Skip to main content

Jean-Francois Drozak, was haben Briefkastenschilder und Comics mit Erinnerungskultur zu tun?

Die folgende Transkription wurde automatisiert mittels KI erstellt. Etwaige Fehler bitten wir zu entschuldigen. Eine manuelle Nachkorrektur erfolgt zeitnah.

Ansage: KontaktAufnahme. Der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg. #00:00:10-9#

Cristina Gleich: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge des BZ Podcast. Mein Name ist Cristina Gleich und ich freue mich heute über meinen Gast Jan Francois Drake, Theaterpädagoge und Kulturdesigner, Begründer von Kunstdünger und der Nordkurve. Hallo. Hallo! Sie sind in ganz unterschiedliche kulturelle Arbeitsbereiche tätig. Deswegen habe ich überlegt, erstmal mit einem Ereignis anzufangen. Und zwar. Vor circa drei Jahren stand ein Mann vor ihrem Haus und er wollte sehen, wo seine Großeltern in Nürnberg gelebt haben. Da hat sich eine Tür geöffnet. Zu einer Reise in die Vergangenheit. Wer war dieser Mann und was hat diese Begegnung ausgelöst? #00:01:18-9#

Jean-Francois Drozak: Also der Mann heißt Dr. Alois Uran und er ist Bürger Belgiens, Ebenfalls wie ich. Ich habe nämlich auch die belgische Staatsbürgerschaft und habe in der gleichen Stadt gelebt wie er. Und zwar in Brüssel. Und allein Jesus Urahn, ist Jude. Und wir haben vor drei Jahren etwa erfahren, dass das Haus, was meine Frau nicht gekauft haben, voraussichtlich damals noch nicht klar zu zu dem Zeitpunkt entweder nur unter Wert verkauft wurde, vor der Machtergreifung Hitlers oder aber sogar zwangs verkauft wurde. Wir wussten es nicht genau und für uns war das ein Schock, weil wir einfach uns auch die Frage stellen mussten, ob das Eigentum, was wir erworben haben, zumindest ethisch nicht unsers ist. Also es war erstmal ein Schock. Wo wir dann bald gemerkt haben, dass es wichtig ist, der Geschichte nachzugehen. #00:02:31-0#

Cristina Gleich: Und wie haben Sie, wie sind diese Geschichte dann nachgegangen? #00:02:38-1#

Jean-Francois Drozak: Ja, also zunächst einmal. War war das eine. Ich habe eine Woche gebraucht, um es einzuordnen. Also an dem Tag, wo alle an Jesu Rand bei uns vor der Tür stand, war ich als Kuratoriumsmitglied einer Stiftung in der Israelitischen Kultusgemeinde in Nürnberg, also zum gleichen Zeitpunkt, als er kam. Und da hat uns der Vorsitzende von der Kultusgemeinde hat uns erzählt, dass eben die Geschichte zwar sehr gut aufgearbeitet ist nach der Machtergreifung des Nationalsozialismus, aber die Zwangsenteignung, die Repressalien vor der Machtergreifung. Dass das nicht richtig aufgearbeitet ist aus seiner Sicht also das heißt, mit diesem Eindruck bin ich nach Hause und plötzlich war das das Thema. Also die Geschichte Europas ist in unsere Privaträume angestürmt, sozusagen. Zudem ist es so, dass zu dem Zeitpunkt. Meine Frau war da und hat ihn den Besuchern willkommen geheißen. Was auch zu dem Zeitpunkt mich bewegt hat. Ist das alles Familie? Also sein Großvater von Polen nach Nürnberg gezogen ist, während mein Großvater der ebenfalls polis.Deswegen weiß ich auch der Vorschlag nach Brüssel ist und nach dann in den Kohlebergbau von Charleroi in der Region gearbeitet hat, während dann die Familie Jesuran von Nürnberg nach Belgien geflüchtet ist, dort im Untergrund als sein musste, während mein Großvater auch in den Untergrund musste, Weil als Polen man damals eben von die Nazis, als die Belgien in Belgien einmarschiert sind, genauso in ihn in Haft genommen wurden. Und diese Verstrickungen oder diese Ähnlichkeiten der Geschichten unserer Verwandten oder Vorfahren. Das hat das Ganze sehr persönlich gemacht. Da hätten wir natürlich uns Gedanken machen können. Ein ein Institut zu befragen, ob sie für uns Recherchen machen können. Sicherlich wäre der eine oder andere historisch Interessierte begeistert gewesen, anhand so einer Situation herauszufinden, Was ist denn da genau passiert? Aber wir haben uns dafür entschieden, dass wir Schülerinnen und Schüler aus dem Jura Dürergymnasium einladen, ein Seminar zu machen mit der Bitte, einfach so viel Informationen zusammenzufinden, zusammenzubringen, damit die Familie Jesu an die Situation einordnen kann, was tatsächlich damals passiert ist. Denn die Familie Jesu hat zwar immer bruchstückhaft von von der Verwandtschaft immer erfahren, was hätte das sein können und auch widersprüchliche Zahlen der Jahreszahlen, der, der der Flucht. Aber ich glaube, in so einer Situation war das das Wichtigste, dass die Familie einfach Fakten bekommt. Was ist denn wirklich passiert? Und für uns war das nämlich auch wichtig, um zu wissen, welche Verantwortung wir als Familie gegenüber der Familie Jesu haben, also die Familie Dorothea gegenüber der Familie Jesu ran. Und wir haben uns für ein Gymnasium entschieden, weil wir das Gefühl hatten, dass gerade junge Menschen sich durch so ein Projekt auch der Vergangenheit nähern können. Dass es partizipativ ist und die jungen Menschen einfach ein Thema bekommen, wo ihr Ergebnis nicht für die pädagogische Mülltonne ist. Wo sie tatsächlich eine Art Mediation durch eine Recherche bis zur einer eine gutachterliche Stellungnahme für zwei Familien erarbeiten müssen. Und das haben sie auch sehr gut gemacht. #00:07:28-6#

Cristina Gleich: Und die Überlegung, jetzt so zu recherchieren, haben Sie zusammen mit der Familie jetzt zu dieser, also zu dieser Idee gekommen, oder? #00:07:41-4#

Jean-Francois Drozak: Ja, so ist es. War Uns sehr wichtig. Meiner Frau und mir war es wichtig, immer die Perspektive der Opferfamilie einzunehmen, Also immer zu fragen Was braucht ihr? Was wünscht ihr euch? Und in jedem der Schritte immer abzufragen? Oder im Gespräch zu bleiben, in welche Richtung die Familie Jesu Hand gehen möchte. Weil unsere Erinnerungskultur ist sehr stark in Deutschland, geprägt von der Mehrheitsgesellschaft. Aber eigentlich ist die Opferperspektive da sehr, sehr wichtig. Denn es ist ja nicht meine Geschichte. Es ist auch nicht die Geschichte der Stadt Nürnberg in erster Linie, sondern das ist die Familiengeschichte der Familie Jesu. Und wir wissen auch aufgrund von, von der Erfahrung aus anderen Holocaustüberlebenden Überlebenden, dass sich Traumatisierungen über Generationen hinweg weiter vererben. Also man sagt zum Beispiel, dass die erste Generation gar nicht sprechen konnte. Die zweite Generation ist die Generation der Therapie, also, die ganz viel spüren, was, was im In. In der ersten Generation nicht mehr gespürt wurde. Sie müssen einen Weg finden, mit diesen, mit diesen Emotionen umzugehen, ohne es selbst erlebt zu haben. Die dritte Generation ist frei, darüber zu sprechen. Und die vierte Generation? Kann Entscheidungen treffen und mehr oder weniger unabhängig davon, was die Vorfahren erlebt haben. Also wir reden davon, dass wir mit der Familie Jesu an die zweite Generation. Allein Jesu ran, gehört zur zweiten Generation nach dem Holocaust. Seine Kinder sind die dritte Generation, und es ist nicht nur ein politisches soziologisches Projekt gewesen, sondern auch ein psychologisches. Und da ist es ganz wichtig, die Menschen, die es betrifft, immer wieder zu fragen Wie weit willst du gehen, was willst du dir gern anschauen? Und dass diese Menschen die Kontrolle darüber haben, über einen Prozess und Erinnerungskultur. Wenn sie. Das beachtet und beachten will, dann ist es ganz wichtig, immer die Perspektive der Menschen im Auge zu haben und diese Perspektive einzunehmen. Deswegen haben wir immer wieder gefragt Was wünschst du dir? Möchtest du lieber ein Professor oder könntest du dir vorstellen mit jungen Menschen das zu machen? Und der war immer hat sehr stark gesteuert, in welche Richtung er gehen möchte. #00:10:48-2#

Cristina Gleich: Das heißt, dieses Projekt, das die Schüler gemacht haben, da sind sie mehrmals wirklich in Kontakt mit der Familie gekommen, auf einer Seite, aber auf der anderen Seite vielleicht auch irgendwo anders Informationen geholt, recherchiert haben. So, so, wirklich, so eine Kombination. #00:11:09-1#

Jean-Francois Drozak: Also die Jugendlichen haben sich natürlich überlegt okay, ihr wollt von uns, liebe Familie Jesu ran, Liebe Familie Zack, ihr möchtet von uns eine gutachterliche Stellungnahme, wie man mit so einer Situation gut umgehen kann. Also haben Sie einen Plan gemacht über eineinhalb Jahren, wie Sie zu dieser gutachterlichen Stellungnahme Mehr kommen können. Und dazu hat es gehört, dass man Interviews mit der Familie Jesu gemacht hat, dass Begegnungen stattgefunden haben, sowohl hier in Nürnberg als auch in Belgien, dass die Jugendlichen haben recherchiert, Sie sind in die Archiven der Stadt Nürnberg und darüber hinaus gegangen. Es gab Internetrecherchen, und aus allen diesen Puzzeln haben sie versucht, die Geschichte der Familie zu rekonstruieren. #00:12:06-6#

Cristina Gleich: Und diese Geschichte ist zu einem Comic geworden. #00:12:13-6#

Jean-Francois Drozak: Ja, die Jugendlichen haben dann ab der Hälfte, also nach ungefähr acht, neun Monaten, haben sie angefangen, sich Gedanken zu überlegen Ja, was machen wir denn mit den Recherchen? Ergebnissen? Wie wollen wir das präsentieren? Und wir haben gemerkt Es gibt zwei Möglichkeiten. Ein Booklet, also ein Buch mit den Ergebnissen, mit allen Dokumenten und Originaldokumenten, natürlich fotokopiert mit hineinzunehmen, mit einer Zeitachse, auch mit der gutachterlichen Stellungnahme. Das ist auch geschehen. Das ist ein Buch von ungefähr 50 Seiten, das Sie erarbeitet haben. Aber Sie haben auch gemerkt, dass es Ihnen nicht reicht, also Sie. Sie haben verstanden, dass Ihre eigene Generation mit so einem Booklet nicht viel anfangen kann. Also es ist einfach nicht zeitgemäß und zu hoch? Schwerlich. Also haben Sie sich überlegt, ob Sie wie Sie die Geschichte der Familie Jesuran auf eine Art und Weise präsentieren können, dass viele junge Menschen erfahren, dass es diese Familie gab, also dass sie Bürgerinnen und Bürger von Nürnberg waren und was ihnen geschehen Geschehnissen der Zeit. Und das war mit ein. Ein Grund, warum sie sich auch für ein Comic entschieden hat. Ist das Brüssel, die Kulturhauptstadt? Die Hauptstadt? Des Comics ist also Brüssel ist der Comic und da gilt der Comic als Hochkultur. Seit den 20er Jahren schon 1920 hat Belgien Comics produziert und daher ist es auch für den Herrn Dr. Alain Uran ein sehr schönes Medium gewesen. Also das heißt, nach der Recherche kommt die Form nach der In den Inhalten sucht man nach Formen. Und da ist auch das Thema Erinnerungskultur wichtig gewesen, immer wieder zu Fragen der Familie Jesu ran, Wie stellt ihr euch das vor? Wie soll zum Beispiel ein Denkmal, ein inneres Erinnerungsdenkmal für euch ausschauen. Sollen wir eine Tafel an die in der Volkstraße. An die Wand machen? Das machen ja viele. Hier hat Familie Jesu gewohnt. Geflohen. So und so! Wer ist in Auschwitz gestorben? Oder auch die Stolpersteine sind ja auch ein Thema. Also, und da hat die Familie Jesu an ganz klar gesagt, dass sie so eine Art von Erinnerungskultur sich nicht vorstellen können. Also Sie sind auch Gegner von Stolpersteinen. Die haben das für sich nicht als den Weg gesehen. Und das haben wir dann respektiert und haben nach anderen Wegen gesucht mit ihnen, wie sowas aussehen kann. Haben ein Graffiti erstmal an die Wand gemacht bei uns In der Reichsstraße als. Vorläufiges Denkmal. Und haben dann gemeinsam mit dem Menschenrechtsbüro der Stadt Nürnberg nach weiteren Wegen gesucht, haben einen Künstler beauftragt, ein ein kleinen Denkmal vor dem Haus zu setzen. Wir haben auch uns überlegt, wie ein eine Form der Erinnerungskultur zum Dialog einlädt. Und da kam dann die Idee der Briefkästen, also dass die Opfer der Shoah, die hier fliehen mussten oder deportiert wurden. Da gibt es ja eine sehr gute Aufarbeitung der Stadt Nürnberg. Es gibt ein Gedenkbuch, da steht genau drauf, wer fliehen musste, wer gestorben ist, auch wo sie gewohnt haben, wenn man es weiß. Ihre letzte. Ihr letzter Wohnsitz in Nürnberg. Und wir haben uns überlegt, dass wir einfach aus diesem Gedenkbuch, das wir die Namen rausschreiben, dass wir Namensschilder machen und Bürgerinnen und Bürger aus Nürnberg einladen, dass sie in ihrem Wohnhaus auf ihrem Briefkasten irritierend diesen Namen dann drauf machen auf dem Briefkasten, um dann mit dem Haus ins Gespräch zu kommen. Und sowas hat er den Juroren sehr gefallen, weil es den Diskurs anregt. Und zwar auf eine Art und Weise, wie er sich das vorstellt. Also es wurde nicht im überstülpt oder seine Familie, sondern es war seine sein, sein Wunsch, sein Interesse das dann so zu gestalten. Natürlich im Dialog mit uns, weil wir immer Ideen entwickelt haben. Aber er hatte man das Vetorecht und hatte auch das Recht, auch Ideen einzubringen. #00:17:36-5#

Cristina Gleich: Von der Perspektive finde ich sehr interessant, weil wie kann man für andere dann denken, was am besten wäre? Mit mit dem Schildern. Das heißt, dass jeder sozusagen sich in Nürnberg in allen Stadtteilen sich dann melden kann und sagen ich würde gerne so ein Schild obwohl man nicht in meinem Haus zum Beispiel kein deportierte Juden da gewohnt hat. #00:18:03-5#

Jean-Francois Drozak: Ja, genau. Also wir haben wir haben das sehr offen gelassen, verspielt. Es ist nicht eine eine Form der Erinnerungskultur, die historisch sagt an dem Standort ist jemand gewohnt, sondern ich biete meinen Briefkasten an, dass dieser Mensch wieder zum Wohl ich hiermit am Briefkasten steht. Und es war sehr, sehr. Ja, es war. Es gab Momente, wo ich gemerkt habe okay, jetzt berührt mich oder jetzt frappiert es mich. Also man kann natürlich Erinnerungskultur, Erinnerungskultur wissenschaftlich betreiben oder mit einer gewissen Distanz. Oder man kann auch Erinnerungskultur so gestalten, dass man sich auf den Weg macht, irgendwann mal an den Punkt zu kommen, wo es jetzt ums Eingemachte geht. Also wie? Wie schaffe ich das auf eine sanfte Art Menschen und mich selbst als jemand, der in diesen Prozess mich begebe, auch ihn in eine Situation zu geben, wo ich das Erschütternde von diesem Gräueln erlebe? Und bei mir war das gerade bei diesem Erinnerungswerk. Die Erfahrung, dass sich beim 25., glaube ich, den ich abgeschrieben habe, also jeder, jede, jeder Name musste abgeschrieben werden. Da musste ich. Im Internet musste ich das Namensschild bestellen. Also ich musste den Namen eingeben und bestellen, dass der das kommt. Das ist eine Systematisierung und diese Systematisierung haben die Nationalsozialisten genauso gemacht. Sie haben auch angefangen, Leute nach Namen, Geschlecht. Was hast du für einen Besitz gehabt? Bis zur Ermordung wurde alles archiviert. Und wie ich ja der eigentlich das andere will, benutze genauso die gleiche Form der Systematisierung, der Objektivierung dieser Opfer. Zwar um ihnen in ihnen zu gedenken, und in diesem Moment hat es mich so erschüttert, das, dass ich genauso angefangen habe, diese Menschen systematisch zu behandeln. Und ich glaube, dass Erinnerungskultur im 21. Jahrhundert das immer wieder durchbrechen muss. Diesen Moment, wo man diese Systematisierung beginnt, die Objektivierung einer eines subjektiven Leides also, die diese, diesen Zustand immer aufrechtzuerhalten, soweit es möglich, dass wir wissen, das sind Subjekte gewesen, und es ist kein Objekt, keine Systematisierung. Und bei mir war das dann bei ich glaube nur, ich sage es jetzt einfach mal ganz krass Nummer 25, wo ich dann das Foto gesehen habe von einem Mädchen, das so alt war wie meine Tochter Und ich dann gemerkt habe, das könnte meine Tochter gewesen sein. Und dann habe ich geweint. Ja, weil ich. Und plötzlich hat ist das alles aufgebrochen. Und dann ist mir klar geworden, was, was ich das systematisierte. Danach habe ich trotzdem die Namen eingegeben, aber mit einer anderen Haltung. Es geht um die Haltung, warum ich etwas mache und nicht nur, dass ich das mache. Und das war ein sehr bewegender Moment also, wo ich für mich gemerkt habe, es reicht nicht, einfach zu erinnern. Ich muss mich dem aussetzen. Und wie mache ich das mit, dass es nicht gezwungen ist? Aber wo der Zugang trotzdem für jeden möglich ist, dass aus einer Objektivierung trotzdem eine Subjektivierung wird Und das war dann die Erkenntnis, dass wir Erinnerungskultur eigentlich braucht. Jede Familie ein Erinnerungswerk, jede Familie. Anstatt Wie willst du das machen bei Millionen opfern? Es ist nicht so einfach. Aber eigentlich braucht jede. Jede Familie bräuchte ein Innen, eine Möglichkeit und eine Begleitung, wenn sie sich das wünscht. Dass für sie ein Erinnerungswerk, für ihre Vorfahren, ein Erinnerungswerk gestaltet wird, und zwar von der Gesellschaft. Aber im Tempo und mit mit der Möglichkeit der Einflussnahme jeder einzelnen Familie und seinem. Für die Bewerbung zur Kulturhauptstadt haben wir das dann als Konzept dann übertragen. Also das, was wir mit der Familie Jesu erlebt haben über eineinhalb Jahren, Adrian das dann für weitere 100 Opferfamilien aus der Region noch mal zu wiederholen. Also das war der an einen Ansatz der Erinnerungskultur, die das Individuelle in den Mittelpunkt stellt und nicht eine Erinnerungskultur, die symbolisch für Tausende und Millionen Menschen steht, weil die Zeitzeugen sterben. Es gibt diese subjektive Erfahrung bald nicht mehr. Also solange es die Zeitzeugen gab, ist es okay gewesen, Mahnmale zu machen. Aber wie sieht es denn im 21. Jahrhundert aus, wenn wir die Zeitzeugen nicht mehr haben, Wo gibt es dann noch den Moment, den Moment, der, in dem ich sehe Da bist du, da bin ich oder da warst du und ich darf noch sein, oder? Jetzt kann ich Ihnen ein bisschen verstehen, was du für ein Leid erfahren hast und was es für Konsequenzen für dich in der Zukunft hatte. In deiner eigenen Biographie. Also da, da sind wir einfach auf an einem Wendepunkt. Also wie kann Erinnerungskultur im 21. Jahrhundert ausschauen, ohne zu systematisieren? #00:24:36-6#

Cristina Gleich: Ja, im Bewerbungsprozess. Als Nürnberg, als Kulturhauptstadt Europas 2025 das natürlich ein Schwerpunkt ist, was bei so eine Stadt wie Nürnberg extrem wichtig ist. Jetzt haben Sie erwähnt, dieses Projekt, da wir leider den Titel jetzt nicht haben. Welche Prozesse würden jetzt in Gang gesetzt oder geht das weiter? Kann es möglich? Hat vielleicht der Bewerbungsprozess an sich schon was gebracht. #00:25:13-3#

Jean-Francois Drozak: Also ich bin der Meinung, dass die Frau Dr. Lehner und der Herr Hans Joachim Wagner heißt. Er glaube ich, der Dr. Wagner. Dass Sie nicht verantwortlich dafür sind, ob ich Kultur machen kann oder nicht. Also diese Vorstellung, die Stadt hat mir jetzt was zu bieten, finde ich ja weltfremd. Natürlich muss die Stadt Kulturarbeit finanzieren und fördern, aber immer aus der Perspektive von 500.000 Bürgerinnen und Bürger. Das heißt, eine Frau, Dr. Lena, kann sich nicht hinstellen und sagen Ich bin der Meinung, dass wir alle kleinen Künstlern und Kulturschaffenden fördern, damit sie einen guten Unterhalt haben. Also es geht um den Output, also es geht darum, was bietet Nürnberg für seine Bürgerinnen und Bürger? Und die Vorstellung, dass dann dieses diesen, dieser Bewerbungsprozess mir als Kultur für mich als Kulturschaffender gemacht wurde, finde ich absurd. Also es geht nicht um mich. Es geht auch nicht um uns Künstlerinnen oder Künstler. Es geht um die Stadt. Und wenn ich etwas anbieten kann, wo andere, die einen Überblick davor haben, dafür einen Überblick haben, dass das, was ich mache, für diese Stadt eine Bereicherung ist. Super. Aber als Kulturschaffender kann ich mir überlegen was, für was übernehme ich die Verantwortung? Wie möchte ich die Stadt Nürnberg bespielen? Und dann übernehme ich auch die Verantwortung und dann übernehme ich auch die Finanzierung, suche die Finanzierung und alles, was dazu gehört. Also das Projekt Jesus hat uns in den eineinhalb Jahren 50.000 € gekostet und da kannst du nicht zur Stadt gehen. Ich verpflichte euch, weil das jetzt wichtig ist, sondern ich übernehme die Verantwortung, diese Gelder zusammenzubringen oder privat zu diese Gelder dann privat irgendwo zusammenzukriegen. Und daher ist es die Bewerbung. Es ist schade für die Stadt, für die Stadt Nürnberg. Aber wer das mit der Haltung angeht, dass jeder eine gewisse Eigenverantwortung hat, was hier an Kulturpolitik, Kulturarbeit realistisch realisierbar ist. Dann, dann war das für mich eigentlich nicht ausschlaggebend, ob die Stadt Nürnberg diesen diesen Titel bekommt oder nicht. Es ist ein Diskurs gewesen und dieser Diskurs war wichtig. Also die Stadt Nürnberg macht alle 25 Jahren macht sie so 1111 Identitätsfindung sprozess durch. Und der war jetzt dran. Das letzte Mal war vor 25 Jahren. Da ging es um große Jubel, eine große Jubiläumsfeier von Nürnberg. In der Zeit ist auch die blaue Nacht entstanden und viele andere Kulturideen. Kulturelle Ideen. Aber jetzt war das dieser Bewerbungsprozess. Da ging es um die Frage Was macht uns als Stadt Nürnberg aus und wohin wollen wir gehen? Und dieser Prozess ist unabhängig davon, ob man dann den Titel bekommt oder nicht. Und sich als Kulturschaffender hinzustellen und zu glauben, dass die Stadt Nürnberg dann darauf hin uns alle fördert, ist wie gesagt weltfremd. Also mussten wir uns überlegen Wie kriegen wir dieses Projekt? Wie wollen wir mit den Ergebnissen umgehen? Schließen wir das ab oder wollen wir eine zweite Etappe angehen und haben das recht früh entschieden, dass wir den Comic in so vielen Sprachen wie möglich übersetzen lassen wollen, und zwar von Ehrenamtlichen, weil Sprachcommunities in der Region sehr relevant sind. Wir haben um die 40, 40, 45 % Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund hier in Nürnberg. Und ich bin selber Brasilianer, Belgier Ja und Deutscher. Und ich weiß einfach, dass es was ganz anderes ist, wenn ich auf Portugiesisch was lese über die Stadt Nürnberg, als wenn ich es auf Deutsch lese, weil es einfach meine Muttersprache ist. Es geht anders ins Herz und ich glaube, dass auch viele andere Menschen aus anderen Kulturen den Comic Jesu Urahn, wenn, wenn er in ihrer Sprache gemacht wurde, ein Ausdruck der Wertschätzung ist gegenüber die eigene Sprache und Community und die Geschichte ganz anders in das Herz der Menschen hineingeht, als wenn ich es in meiner Zweitsprache der deutschen Sprache lese. Andererseits ist es so, dass die Sprachcommunitys ja einen Beitrag leisten können gegen Antisemitismus. Das heißt, ich kann jetzt einen türkischen Mitbürger bitten, an den Comic Jesu Besuchern ehrenamtlich in seiner Sprache zu übersetzen. Was wir nur brauchen, ist eine Finanzierung. Das ist einfach der Druck für diese Übersetzung da ist und dass der Grafiker bezahlt wird, also die Sprechblasen entsprechend umzugestalten. Das das das Buch dann in einer Fremdsprache, in der Fremdsprache oder in der Sprache dieser Sprachcommunity dann auch verteilt werden kann. Und wir haben jetzt den Comic in drei für die Metropolregion relevante Dialekte übersetzt ins Mittelfränkische, ins Oberfränkische und ins Oberpfälzische. Das war auch sehr spannend, dieser Diskurs. Also auch viele fanden das befremdlich. Warum sollte man das ins Oberpfälzische übersetzen? Verarscht man da nicht die jüdischen Mitbürgern oder Bürger? Wo ich dann gesagt das Wisst ihr, also die unsere jüdischen Mitbürger von damals. Wenn die hier gewohnt haben, haben sie auch Dialekt gesprochen. Also der Dialekt gehört nicht den Deutschen, also den Ariern. Und wenn man die Filme sich anschaut über die Nationalsozialismus, dann werden Juden oftmals in Hochdeutsch oder in Jiddisch mit deren Klamotten und Kleider präsentiert, entweder als Hochintellektuelle oder orthodox jüdisch orthodox. Und die Die Nationalsozialisten sprechen entweder bayrisch oder auch sehr eloquent. Aber ich möchte gern mal einen Film sehen zu der Zeit aus dem Nationalsozialismus, wo ein Jude bayerisch gesprochen hat. Da wird getrennt. Ja, und diese Trennung heißt Du gehörst nicht zu uns. Ja, Ja. Und wenn wir jetzt den Comic aber ins Bayerische übersetzt Oberbayerische oder ins Mittelfränkische, sagen wir damit, was wir sagen. Die haben unter uns gelebt, Oder besser gesagt, ihr habt unter ihnen gelebt. Und dass das Menschen waren, die hier genauso Dialekt gesprochen haben. Und das gleiche gilt auch für das Türkische oder Chinesische. Und wir haben. Insgesamt haben wir den Comic jetzt in zehn Sprachen übersetzt oder übersetzen lassen von Ehrenamtlichen. Und jedes Jahr sollen es weitere werden. Also sollen immer mehr. Also das heißt, die Idee ist jetzt nicht nochmal neu Comic zu produzieren, sondern eben dafür zu sorgen, dass einfach im Laufe der nächsten Jahren dieser Comic für ganz viele Sprachcommunities zur Verfügung stehen und sie dort als Wanderbücher zu verteilen. Dass jemand ein Buch liest und es dann weitergibt und weitergibt und weitergibt. Und wir haben den Comic auch der bayerischen Staatsregierung geschenkt, also dem bayerischen Staat. Und die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit wird den Comic in. Jetzt noch mal auflegen, so dass alle Schulen in Bayern den sehr, sehr, sehr, sehr günstig erhalten kann für den Unterricht. Und die haben didaktisches Material auch entwickelt dazu, dass Lehrkräfte den Comic tatsächlich nutzen können im Unterricht. Welche Fragen, welche Übungen kann man rund um diesen Comic machen? Und ja, also es ist einfach. Das ist das Schöne an unsere Stadt und auch an diesem Bewerbungsprozess, aber auch an der Arbeit von Martina Mittenhuber und dem Menschenrechtsbüro. Dass wir immer das Gefühl hatten, dass wir zwar als Familie jetzt ein ganz großes Dilemma in einem Dilemma stehen, eine identische Frage zu antworten. Aber wir waren nie allein. Und die Stadt Nürnberg hat das Recht, aus meiner Sicht, sich als die Stadt der Menschenrechte zu sehen. Weil das ist kein Luxus, sondern es ist eine gelebte Kultur. Und wir wurden von vielen, vielen Seiten unterstützt. Ein Beispiel Die Denkmalbehörde. Die wird jetzt im Moment ganz schön durch den Kakao gezogen, wegen der Geschichte auf dem Reichsparteitagsgelände. Ja, aufgrund von Denkmalschutz und so müsste man das alles wegwischen usw. Ich will mich jetzt da groß in dieser Diskussion nicht jetzt einmischen, weil das ist viel zu frisch. Aber die Behörde. Die hat von sich aus, als wir illegal ein Graffiti an einer Denkmal Fassade in großen Hof aufgesprüht hat ein eine Argumentation entwickelt, warum diese Graffiti an dieser Denkmalfassade sein darf, nämlich aus historischen Gründen, weil es ein historischer Kontext ist. Und das ist eine gute Art und Weise ist, Erinnerung und Erinnerungskultur an einer Denkmalfassade zu vermitteln. Sie sind damit nach München, haben dort das okay bekommen. Und als wir dann ganz vorsichtig nachgefragt haben. Ich glaube, wir haben an ihnen vorbei etwas gemacht. Eigentlich hätten wir ja doch mit ihnen sprechen können. Wie kann es in der Zukunft aussehen? Hatten wir schon das Ergebnis. Die Denkmalbehörde hat gesagt, wir haben das genehmigt, unabhängig von Ihnen. Hier ist das Papier, das Ihnen erlaubt, dass Sie diesen Denkmal.Diese Graffiti, ob das jetzt dann vielleicht nach einer Sanierung weiter oben oder links, Sie können machen, was Sie wollen, Sie können diesen Graffiti da lassen, Sie können es auch noch mal umgestalten, wenn Sie wollen und haben das genau begründet. Verwalterisch, warum das so sein darf. Und zwar auf eine Art und Weise, dass es wiederum kein Referenzfall ist für weitere Comics in Kostenhof. Es ist ein Liebesbrief einer Behörde. Wenn man Verwaltungsbriefe lesen kann, versteht man, dass sich da viele Leute echt ernsthaft Gedanken gemacht haben. Ich muss aber so einen Brief lesen können. Ich muss verstehen, was da drin steht. Es liest sich trocken, aber wenn ich da drinnen. Sie Was ich da drin sehe, was die Nürnberger Denkmalbehörde gemacht habe, ist, dass sie uns einfach damit unterstützt haben. Die haben uns, die, die, die die Gleise gelegt, wie wir das für die Zukunft an der Fassade gestalten können. Und das ist, das ist das, was die Stadt der Menschenrechte ausmacht. Egal, wo wir waren, ob das in Archive waren, ob wir mit ihr gesprochen haben, weil wir mussten die die Beete mussten wir entsprechend umgestalten. Ob wir jetzt um ihren Christian Vogel, den Bürgermeister, den zweiten, als wir im Gespräch waren, egal wo, wir wurden unterstützt. Und aus der Erfahrung heraus verstehe ich auch das, was im Reichstag auf dem Reichsparteitagsgelände gerade passiert und wie's diskutiert wird, nicht ganz, weil ich kenne die Stadt einfach anders. Die, wenn man kooperieren will, wenn man anfragt, wenn man Anliegen hat. Gerade zu dem Thema die Stadt ganz, ganz offen ist. #00:38:55-4#

Cristina Gleich: Aber heißt das dann wirklich, dass so diese Interventionen, diese diese Aktionen als Diskussionsanstoß immer eine Rücksprache brauchen mit der Stadt? Soll das einfach frei passieren? Ist alles erlaubt, was nicht erlaubt ist? #00:39:19-5#

Jean-Francois Drozak: Ich denke, das ist ein gesellschaftlicher Diskurs, der jetzt gerade stattfindet. Da ist die. Da möchte ich mich jetzt nicht rauswagen mit mit irgendwelchen Beurteilungen, weil ich glaube, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt alle nicht genau wissen, was passiert ist und warum die Stadt eine Anzeige gemacht hat und wer wie was? Vielleicht haben sie auch einen Fehler gemacht usw und so fort. Es ist sechs sieben Tage her, also da ist die Stadt einfach überrumpelt letztendlich. Und Aber eins fehlt mir in der Diskussion die die die Perspektive der Opfer des Faschismus. Was halten die von dieser Malerei auf dem Reichsparteitagsgelände? Wer ist gerade dabei zu diskutieren? Ist es die Mehrheitsgesellschaft? Wir diskutieren. Die einen sagen Das ist doof mit der Anzeige, und die anderen sagen vielleicht, dass es vielleicht berechtigt mit der Anzeige. Und die anderen sagen Na ja, da sieht man, wie, wie wie Nürnberg mit Kunst und Kultur Prozesse umgeht. Es wären so so viele Sachen gerade diskutiert, die sicherlich ihre Relevanz haben. Aber das ist die Falle. Wir reden gerade über den Nationalsozialismus. Wir reden darüber, dass da Menschen gestorben sind. Für viele ist es ein abstrakter Diskurs. Aber es gibt Menschen, die haben ihre Vorfahren nicht kennenlernen dürfen, weil sie umgebracht wurden. Was denken die denn dazu? Wie wollen sie denn in der Situation damit umgehen? Also angefangen von von der Stadt, die vielleicht sich gefragt hat, bevor wir es wegwischen, Fragen wir mal die Israelitische Kultusgemeinde, was sie davon hält, wie wir damit umgehen sollen. Oder die Leute, die sich kulturpolitisch jetzt äußern, auch im Stadtrat und und und. Da das Wort ergreifen für die hohe Kunst der Partizipation und der des Kommunikationsguerillas. Was denken Sie denn? Was denken andere, nämlich die Opfer zu dieser Geschichte, die jetzt da passiert? Und ich glaube, das ist der Unterschied zwischen dem, wie wir damit umgegangen sind mit der Familie Jesu an und wie Mehrheitsgesellschaft immer wieder in die Falle tappt. Nämlich Es fehlt der Perspektivwechsel. Nämlich zu den Opfern. Und die miteinzubeziehen ist bei so ein Thema ganz, ganz wichtig. #00:42:11-3#

Cristina Gleich: Und so ist die Zukunft der Erinnerungskultur, indem man immer wieder zu zu der Rolle der Opfer geht und im Gespräch ist. #00:42:23-1#

Jean-Francois Drozak: Und die nächste Generation nach der Zeit nach den Zeitzeugen. Also wir haben zum Beispiel. Wir hätten auch irgendwelchen hochkarätigen Leuten fragen können Wie gehen wir damit um? Aber wir haben uns die Frage gestellt Was sagt denn jetzt die vierte Generation nach der Shoah dazu? Also ich gehöre zur dritten Generation, also die jungen Menschen, jetzt 141516. Was sagen die denn dazu? Wie stellen Sie sich Erinnerungskultur im 21. Jahrhundert vor? Und wie stellen sich die Opfer des Nationalsozialismus das vor? Und noch toller wäre es. Wie stellen Sie sich die vierte Generation der Nachfahren der Holocaustopfer? Wie stellen die sich Erinnerungskultur vor? Das wäre noch die Krönung. Weil sie nämlich beides in sich haben die Offenheit für die Zukunft. Mit dem Wissen, dass das, was da passiert ist, ihr eigener, ihre eigene Familiengeschichte geprägt hat. #00:43:28-8#

Cristina Gleich: Ich überlege auf der anderen Seite sind in diesem Projekt, das die Schüler gemacht haben, zum Beispiel sich mit diesem Thema zu beschäftigen, die Jugendliche selber sich gefragt haben auch was hat meine Familie in der Zeit gemacht, was haben meine Vorfahren? Weil das wird sofort mein Thema, in dem ich mich damit beschäftige. #00:43:55-7#

Jean-Francois Drozak: Ja, also ich. Es ist genau. Ich muss mich dann damit auseinandersetzen. Ich muss mir die ich muss ja irgendwann eine Position finden. Bin ich schuld, bin ich nicht schuld? Diese Frage lässt sich auch ganz klar klären. Wenn ein Herr Doktor alleine dasteht und den Jugendlichen sagt Ihr seid nicht verantwortlich für das, was eure Vorfahren gemacht habt oder nicht. Also das ist, das ist das Schöne in diesen Begegnungen, dass die Antworten vielleicht dann auch von einem Herrn Jesus haben kommen und die Jugendlichen dadurch einen Orientierungsrahmen haben, der ihnen hilft, Entscheidungen für ihre Zukunft zu treffen. Und diese Begegnungsarbeit, die wir da an bayerischen Schulen ja sehr gepflegt. Zu dem Thema, also Zeitzeugen Gespräche sind ein Teil des Lehrplans einfach in Bayern und das ist auch gut so! #00:44:58-4#

Cristina Gleich: Ich finde auch sehr interessant diese dieses Übersetzen in ihn in anderen Sprachen sehr wichtig, weil es ist natürlich die Sichtbarkeit, diese Familien, diese Geschichten. Auf der anderen Seite, wenn ich dann in anderen Sprachen, mache ich diese Communities, diese Menschen, die eine andere internationale Hintergrund haben, auch sichtbar. #00:45:27-4#

Jean-Francois Drozak: Es gibt auch Syrier, es gibt auch Türken, es gibt auch Spanier. Es gibt Russen, die sich gegen Antisemitismus engagieren. Und was ist das? Es ist doch das Beste, wenn ich deren Kompetenzen. An Anfrage. Der Pfarrer Es gibt einen Pfarrer, zum Beispiel der Bischof Baum. Der ist bekannt geworden, weil er im Rahmen einer Veranstaltung der NPD seine Glocken hat läuten lassen für Kirchenglocken. Und deswegen konnte die Veranstaltung nicht stattfinden, weil die Glocken lauter waren als die Lautsprecher von der NPD. Ja, und das ist durch die Medien gegangen. Ja, und was ist das Attraktive daran? Der Bischof hat das benutzt, was er hat. Gegen den Faschismus gegen den Antisemitismus. Und was mache ich denn mit einer Sprach Community? Ich? Wenn was? Was? Wie kann ich sie anregen, dass sie ihre Kompetenzen einsetzen gegen Antisemitismus? Und was ist da nicht? Es gibt nichts naheliegender als Ihre Sprachkompetenz. Und da wird natürlich ein türkischer Mitbürger sagen Cool, endlich! Was ist meine Sprache hier relevant? Oder der chinesisch Sprechende oder der vietnamesisch Sprechende? Und das hat eine Wirkung auf seine Community, weil nicht die Mehrheitsgesellschaft sagt, wie etwas auch Prävention stattfindet. Sondern es kommt aus den Communities heraus. Und. Und dann mit identifiziere ich mich doch viel, viel mehr mit unserer Stadtgesellschaft, als wenn einfach ein paar Menschen Programme aufstellen und sagen So hat es zu sein und überall muss das so umgesetzt werden. #00:47:37-4#

Cristina Gleich: Ich würde gerne jetzt das Thema wechseln. Und zwar. Sie machen Theaterprojekte in Schulen. Welche Themen werden da behandelt? Wie funktioniert das? #00:47:52-8#

Jean-Francois Drozak: Also ich werde beauftragt von Unternehmen oder Ministerien wichtige gesellschaftliche Themen mit der Form des Theaters an Schule zu vermitteln, mit den Schulen also nicht von außen, sondern mit Schülerinnen und Schüler innerhalb der Schule. Und dazu gehört das Thema Depression im Jugendalter, Rechtsextremismus, die Energiewende der Fachkräfte, Nachwuchs für soziale Berufe und pflegerische Berufe. Das Thema Kinderarmut. Wie gehen wir mit Marken um in unserer Gesellschaft? Wie ist Teilhabe möglich unter Jugendlichen? Also eigentlich alle gesellschaftlichen Themen, die Familien und gerade Kinder und Jugendliche betreffen. Die bespiele ich über das Theater an Schulen. #00:48:53-7#

Cristina Gleich: Und die die Themen. Dann werden zusammen mit der Schule entschieden oder welche Kriterien? #00:49:01-3#

Jean-Francois Drozak: Also ich suche mir immer die Themen aus. Ich schaue mir an, was ist gerade gesellschaftlich relevant und gibt mir dann für das Thema ungefähr drei Jahre Zeit, um daraus ein Projekt zu entwickeln, das dann an zahlreichen Schulen durchführbar sind, also in Projektwochen. Also Dazu gehört es nämlich, das Thema aufzuarbeiten, didaktisch künstlerisch als Inszenierungsprozess anzulegen mit den Schülerinnen und Schülern an der Schule. Es muss ein sehr, sehr hohes Niveau sein, auf der Bühne und gleichzeitig aber auch die Förderung zu finden, dass diese Projekte umgesetzt werden können. Und zwar so, dass man pro Projekt mindestens 100 Schulen in drei, vier, fünf Jahren bedienen kann. #00:49:52-9#

Cristina Gleich: Und welche sind aktuell die Themen also in diesem Jahr? #00:49:58-5#

Jean-Francois Drozak: Also was für dieses Jahr? Für mich ja, wo ich mich sehr intensiv beschäftigt, eigentlich schon seit zwei Jahren. Drei Jahren ist die Zusammenlegung von drei pflegerischen Berufen zu einem nämlich den die Generalistik, also die neue Pflegeausbildung. Früher gab es die Kinderkrankenpflege, die erwachsenen Krankenpflege und die Altenpflege drei in sich abgeschlossene Berufe. Und die wurden seit Januar 2020 zu einem Beruf zusammengelegt. Und meine Arbeit besteht darin, für das bayerische Gesundheitsministerium und Pflege Ministerium diese neuen Berufe. Dieser neue Beruf, an Schulen zu kommunizieren, aber auch den neuen Studiengang, der des examinierten Pflegefachmenschen. Es gibt auch jetzt einen Studiengang, der reizvoll sein kann anstatt Medizin. Und mein Job besteht darin, das über das Theater zu kommunizieren. #00:51:03-6#

Cristina Gleich: Also junge Menschen, die die Idee bringen Leute, interessiert euch für diese Berufe. #00:51:12-4#

Jean-Francois Drozak: Die Fragestellung ist was könnte euch denn an diesem Studium interessieren? Oder was könnte euch an der Pflege interessieren? Das heißt, ich gehe mit den Jugendlichen auf eine Recherche auf dem Rechercheabenteuer eine Woche lang. Wir gehen dann, haben Gespräche mit Ex Pflege Expertinnen und Experten Experten. Aber letztendlich ist es so, dass die Jugendlichen dann für sich über die Szenen arbeit, sich das Thema journalistisch erarbeiten und das dann an ihren Mitschülerinnen und Mitschüler präsentieren. Und auch da ist die Haltung Es geht nicht darum, dass ich irgendwo hingehe und den Kindern und Jugendlichen sage, was sie zu denken haben, sondern ich arbeite das mit ihnen aus. Moderierend, was sie an dem Beruf interessant, aber auch nicht interessant finden könnten. #00:52:07-4#

Cristina Gleich: Und wie kann man jetzt sich das konkret vorstellen? Was passiert da? Sie kommen in eine Schule sozusagen, und sagen Ja, also wer hat Lust, sich mit dem Thema zu beschäftigen, Theater zu spielen? #00:52:20-2#

Jean-Francois Drozak: Wir machen ein Casting vorher. Die Jugendlichen werden eine Woche vom Unterricht befreit, die Interesse haben, und in dieser Woche ist es wie ein Inszenierungsprozess. Man beginnt am Montag mit den Proben. Donnerstag haben wir normalerweise Abend auf eine Abendaufführung eine Premiere und Freitag Vormittag Schulaufführung, wo sich bis zu 500 Schülerinnen und Schüler dann das Ergebnis der acht köpfigen Jugendensemble Gruppe anschauen. #00:52:51-1#

Cristina Gleich: Und das wird dann aufgeführt am Ende für alle sozusagen. Genau. Und wie kommt das an? Wie? Was wird das jetzt gerade mit dem Thema Pflege? #00:53:05-9#

Jean-Francois Drozak: Also ich habe die Erfahrung gemacht, ich habe früher für ein pädagogisches Theater gearbeitet oder mein Praktikum bei solchen pädagogischen Theatern gemacht. Also das ist ja unsere Tradition. Vom pädagogischen Theater ist groß in. In Deutschland, da tun sich drei, vier Schauspielerinnen und Schauspieler zusammen, gründen ein Ensemble, machen ein Theaterstück eben auch zu den gleichen Themen wie Rassismus, Depression usw. Dieses Stück ist aber von Erwachsenen, von Erwachsenen produziert. Und die gehen dann an Schulen. Das gibt es auch zum Thema Englisch und Französisch. Dann sind Theaterstücke in Fremdsprachen und die kommen, bauen am Vormittag um 8:00 ihre Bühne auf und um 11:00 ist Aufführung und um 13:00 ist fertig. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Schülerinnen und Schüler eigentlich gar kein Interesse haben, oft an das, was da die Erwachsenen mal wieder für uns vorbereitet haben. #00:54:19-3#

Cristina Gleich: Es ist fremd. #00:54:20-1#

Jean-Francois Drozak: Es ist Fantasie, ist kurz und die kommt von außen. Kommt dahin für zwei Stunden und meine Arbeit. Als ich damals ein Praktikum gemacht habe, war die Technik, um dafür zu sorgen, dass die Jugendlichen ruhig sind. Ja, und ich habe dann gemerkt, irgendwas stimmt hier nicht. Und auch die das Ensemble, wo ich gearbeitet haben, immer wenn sie hier raus sind aus so einem Projekt. Immer aus dem Zimmer, immer. Die haben immer über das Schulsystem gelästert, die haben gesagt was sind das für scheiß Lehrer, was sind das für Schüler und so und ah und Papa, Papa und so und ich habe mich gefragt Warum macht ihr das dann? Wieso macht ihr das, wenn ihr Schule nicht liebt, wenn ihr so schulkritisch sein kommt aus den 60er Jahren, Sie ist in. Selbst in den 90er Jahren. 2020, als Allüre noch ist da die außerschulische Bildung ist zum Teil fühlt sich echt besser als die schulische Bildung. Das ist eine Allüre, die auch in diesem pädagogischen Theater noch mit drin waren. Und ich habe mir gedacht, also ich, wenn ich merken wir, dass das Schülerinnen und Schüler sich nicht für das interessieren, was ich mache, das ist doch mein Job, dafür zu sorgen, dass ich ein Angebot mache, das sie interessiert. Ich kann doch nicht die Schülerinnen und Schüler dafür verantwortlich machen, dass meine Leistung, die ich liefer, sie nicht interessiert. Also muss ich doch an mir arbeiten. Und diese pädagogischen Theater sind ja auch richtig teuer. Also du kannst dann schon mal schön drei 4.000 € 1.000 € für so und so zum Projekt verlangen. Ja, muss der vier fünf Schauspieler Technik und Hotel das sie da für zwei Stunden für zwei Stunden. Ja und es wird über das Publikum über den Preis von den Schülern wird es gerechnet. Wir haben 500 Leute erreicht, haben 5.000 € bekommen, Eintrittskarte 10 € pro Schulschüler. Ja, rechnet sich. Kann man auch erklären. Und das müssen wir anders machen. Ich arbeite fünf Tage an einer Schule, und zwar mit den Schülern selbst. Und am Ende präsentieren Schülerinnen und Schüler das vor ihrem eigenen. Ihrer eigenen Schulfamilie. Und plötzlich sitzt da die Lisa und merkt, dass der Rudi auf der Bühne ist. Und es interessiert die Lisa, was der da macht, weil sie kennt ihn, Rudi. Und der, der Schande ist mit seinem Wohnwagen im Pausenhof. Und vorher hat es ein Casting gegeben. Das heißt, die Schule spürt, dass da was passiert. Über die ganze Wochen und sogar vier Wochen vorher durch dieses Casting. Die wissen das, weil sie wieso schliefen. Der da? Warum ist die Turnhalle? Warum können wir nicht in die Turnhalle? Und, und, und. Das heißt, ich werde ein Teil der Kultur. Ich integriere mich in der in die Schule. Und das Tollste an meiner Arbeit ist, wenn am Ende ich gar nicht mehr relevant bin. Wenn die Schule nicht mehr sagt Oh, der Herr drost was da hat was Tolles gemacht, sondern wir haben das gemacht, wir als Schule. Wir sind stolz, dass wir das gemacht haben. Wir sind stolz, dass wir zum Thema Pflege was so Tolles auf die Bühne gebracht haben und vermitteln konnten. Uns selbst, wie toll der Pflegeberuf sein kann. Und das ist der Unterschied zwischen Ich komme von außen irgendwo rein oder ich integriere mich. Klar, ich bin ein brasilianischer Bayer. Ich habe mich in drei Ländern integrieren können müssen. Das heißt, ich kann das. Ich kriege das hin. Ich weiß, wie ich mich in ein System eingliedern kann, das, dass ich nicht als Fremdkörper wahrgenommen werde. Und ich glaube, dass das in der außerschulischen Bildung ganz wichtig ist. Chile nicht als das Feindbild zu sehen, nicht als etwas, was jetzt wieder mal vom Neuen reformiert werden muss, sondern dass Schule ein hoch komplexer Organismus ist, in dem ganz viele gesellschaftliche, gesellschaftliche Fragen dort auf auf Treffen dort diskutiert werden. Schule ist faszinierend. Es ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Und entweder ich liebe Schule, dann kann ich da arbeiten oder ich habe da nichts zu suchen. #00:59:19-3#

Cristina Gleich: Ja, es ist ein sehr interessanter Ansatz und verbindet sich auch, was wir vorher mit dem Thema Erinnerungskultur, also dieses partizipative wirklich? Also diese das hat auch mit mit der mit was Augusto Boal mit seiner Theaterpädagogik zu tun was wo wirklich diese nicht mehr diese feste Grenzen gibt immer also hier sind die Schauspieler, hier ist das Publikum, sondern dass man wirklich auch die Möglichkeit hat, sofort zu kommen, zu spielen, selber die eigene Situationen, die eigene Sorgen oder was auch immer auf die Bühne zu bringen. #00:59:59-8#

Jean-Francois Drozak: Ja, also der Augusto Ball ist konsequent, die Theatertheorie zu Ende gedacht in der Moderne. Also es gibt keiner, der so konsequent durchgezogen hat. Wir haben früher in griechischen Theater gehabt, die hatten es gab, oder Stanislawski? Ja, dann. Ich habe den gelesen. Die wenigsten haben ihn wirklich gelesen. Alle reden von Stanislawski. Ich habe ihn akzeptiert, weil ich das für sehr wichtig fand. Aber das naturalistische Theater geht davon aus, die Bühne ist ein Aquarium, und das Publikum hat die Möglichkeit, da rein zu schauen. Die Leistung des Schauspielers oder der Schauspielerin besteht darin, sich in einer Art Biotop so in die Fantasie hineinzudenken und es dann auch ausdrücken zu können, dass das, was da passiert, real wird. Was hat Bertolt Brecht gemacht, der das als absurd hingestellt und hat gesagt Nein, der Schauspieler ist immer Schauspieler. Wir müssen keine Traumwelt auf der Bühne produzieren. Es gibt das Publikum, das Publikum muss erkennen, dass es noch Publikum ist. Und die Schauspieler müssen immer aus der Rolle nachvollziehbaren machen, dass sie nicht nur Rolle sind, sondern dass sie auch Schauspielerinnen und Schauspieler sind und vielleicht auch dann Brüche inszenieren, damit es immer wieder klar ist, dass wir nicht in einer irrealen Fantasie abdriften, sondern dass am Ende dieser Selbstreflexion sprozess einfach in Gang kommt. Und was hat Augusto gemacht? Der hat gesagt Es gibt kein Publikum mehr, es gibt keine Bühne mehr, es gibt keinen Schauspieler mehr. Wir sind alle eins und wir machen alle Theater. Und viele Leute denken, dass die Theater das Theater in Seminare, in den Seminarraum reingeholt. Ja, klar, es gibt viele Leute, die Workshops machen. Aber das Spannende ist dann, dass er diese Frage Publikum, Bühne, Geschichte, Schauspieler auflöst. Aber nicht in Psychotherapie, sondern in einem soziologischen Theater, in der Soziologie, in der Politik, in dem Mann, der von der Frage Was sagt das uns? Als Was sagt uns das als Gesellschaft? Nicht um eine Selbstreflexion hin zu Was ist meine Biographie? Das interessiert die nicht, das interessiert nicht der, der will nicht wissen. Er will nicht trauern, der will auch nicht aufarbeiten. Der will eine Reflexion hin zu der Frage Was unterdrückt uns denn als Gesellschaft? Dein Schmerz ist mein Schmerz und mein Schmerz ist der Schmerz von meinen Nachbarn. Wir haben alle diesen Schmerzen und wenn wir alle diese Schmerzen haben, sagt es gar nichts über uns als Person aus, sondern als Gesellschaft. Und das hat mich so fasziniert. Ja, das Theater. Eine Form ist des Diskurs, des gesellschaftlichen Diskurs. Und ich glaube, viele Leute haben missverstanden und denken, das ist so was wie ein cooler Psychotherapeut ist er überhaupt nicht. Und diese Auflösung vom Theaterraum macht ihn so faszinierend. Und es spornt mich ganz arg an, an Schulen zu arbeiten. Aber nicht, um therapeutisch zu arbeiten, sondern den Diskurs zu eröffnen. Und dass dieses Lehrmaterial, was die Lehrkräfte ihren Schülerinnen und Schülern vermitteln, dass es Momente gibt, in dem sie aufploppen als Erlebnis, als gemeinsames Erlebnis, als als als Schulfamilie. Dass sie sich mit dem Thema beschäftigen, aber nicht abstrakt, nicht objektiv, sondern subjektiv. Aber nie, um dann in eine Therapie zu gehen, sondern zu merken das, was ich jetzt gerade erlebt, das sagt ganz, ganz viel über unsere Gesellschaft und ist veränderbar. #01:04:27-2#

Cristina Gleich: Zeigt ein bisschen die Macht, das jeder hat, um Sachen zu verändern. Sie sind sehr viel unterwegs, jede Woche dann praktisch woanders, mit dem Projekt, mit den Projekten, mit den Schulen. Wo sind Sie zu Hause? #01:04:47-5#

Jean-Francois Drozak: Ich wohne in großen Hof und ich habe einen Wohnwagen, einen Tourwagen als mein Büro und alles dabei. Und wenn ich in Bayern auf Tour bin, dann übernachtet in Schulen, in diesen Wohnwagen. Also eigentlich wie so ein Zirkus. So kann man sich das vorstellen. Als die ganze Bühnentechnik habe ich in meinem großen Auto und aber auch den Tourwagen. #01:05:11-3#

Cristina Gleich: Also teilweise fest in den Hof, teilweise sehr mobil. Mit einem mobiles Zuhause sozusagen. Hat es vielleicht auch mit dem. Haben Sie gesagt Brasilianische Feier. Da haben wir zumindest zwei Dinge gemeinsam. Hat das vielleicht auch damit zu tun? #01:05:30-9#

Jean-Francois Drozak: Diese Ja. Also meine Mutter ist Physikerin und sie hat in ein Stipendium bekommen, nach Brüssel. Und von Brüssel ist sie dann ans Max Planck nach München. Und ich hab mal gezählt, ich glaube bis zum meinem 16. Lebensjahr war ich an über elf Schulen. Das heißt, ich habe mich immer wieder verabschieden müssen, bevor ich angekommen bin. Und es gibt eine soziologische Studie zu Menschen wie mich, das man nennt solchen Menschen Global Nomads, das heißt, die innerhalb ihrer Sozialisierung nicht verortet sind. Das sind Militärangehörige, Missionare, Botschaftskinder, Menschen, Kinder von Unternehmensmitarbeiterinnen, die für große Unternehmen immer wieder woanders eingesetzt werden. Und die haben eine Sozialisation erlebt, die anders ist als jemand, der auf dem Land beispielsweise, um es zu bespitzeln bis zum 18. Lebensjahr einfach in einer Familie gelebt haben, an einem Ort. Es gibt immer eine übergeordnete Idee, die uns immer wieder dazu bringt, weiterzuziehen, weiterziehen zu müssen. Meine Eltern mussten mir immer wieder erklären, dass da irgendwas von außen bei uns war, das der brasilianische Staat, der es erlaubt uns uns dazu bringt, dass wir weiterziehen müssen für eine große, tolle Idee. Also das heißt, bis zu meinem 16. Lebensjahr habe ich von diesem. Deshalb habe ich sozialisiert. Es gibt irgendwie eine tolle Idee. Bei Militärsangehörigen ist es was anderes. Und für Missionare ist es halt der Jesus. Wir müssen die frohe Botschaft weitergeben. Aber vom Prinzip her egal was es ist, es gibt immer etwas von außen, das uns nach dazu führt, dass wir weiterziehen. Die zweite. Sache, die mich ausmacht, ist, Ich kann sehr schnell Kontakt zu jemand bekommen. Ich möchte mit die Menschen alles sofort erleben, weil es sein kann, dass man sich übermorgen wieder voneinander verabschieden muss. Das heißt, die Erfahrung, die ich gemacht habe, hat mich dazu geführt, dass ich einen Abstand bekommen habe, sondern dass ich schnell alles mit einem Menschen erlebe sollte. Bevor man sich wieder voneinander verabschieden muss, Also ein intensives Leben zu führen. Das ist ein Teil davon. Aber auch nicht, an einem Ort lang sein zu können. Und ich habe eine Frau geheiratet, die Hier auf dem Land gelebt hat. In Hetzlitz. Bis zu ihrem 18. Lebensjahr. Die eine komplett andere Sozialisation hat und es für Menschen. Für mich ist es ganz schwierig, eine Partnerin oder einen Partner zu finden, der ähnlich tickt, also der mit auf Reisen geht. Es ist gar nicht so einfach. Und ich musste mir lange überlegen, ob ich vielleicht pathologisch bin. Bis ich für mich verstanden habe. Bis ich diese Global Nomads oder. Manche nennen es auch The Third Culture Kid. Das ist die moderne Variante. Also das ist eine andere, eine dritte Kultur. Also nicht ich bin Brasilianer und zugleich Deutscher und Türke oder wie auch immer. Das sind unsere Migrationstheorien, die wir haben. Sondern es gibt Menschen für mich, die katapultieren sich raus aus den einzelnen Kulturen. Es gibt eine internationale Nationale Kultur, eine Kultur der Diplomaten, eine Kultur, in dem man ganz anders sein Leben organisiert mit anderen Werte. Matrix. Wenn meine Frau zum Beispiel, die sagt, sie schaut einen Menschen an und dann tut sie drei Jahre lang diesen Menschen beobachten und dann darf der sich ihr nähern. Ja, bei mir. Innerhalb von kurzer Zeit habe ich den Kontakt. Ich habe dadurch Enttäuschungen, weil auch man dann dadurch verletzt werden kann, wenn man Menschen zu nah aneinander. Ich langweile mich auch oft nach einem halben Jahr, weil ich mit dem Menschen schon alles erlebt habe. Während Johanna Verletzungen erlebt, weil sie in der Zeit, bis sie diese Menschen kennengelernt haben, diese Menschen wieder gegangen sind oder die Erwartungen nie erfüllt wurden, die man sich über Lauf im Laufe der Zeit aufgebaut hat. Und wir haben sehr viel gerungen und wie wir denn miteinander leben können. Und das Wandern, das ich zu meinem Beruf, zu einem Wanderberuf gemacht habe und trotzdem wir daheim sind und das sich das bereichert gegenseitig. Und das ist echt ein Glück, weil ich einfach als Mensch, der anders sozialisiert ist und ich will nicht sagen als Brasilianer oder Belgier, sondern als jemand, der innerhalb seiner Sozialisation einfach ganz andere, einen anderen Orientierungsrahmen hat. Was Glück bedeutet, einfach so einen tollen Menschen kennengelernt hat wie meine Frau Johanna, die in diesem Spannungsfeld für sich entdeckt, wie bereichernd so ein Typ ist. und ich auch in ihr sieht, wie bereichernd es sein kann, einen solchen Menschen an der Seite zu haben. Aber es war ein langer Weg. #01:11:43-8#

Cristina Gleich: Kann ich mich vorstellen. Aber eben, manchmal sind diese Unterschiede die komplementär. In einer gewissen Weise. Wir müssen uns leider verabschieden. Ich bedanke mich ganz herzlich für diese tolle Gespräch. #01:11:59-0#

Jean-Francois Drozak: Ebenfalls. #01:11:59-9#

Cristina Gleich: Und wünsche wirklich ganz viel Erfolg weiterhin in Ihre tolle Arbeit. #01:12:05-7#

Jean-Francois Drozak: Und Brigade. Ciao, Ciao! #01:12:11-3#

Dieses Projekt/Diese Maßnahme/Initiative leistet einen wichtigen Beitrag, Nürnberg schrittweise inklusiver zu gestalten. Es/Sie ist Teil des Nürnberger Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Den Ersten Aktionsplan hat der Nürnberger Stadtrat im Dezember 2021 einstimmig beschlossen. Um die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in Nürnberg zu verwirklichen, wurden und werden umfangreiche Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Weitere Informationen finden Sie unter www.inklusion.nuernberg.de.

Die Perspektive der Opfer fokussieren - dafür plädiert Jean-Francois Drozak. Ein Gespräch über Perspektivenwechsel der Erinnerungskultur und der Theaterpädagogik

Ein unerwarteter Besuch hat der Theaterpädagoge und Kulturdesigner Jean-Francois Drozak 2017 bekommen, als der belgische Arzt Allain Jesuran an seiner Haustür klingelte. Da begann für beide Familien sowie einer Gruppe von Schülerinnen und Schülern des Dürer-Gymnasiums eine Spurensuche, um die Geschichte der jüdischen Familie Jesuran zu rekonstruieren. In Form eines Comicbuches, das mittlerweile in unterschiedlichen Sprachen und Dialekten übersetzt wurde, wird diese Familiengeschichte dargestellt. 
Drozak schildert im Gespräch, wie unterschiedlich Generationen mit der Schoah umgehen und wie wesentlich es bei der Erinnerungskultur ist, immer die Perspektive der Opfer im Auge zu behalten. Die Herausforderungen und Gefahren der Erinnerungskultur in einer Zeit, in der es kaum mehr Zeitzeugen gibt, werden von Drozak auf den Punkt gebracht. 

Der Perspektivenwechsel ist ebenfalls zentraler Ansatz seiner pädagogischen Theaterarbeit mit Schülerinnen und Schülern. Drozak bearbeitet gesellschaftlich relevante Themen mit Theaterproduktionen in Schulen, die er für hochkomplexe Organismen hält, wo sich viele gesellschaftliche Fragen treffen und diskutiert werden. Schule ist für ihn ein "faszinierendes Spiegelbild der Gesellschaft" und Theater eine Form des gesellschaftlichen Diskurses, wo - wie beim Thema Erinnerungskultur - das Subjekt im Mittelpunkt stehen soll. 

Weitere Informationen: 

Nordkurve-Info

----
Aufgenommen am: Dienstag, 3. November 2020
Veröffentlicht am: Donnerstag, 12. November 2020
Moderation: Cristina Gleich
Im Gespräch: Jean-Francois Drozak

----

Alle weiteren Folgen von KontaktAufnahme – der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg finden Sie hier. Jede Woche, immer donnerstags, veröffentlichen wir ein neues Gespräch. 
Wen sollen wir noch befragen - haben Sie Ideen und Anregungen? Oder möchten Sie Ihre eigenen „Glücksmomente“ (manchmal am Ende des Interviews zu hören) an uns schicken? Schreiben Sie uns an!

Foto: Jean-Francois Drozak