mehr betreiben und nicht mehr recherchieren. Ich bin dann tatsächlich Mitte März zurückgekommen, nach Deutschland, viel früher als geplant, ganzen Monat eher als geplant, weil zum einen Veranstaltungen abgesagt waren, auf die ich fahren wollte, und zum anderen eben auch tatsächlich, und das ist nach wie vor an vielen Stellen der Fall, dass die Archive geschlossen sind, also Forschung gar nicht so möglich ist, wie man das normalerweise macht. Also auch unsere Bibliotheken haben nach wie vor eingeschränkte Öffnungszeiten. Also das heißt, das merken wir in der Forschung und natürlich auch in der Lehre, dass uns diese neue Situation da vor einige Herausforderungen stellt. Aber ich bin tatsächlich mitten in der Krise, sozusagen im Lockdown, zurückgekommen. #00:51:02-5#
Speaker 1: Ja, haben sie dann nur eine wissenschaftliche Beziehung mit Amerika oder auch eine persönliche? #00:51:08-7#
Speaker 2: Hm, ich habe natürlich auch eine persönliche Beziehung zu Amerika. Also, ich hab's vorhin schon mal gesagt, ich glaube, wir sind alle auch ein Stück weit in amerikanischer Kultur groß geworden. Das bin ich natürlich auch. Also für mich war die USA auch schon immer so ein Land mit einer ganz, ganz großen Faszination aufgrund der Populärkultur, der Fernsehserien, die ich auch als junger Mensch geguckt habe, der Musik nicht gehört habe, und aufgrund der Diversität tatsächlich auch dieser Kultur, also was man sozusagen alles noch entdecken konnte. Das heißt, ich habe natürlich ein ganz ,auch persönliche, Beziehung zu den USA. Ich bin auch immer gerne in den USA, trotz der vielen Dinge, die ich sehr, sehr kritisch sehe und die man auch kritisch sehen muss. Das ist ganz klar, und nach wie vor hält sich für mich die Faszination, was tatsächlich auch die USA bei all diesen unterschieden und diversen Diversitäten tatsächlich vereint, warum auch die amerikanische Kultur nach wie vor so ein relativ großer Exportschlager ist, ja also, dass sie sich global durchsetzen kann, dass sie rezipiert wird in ganz verschiedenen Kontexten und da für Menschen offensichtlich eine kulturelle Arbeit leistet, die ihnen was gibt, die ihnen was bringt, und insofern habe ich da durchaus nach wie vor auch eine ganz persönliche Faszination mit dem Land und seiner Kultur oder seinen Kulturen, muss man ja eigentlich sagen im Plural. Und das merke ich durchaus auch. Also, ich mache das, was ich mache, auch in der aktuellen Situation und auch mit Blick auf das aktuelle Amerika immer noch gerne und sowohl mit dem kritischen Blick als auch mit einer gewissen Wertschätzung für die Kulturen, die das Land prägen. #00:52:32-7#
Speaker 1: Haben sie einen amerikanischen Glücksmoment für uns? #00:52:36-7#
Speaker 2: Ich habe mich unglaublich gefreut darüber, dass die NFL den Spielbetrieb aufgenommen hat und ich jetzt wieder Sonntagabend Football gucken kann, auch von einer deutschen Couch aus. Das war tatsächlich in den letzten Monaten für mich ein Moment, wo ich mich gefreut habe, zudem noch nachdem meine Greenbay Packers jetzt einen super Saisonstart hatten und richtig gut reingekommen sind. Und auch das ist natürlich anders wie sonst. Wir sehen im Sport gerade auch mehr Protest, als üblich ist. Da ist die NFL auch ein spannendes Beispiel, weil sie sich so 180 Grad eigentlich gedreht hat, seit Colin Kaepernick 2016 aufs Knie gegangen ist, während der Nationalhymne, und dafür ja eigentlich auch seinen Job verloren hat und öffentlich sehr diskreditiert wurde. Heute ist quasi auf dem Spielfeld ein Slogan wie End Racism zu lesen, die Spieler dürfen auf den Helmen Namen von Opfern von Polizeigewalt tragen. Also, da bricht sich dieser Protest nochmal wirklich in eine Mainstream Bahn, wo man ihn nicht erwartet hätte noch vor kurzer Zeit. Und natürlich wird auch da vor leeren Rängen gespielt, was jetzt Gott sei dank, wenn man von Deutschland aus zuguckt, gar nicht so arg auffällt und ich sehe es ja eh nur im Fernsehen. #00:53:48-6#
Speaker 1: Ja, ach schön. Sie haben es gerade schon angesprochen. Selber forschen ist jetzt anders. Selber lehren ist jetzt auch anders. Sie haben ein Semester digitale Lehre hinter sich. Wie geht es ihnen damit? #00:54:05-2#
Speaker 2: Ich würde sagen, ich habe gesehen, dass die digitale Lehre besser funktioniert, als ich erwartet habe, und trotzdem nur eine Notlösung war. Also an vielen Orten hat man auch vom Emergency Remote Teaching gesprochen, und ich glaube, das trifft es ganz gut. Also, ich denke, wir sind aus dem Semester viel besser rausgekommen, als viele von uns anfangs noch erwartet haben. Ich war überrascht davon, wie gut die Technik funktioniert hat, was man alles machen konnte, wie gut auch die Studierenden mitgemacht haben und sich an diese neue Situation angepasst haben. Also vieles hat wirklich viel besser funktioniert, als ich antizipiert hatte, und ich hatte viel größere Sorgen zu Beginn des Semesters, als ich sie jetzt habe. Und trotzdem habe ich gesehen, was einfach nicht ersetzbar ist an der Präsenzlehre. Also wenn ich vor dem Computer sitze, und ich sehe meine Studierenden in diesen kleinen Kacheln, dann kriege ich keine Rückmeldung in gleicher Form, ob jetzt gerade verstanden wird, was ich erkläre, ob Personen gerade innerlich abschalten und ob sie irgendwas anderes machen. Ich bekomme auch nicht mit, wie es den Studierenden geht, in gleicher Weise. Also, man hat die Gespräche nicht, die beim Ankommen, beim Verlassen des Raumes irgendwie sonst passieren, ganz, ganz natürlich und ganz am Rande. Also ich habe schon das Gefühl, dass ich durchaus vieles auch vermisse an dem persönlichen Kontakt. Und letztlich haben wir schon auch gesehen, also zumindest ist das meine Wahrnehmung, dass einfach Diskussionen im digitalen Raum nicht so gut funktionieren wie live und in Person, wo man einfach miteinander anders spricht, als wenn man das vermittelt über eine, ein Videoconferencing Tool macht. Also ich glaube, wir haben das gut gemeistert und trotzdem gesehen, wo die Grenzen sind und wofür wir auch durchaus eine Lehre in Präsenz wieder brauchen, dringend wieder brauchen und was wir eben nicht ersetzen können durch technische Hilfsmittel. #00:55:48-3#
Speaker 1: Ja, man kann sich nicht so gut ins Wort fallen, oder? Also ich bin eine Totale ins Wortfallerin in Diskussionen, aber das geht gar nicht virtuell. #00:55:56-2#
Speaker 2: Genau man kann auch.... Ironie ist zum Beispiel auch ganz schwer zu vermitteln, also im digitalen Raum, also alle Formen des uneigentlichen Sprechens sind viel, viel schwieriger, weil man ja die Mimik und Gestik nicht gleichermaßen wahrnehmen kann. Man sieht ja auch immer nur einen ganz kleinen Ausschnitt von dem Gesicht von den Personen, mit denen man spricht. In aller Regel also allein die Tatsache, dass man Körpersprache nicht so viel verliert, am Rande und dadurch aus, indem, wie man miteinander spricht, sehr eingeschränkt ist im Vergleich zu einer live Diskussion, wo man einfach auch eben durch die Präsenz im Raum, die physische Präsenz, sich anders wahrnimmt und miteinander interagiert. #00:56:31-1#
Speaker 1: Es spricht total für sie, dass ihnen wichtig ist, aus ihren Studenten herauszulesen, ob sie begriffen haben, was sie ihnen beibringen. Weil ich meine, wenn mit einer großen Vorlesung sitzt, dann ist es natürlich schwierig, aber natürlich auch durch moderne Tools erreichbar, eben durch Umfragen und so weiter und so fort. Ich finds verrückt, ich also, ich bin sehr Technik affin und bin immer, warum nutzen wir das nicht? Warum machen wir das nicht? Und jetzt bin ich eher, ach, können wir nicht das vielleicht doch? Also ich weiß jetzt eher das, um das präsente sozusagen, auch zu schätzen, und das finde ich, sind so Gegenbewegungen, die man ausmacht. Das finde ich sehr, sehr spannend. #00:57:09-1#
Speaker 2: Und ich würde aber sagen, selbst in einer Präsenz Vorlesung, also selbst in diesem großen Raum, wenn ich 100 Leute vor mir im Hörsaal habe, dann merke ich trotzdem, da hinten im Eck schalten gerade Leute ab oder die unterhalten sich eigentlich am Rande und sind nicht mehr wirklich dabei. Wenn die nur auf meinem Video Kacheln sind und ich da eigentlich in den Lern Raum spreche, im virtuellen, merke ich auch das nicht, also selbst da, wo sie jetzt zu Recht sagen, da ist vielleicht sozusagen die Interaktion auch schon live schwieriger, merke ich immer noch viel mehr, als wenn ich in meine Computerkamera spreche, natürlich. #00:57:38-4#
Speaker 1: Aber es geht weiter in ein weiteres digitales Semester, oder? #00:57:42-3#
Speaker 2: Das ist richtig. Also wir gehen jetzt mit mehr Erfahrung in ein doch auch wieder digitales Semester, das in ganz, ganz weiten Teilen digital stattfinden wird, was vor und Nachteile hat. Also für viele Studierende ist das gerade im Moment durchaus auch hilfreich, die aus dem Ausland nicht zu uns kommen können, die eigentlich einen Studienplatz haben, aber jetzt aufgrund der Situation nicht einreißen können. Für die ist das natürlich super, dass sie zu Beginn erst mal online teilnehmen können und nicht sofort sozusagen schon raus sind, bevor es angefangen hat. Gleichzeitig ist das natürlich auch ein ganz schwieriges Gefühl. Also, ich gehe jetzt ins zweite Semester, wo ich meine Studierenden nicht leid sehen werde, wo ich sie am Ende ein ganzes Jahr lang nicht gesehen habe, außer am Bildschirm. Und das ist durchaus was, was ich eine sehr ambivalente Perspektive finde. Also, ich freue mich immer auf den Beginn von dem Semester, wenn wieder was neues losgeht, man neue Kurse hat, neue Studierendengruppen vor sich hat. Und ich merke trotzdem, ich gehe deutlich ambivalenter in das zweite digitale Semester, auch wenn ich jetzt ein bisschen weiß, was mich erwartet, und ich denke, es wird, wir werden das schon hinkriegen, so wie im Sommer jetzt auch, freue mich trotzdem auf den Moment, wo ich wieder in Präsenz mit meinen Studierenden in einem Raum diskutieren, analysieren und sprechen darf. Also dass es für mich ein ganz wichtiger Hoffnungsschimmer, dass das vielleicht dann spätestens auch im nächsten Sommersemester doch auch wieder der Normalfall wird und nicht die Ausnahme. #00:59:04-9#
Speaker 1: Ja, und das hilft ja vielleicht, sich vor Augen zu führen, warum das gemacht wird, oder? Also, dass es jetzt einfach ja eben hilft, die Pandemie im Griff zu behalten, oder? #00:59:17-0#
Speaker 2: Klar also, die Notwendigkeit, Maßnahmen zu ergreifen, ist ja völlig unbestritten. Gleichzeitig finde ich es trotzdem auch ein bisschen schade, dass wir an den Universitäten doch das sehr schnell akzeptiert haben, dass wir jetzt digital arbeiten. Wir reden sehr, sehr viel darüber, wie die Schulen wieder aufmachen können, weil uns da die Wichtigkeit des gemeinsamen Lernens durchaus einleuchtet. Und das ist natürlich auch richtig, und das ist natürlich auch viel dringlicher für Kinder und junge Menschen, die sich das auch nicht so einfach selbst einrichten können mit der Technik und mit dem Lernen. #00:59:46-5#
Speaker 1: Und für die Eltern! #00:59:47-9#
Speaker 2: Und auch für die Eltern, völlig richtig. Und trotzdem denke ich auch an den Universitäten, wir sollten nicht aus dem Blick verlieren, dass wir dahin zurück müssen, so schnell es geht, ähm, und trotzdem lange durchhalten, wie es nötig ist, um der Pandemie Herr zu werden. Also beides, es hilft, und gleichzeitig habe ich durchaus auch die Befürchtung, dass man sich an das eine und andere gut gewöhnen kann, wenn es erst mal lange genug so ist, und deswegen ist mein Hoffnungsschimmer auf der anderen Seite wirklich zu sagen, wir verlieren nicht aus dem Blick, wo wir wieder hinwollen. Und das wird natürlich digitale Elemente enthalten. Wir werden Dinge mitnehmen, die wir jetzt gelernt haben, die gut funktioniert haben, mitunter toll waren, die man auch mit der Präsenzlehre kombinieren kann. Also ganz sicher, wir werden nicht zurückgehen, zu exakt der Lehre, wie sie vorher war, wo wir das alles nicht als Erfahrung hatten. Und für mich ist trotzdem das der eigentliche Hoffnungsschimmer, eben zu sagen, wir kommen auch wieder in eine Lehrsituation, die Präsenz als ganz normalen Baustein im gemeinsamen Lernen und Arbeiten beinhaltet. #01:00:43-5#
Speaker 1: Mhm, weil das wäre so meine Frage. Was wird auch mit wissenschaftlichen Konferenzen gerade mit Übersee? Werden sie auch, wenn es wieder möglich ist, frage ich mich, ob man nicht doch einiges in Hybrid, also vor Ort, aber auch online zugeschalten, ob sich das nicht auch erhalten wird. #01:00:59-0#
Speaker 2: Ja, es ist superspannend. Also was ich total schätze, ist, dass ich im Moment an Veranstaltungen teilnehmen kann, für die ich sonst natürlich nie in die USA eingeflogen wäre. Also ich kann Dokument zum einzelnen Vorschlag, der mich interessiert. An vielen Einrichtungen, die das jetzt digital online machen, kann ich mich einschalten, ich kann an Lesungen teilnehmen, irgendwo ganz anders stattfinden, und ich muss nicht hinreißen. Also ich sehe durchaus den Vorteil, dass ich wissen, auch der wissenschaftliche Austausch über große Distanz dadurch natürlich herstellen lässt, ohne dass man den großen Aufwand des dahinreisen, hat. Und ich habe jetzt auch verschiedene Konferenzformate, die auf mich zukommen, die rein online stattfinden werden. Also ich bin gespannt auf die Erfahrung. Auch da denke ich, das kann eine gute Ergänzung sein. Also, es ist natürlich ein großer Luxus zu sagen, man kann sich Veranstaltungen, zu denen man sonst Zeit, Aufwand und Geld investieren müsste, um Hinzureisen, einfach auch mal so anschauen und mitbekommen, was da diskutiert wird. Das ist großartig, da bin ich auch froh, wenn ein bisschen was davon bleibt, und auch da gilt natürlich, was in der Lehre gilt, also das Diskutieren, das gemeinsame Sprechen ist was anderes, wenn man sich gegenübersitzt und im gleichen Raum miteinander spricht. Also ich hoffe, dass so ein bisschen die Zugänglichkeit vielleicht bleibt, die jetzt viele Formate gewonnen haben, indem sie sich wirklich online für Zuschauerinnen aus der ganzen Welt, ein bisschen dramatisch gesprochen, öffnen, dass ein bisschen was davon bleibt und wir dann trotzdem für die echten Diskussionen und Gespräche auch wieder zu der einen oder anderen Konferenz reisen dürfen. #01:02:24-6#
Speaker 1: Die Augen leuchten, das heißt, sie bilden sich gerne fort. Was würden sie gerne, jetzt mal fernab von Amerika? Was würden sie gerne einmal lernen? #01:02:40-9#
Speaker 2: Sprachen. Ich würde total gerne viel mehr Sprachen sprechen, als ich tue. Insbesondere Japanisch wäre so eine Sprache, die ich total gerne fließend sprechen könnte und vor allem auch lesen wollen könnte. Also das Sprachenlernen wäre für mich das große Ziel. Also ich finde Kommunikation einerseits wichtig, gleichzeitig geht in der Übersetzung, das wissen wir alle auch immer, irgendwas verloren an Kulturspezifik, und ich finde es eine so große Bereicherung, wenn ich auch gerade kulturelle Produkte in der Originalsprache verstehen kann, dass ich sagen würde, also was ich gerne lernen würde...Da wäre eine ganz lange Liste von sprachen Japanisch ganz vorne, weil es mich so als Kultur auch wahnsinnig interessiert, weil wir gerade auch ein Forschungsprojekt mit unserer Japanologie haben. Aber da könnte ich eine lange Liste machen an Sprachen, die ich sehr gerne sprechen und auch lesen können würde. #01:03:29-0#
Speaker 1: Oh ich auch! Wir haben normalerweise hier eine Meckerecke in diesem Podcast. Ich will heute aber mal nicht meckern, sondern an die Bilder, über die wir gesprochen haben, anknüpfen. Und ein weiteres Bild, was ich auch mit Amerika verbinde, ist, dass die erste Verordnung, das erste Gesetz, was der frisch gewählte amerikanische Präsident unterschreibt. Das ist ja doch immer so was sehr besonderes, was sehr auch zelebriert wird und eben Medial verbreitet wird. Wenn sie jetzt also, sie dürfen nicht amerikanische Präsidentin werden, weil sie sind in Deutschland geboren, aber sie können Bundeskanzlerin werden, wenn sie jetzt das erste Gesetz hätten, was wäre das? #01:04:13-6#
Speaker 2: Eine wahnsinnig schwierige Frage. Ich glaube tatsächlich, eines der ersten Gesetze, die ich gerne schaffen würde, wäre ein ganz umfassendes Gleichstellungsgesetz, das tatsächlich dafür sorgt, dass die Reformen, die wir gegen strukturellen Rassismus, gegen die Benachteiligung von Frauen und anderen Gruppen tatsächlich dringend bräuchten, dass wir das in Angriff nehmen und uns erst mal darauf verständigen, dass es diese Probleme tatsächlich gibt. Also das wäre Vieleicht sozusagen der erste Punkt, der symbolisch an so ein gesetztes Akt dranhängen würde, denn auch das ist ja nach wie vor eine Debatte, die wir auch in Deutschland führen. Gibt's das überhaupt auf struktureller, systemischer Ebene, dass das Menschen diskriminiert, ausgeschlossen werden? Also, ich glaube, ich würde versuchen, ein Gleichstellungs Gleichberechtigungsgesetz zu schaffen, dass die Grundlage für die tatsächlich dauerhafte Abschaffung struktureller Diskriminierungsmechanismen bildet, auf den Weg zu bringen. Und das könnte ich wahrscheinlich tatsächlich ich nicht als allererstes Gesetz machen, weil dann müsste man viel drüber diskutieren und nachdenken, wie man es macht. Das merke ich jetzt schon in dieser Antwort, dass man da weit ausholen müsste. Aber ich glaube, das wäre ein großes Anliegen, dass ich da einbringen würde. #01:05:22-6#
Speaker 1: Ich habe das Gefühl, wir haben noch ganz viel Gesprächsstoff, und ich bitte Sie, kommen sie wieder in eine neue Folge unseres Podcasts, wenn es einen neuen Präsidenten gibt, dass wir bitte weitersprechen, und wir haben noch lange nicht alle ihre Forschungsfelder gehört, darüber gesprochen. Da gibt's noch viel zu erfahren und zu lernen. #01:05:43-0#
Speaker 2: Ich komme sehr gerne wieder, und ich bedanke mich herzlich für das schöne Gespräch. #01:05:46-5#
Speaker 1: Ja, ich sage danke, und auf wiederhören, bis zum nächsten Mal. #01:05:51-9#
Speaker 1: Wir haben dieses Gespräch am Vormittag der ersten Debatte zwischen Donald Trump und beiden aufgenommen. Eine Woche später haben sich die Ereignisse gefühlt, überschlagen: eine Fernsehdebatte, die einen Tiefpunkt politischer Kultur markiert, und wenig später die positive COVID-19 Diagnose des Präsidenten. Wir haben Katharina Gerund um einen Kommentar gebeten, eine Einordnung, so vorläufig und temporär sie für diese erste Oktoberwoche sein kann. #01:06:40-8#
Speaker 2: Die Ereignisse in den Usa überschlagen sich. Einige Themen, die wir hier bereits vergangene Woche besprochen haben, sind noch einmal nachdrücklich hervorgetreten. Einige fragen stellen sich neu. Das erste Fernsehduell hat gezeigt, wie ungewöhnlich dieser Wahlkampf ist und bleibt und wie wenig sich der aktuelle Amtsinhaber um politische Rituale, Tatsachen und Diskussionskultur schert. Joe Biden versuchte teilweise mehr zu den Wählerinnen am Fernseher direkt zu sprechen, als sich auf eine Debatte mit einem Kontrahenten einzulassen, den auch ein verzweifelter Moderator, Chris Wallace vom, eigentlich, trumpnahen Sender Fox News, nicht unter Kontrolle bringen konnte. Dass sich der Präsident von rechtsradikalen Gruppierungen und weißem Überlegenheitsdenken nicht distanzieren will, schockiert. Es ist jedoch konsistent mit früheren Aussagen und seine wiederholten Versuchen, insbesondere linke Kräfte als gewaltbereite Unruhestifter zu verunglimpfen. Auf Twitter findet man derweil unter dem Hashtag Proud Boys kaum Informationen zu der gleichnamigen Gruppe, der Trump ein so prominentes Podium gab, sondern vielmehr Bilder schwuler Männer, ein Plädoyer für sexuelle Toleranz und eine kreative Gegenwehr, um den Rechtsradikalen nicht noch mehr Medienaufmerksamkeit zu geben. Mit der Erkrankung Donald Trumps an COVID-19 und seinem Krankenhausaufenthalt am Wochenende ist noch einmal klar geworden, wie wichtig die Kandidat*innen für die Vizepräsidentschaft in dieser spezifischen Konstellation sind. Umso mehr dürften Mike Pence und Kamala Harris im verbleibenden Wahlkampf in den Fokus rücken. Wir haben auch erneut gesehen, wie wichtig mediale Inszenierungen für den US-Präsidenten sind. Von seiner Videobotschaft aus den Räumen des Walter-Reed-Krankenhauses bis hin zu seiner umstrittenen Ausfahrt, um sich seinen fern zu zeigen, und zuletzt das demonstrative Ablegen seiner Maske bei der Rückkehr ins weiße Haus. Donald Trump scheint nun zu versuchen, seine Erkrankung zu nutzen, um Stärke zu demonstrieren und das Virus weiter herunterzuspielen. Welche Folgen das haben wird, darüber möchte ich hier nicht spekulieren. Wird der Präsident schnell und vollständig genesen? Wie wirken sich die vielen Infektionen im Umfeld des weißen Hauses auf die Regierungsarbeit aus? Welche Schlüsse ziehen die amerikanischen Wähler*innen aus den Ereignissen? Und wie wird die amerikanische Gesellschaft insgesamt die aktuellen Krisen überstehen? All das bleibt abzuwarten. Mehr denn je scheint mir nach den Entwicklungen der vergangenen Tage die Darstellung der Wahl als Schicksalswahl für Amerika angemessen. Es ist schlichtweg nicht zu leugnen, dass es am Dritten November um so viel mehr geht als nur um die Frage, wer die nächsten vier Jahre im weißen Haus residiert. #01:09:31-0#
Dieses Projekt/Diese Maßnahme/Initiative leistet einen wichtigen Beitrag, Nürnberg schrittweise inklusiver zu gestalten. Es/Sie ist Teil des Nürnberger Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Den Ersten Aktionsplan hat der Nürnberger Stadtrat im Dezember 2021 einstimmig beschlossen. Um die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in Nürnberg zu verwirklichen, wurden und werden umfangreiche Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Weitere Informationen finden Sie unter www.inklusion.nuernberg.de.

Die Amerikanistin spricht über den US-Wahlkampf, es geht um Bilder und Inszenierungen, Proteste und Erinnerungskultur sowie das Verhältnis von Politik und Wissenschaft.
Katharina Gerund ist Amerikanistin an der FAU Erlangen-Nürnberg. Sie beschäftigt sich insbesondere mit kultureller Mobilität, Populärkultur im transatlantischen Kontext sowie Fragen von 'race' und Gender in den USA. Im Gespräch erklärt sie, wie Donald Trump an die Macht kam, was an der Präsidentschaftswahl in diesem Jahr besonders ist und an welchen Fragen sich die amerikanische Gesellschaft spaltet. Im Beitrag liefert Katharina Gerund ein Plädoyer für einen differenzierten Blick auf die USA sowie für eine kritische Perspektive auf die amerikanische Politik und Kultur. Zudem spricht sie über Wissenschaft im postfaktischen Zeitalter sowie das Lehren und Forschen in Zeiten von Corona.
In einem nachträglichen Audiobeitrag kommentiert sie die Geschehnisse in der Woche zwischen dem 29. September und 6. Oktober 2020.
Im Podcast findet Erwähnung der Dokumentarfilm “Das Forum – Rettet Davos die Welt?” ein Film von Marcus Vetter (D 2019)
English and American Studies an der FAU
Am Bildungszentrum unterrichtet Dr. Katharina Gerund im Studium Generale.
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Aufgenommen am: Dienstag, 29. September 2020
Veröffentlicht am: Donnerstag, 8. Oktober 2020
Moderation: Dr. Anne Wasmuth
Im Gespräch: Dr. Katharina Gerund
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Alle weiteren Folgen von KontaktAufnahme – der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg finden Sie hier. Jede Woche, immer donnerstags, veröffentlichen wir ein neues Gespräch.
Wen sollen wir noch befragen - haben Sie Ideen und Anregungen? Oder möchten Sie Ihre eigenen „Glücksmomente“ (manchmal am Ende des Interviews zu hören) an uns schicken? Schreiben Sie uns an!