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Katharina Gerund, warum müssen Frauen in den USA erneut um ihre Rechte kämpfen?

Anne Wasmuth: Herzlich willkommen in der neuen Kontaktaufnahme! Mein Name ist Anne Wasmuth und heute haben wir eine Premiere. Wir haben zum ersten Mal eine Gesprächspartnerin bei uns, die schon einmal in unserem Podcast zu Gast war. In Folge 17 haben wir uns über die Frage und unterhalten: "Wie gespalten ist Amerika?" Sie ist akademische Rätin am Lehrstuhl für Amerikanistik, insbesondere nordamerikanische Literatur und Kulturwissenschaft. Seit 2016 verleiht die FAU einen Lehrpreis für herausragende Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler, die sich bei ihrer Lehre durch besonderes Engagement, hohe Qualität auszeichnen. Im letzten Jahr 2022, hat sie ihn bekommen. Herzlichen Glückwunsch und herzlich willkommen, Katharina Gerund! #00:01:08-9#

Katharina Gerund: Vielen dank. Ich freue mich wirklich sehr, dass ich wieder dabei sein darf! #00:01:13-2#

Anne Wasmuth: Wir saßen im Oktober 2020 zusammen. Das ist jetzt mehr als zwei Jahre her. Damals stand Amerika kurz vor der letzten Präsidentenwahl. Sie haben damals gesagt: "eine Schicksalswahl". Es ist unglaublich, was in den Tagen und Wochen unmittelbar nach unserem Gespräch passiert ist. Sie haben dann noch einen Kommentar für unsere Folge aufgenommen. Amerika hatte die Wahl zwischen Donald Trump und Joe Biden. Joe Biden, das ist bekannt, wurde der 46. Präsident der Vereinigten Staaten. Doch davor haben wir am 06. Januar 2021 dem Sturm gewalttätiger Anhänger von Donald Trump auf das Kapitol erlebt. Das war so gruselig, selbst hier in Nürnberg. Wie sehr stand Amerikas Demokratie damals am Abgrund? #00:01:58-7#

Katharina Gerund: War sicherlich ein ganz entscheidender Moment, und er ist ja auch noch nicht fertig aufgearbeitet. Also, ich glaube, die Frage, was an diesem Tag tatsächlich passiert ist, was das bedeutet, dass diese Gewaltbereitschaft sich hier entladen hat, dass dieser Sturm auf das Kapitol so erfolgt ist, das ist nach wie vor nicht aufgearbeitet, und ich glaube auch, dass die Gefährdung für die amerikanische Demokratie noch bei weitem nicht vorbei ist. Wir sehen ja jetzt gerade, dass sich abzeichnet, dass vielleicht wir eine Wiederauflage von Joe Biden gegen Donald Trump sehen im nächsten Wahlkampf. Joe Biden hat gerade ganz aktuell angekündigt, dass wieder Antritt. Das war zu erwarten, das hat sich angekündigt. Aber auch Donald Trump hat ja bereits verlauten lassen, sehr lautstark wie üblich, dass er auf jeden Fall nochmal Präsident werden möchte, und er hat ja auch gar keine schlechten Karten, von den Republikaner*innen erneut nominiert zu werden. Das heißt eigentlich, es ist unglaublich viel passiert, seit wir das letzte Mal gesprochen haben, und manche Fragen begleiten uns doch jetzt gerade noch so sehr weiter, weil sie weder ausgestanden noch eine zufriedenstellende Antwort gefunden haben. Ich finde es gerade ganz spannend, dass wir vielleicht wirklich erwarten können, dass im nächsten Wahlkampf eine Wiederauflage Biden/ Trump uns im Haus steht, und vielleicht auch damit die gleichen Fragen zur Zukunft der amerikanischen Demokratie, zur Überwindung der verschiedenen Spaltungen in den USA, dass diese Fragen alle überhaupt nicht vom Tisch sind und auch bei weitem nicht aufgearbeitet sind, in finaler Form. #00:03:29-3#

Anne Wasmuth: Und wir haben damals ja auch gesagt, oder Sie haben deutlich gemacht, wie wichtig auch die Funktion der Vizepräsidentin ist, weil wir haben es ja nach wie vor mit alten Männern zu tun, in dem Fall. Joe Biden hat mit Kamala Harris zuerst mal eine Frau zur Vizepräsidentin gemacht. Erste Frau, erste afroamerikanische und asiatisch amerikanische Personen in diesem Amt und nehmen bei auch die erste Frau, die immer für 85 Minuten alle Befugnisse des Präsidenten besaß, als diese sich eine der medizinischen Behandlung unterziehen musste und sediert war. In Deutschland ist sie vor ein paar Wochen anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz gewesen. Da habe ich sie zum ersten Mal so bewusster wahrgenommen. Bis jetzt ist so eine Frau wie Michelle Obama eigentlich präsenter, die ja gar keine offiziell gewähltes politisches Amt hatte oder er hat. Was ich weiß, ist, dass Joe Biden Kamala Harris mit dem Thema Einwanderungspolitik an der Südgrenze zu Mexiko betraut hat also nicht gerade so ein Thema, mit dem man im Blumentopf gewinnen kann. Wie wird sie in Amerika wahrgenommen? #00:04:33-4#

Katharina Gerund: Ich glaube, in den USA ist das gar nicht so unterschiedlich wie hier. Kamala Harris hat vielleicht noch nicht die großen Chancen gehabt, sich zu positionieren oder zu profilieren in der Öffentlichkeit bisher. Das liegt zum einen, glaube ich, daran, dass die Vizepräsidentschaft als Amt nicht sehr geeignet ist, sich ins Rampenlicht zu rücken. Also, wenn sie mal zurückdenken, fallen Ihnen Vizepräsidenten der Vergangenheit ein, die so richtig in Erscheinung getreten sind, die historisch und sofort noch einfallen, weil sie richtig wichtig waren. Es ist auch ein Amt, aus dem man heraus historisch gesehen selten die Präsidentschaft nochmal selber gewinnt, außer man rückt während einer Präsidentschaft nach, weil der aktuelle Präsident ausscheidet aus dem Abend, weil er verstirbt oder das Amt nicht mehr wahrnehmen kann. Es ist kein Amt um sich zu profilieren, ganz grundsätzlich, und dann hat Kamala Harris natürlich die spezielle Situation. Sie haben das angesprochen. Sie wird gesehen als eine Vertreterin der Frauen, als eine Vertreterin der amerikanischen Bevölkerung, als eine Vertreterin der asiatisch amerikanischen Bevölkerung. Das sind unglaublich hohe Erwartungen, die an sie geknüpft werden in einem Amt, das sich dafür nicht unbedingt anbietet, die auch erfüllen zu können. Und dazu kommt noch, dass sie tatsächlich auch, das haben Sie mit der Einwanderungspolitik schon ganz richtig angesprochen, auch nicht unbedingt Aufgaben hatte, mit denen sie jetzt die Chance hatte, sich hier in der Öffentlichkeit besonders stark zu inszenieren, und vieles ist dann auch medial gar nicht so groß wahrgenommen worden als sie war jetzt im März zum Beispiel auf einer Reise in Afrika durch afrikanische Länder, und das hat auch nicht so viel Aufmerksamkeit gezogen, wie man vielleicht hätte erwarten können. Was wir aber sehen, und das ist ganz interessant, also Joe Biden wird ja auch wieder mit Kamala Harris antreten. Sie ist sehr prominent gefeatured in seinem Video, mit dem er ankündigt, dass er wieder zur Wahl stehen möchte, und sie ist auch gleich an dem Tag, an dem Joe Biden angekündigt hat, dass er noch mal Antritt, um die Präsidentschaft auf einer Veranstaltung zu Abtreibungsrechten. Also ich denke, wir werden jetzt sehen, dass im Wahlkampf Kamala Harris ne viel größere Rolle einnehmen wird. Das hat mit dem Alter, das haben Sie schon angesprochen, des Kandidaten zu tun, des aktuellen Präsidenten zu tun, wo natürlich vielleicht die Frage, ja, wie würde eine Präsidentin Harris denn dann die Amtsgeschäfte führen, wenn es dauerhaft sein müsste, eine größere Rolle bekommt, aber auch, weil Joe Biden sie braucht, um bestimmte Gruppen anzusprechen: Frauen, afroamerikanische Wähler*innen, asiatische amerikanische Wähler*innen und so weiter. Also, ich denke, wir werden sehen, dass sie jetzt im Wahlkampf nochmal ne ganz andere Rolle spielt, viel mehr ideale Aufmerksamkeit noch mal auf sie sich richten wird, und das wird spannend sein zu sehen, ob sie sozusagen da liefern kann. Sie wird sicherlich nicht alle Erwartungen erfüllen können, das ist ganz klar. Aber ich denke, wir werden viel mehr von ihr sehen und hören, wenn es jetzt dann wirklich auf den Wahlkampf zugeht und klar ist und auch deutlicher werden muss, wofür sie sozusagen dann in einer nächsten Präsidentschaft Biden mit steht mit Eintritt, und welche Themen sie sich da vielleicht auch zu eigen machen kann, mit denen sie sich stärker profilieren kann. Und ich glaube, Frauenrechte wäre zum Beispiel auch ein Thema, das damit reinkommt. #00:07:40-4#

Anne Wasmuth: Das ist ein schönes Stichwort, was Sie mir gegeben. Wir haben ja eine Deutsche Außenministerin, die das Schlagwort "feministische Außenpolitik" bekannt gemacht hat, das auswärtige folgt und damit ja Länder, wie Kanada oder Mexiko, also direkte Nachbarländer von Amerika. Wie ist das in Amerika? Ist das dort Thema, beispielsweise von mehr aufgenommen oder kommentiert worden? #00:08:03-8#

Katharina Gerund: Also, mir wäre jetzt nicht bekannt, dass feministische Außenpolitik so ein ganz großes Schlagwort ist, das diskutiert wird auf breiter Front in den USA. Was tatsächlich da vielleicht interessant ist, ist die Frage, inwiefern feministische Anliegen ja auch ohne das Label schon seit längerer Zeit in der Politik benutzt werden, um Außenpolitik zu betreiben. Also gerade, wenn man sich überlegt, wo die USA global agieren oder ganz oft, ich denke auch noch mal, die Kriege in Irak und Afghanistan, Frauenrechte sozusagen mit in die Legitimationsstrategie genommen werden. Der Gedanke, man müsste dort ja auch die Frauen befreien und sozusagen von der patriarchalen Unterdrückung erlösen, ein Stück weit. Das ist ja durchaus ein Argument, dass die Außenpolitik in der jüngeren Geschichte öfter benutzt hat, ohne dass natürlich feministische Außenpolitik zu nennen, was auch noch mal was anderes wäre. Denn hier wäre natürlich Frauenrechte auch vorgeschoben, um Begründungszusammenhänge herzustellen und Dinge zu rechtfertigen. Aber das sozusagen feministische Argumente in der Außenpolitik benutzt werden, um sie zu rechtfertigen, das ist, glaube ich, durchaus eine recht gängige Praxis geworden an ganz unterschiedlichen Stellen. #00:09:12-0#

Anne Wasmuth: Mhm, wir haben jetzt über Kamala Harris geredet. Welche anderen Frauen sind wichtig in der amerikanischen Politik oder Gesellschaft? Also, in unserem ersten Podcast haben wir ja zum Beispiel über Ruth Bader Ginsburg gesprochen, die damals gerade verstorben war, die erste Richterin am supreme court . Wer spielt noch so in dieser Liga? #00:09:31-8#

Katharina Gerund: Wer auch spannend sein wird zu beobachten, Ketanji Brown Jackson die erste Afroamerikanerin, die jetzt im obersten Gerichtshof von Joe Biden ernannt wurde und ihr Amt angetreten hat und die auch in dem Video vorkommt, um sich zu profilieren, dass er hier sein versprechen, nämlich dass er als nächstes eine schwarze Frau nominieren wird, ein wichtiges Amt auszufüllen, dass er hier geliefert hat. Das heißt, das ist auf jeden Fall eine öffentliche Figur, auf die es sich lohnt zu schauen, und insofern ist das eine Stelle. Und das andere was interessant ist, ist, dass wir ja gar nicht so viele Frauen an vielen Stellen haben. Also, wir haben in den letzten Wahlen immer wieder auch gehört, dass mehr Frauen angetreten sind, gerade auch auf Bundesstaatenebene, aber auch bei den landesweiten Wahlen, und ich habe heute noch mal die Zahlen rausgesucht. Wenn wir auf den aktuellen Senat, das aktuelle Repräsentantenhaus schauen, dann haben wir da Frauenquote von 27,3 Prozent. Das heißt, konkret sind jetzt 24 Senatorinnen im Senat und es gibt 122 abgeordnete, weibliche Abgeordnete im Repräsentantenhaus. Das heißt, was ganz wichtig, glaube ich, ist, in der Beobachtung ist, dass wir einerseits diese herausgehobenen Frauenfiguren haben wie Kamala Harris und vielleicht auch Jill Biden als First Lady. Personen wie Ketanji Brown Jackson und eben Kamala Harris aber dass wir eben sozusagen auch noch nicht sehen, dass Frauen in der Politik irgendwie gleichberechtigt vertreten sind, was die Zahlen angeht und was sozusagen auch den Einfluss an verschiedenen Stellen angeht. Das heißt, ein Blick kann gehen auf diese wichtigen Frauen, die jetzt eben wie Kamala Harris Glasdecken einreisen und neue Positionen einnehmen, und gleichzeitig darf man darüber auch nicht vergessen, dass auch Zahlen in Unterschied machen und dass die Anzahl der Frauen, die wirklich auch in der Politik vertreten sind und Mitreden, immer noch auf jeden Fall zu gering ist, wenn wir da draufschauen. #00:11:23-1#

Anne Wasmuth: Mhm, dann schauen wir auf die kleine Zahl und vielleicht auch historisch gesehen gibt es so ein Startpunkt oder historisch einfach bestimmte Daten, Momente, Begebenheiten, wo man sagt, die sind oder wo man sieht, hier sind Frauen aufgestanden, die haben sich bemerkbar gemacht, hier wurde ihnen Recht zugestanden, was ihnen bisher verwehrt geblieben ist. Also in Deutschland denke ich zum Beispiel ans Wahlrecht oder sowas, was, was ist da in der amerikanischen Geschichte wichtig? #00:11:52-3#

Katharina Gerund: Große Frage, da könnte ich jetzt eine Stunde drüber reden, wenn wir die Zeit hätten. Ich fange gleich tatsächlich mit der Wahlrechtsfrage an. Es ist natürlich ganz essenziell und wir hatten ja auch gerade in den USA sozusagen das hundertjährige Jubiläum. Das Wahlrecht für Frauen wurde 1920 eingeführt mit dem entsprechenden Verfassungszusatz, und was ich da nur vorweg sagen möchte, das sind ganz wichtige Meilensteine. Also die Tatsache, dass in der Verfassung festgelegt ist, dass Frauen wählen dürfen, ist ein unglaublich wichtiger Meilenstein. Gleichzeitig haben Frauen jahrzehntelang darauf hingearbeitet, diesen zu erreichen. Tatsächlich haben Frauen auch vorher schon einfach gewählt und sich sozusagen das Recht einfach genommen. Das sind Ausnahmefälle. Das ist natürlich nicht auf breiter Front passiert. Aber ich denke daran, dass man auch schon für das Jahr 1800 zum Beispiel nachweisen kann, das bis zu 100 Frauen an verschiedenen Stellen an tatsächlichen Wahlprozessen einfach teilgenommen haben, obwohl sie keine rechtliche Basis dafür hatten. Ich denke an die Frauenrechtler Susan Anthony, die 1872 wählen ging, genau in dem Jahr, in dem auch zum ersten Mal eine Frau für die Präsidentschaft antrat. Auch da, es gab keine rechtliche Grundlage, auf der Susan Anthony wählen gehen konnte. Es gab keine rechtliche Grundlage, auf der Victoria Woodhull wirklich sagen könnte, ich möchte gerne Präsidentin werden, und trotzdem haben diese Frauen das getan und sie wurden sanktioniert dafür. Susan Anthony wurde verurteilt, dafür, dass sie einfach wählen ging, und sie ist ein, 2020 von Präsident Trump begnadigt wurden. Frauen haben es schon immer gemacht, Frauen haben sich gegen diese Beschränkungen zur wehr gesetzt, teilweise mit deutlichen Konsequenzen, die sie zu spüren bekommen haben, und auch das führt eben dann dazu, dass so Meilenstein überhaupt erreicht werden kann. Also, das hat eine ganz lange Vorgeschichte an Aktivismus, an politischem Agieren und an ja von Frauen, die gesagt haben, ich mach das jetzt einfach, und wir schauen mal, was passiert. Das heißt, das ist immer so eine ganz lange Vorgeschichte zu diesen Meilensteinen, die man markieren kann. 1920 wäre eine. Eine andere Geschichte, die diesen den langen Kampf auch um Frauenrechte gut belegt ist. Ein anderer Verfassungszusatz, der sehr lange in der Wache ist und bisher immer noch nicht realisiert ist, nämlich das Equal Rights Amendment. Das wurde 1923 zum ersten mal eingebracht in den Kongress, also ein Verfassungszusatz, der Frauen gleiche Rechte unter der amerikanischen Verfassung zusichern sollte und damit auch Formen der Diskriminierung verhindern sollte. 1923 ist dieses Anliegen schon im Kongress gescheitert. Der nächste Anlauf für das Equal Rights Amendment kam dann in den 70er Jahren, natürlich auch getragen durch die Frauenbewegung des mittleren 20. Jahrhunderts, durch den Aktivismus, den wir der Zeit gesehen haben, mit einem neuen Interesse auf die Rechte von Frauen, auch in der breiten Öffentlichkeit. 1971 hat dieses Equal Rights Amendment dann durch die beiden Kammern geschafft, wurde auch mit Unterstützung beider Parteien eigentlich sehr deutlich befürwortet und ging dann an die Bundesstaaten. Also, jeder Verfassungszusatz muss dann auch von einer Mehrheit der Bundesstaaten ratifiziert werden, bevor er gültig wird. Und wir sehen eine ganz spannende Entwicklung, nämlich dass bis in die späten siebziger Jahre 35 Bundesstaaten relativ zügig das Equal Rights Amendment ratifizieren. Das ist aber nicht die notwendige Mehrheit. Es hätte drei mehr gebraucht. Die drei mehr, die kamen jetzt erst nach 2016 dazu, also wirklich eine lange Pause, in der das nirgendwo anders mehr ratifiziert wurde, nämlich in Nevada, Virginia und Illinois, die nach 2016 jetzt noch das Equal Rights Amendment ratifiziert haben. Und da hängen jetzt spannende rechtliche Fragen dran. Es gibt die einen, die sagen, jetzt haben wir 38 Bundesstaaten, die das ratifiziert haben. Damit ist es Teil der Verfassung. So einfach ist es aber nicht, denn in der Regel gibt es eine Frist, innerhalb der diese Ratifizierungen zu erfolgen haben und die ist natürlich 2016 längst abgelaufen. Das heißt, es stellt sich die Frage, wie geht man damit verfassungsrechtlich um? Und noch komplizierter wird es, wenn man sieht, dass in der Zwischenzeit fünf der Staaten, die es ursprünglich ratifiziert haben, dass eigentlich wieder zurücknehmen wollten, dass sie es ratifiziert haben, wo auch nicht ganz klar ist, was das rechtlich eigentlich bedeutet, ob die das können, in welcher Form das sozusagen zu berücksichtigen ist. Das heißt dieses Equal Rights Amendment, dass seit 1923 von Frauenrechtlerinnen, von Politikerinnen unterstützt wurde und getragen wurde, bis heute eine offene Angelegenheit ist, und es zeigt auch wirklich sehr schön, wie prekär Frauenrechte sind. Also, wir kommen sicherlich noch auf das Thema Abtreibungsrecht und die Änderungen, die sich aus dem Urteil des obersten Gerichtshofs ergeben, als "Roe vs Wade" sozusagen überworfen hat, eine neue Gesetzgebung in dieser Hinsicht ja verankert hat und Frauen das Recht auf Abtreibung auf dieser Ebene erst mal genommen hat. Aber also, man sieht wirklich, wie prekär diese erkämpften Rechte sind und wie sehr sie einer kontinuierlichen Anstrengung bedürfen, um erhalten zu bleiben. Und ich glaube, das ist eben in den letzten Jahren vielleicht auch noch mal sehr schmerzlich bewusst geworden, an vielen Stellen mit Blick auf die USA, dass eben die diese Rechte, wie sie festgeschrieben wurden, eben doch immer noch mal wieder angefochten werden können und immer wieder neu verteidigt werden müssen. Also, es ist einfach eine lange Geschichte des Kämpfen, des Aushandelns, und man kann diese Meilensteine markieren und muss trotzdem sozusagen vorsichtig sein, dass man sieht, da gibt's viel Vorlauf. Die meisten Aktivistinnen, die 1870 für das Wahlrecht gekämpft haben, haben das selber gar nicht mehr erlebt, dass das sozusagen Politik wurde. Das ist wirklich lange, lange Geschichte, und gleichzeitig ist es nur, weil es einmal irgendwo verankert ist, auch nicht unumstößlich, und man muss ganz arg darauf achten, was sind die Gegenstimmen, die Aktionären stimmen, die auch wieder dagegen arbeiten, dass diese Rechte erhalten bleiben. Also, das ist ein ganz schwieriger Prozess, und einer, der natürlich auch spannend ist, zu beobachten, wie sich das entwickelt, wann Erfolge verbucht werden können und dann eben auch die Gegenwehr so groß ist, dass sich weitere Frauenrechte gerade nicht durchsetzen lassen oder zumindest auf höchster Ebene erst mal nicht wahrgenommen werden. #00:18:05-3#

Anne Wasmuth: Ja, bleiben wir da gerne bei und reden über die Gegenwart. Was sind dann so Themen? Sie haben gesagt: Abtreibungsrecht, das ist jetzt so ganz aktuell sozusagen auf der Agenda. #00:18:15-5#

Katharina Gerund: Genau also, das Abtreibungsrecht wird eine ganz große Rolle spielen, auch jetzt im nächsten Präsidentschaftswahlkampf. Das ist relativ klar. Wir haben das auch schon bei den Zwischenwahlen gesehen, dass wirklich die Entscheidung des obersten Gerichtshofs, mit dem das sozusagen Bundesweit das Recht von Frauen auf Abtreibung und damit auch auf ihren Körper zurückgenommen wurde, nachdem man eigentlich dachte, dass es, relativ stark mit "Roe Wade" verankert, nach dem Stehen lang Frauen Zugang zumindest in gewissen Umfang zu Abtreibungen ermöglicht hat, und das hat unglaublich gut mobilisiert in den Zwischenwahlen. Also, es ist sicherlich ein Faktor, warum der erwartete Landslide für die Republikaner*innen nicht so kam, wie einige ihn erwartet haben, weil das Thema Abtreibung gerade demokratische Wähler*innen extrem mobilisiert hat und ganz wichtig war, also einer von vielen Faktoren. Aber es ist durchaus ein Faktor, der dann Rolle spielt, und es wird jetzt interessant sein, ob sich diese Aktivierung, diese Mobilisierung auch hält für den Präsidentschaftswahlkampf. Es ist sehr deutlich, dass Joe Biden und Kamala Harris das zu einem Thema machen werden, dass die Demokratinnen das zu einem Thema machen werden, dass sie ganz stark positionieren im Wahlkampf, und es ist ein Thema, das zwangsläufig Frauen auf allen Ebenen beschäftigen muss, würde ich fast sagen. Also, wir haben seit dieser Entscheidung letztes Jahr des obersten Gerichtshofs jetzt gesehen, dass inzwischen 14 Bundesstaaten restriktive Gesetze erlassen haben, was den Zugang zur Abtreibung angeht, bis dahin, dass die meisten das komplett verbieten und damit natürlich auch kriminalisieren das Menschen, die Frauen helfen, Frauen, die Abtreibungen versuchen zu bekommen. Das ist auf allen Ebenen wirklich, weil es in die Lebensrealität von Frauen so stark einwirkt, ein ganz wichtiges Thema, und ich glaube, es wird uns noch lange begleiten, weil jetzt wirklich auf Bundesstaaten Ebene, auf lokaler Ebene dann auch mal wieder neu verhandelt werden muss. Also, es war immer ein strittiger Punkt, also auch in den letzten, also vor der Entscheidung, wurde natürlich kritisch und kontrovers über Abtreibungsrecht diskutiert. Aber es gab eben zumindest dieses verbriefte Recht, das nicht überall wirklich hieß, dass Frauen Zugang zur Abtreibung hatten. Also manchen Bundesstaaten hatten, gab es auch 2016 schon nur noch eine einzige Klinik, die Abtreibungen durchgeführt hat. Da kommt es auch sehr stark darauf an, wo man lebt, welchen Zugang man zu dieser gesundheitlichen Versorgung auch hat. Aber was wir jetzt eben sehen, ist, dass die Gesetze auf Bundesstaaten Ebene scharf gestellt werden an den meisten Stellen, an anderen Stellen versuchen die Bundesstaaten, die eher demokratisch geführt sind, das Recht auf ihrer Ebene zu verbriefen und zu sagen, wenn es schon über den obersten Gerichtshof keine Sicherheit mehr gibt, schreiben wir das unsere bundesstaatliche Verfassung und garantieren die Versorgung, die sie brauchen, und den Zugang zur Abtreibung, wenn sie ihn denn benötigen. Also, es geht natürlich in beide Richtungen, aber wir sehen wir diese ja doch große Zahl an 14 Staaten, die jetzt einfach dieses Recht massiv eingeschränkt haben, teilweise wirklich ohne jegliche Ausnahmeregelung, und das ist, finde ich, beunruhigende Entwicklung. Das ist eine Entwicklung, die wir ganz genau beobachten müssen und wo man sieht, das wieder stärker Aktivismus auch dagegen natürlich entsteht. Es wäre auch nicht so, als ob alle Frauen und Politikerinnen das einfach akzeptieren würden, dass diese Rechte eingeschränkt werden. Aber ich denke, dass es ein Kampf ist, der jetzt auf verschiedenen Ebenen auch wieder über eine sehr lange Zeit ausgefochten werden muss, und insofern das Thema Abtreibung war schon immer eins, was in den amerikanischen Wahlen eine große Rolle gespielt hat, weil es einfach ein sehr kontroverses Thema ist, das auch wirklich mit sehr schwierigen moralisch ethischen Fragen zusammenkommt, und ich denke, das wird sich jetzt gerade noch mal verschärfen, oder wir können das auch schon beobachten, dass das wirklich eins der Themen ist, das ganz sehr im Vordergrund stehen wird. #00:22:00-4#

Anne Wasmuth: Aber bleibt das dann immer bei diesem Thema Abtreibung? Also dass dann auch so das Bild vermittelt wird, das sind jetzt irgendwie alle Frauen, die wollen abtreiben. Oder ist es eigentlich ja auch die Geschichte dahinter? Also wo ich denke, dass auch in Deutschland, dass, wenn man dafür eintritt, ja eigentlich nicht darum geht, ich will jetzt unbedingt abtreiben, sondern ja eigentlich so die Speerspitze dessen ist, was kommt danach, oder? #00:22:19-6#

Katharina Gerund: Genau Sie haben völlig recht, und das ist natürlich auch die große zusätzliche Gefahr, die dahinter steht. Es geht ja nicht in dem Sinne nur um Abtreibungen. Es geht ja darum, dass damit einfach Frauen an vielen Stellen das Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper abgesprochen wird, dass Frauen auf eine gewisse Art entmündigt werden, weil sie eben diese wirklich schwierige Entscheidung nicht mehr selber treffen können, in vielen Fällen oder dürfen nach diesen Gesetzen. Das heißt, das ist natürlich eine Frage, die viel größer ist, weil sie tatsächlich sich da beschäftigt. Wie sieht ein fairer Zugang zu gesundheitlicher Versorgung aus? Welche Möglichkeiten haben Frauen, über ihre eigene Gesundheit, über ihren eigenen Kopf zu bestimmen? Und da hängen noch viel weiterführende Fragen dran, nach der Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln, überhaupt dem Recht, die Rechte sozusagen für sich reklamieren zu können, und das sehen wir jetzt natürlich auch in den Debatten um: Dürfen Abtreibungspille noch versendet werden in Staaten, in denen das verboten wurde. Darf ein Gericht entscheiden, ob ein Medikament zugelassen ist, das eigentlich von der FDA zugelassen ist und als sicher eingesetzt wird an verschiedenen Stellen. Da hängen natürlich auch noch Folgefragen dran, die sozusagen sich um dieses Thema der Abtreibung ranken oder sich daran anknüpfen lassen, aber die viel weitreichender sind und viele weiteren Folgen auch haben. Für die Gesundheitsversorgung von Frauen und auch für sozusagen generell die reproduktiven Rechte in den USA. Also, ich denke, es ist so ein Kombinationspunkt, an dem sich vieles ablesen lässt und sich natürlich auch vieles kontrovers diskutieren lässt, und gleichzeitig geht es natürlich nicht nur um diesen spezifischen Eingriff und den Zugang dazu, sondern wirklich um die Fragen, die sich anknüpfen und die wirklich auch bedenklich sind, wenn man überlegt, also die Kriminalisierung von Personen, die Frauen hier vielleicht helfen könnten, die den Zugang von Frauen zu dringend notwendiger gesundheitlicher Versorgung. Das sind Fragen, die wirklich noch viel weitreichender sind und das klingt komisch, weil natürlich schon jede Entscheidung über eine Abtreibung eine unglaublich weitreichende und relevante ist. Das Thema der Abtreibung hat viel größere Auswirkungen, was die Rechte von Frauen angeht. #00:24:26-0#

Anne Wasmuth: Aber wer entscheidet das dann? Sie haben ziemlich früh jetzt schon gesagt, diese Rolle von Berufung von Personen in Gerichte, also werden tatsächlich Entscheidungen in Washington getroffen oder dann doch auf Bundesebene oder wirklich politische Gremien? Oder bei den Verfassungsorganen, also in den Gerichten? #00:24:49-0#

Katharina Gerund: Ja, ja, das ist eine spannende Frage. Also, was wir jetzt mit dem Ende sozusagen von Roe v. Wade sehen, ist das wirklich die Bundesstaaten anders in der Pflicht sind, das selbst für sich zu entscheiden? Das ist ja auch das Legitimations Argument oder ein Begründungshorizont, den der oberste Gerichtshof herangezogen, hat es zu sagen. Sie geben da mit den Bundesstaaten ihre Rechte wieder, dass das nicht einmal einheitlich für die gesamte Nation festgelegt ist, sondern dass jeder Bundesstaat entscheiden darf, wie dort mit dem Thema umgegangen werden soll mit dem Thema Abtreibung. Das heißt, was wir jetzt sehen, ist, dass in verschiedenen Bundesstaaten neu verhandelt werden muss und, wie Sie richtig sagen, genau in einer Auseinandersetzung zwischen was dürfen die Gerichte festlegen, was ist eigentlich eine politische Entscheidung, und wer darf da über welche Sachverhalte befinden? Und das sieht man tatsächlich darin, das auch wirklich um die Besetzung von hohen Posten auch in den obersten Gerichtshöfen der Bundesstaaten, dass jetzt so ein großes Thema also, ich denke jetzt an Wisconsin, wo vor kurzem eine Richterin neu gewählt wurde, an den obersten Gerichtshof des Bundesstaates. Die ist sozusagen damit angetreten zu sagen, wenn ich in diesem obersten Gericht sitze, dann werde ich mich auch für das Recht auf Abtreibung einsetzen. Das heißt, da sehen wir ein Beispiel, wo es uns auch wirklich bei der Wahl einer Richterin nochmal darum ging, wie steht sie zum Thema Abtreibung? Welche Position vertritt sie dort? Der Bundesstaat hat eigentlich ein Gesetz, wo es automatisch ein Gesetz wieder auflebt, dass schon vor Roe Wate beschlossen wurde und den Zugang zu Abtreibung massiv einschränkt und es jetzt ganz viele Bestrebungen gibt, das sozusagen neu zu regeln auf der Ebene des Bundesstaates, das hier wieder Zugänglichkeit besteht für die Frauen und Versorgung. Aber man sieht das wirklich. Der Wahlkampf dort um, sozusagen dieses Amt der Richterin war ganz geprägt von dem Thema Abtreibung, und es war sozusagen wirklich das Thema, das dominiert hat in der Bewertung der Kandidaten, in der Bedeutung diese Wahl haben könnte für die Rechte in dem Bundesstaat, und wir sehen da einfach jetzt gerade wirklich umkämpfte und spannende Aushandlungsprozesse auf ganz unterschiedlichen Ebenen, die vielleicht auch dahingehend noch mal Konsequenzen haben werden, dass sich vielleicht nochmal neu oder anders regelt, wer diese Entscheidungen tatsächlich konkret wo trifft. Und letztlich kommt natürlich aber auch immer noch die Ebene hinzu von Aktivistinnen und Ärztinnen, die tatsächlich konkret mit solchen Fällen betraut sind. Denn auch da gibt es jetzt neue Entscheidungen, die zu treffen sind. Also wer macht sich wie strafbar, unter Umständen in der Unterstützung für Frauen, ihre gesundheitliche Versorgung? Also, das lässt sich wirklich runter dividieren bis auf eine neue Entscheidungsbasis, die wirklich ganz alltägliche und wichtige Entscheidungen im Leben von Menschen beeinflussen und wo das jetzt auch neu sozusagen verhandelt wird, im Alltag in ganz pragmatischen Entscheidungs zusammenhängen. Also ich denke, da ist gerade sehr viel in Bewegung, und ich habe leider noch keine befriedigende Antwort, die ich Ihnen jetzt sagen könnte, da wird das entschieden, und da und da wird sich das entscheiden. Ich denke, das wird jetzt gerade auf unterschiedlichen Ebenen ausgehandelt, und es bleibt abzuwarten, wie sich das dann vielleicht in klarere Formen entwickelt. Jetzt gerade ist auch einfach sehr viel Unruhe auch durch diese große Entscheidung, diesen großen Einschnitt in Frauenrechte entstanden, und da passiert auch quasi, ja eigentlich wöchentlich was neues. Also, ich habe sozusagen vor zwei Tagen über das Thema gesprochen, und da waren es noch 13 Bundesstaaten, dieses neue Gesetze auf den Weg gebracht haben, jetzt sind das 14. Es wird sich in zwei Wochen, wenn dieses Gespräch sozusagen ausgestrahlt wird, noch mal irgendwas geändert haben. Also, es passiert unglaublich viel, und vieles ist, glaube ich, noch nicht so gesettelt, dass man jetzt sagen kann, so funktioniert das jetzt oder so wird sich das jetzt einspielen, sondern das müssen wir einfach auch erst mal noch ein bisschen beobachten. #00:28:36-5#

Anne Wasmuth: Was ich sehr spannend finde, ist ja generell das amerikanische Wahlsystem, und eben auf das fängt ja schon an mit dem Zuschnitt der Wahlbezirke, und was man ja doch gesehen hat, ist, dass die Republikaner sehr, sehr viel dafür getan haben, die Wahlbezirke so zurechtzuschneiden, dass sie eigentlich gewinnen müssen, dass es eine sichere Nummer für sie ist. Damit werden beschlossen, die von der Mehrheit der Amerikanerin eigentlich anders gesehen wird. Also erstmal stimmt es, und anderen lassen sich die Amerikaner*in so dieses Vorgehen auch so gefallen. #00:29:10-2#

Katharina Gerund: Das ist eine gute Frage. Also, die Wahrnehmung ist sicherlich richtig. Also, wenn man sich anguckt, was in Umfragen regelmäßig Amerikaner*innen sagen, dann sind sehr viele Schulen dafür, dass Frauen das Recht auf ihren eigenen Körper haben. Es gibt auch eine große Mehrheit der Bevölkerung nach wie vor, die für eine Verschärfung der Waffenrechte eigentlich offen ist und das vielleicht sogar auch befürworten würde. In der großen Politik sehen wir, dass quasi beide Themen da nicht unbedingt an vorderster Front stehen, immer durchgängig, und dass auch die politischen Entscheidungen in diese Richtung, also gerade auch schärfere Waffengesetze, gehört, zu den Dingen, die Joe Biden jetzt auch erstmal nicht umsetzen kann, obwohl er auch dafür ein Stück weit angetreten ist. Das heißt, das, was im politischen Gestalten tatsächlich passiert, spiegelt nicht zwingende Mehrheitsmeinung wider. Das hat auch mit dem Wahlsystem zu tun, nicht nur, sondern auch mit anderen politischen Strukturen, Lobbyismus und anderen Einflüssen, die Politik eben auch mit prägen, jenseits öffentlicher Meinungen. Aber es hat sicherlich auch damit zu tun, dass natürlich die Entscheidungen, wer an der Macht ist, ganz stark über die Zuschnitte dieser Wahlbezirke beeinflusst werden können und damit auch ja der Wille der Bürger*innen sozusagen nicht gleichermaßen gut gespiegelt wird in den Wahlergebnissen. Das haben wir auch in den Präsidentschaftswahlkämpfen gesehen, wo derjenige, der am Schluss das Amt angetreten hat, nicht unbedingt die meisten Stimmen bekommen hat in der sogenannten Popular Boot. Das heißt, diese Differenz zwischen dem, was eine Mehrheit der Wähler*innen eigentlich kundtut, dass sie möchte, und dem, was dann politisch umgesetzt wird, dies auf jeden Fall da, und die Not ist sich auch immer wieder zu beobachten, um so zu verstehen, wo steht die Gesellschaft, was wird da gerade verhandelt, von welchen Wortführerinnen? Das ist auf jeden Fall ein ganz wichtiger Punkt, den sie da ansprechen. #00:30:55-0#

Anne Wasmuth: Waren oder sind diese Themen, die wir schon gerade besprochen haben allgemein gesagt, Themen, die die Rolle der Frauen in Amerika betreffen, etwas, was diese auch miteinander verbindet, egal, ob ich jetzt afrikanisch, lateinamerikanisch bin, ganz egal, welchen Hintergrund oder Wurzeln ich als Frau mitbringe? #00:31:20-2#

Katharina Gerund: Der Gedanke, dass Frauen sich sozusagen als Gruppe sehr weitreichend solidarisieren können, ist erst mal ein sehr verführerischer. Gleichzeitig in der Realität sehen wir natürlich, dass es ganz viele konkurrierende Anliegen gibt, auch unter verschiedenen Frauengruppen oder Gruppierungen, würden es angucken, wie die übliche feministische Geschichtsschreibung in den USA funktioniert, also Standard narrativ, in dem Frauen sich organisieren. Wir haben es schon angesprochen, um das Wahlrecht zu erkämpfen. Dann geht's dann natürlich um weiße Frauen und weiße Frauen einer bestimmten Schicht. Viele schwarze Frauen waren für einen Großteil des 19. Jahrhunderts versklavt und hatten überhaupt gar keine Möglichkeit, sich in der gleichen Form zumindest an diesem Anliegen zu beteiligen. Man sieht auch, dass sozusagen bis ins 20. Jahrhundert schauen wir kurz auf das "Women Liberation Movement" in den 60er-Jahren. Auch das ist eine Bewegung, ganz stark getragen von weißen Frauen einer bestimmten Schicht, und viele schwarze Frauen haben auch zu dieser Zeit schon gemerkt, dass sie eigentlich das Gefühl haben, sie müssen sich zwischen zwei Bewegungen entscheiden. Das "Equal Rights Amendment" erschien erstmal sehr männlich dominiert. Die Frauenbewegung schien sehr weiß dominiert. Entsprechend sieht man schon, dass das so einfach gar nicht ist und dass eben zum Beispiel auch weiße und afroamerikanische Frauen zum Teil sehr unterschiedliche Anliegen haben in den verschiedenen Situationen und sich auch nicht zwingend gegenseitig immer gut gehört haben. Das gilt für die weißen Frauen wahrscheinlich deutlich mehr, die ihre Rechte und ihre Interessen da vertreten haben. Das heißt, wir sehen eigentlich eine Pluralität von Feminismen im Plural, die sich ausbilden, also spezifisch afroamerikanische Bewegungen. Wir sehen spezifisch eben Weiße, die oft als die dominante Frauenbewegung wahrgenommen werden, und wir sehen, dass hier ganz oft Interessen einfach auch nicht für alle Frauen gleichermaßen so markiert werden können. Und wer das nachlesen möchte, da würde ich, glaube ich, einen kurzen Literaturtrip unterbringen. Es gibt ein ganz wunderbares Buch, das ist schon ein paar Jahre alt, aber immer noch super relevant in der Hinsicht mit Blick auch auf die USA, nämlich von Gabriele Dietze, das heißt: "Weiße Frauen in Bewegung, Genealogien und Konkurrenzen, von Race und Genderpolitiken", 2014 erschienen. Das ist eine wunderbare Studie, die genau zeigt, exemplarisch auch, wie diese konkurrierenden sozialen Anlegen und Bewegungen eben genau zeigen, dass diese Gruppe an Frauen, die sich so ganz breit und über alle Differenzen hinweg solidarisiert, so eigentlich nie gegeben hat, und dass das deutlich komplexer ist, welche Interessen verschiedene Frauen auch vertreten, und für sich reklamieren, wenn sie anders vorhin besprochen, "Equal Rights Amendment" denken. Es waren auch ganz viele republikanische und konservative Frauen, die sich gegen das "Equal Rights Amendment" stark gemacht haben. Schon damals, in den 70er Jahre, gab es eine große Gegenbewegung konservativer Frauen, die diesen Verfassungszusatz, der eigentlich Frauenrechte sichert und Gleichberechtigung sicherstellen sollte, nicht unterstützt haben. Das heißt ja, der Gedanke ist sehr schön und in der Realität gibt es einfach so unterschiedliche Positionalitäten, so unterschiedliche Lebensbedingungen und unterschiedliche Interessen, dass diese Idee einer ja universellen, fast Frauensolidarität eigentlich da kaum einen Boden hat, den man so einfach annehmen konnte. #00:34:39-9#

Anne Wasmuth: Gibt es dann auch republikanische Feministinnen? #00:34:43-6#

Katharina Gerund: Spannende Frage also, es gibt auf jeden Fall Republikanerinnen, die sich als Feministinnen bezeichnen. Der Feminismus ist ja auch ein Begriff geworden, der sich in ganz unterschiedlichen Kontexten, von der Popkultur bis zu verschiedenen politischen Lagern, eigentlich angeeignet wurde. Das heißt auch, da gibt's ja so eine Aushandlung, so ein Kampf darum über eine Deutungshoheit, was heißt eigentlich Feminismus. Insofern würde ich sagen, es gibt sicherlich Frauen auch bei den Republikanerinnen, die sich als Feministinnen begreifen würden, und es gibt da ja auch Frauen, die sich sehr stark positionieren als Persönlichkeiten, die auch Führungsqualitäten haben und die auch im politischen Betrieb mitreden wollen, die somit eigentlich auch allein durch ihre Präsenz ihre Ansprüche, die sie geltend machen, natürlich eine gewisse Form von Frauenrechten auch verkörpern können. Also ich denke jetzt auch zum Beispiel ganz konkret an Nikki Haley, die sehr früh gesagt hat, sie wird gegen Donald Trump antreten und sich als Präsidentschaftskandidatin jetzt der Republikaner*innen positionieren möchte. Auch als Frau mit einem vielleicht Frauenbild, das nicht viele Demokrat*innen teilen würden, oder dass durchaus spezifisches ist, um auch die Wählerschaft in den republikanischen Reihen anzusprechen, sich das gleiche Frauenbild, dass viele andere Feministinnen haben. Aber es ist natürlich auch eine Frau, die sich erst mal jetzt da positioniert hat, die ihren Hut in den Ring geworfen hat und die jetzt natürlich keine großen Chancen hat, da irgendwie zu bestehen. Aber es zeigt sich natürlich, dass Frauen an ganz unterschiedlichen politischen Positionen für sich Raum beanspruchen, Mitspracherecht beanspruchen und somit eigentlich sich da breit positionieren. Also, es gibt Feminismen aller Art, würde ich fast sagen, ein bisschen locker, und das ist interessant hinzuschauen, was genau denn damit gemeint ist und wie Frauen an ganz unterschiedlichen politischen Positionen das auch für sich interpretieren und reklamieren. #00:36:36-2#

Anne Wasmuth: Bleiben wir vielleicht kurz noch beim Feminismus oder dem, was ihm zugeschrieben wird. So ein Stichwort ist die Cancel Culture. Es gibt Stimmen, die dieses, ich sage mal platt gesagt, dieses Phänomen. Ich darf mich nicht mehr politisch falsch äußern, sonst bricht ein Shitstorm über mich los. Vielleicht verliere ich sogar meinen Job. Es gibt Stimmen, die auch dem Feminismus als Schuldige dieser Entwicklung sehen, also Cancel Culture als linkes Phänomen. Stimmt das? Oder wie ist es um den liberalen Geist an amerikanischen Uni Campus bestellt? #00:37:12-9#

Katharina Gerund: Das ist eine ganz spannende Frage dahingehend, wie man damit umgeht. Also eigentlich ist ja Cancel Culture ein Begriff, den sozusagen auch eher rechte, eher konservative Kräfte benutzen, um das, was sie als sozusagen Bedrohung aus ihrer Perspektive wahrnehmen. Also, das ist durchaus ja ein sehr umstrittener Begriff, der, glaube ich, auch der Sachlage jetzt nicht an allen Punkten gerecht wird. Also, ich denke, es ist natürlich ein gutes Anliegen zu sagen, es muss Freiräume geben, in denen gedacht, frei geforscht und diskutiert wird, und gleichzeitig sind natürlich die Rechte der Menschen, die beteiligt sind an diesem Diskurs zu schützen und Menschen auch zu schützen davor, dass sie sich Anfeindungen, Diskriminierungen aussetzen müssen. Ich finde den Begriff der Cancel Culture eigentlich relativ misleading, auch dahingehend, dass es ja oft Praktiken sind, die seit Jahrzehnten als Prozesspraktiken benutzt wurden. Also jetzt einen Vortrag für einen Wissenschaftler zu boykottieren, das haben Studierende schon immer gemacht, das ist auch ihr gutes Recht, auch sozusagen freie Meinungsäußerungen, zum Beispiel einfach nicht hinzugehen, oder das ist ja auch was, was da schon oft unter das Label fällt. Also, es gibt da Proteststrategien, die, denke ich, auch eigentlich meines Erachtens nicht richtig zugeordnet sind unter diesem stigmatisierenden Begriff der Cancel Culture. Es ist eine Form der Meinungsäußerung, die manchen nicht gefallen mögen, aber die erst mal im Rahmen der ja Freiheiten, die einzelne auch haben und haben sollten, gerade auch im akademischen Kontext durchaus schützenswert sind und vielleicht sogar begrüßenswert sind. Wir wollen ja auch Studierende. Ich denke jetzt auch gerade an unsere deutschen Universitäten, die sich politisch engagieren, die Meinung entwickeln, die Persönlichkeiten herausbilden während ihres Studiums und die sich sozusagen dann auch kompetent und auf wissenschaftlicher Basis politisch engagieren können. Insofern, die Debatte aus den USA lässt sich nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen. Das ist, glaube ich, ganz wichtig, dass es nochmal eine spezifische kulturelle Komponente hat. Ich glaube, dass vieles was unter dem Begriff der Cancel Culture fällt, eigentlich eher sozusagen stigmatisiert werden soll durch diesen Begriff, und das auch eine Dramatisierung mit sich bringt, in vielen Fällen gar nicht so an angemessen ist. Also, es ist ja nicht so, als ob das jetzt flächendeckend ständig passieren würde, dass Leute in der Form gecancelt werden, wie das da thematisiert wird. Also, ich würde das ein bisschen unaufgeregter sehen, ich würde ein bisschen klarer sagen, Cancel Culture ist ein Kampfbegriff, der da auch verschiedene Praktiken des Protests, des Widerstands draufgelegt wird, über die man im einzelnen immer streiten kann und vielleicht auch soll, wie angemessen sie sind, ob sie richtig sind. Aber das wäre eben ja schon Teil des Austausches, und der kann nicht stattfinden, wenn ich das als Cancel Culture deklariere und sage, dann endet das Gespräch, damit endet die Auseinandersetzung, und das kann auf jeden Fall meines Erachtens nicht sehr hilfreich sein will. #00:39:56-1#

Anne Wasmuth: Ja, und man merkt aber doch, was das für eine Rolle so in der aktuellen politischen Situation spielt. Also, ich denk jetzt grad aktuell, der Konzern The Walt Disney verklagt, DeSantis der dem Konzern vorwirft, was dann ja so in einem Atemzug genannt wird. Auch in Deutschland kennen wir ja so ein bisschen diese Diskussion um Recht, auch von queer oder Transpersonen, wo es ja letztlich auch darum geht. Neulich haben wir es erlebt. Wir haben eine Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer von den Grünen auf einem Listenplatz für Frauen, und das Magazin "Emma" hat da einen Artikel veröffentlicht, und sagt, dass geht gar nicht, und so, ja. Was ist da jetzt auch in Amerika passiert und was bedeutet das? #00:40:43-4#

Katharina Gerund: Da hängen ganz viele Fragen dran, und ich glaube, das ist nicht nur DeSantis gegen Walt Disney, das ist gerade aktuell, und wir werden abwarten müssen, wie das ausgeht, dieser Machtkampf zwischen dem großen Unterhaltungskonzern und dem Gouverneur, der sich da gerne positionieren möchte, als vorderster Kämpfer gegen die vermeintliche Kultur und die vermeintliche Cancel Culture. Was da passiert, ist auf jeden Fall, dass man sieht, wie sich so eine konservative, rechte Politik versucht, gegen Veränderung auf zu wehren. Also ganz stark ist ja auch an verschiedenen Stellen durch republikanische Politik jetzt immer wieder markiert worden, dass aus ihrer Perspektive ist eben nur mal eine Frau gibt und alle anderen gar nicht das Recht haben, sich ihre eigenen Geschlechtsidentitäten zu suchen, diese voll ausleben zu dürfen. Und da werden natürlich einfach auch wieder ähnlich, wie wir das mit dem Thema Abtreibung haben, da werden einzelne Themen, einzelne Figuren, einzelne Fälle ausgeladen mit der Bedeutung, dass es jetzt hier um das große Ganze geht, und das tut es natürlich in gewisser Hinsicht auch. Also, es sind große Fragen, die für einzelne Menschen immense Bedeutung haben, und gleichzeitig ist es aber ja nicht so, dass eine, dass es irgendwie eine Mehrheitsmeinung wäre, dass Menschen nicht sich frei entfalten dürfen in den USA. Das sind laute Wortführer auf der Seite konservativer Kräfte, die versuchen, hier damit Politik zu machen und die auch zum Teil versuchen, letztlich, das konnte man schon so sagen, auch die Uhren zurückzudrehen und die Fortschritte und die Freiheiten, die jetzt eben waren, bisher hauptsächlich über Frauenrechte gesprochen, aber die natürlich für verschiedene Gruppen und Menschen erkämpft wurden, die jetzt potenziell neue zur Disposition stehen. Und das hat sich auch angedeutet mit der Jobentscheidung, wo sofort die Diskussion losging. Was heißt das denn jetzt für andere Rechte, die möglicherweise demnächst vor dem Supreme Court verhandelt werden können? Was heißt das denn für Eheschließungen gleichgeschlechtlicher Paare? Was heißt das denn für andere Präsidentsfälle, die der Supreme Court geschaffen hat, um Menschen ihr Recht auf eine freie Entfaltung und ein Leben wie sie es gestalten möchten zu geben? Also da ist ganz viel ist, was jetzt gesichert werden muss und was sehr stark unter Beschuss ist an Freiheiten, die hart erkämpft wurden über die letzten Jahre. Da findet ne sehr starke, meines Erachtens Zuspitzung statt auf einzelne Fälle, einzelne Figuren, die sich damit auch profilieren wollen, und da wird viel aktivistische Arbeit zu tun sein, um dagegenzuhalten. #00:43:13-1#

 

Anne Wasmuth: Sie haben jetzt gesagt, so den Feminismus gibt es nicht, und es gibt so ganz unterschiedliche Frauen oder Rollenvorbilder. Ich bin über einen Terminus im Zusammenhang mit ihrem Habilitationsprojekt gestolpert. Da ist die Rede vom "happy homefront heroines". Was ist das? Erzählen Sie uns davon! #00:43:34-8#

Katharina Gerund: Das kann ich tatsächlich ganz gut an unsere Diskussionen anschließen. Also, ich hab den Begriff mir jetzt mal als vorläufigen Titel für das Buch, an dem ich gerade arbeite ausgesucht, denn er signalisiert also, er geht zurück zum einen auf Betty Friedans Vorstellung oder Diagnose der Happy Houswife, weil die gilt ja als Begründerin der weißen Frauenbewegung Mitte des 20 Jahrhunderts mit ihrem Buch "the feminine mystique". Sie hat da dann eben aufgezeigt, dass es sozusagen ein Medienbild gibt, in dem Frauen in ihren, ich formuliere das etwas überspitzt, in ihren Vororten mit ihren zwei Kindern, ihrem wunderbaren Ehemann doch ein sehr erfülltes und schönes Leben führen, und sie hat mit Frauen gesprochen, gut gebildeten weißen Frauen der Mittelschicht, die alle ihr zurückgespiegelt haben: "Naja also, richtig glücklich sind wir hier nicht, und wir Fragen uns eigentlich schon manchmal heimlich, ob das so alles ist, als Frau und Mutter im Vorort zu leben". Damit hat sie sozusagen das Bewusstsein dafür geschärft, dass das vielleicht ein strukturelles Problem ist und dass Frauen sich organisieren müssen, und hat aber eben dieses mediale Bild, das da vermittelt wird, dass eben die Frau zu Hause glücklich sein sollte, als solches auch ein Stück weit entlarvt, dass es eben mit der Realität der Frauen nichts zu tun hat. Und ich beschäftige mich in meinem Buch ja spezifisch mit Ehefrauen im Militär, also den Frauen von Soldaten, die mit einem ganz ähnlichen oder schwierigen Idealbild konfrontiert, sich, gerade im 21. Jahrhundert, nämlich mit einer zunehmend professionalisierten Rolle als Soldatenfrau, die ihren zuschreibt, dass sie diese Aufgabe auch entsprechend zu erfüllen haben. Das passiert über Magazine, in denen sie da präsentiert werden, über Fernsehserien, über Romane, dass sozusagen ein Idealbild geschaffen wird der Frau, die diese neuen Kriege, die ja jetzt gerade auch zum Teil geendet haben in Afghanistan an der Heimatfront unterstützen, indem sie gute Ehefrauen und Mütter sind und ihre patriotischen Pflichten eben mit einspielen in den militärischen Komplex. Das heißt, ich greife da sozusagen auch eine ganz alte Idee zurück und versuche die zu übertragen auf die Situation von Soldatenfrauen im 21. Jahrhundert, die ganz spezifisch als so eine Ikone auch benutzt werden, also wenn sie darüber nachdenken, wie oft sie Frauen sehen bei politischen Veranstaltungen, welche Rolle das Militär spielt in jedem Präsidentschaftswahlkampf. Wir werden sie wieder beobachten können. Das ist ganz wichtig, dass die Kandidatinnen das Militär unterstützen, sich mit Militärfamilien treffen. Auch gerade die Frauen unterstützen wieder sozusagen eigentlich keine formelle Rolle, haben aber natürlich beitragen zu militärischen Leben und zum Aufrechterhalten auch der ihrer Ehre, Fähigkeit und ihre Einsatzfähigkeit in der Welt. Wenn sie darüber nachdenken, wie gerade Joe Biden auch damit assoziiert ist, die aktuelle First Lady, dass sie sich ganz stark gemacht für die Ehefrauen von Soldaten. Das ist klar, dass es ein politisch ganz, ganz wichtiges Thema ist, und mit dem Begriff möchte ich mir eigentlich angucken, welche Idealisierung von dieser Figur im politischen und kulturellen Kontext vorgenommen werden, und da auch ein bisschen zeigen, dass natürlich Frauen also, dass dann auch klar wird ist, dass Frauen natürlich ganz anders Leben und dass das ein Idealbild ist, das kulturelle Funktion hat, aber eben ganz weit weg ist auch von den verschiedenen Lebensrealitäten von Frauen, die mit ihren Männern im Militär sind. #00:46:52-9#

Anne Wasmuth: Ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis. Spätestens dann werden wir nochmal miteinander sprechen müssen! #00:46:59-9#

Katharina Gerund: Das würde mich sehr freuen! Wir sprechen, und es ist ein spannendes Thema, weil wirklich vieles dran hängt, also auch sozusagen die Militarisierung der amerikanischen Gesellschaft. In den USA herrscht ein ganz anderes Verhältnis auch zu Militär, als das in Deutschland der Fall ist. Also wenn sie daran denken, wie selbstverständlich das ist das Amerikaner*innen einen Soldaten in Uniform, dass "thank you for your service" entgegenrufen am Flughafen, und wenn sie eben darüber nachdenken, welche symbolische Rolle Militärfamilien spielen. Also tatsächlich sind nur ein Prozent der amerikanischen Gesellschaft tatsächlich Teil diesem professionalisierten Militärapparat . Also es ist eine ganz, ganz kleine Minderheit der Amerikaner*innen, die wirklich selber aktiv Kontakt zum Militär hat und Teil dieses Komplexes ist. Und symbolisch haben sie eine unglaublich wichtige Bedeutung für die gesamte Nation und das interessiert mich insbesondere auch mit dem Bild der Frauen, dass da verknüpft ist, welche Bedeutung das sozusagen im kulturellen Imaginären hat und gerade auch im gegen zu dem, was viel Aufmerksamkeit erfahren hat, nämlich die Soldatinnen, die sich sehr leicht in so ein feministisches Narrativ einschreiben lassen, also ja oft auch als Fortschritt markiert, dass Frauen jetzt auf allen Ebenen und in allen Bereichen des Militärs dienen dürfen und wichtige Positionen ausfüllen. Das heißt, gerade in den letzten Jahren hatte ich so Forschung und auch der feministische Diskurs hat sehr stark auf diese Frauen geschaut, die aktiv im Militär beteiligt sind und sozusagen so "Vorreiterinnen Rollen" annehmen. Man hat sich bisher eigentlich nicht dafür interessiert, wie es denn den vielen, und das ist immer noch die Mehrheit der Frauen, die eigentlich sozusagen in anderer Rolle involviert sind, wie sozusagen die eigentlich aufgestellt sind, was deine Rolle auch in der öffentlichen Wahrnehmung des Militärs und der Verhandlung dieser Themen, die Dranhängen von Kriegsführung bis zur Rolle des Militärs auch in politischen Kontexten, also, das ist einfach sehr wenig untersucht, und das finde ich spannend, weil es eigentlich eine Frauengruppe ist, die ziemlich durchs Rasterfeld eben im Interesse für die offenkundig feministischen oder emanzipatorischen Bestrebungen, die man da sehen kann und die eben ja bisher einfach sehr wenig erforscht sind. Und ich bin auch immer wieder fasziniert, was sich da an vielfältigen Materialien finden lässt, wie viele von diesen Frauen, ihre Autobiografien veröffentlicht haben, auch versucht haben, das öffentliche Bild sozusagen zu beeinflussen, dass von ihnen entsteht, und zu einer Öffentlichkeit zu sensibilisieren dafür, was es eigentlich heißt, ebenso mit dem Militär leben zu müssen. Da gibt es wirklich ganz tolle Texte, spannende, auch Lebensgeschichten, die sich, die sich lohnen, dass man sich damit beschäftigt, und ich würde mich sehr freuen, wenn wir dann auch mal drüber reden können. Da gibt's auf jeden Fall einiges an wunderbaren Gesprächsmaterial. #00:49:34-1#

Anne Wasmuth: Ja, aber noch reden wir ja heute, und wenn wir über Feminismus sprechen, in diesem Zusammenhang begegnet einem auch immer wieder der Begriff des "Postfeminismus". Und wenn ich jetzt höre, dass sie sagen, wir brauchen eigentlich noch ganz viel Aktivismus und jetzt eigentlich erst recht, wie kann man heute dann schon von Postfeminismus reden? #00:49:53-2#

Katharina Gerund: Das frage ich mich auch manchmal. Der Begriff ist ja auch gar nicht neu, also der Begriff zirkuliert ja auch schon seit einigen Jahrzehnten als sozusagen so Markierung, die von manchen so gelesen wird, dass eigentlich der "alte Feminismus" seine Ziele erreicht hat. Also das Argument dahinter ist natürlich zu sagen, Frauen können heute ja alles, und deswegen muss man sich eigentlich jetzt nicht so weiter engagieren, um Gleichberechtigung einzufordern in allen Bereichen, und wir sehen natürlich in der Realität, dass das überhaupt nicht der Fall ist. Also da können wir auf Gender-Pay-Gap gucken, da können wir auf Verteilung von Aufgaben und bezahlter Sorgearbeit gucken. Was haben wir im Rahmen der Pandemie noch mal besonders gesehen, wie Frauen da auch besonders unter Druck standen, gefragt waren und keinesfalls irgendwie von gleichberechtigter Arbeitsteilung die Rede sein kann. Also wir sehen ja im Alltag an so vielen Stellen, wie das Patriarchat wirkt, wie die Rolle von Frauen, auch wenn sich vieles verändert, auch wenn es wunderbare Vorkämpferinnen gibt und Fortschritte. An einigen Stellen sehen wir ja, dass einfach unglaublich viel zu tun ist, wenn wir auf die, was wir heute zum Teil ja schon getan haben, auf die Parlamente gucken. Wer sitzt da, wer entscheidet, wo sind Frauen wie präsent. Das ist ja ganz offenkundig, dass es nicht der Fall ist, und gleichzeitig verstehe ich aber natürlich, dass es auch es ist, ähnlich wie diese Solidarität zwischen Frauen. Das ist ein verführerischer Gedanke. Also natürlich möchte ich auch in einer Welt leben, in der das schon realisiert ist, in der wir gar nicht mehr kämpfen müssen für bestimmte Dinge, und es gibt ja auch immer wieder Anlässe und Kontexte, wo die Kultur so weit das wäre, schon so, wo sozusagen Türen aufgehen und sich Möglichkeiten eröffnen und vielleicht für einen kurzen Moment auch der Eindruck entsteht, da ist jetzt was richtig Großes passiert. Also, das Beispiel Roe v. Wade bietet sich nochmal an. Über Jahrzehnte dachten Frauen, das ist jetzt einfach erkämpft, das haben wir, das ist da, und dann stellt sich doch relativ schnell heraus, wie prekär das ist und dass es auch, selbst wenn es einmal da ist, nicht ganz so sicher ist, wie man vielleicht gedacht hat, und man schon viel früher auch wieder stärker sich hätte organisieren müssen, um dem was entgegenzusetzen. Also, ich glaube, es ist zum Teil so ein bisschen wishful sinking dabei. Es ist zum Teil auch natürlich eine Strategie, und Frauen von weiterem Aktivismus abzuhalten, also zu suggerieren, es gibt ja nichts mehr, worüber rum ihr kämpfen müsst, lädt die Verantwortung bei der Einzelnen ab, die sich vielleicht nur mehr anstrengen müsste, die vielleicht nur die richtige Entscheidung treffen müsste, um alle Möglichkeiten zu haben. Also, es ist auch eine gefährliche Individualisierung in der Verantwortung und eben ein Versuch, das auch nicht mehr so ein strukturelles Problem wahrzunehmen, sondern eben den Einzelnen zu schreiben. Also, es hat auch so ein fast schon neoliberalen Gedanken zu sagen, "Jeder ist ihres Glückes Schmiedin" und wer sich richtig anstrengt, kann das schaffen. Da sind wir doch jetzt angekommen und in der Realität haben sie komplett Recht. Wenn wir genau hingucken, können wir natürlich, dass es strukturelle Defizite gibt, dass es strukturelle Ausschlussmechanismen nach wie vor gibt, die Frauen in allen möglichen Lebensbereichen ganz klar benachteiligen und wirklich noch einiges zu erkämpfen und zu sichern ist. #00:52:48-3#

Anne Wasmuth: Mhm ja, in der Geschichte wiederholen sich immer wieder Dinge. Oder wie? Jetzt hat man das Gefühl: Okay, vielleicht läuft es ja doch wieder auf so einen Wahlkampf Biden vs. Trump hinaus. Wer weiß, wir wissen es nicht, was ich trotzdem spannend finde, was sich ja schon ein bisschen verändert hat, oder die Frage wäre auch, wird es so, wenn ich jetzt auf das Feld der Außenpolitik blicke? Können wir uns auch als Deutschland, als Europa darauf verlassen, dass Amerika immer so der große Bruder bleibt? Oder erwartet Amerika vielleicht auch so ein Stück weit Emanzipation von uns? Also was ich, woran ich denke, ist einfach zum Beispiel jetzt Amerikas Rolle im Russland-Ukraine Konflikt. Ich denke an das Stichwort "Protektionismus". Wenn ich an das Klimapaket schaue. Macron hat sich ja viel beachtet geäußert gesagt, Europa muss sich emanzipieren, weil eben auch Amerika anders auftritt. Was glauben Sie, erwartet Amerika von Europa, von Deutschland? #00:53:53-2#

Katharina Gerund: Also, ich glaube, das ist jetzt der Gedanke, dass die USA von Europa oder den europäischen Partnern auch ganz stark fordern, sich stärker zu engagieren, gerade auch verteidigungspolitisch stärker zu engagieren, was Militärausgaben, Verteidigungsausgaben angeht, das ist überhaupt gar kein neuer Diskurs, das passiert seit vielen, vielen Jahren immer wieder, und auch eigentlich egal, welcher Präsident und von welcher Partei hat in den letzten Jahren immer wieder markiert, dass man sich auf jeden Fall mehr europäische Beteiligung wünscht in der NATO, vor allen Dingen auch und sozusagen eine stärkere Flanke da gewünscht wird, die Europa auch vertritt. Also, das ist erst mal, glaube ich, noch keine neue Entwicklung. Mir kommt es jetzt sehr bekannt vor, dass das da ist. Ich glaube, dass die Trump Präsidentschaft schon gezeigt hat, dass vielleicht die USA nicht aus europäischer Sicht der verlässliche Partner sind, die man sich eigentlich seit der Nachkrieg Zeit da zum Teil gewünscht, aber auf jeden Fall so wahrgenommen hat, dass das vielleicht nicht dauerhaft so gesichert ist. Es ist auch da so, dass diese Partnerschaft, sofern sie gewünscht ist. Die muss gepflegt werden, die muss aktualisiert werden, die können wir auch nicht einfach nehmen und davon ausgehen, dass die immer so existieren wird. Also, ich denke, es wäre naiv zu glauben, dass die USA immer auch ihre Interessen hier verteidigen werden, dass das auch immer unsere Interessen sind, und das heißt nicht, dass sozusagen nicht die USA ein ganz, ganz wichtiger Partner sind für Europa und ich auch so eine wünschenswerte Sache halte, dass man da so in Frieden und gemeinsam weiter arbeitet. Also, es soll jetzt sozusagen gar kein Plädoyer sein, dass die USA sich per se stärker raushalten sollten, sondern eher der Versuch, auch zu sagen, das ist einfach auch, was, was immer wieder neu gesichert werden muss von beiden Seiten und was einfach Arbeit erfordert, was politische Arbeit erfordert, was Einsatz erfordert, damit es funktioniert. Und ich denke schon, dass es sinnvoll ist, aus europäischer Sicht drüber nachzudenken, wofür man sozusagen diese transatlantische Partnerschaft braucht, wofür sie hilfreich ist, was sie tragen kann und wo man sich im Detail dann drauf verlassen kann oder eben auch nicht. Also da bin ich sicherlich auch nicht die Expertin für, das, jetzt zu sagen in den großen Sicherheitsfragen einzuordnen und zu überlegen, was das bedeutet. Aber ich denke, es ist wichtig, dass diese Gespräche geführt werden und das immer wieder überlegt wird, wie man sich dazu politisch positionieren kann und wie das eben auch aussieht. Wenn sich in den USA Machtverhältnisse ändern, und wenn, ja, wir haben es gesehen, dann Trump ist aus dem Pariser Abkommen ausgetreten, dabei ist wieder eingetreten. Wir wissen nicht, was mit der nächsten Präsidentschaft kommt. Also natürlich müssen wir uns auch ein bisschen darauf einstellen, dass nicht in allen Stellen die USA so verlässlich sein werden, wie wir uns das vielleicht manchmal wünschen würden, sondern dass da einfach die politischen Machtveränderungen auch Auswirkungen haben Außenpolitisch auf unsere Anliegen und auch eine europäische Perspektive. #00:56:44-9#

Anne Wasmuth: Desto wichtiger für uns auch, immer wieder auf dieses große und unglaublich wichtige Land zu schauen und was in diesem Land passiert, und deshalb würde ich gerne eine Frage stellen, die ich Ihnen vor zweieinhalb Jahren schon mal gestellt habe: Wie gespalten ist Amerika? #00:57:00-0#

Katharina Gerund: Amerika ist ein sehr gespaltenes Land, und die Schwierigkeit ist, glaube ich, tatsächlich, dass sich diese Polarisierungen jetzt in der letzten Zeit auf jeden Fall verschärft haben. Also dass die USA irgendwann mal sozusagen mal eine Nation war, die sich auf alles einigen konnten und wo es sozusagen keine großen Spaltungslinien gab. Das stimmt natürlich so oder so historisch gesehen nicht. Aber was wir schon sehen können, ist sozusagen eine zunehmende Polarisierung der Verhärtung von Fronten zwischen unterschiedlichen Perspektiven, dass es einerseits parteipolitisch angeordnet, das hat aber auch ganz viel mit urbanen ländlichen Räumen zu tun, und das würde ich sagen, da sehen wir jetzt im Moment auch keinen Ausweg. Joe Biden ist ja mal angetreten mit "Unity" als dem großen Schlagwort, dass es schon in seiner Amtseinführungsrede gebetsmühlenartig wiederholt hat und das jetzt diese Einheit sich herstellen ließe aus dem weißen Haus heraus durch einen Präsidenten. Das hat vermutlich niemand angenommen. Aber was wir sicherlich auch gesehen haben, dass es im Moment keine Bewegung aufeinander zugibt, sondern eher eigentlich eine Verschärfung von Frontstellungen und die Beispiele, die wir heute zum Teil diskutiert haben, aber auch sozusagen all die anderen Themen, die er sich auf die Agenda geschrieben hat an Büchern, die verboten werden sollen, dass der den Kampf angesagt hat. Also ich sehe eigentlich, dass wir im Moment ganz viele neue, nicht unbedingt neu, dass wir ganz viele Konfliktherden haben, die auch wirklich befeuert werden von verschiedenen Akteuren und die sozusagen jetzt gerade keine große Unity in der Zukunft erst mal direkt vermuten lassen. Also, Amerika ist in einer Hinsicht ein sehr gespaltenes Land, das sich im Moment auch noch stärker zu polarisieren scheint und den Weg zu größerer Einheit und auch aus vielen dieser Konflikt heraus noch nicht gefunden hat. Und wenn ich noch eine Sache dazu ergänzen kann, ich finde, man sieht das auch daran, dass dieser Ausweg noch nicht da ist oder noch nicht gefunden wurde. Wenn wir uns überlegen, dass wir eventuell eben auf das Replay Biden gegen Trump hinauslaufen, was sagt es uns, wenn das quasi vielleicht also ich spekuliere jetzt aber das in beiden Parteien ist, gerade als wahrscheinlich, bis relativ sicher so aussieht, dass wieder zwei sehr alte Politiker antreten werden, um sozusagen das Land zu führen, keine der Parteien mit einer neuen Idee, einem neuen Gesicht, einem neuen Aufschlag daherkommt, um sozusagen das Land auch aus den aktuellen, vielleicht Krisenherd raus zuführen. Also ich habe schon den Eindruck, dass auch so eine gewisse Ideenlosigkeit herrscht, wie man denn aus diesen Spaltungen und Konfliktsituationen das Land wieder herausführen kann und zu irgendeiner größeren Einheit zusammenbringen kann. Also, ich glaube, dass die, die Präsidentschaftskandidaten, die sich jetzt gerade abzeichnen, vielleicht auch ein Signal dessen sind, dass hier neue Ideen zum Teil einfach fehlen, wie man damit umgehen kann, und das halte ich für relativ bedenklich, wenn wir uns überlegen. Ja, wir haben angefangen, auch nach der Frage, wie gefährdet ist die Demokratie. Da würde man sich natürlich wünschen, dass jetzt auch neue narrative, neue Ansätze, neue Versuche gefunden werden, die vielleicht tatsächlich den ein oder anderen Graben auch mal wieder überbrücken können. #01:00:18-2#

Anne Wasmuth: Vielleicht, wie Sie sagen, schlägt auch die Stunde des Aktivismus, dass Wähler*innen auch aufzeigen. Wo können Wege sein oder wo werden auch Grenzen überschritten? Zum Schluss möchte ich noch einmal anknüpfen an die letzte Frage unseres damaligen Gespräches und diese wieder aufgreifen. Wir haben gesprochen über Inszenierung, über wirkmächtige Bilder, und eins davon ist eben auch das erste Gesetz, was es ein neu gewählt hat Präsident. In dem Fall sind es ja bisher nur Männer gewesen, und das erste Gesetz eben als neu gewählter amerikanischer Präsident setzt. Meine Frage war, welches Gesetz würden Sie unterzeichnen? Die Antwort war: sehr, sehr schnell. Ein umfassendes Gleichstellungsgesetz im Reden. Haben Sie da ganz schnell korrigiert, war vielleicht doch nicht so eine gute Idee? Oder es ist nicht zumindest nicht, dass erste Gesetz, weil es ist wahnsinnig kompliziert. Jetzt hatten Sie ja zweieinhalb Jahre Zeit. Wie sieht es aus? Wie steht es mit Ihrem Gleichstellungsgesetz? #01:01:22-4#

Katharina Gerund: Es ist nicht einfacher geworden. Ich würde trotzdem unter dem Eindruck der Entwicklungen sagen, eins der ersten also, wenn ich sozusagen komplett freie Hand hätte und das auch möglich wäre politisch, dann wäre tatsächlich für mich die Frage der Frauenrechte und der Zugang zur gesundheitlichen Versorgung gerade sehr, sehr weit vorne, und insofern wäre sicherlich ja irgendetwas, was antwortet auf diese Entscheidung des obersten Gerichtshofs, durchaus etwas, was ich politisch als ganz relevant ansehen würde, und ich bin sehr froh. Sie haben es ja gesagt. Es ist eine so wichtige Entscheidung, es ist so eine relevante Entscheidung, was das erste wäre. Ich bin froh, dass ich sie nicht treffen muss. Ich bin sehr froh, dass ich nicht Präsidentin der USA bin und entscheiden muss, was ist jetzt das Anliegen, dass ich mich kümmere. Das ist ja auch heute noch mal klar geworden. Ja, wahnsinnig vielfältiges Land! Es sind unterschiedliche Interessen da mit Anliegen, die zum großen Teil alle ihre Berechtigung haben und sich trotzdem oft gegenseitig sozusagen im Weg stehen. Das heißt, ich bin wirklich sehr, sehr froh, dass ich diese Entscheidung immer nur hypothetisch treffen muss und somit sagen kann, heute ist tatsächlich das Thema der Frauenrechte. Das beschließt für mich die Rechte von Queeren und Transpersonen, die sich wie auch immer definieren, komplett mit ein. Also dass die Frage nach dem Recht auf den eigenen Körper zu entscheiden, was passiert mit meinem Körper, welche Formen darf er annehmen, welchen Untersuchungen darf ich den unterziehen lassen. Also das Recht auf den eigenen Körper ist gerade für mich wirklich eins, das für mich wichtig ist und dass ich wahrscheinlich jetzt gerade akut zumindest ganz stark auf der Agenda hätte. #01:03:02-0#

Anne Wasmuth: Wann werden Sie das nächste mal in Amerika sein? #01:03:06-0#

Katharina Gerund: Ist eine gute Frage. Ich war gerade fast einen Monat in den USA und habe dort auch geforscht für drei Wochen. Das war ganz toll, nach der langen Durststrecke der Pandemie, endlich mal wieder länger vor Ort zu sein, dort arbeiten zu können, auch so ein bisschen Gespür für die Kultur wiederzubekommen. Man kann sich ja vieles aus der Distanz gut erschließen und über die Nachrichten konsumieren und vor Ort zu sein, auch wenn es immer nur ein lokaler repräsentativer Eindruck ist. Es ist noch mal anders. Also, es ist für mich auch einfach wichtig, um meine Forschung, meine Perspektive immer wieder zu verankern, und ich hoffe, dass ich dieses Jahr noch mal wieder hinfahren kann. Aber nachdem die große Reise jetzt gerade erst war, sind die Pläne noch nicht so weit gereift, wenn es das nächste mal so weit ist. #01:03:49-2#

Anne Wasmuth: Ja, ich drücke die Daumen, dass es bald sein wird, und natürlich für das und für alles andere, für Ihre Forschungsvorhaben. Alles, alles Gute! Vielen Dank, dass Sie wieder hier waren, dass wir miteinander sprechen konnten. Vielen Dank, Katharina Gerund! #01:04:04-1#

Katharina Gerund: Bedanke mich sehr für das Gespräch. Ich freue mich, dass ich wieder dabei sein durfte. Wir haben immer wieder viel zu besprechen über die USA, und da freue ich mich jetzt schon definitiv. Danke schön! #01:04:13-4#

 

Dieses Projekt/Diese Maßnahme/Initiative leistet einen wichtigen Beitrag, Nürnberg schrittweise inklusiver zu gestalten. Es/Sie ist Teil des Nürnberger Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Den Ersten Aktionsplan hat der Nürnberger Stadtrat im Dezember 2021 einstimmig beschlossen. Um die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in Nürnberg zu verwirklichen, wurden und werden umfangreiche Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Weitere Informationen finden Sie unter www.inklusion.nuernberg.de.

What’s up, Amerika? Die Amerikanistin über Politik, das Equal Rights Amendment und „Happy Home Front Heroines“ in den USA.

Vor mehr als zwei Jahren war Katharina Gerund zum ersten Mal in der KontaktAufnahme zu Gast. Die Amerikanistin spricht über Themen, die Amerika beschäftigen. Dabei ist der Blick auf Gesellschaft und Politik und die anstehende Präsidentenkür wie ein Déjà-vu: Ex-Präsident Donald Trump und der amtierende Präsident Joe Biden haben ihre erneute Kandidatur erklärt. Doch was macht eigentlich Kamala Harris? Warum spielen Abtreibungsrechte eine entscheidende Rolle im amerikanischen Wahlkampf? Wie ist es überhaupt bestellt um Frauenrechte in Amerika? Und: wie gespalten ist Amerika 2023?

Das im Gespräch empfohlene Buch:

Gabriele Dietze: Weiße Frauen in Bewegung. Genealogien und Konkurrenzen von Race- und Genderpolitiken. Transcript Verlag 2014.

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Aufgenommen am: Donnerstag, den 27. April 2023 
Veröffentlicht am: Donnerstag, den 18. Mai 2023
Moderation: Dr. Anne Wasmuth
Im Gespräch: Dr. Katharina Gerund

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Alle weiteren Folgen von KontaktAufnahme – der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg finden Sie hier. Wir sind mindestens jeden zweiten Donnerstag mit einer neuen Folge online, manchmal öfters.
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