Irina Lock, ist Lobbying jetzt gut oder schlecht?

Ansage: KontaktAufnahme. Der Podcast Bildungszentrum Nürnberg. #00:00:10-9#
Hannah Diemer: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Kontaktaufnahme. Mein Name ist Hannah Diemer und ich darf heute gegenübersitzen von Prof. Dr. Irina Lock. Ich freue mich sehr, dass du da bist. Herzlich willkommen im Podcast. #00:00:36-5#
Irina Lock: Vielen Dank für die Einladung. #00:00:38-2#
Hannah Diemer: Irina Lock ist seit zwei Jahren die Professorin für Strategische Kommunikation am Institut für Kommunikationswissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Und du kommst aber ursprünglich aus Nürnberg, weshalb ich mich sehr freue, dass wir dich in unserem Nürnberger*innen Podcast begrüßen können. Du hast deine wissenschaftliche Karriere begonnen mit deiner Promotion im Jahr 2015 in der Schweiz an der, und jetzt schauen wir, ob ich es richtig ausspreche, Università della Svizzera italiana. #00:01:12-4#
Irina Lock: Das stimmt. #00:01:14-1#
Hannah Diemer: Ganz in der südlichsten Spitze von der Schweiz, 60 Kilometer über Mailand. Und da hast du deine Promotion sogar mit summa cum laude abgeschlossen. Und seitdem warst du viel unterwegs, auch in Europa. Eine Station in Amsterdam gab's, ich glaube, in München auch und dann in Jena gelandet. Deine Professur hast du zum Thema strategische Kommunikation und wie man das so macht in der Podcastvorbereitung googelt man zuerst die ganzen Schlagwörter und Stichwörter. Und zur strategischen Kommunikation hat natürlich die Wikipedia einen sehr umfangreichen Eintrag. Und ich dachte, ich lese dir jetzt einfach mal vor, was Wikipedia zur strategischen Kommunikation zu sagen hat und ob das da die Community richtig zusammengefasst hat und ob das aus deinen Augen als Professorin stimmt, was Wikipedia zusammengeschrieben hat. Im Punkt "Vorgehen und Ziel von strategischer Kommunikation" geht es los mit dem Satz "Bei strategischer Kommunikation handelt es sich stets um eine Kommunikation der Macht, die keine körperliche Gewalt anwendet, diese jedoch begleiten kann." Was würdest du zu dem Beginn sagen? #00:02:22-6#
Irina Lock: Das ist schon mal ein interessanter Einstieg, würde ich sagen. Vielleicht, so Foucault-Anhänger, die sich damit beschäftigt haben. Also ob es um Macht geht, weiß ich nicht immer, ich würde sagen, es geht immer um Organisationen, die kommunizieren. Sei es nach außen hin oder nach innen hin. Und das Thema Gewalt ist erstmal irrelevant für die strategische Kommunikation. Denn auch wenn beispielsweise der Bildungscampus Nürnberg über neue Veranstaltungen informiert oder ein neues Kursprogramm herausgibt, wäre das auch strategische Kommunikation. Da wären wir in einem ganz anderen Gebiet als das, was jetzt dieser Wikipediaeintrag mit sich bringt. Aber, wenn ich noch anfügen darf, grundsätzlich kommt dieser Begriff strategische Kommunikation historisch auch eher von einerseits Staaten oder Regierungen, die kommunizieren und andererseits aus dem Militär. Sie werden also bei, beispielsweise hat die NATO eine strategische Kommunikationeinheit. Es gibt auch Institutionen, zum Beispiel Das Auswärtige Amt in Deutschland hat eine strategische Kommunikationeinheit. Sie sehen, das hat, es ist so ganz nah verzahnt mit der Politik, und vielleicht kommt daher diese Anklang an die Macht. #00:03:36-6#
Hannah Diemer: Es geht dann weiter mit: "Stattdessen verwendet die strategische Kommunikation eine professionalisierte Methoden, wie zum Beispiel" und jetzt kommt eine ganze Aufzählung "Slogans, Werbeplakate, Drohungen, Euphemismen, False Flag Aktionen, Öffentlichkeitsarbeit, Propaganda Framing, Rhetorik, Storytelling, Täuschungen, Lügen, Geheimhaltung, Verstellungen, Irrtum oder Betrug" und das Ziel ist dann "die Schaffung neuer Perspektiven bei einer bestimmten Zielgruppe, um ein Thema als normal oder verwerflich erscheinen zu lassen, den Gegner zu verleumden oder je nach Zielsetzung Handlungen bei bestimmten Zielgruppen zu verstärken oder zu unterbinden." #00:04:19-6#
Irina Lock: Das finde ich eine sehr interessante Mischung an Faktoren, die da aufgezählt sind, die auch überhaupt nicht in eine Richtung gehen, so alle miteinander. Also ich würde das anders darstellen. Das hat eine sehr, einen sehr kritischen Einschlag. Und erst mal, also im modernen Verständnis von strategischer Kommunikation könnte man auch sagen, man nimmt einfach ein anderes Wort für, was früher hieß Öffentlichkeitsarbeit, Public Relations, Organisations- oder Unternehmenskommunikation. Das nennt man heutzutage strategische Kommunikation, weil es weitere Gebiete umfasst. Wenn ich sagen würde Public Relations würde man vielleicht zuerst an Unternehmen denken und weniger beispielsweise an die Stadtbibliothek Nürnberg, die das aber genauso macht. Und aus diesem Grunde nimmt man, und auch weil Public Relations vielleicht nicht zu, den besten Ruf mehr hat, und dann geht man natürlich über zu neueren Begriffen. Und strategische Kommunikation ist einer der Begriffe, der eben in der Allgemeinheit noch nicht besetzt sind. Außer wenn man vielleicht die Wikipedia Definition liest. Es geht nicht um Manipulation. Also wenn wir es wissenschaftlich definieren wollen würden, dann heißt es erst mal die Kommunikation von Organisationen. Das kann alles sein, Unternehmen, Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, öffentliche Institutionen, Parteien, Sportvereine, um deren Organisationszielmission zu erfüllen. Also es geht erst mal darum, den Standpunkt der Organisation rüberzubringen, auf ganz verschiedene Arten und Weisen. Unter anderem wie da aufgezählt wurde Storytelling, Framing, andere rhetorische Mittel, Metaphern über Bilder, Videos. Es gibt ganz viele Kommunikationsmodi, ganz viele Kommunikationskanäle. Aber es hat erstmal nichts zu tun mit dieser. Mit diesem sehr kritischen Ansatz, hier manipulieren zu wollen oder jemandem zwangsläufig eine Verhaltensänderung auferlegen zu wollen. #00:06:19-5#
Hannah Diemer: Jetzt beschäftigst du dich ja schon seit vielen Jahren mit dem Thema. Was hat dich denn dazu Beginn daran interessiert, dass du angefangen hast, dich damit zu beschäftigen? #00:06:29-7#
Irina Lock: Das ist eine ziemlich gute Frage. Ich glaube, ich habe ja im Bachelor was anderes studiert. Ich habe eigentlich mehr so eine Art Studium generale gemacht. Würde ich es jetzt heute bezeichnen. Das hieß damals Kulturwirtschaft an der Uni Passau. Das ist ein Mix aus Kulturwissenschaften, Sprach- und Literaturwissenschaft und Wirtschaftswissenschaften gewesen. Also von allem ein bisschen und nichts so richtig. Und dann habe ich ein Jahr gearbeitet und bin dann an die Uni in Lugano, die du vorhin erwähnt hattest, gegangen. Und dort habe ich den Master gemacht in Corporate Communication, also Unternehmenskommunikation. Und da hat mich einfach interessiert, wie, also die Wirtschaftskomponente hat mich interessiert und wie kommunizieren Unternehmen eigentlich, wie stellen sie ihre Standpunkte dar? Und das ist dann im Laufe des Studiums und des Doktorats natürlich immer ein bisschen breiter geworden. Aber es ging mir eigentlich darum, zu verstehen, wie solche Organisationen wie Unternehmen sich nach außen darstellen und ihre Position behaupten. Das fand ich interessant und viel mehr Ahnung als das hatte ich damals glaube ich auch nicht. #00:07:35-7#
Hannah Diemer: Wie Unternehmen sich darstellen, wird ja im generischen Sprachgebrauch auch häufig als Lobbying bezeichnet und es hat schon auch diese negative Konnotation. Würdest du sagen, dass Lobbying per se was Schlechtes ist? #00:07:48-3#
Irina Lock: Also, dass, diese Annahme, die du triffst, mit der negativen Konnotation, die finde ich erst mal gar nicht so allgemeingültig. Ich bin jetzt gerade dabei, eine Studie durchzuführen und das ist eine der ersten wissenschaftlichen Untersuchungen, die überhaupt mal dem auf den Grund geht, ob Lobbying überhaupt so einen schlechten Ruf hat, wie immer behauptet wird. Ja, der Begriff ist negativ konnotiert. Aber wenn wir mal die deutsche Bevölkerung fragen und das kann ich dir jetzt noch nicht berichten, aber vielleicht in ein paar Wochen, kann ich dazu mehr sagen, "Was haltet ihr denn von Lobbying eigentlich? Und findet ihr nicht, dass es vielleicht auch seinen, naja sein, eine wichtige Komponente unserer Demokratie ist?" Dann ist es vielleicht am Ende des Tages gar nicht so skeptisch. Wie gesagt, ich kann das noch nicht wirklich abschließend behaupten. Fakt ist, ja, Lobbyismus an sich ist was Anrüchiges oder wird oft als anrüchig Wahrgenommen. Und du wirst auch wenn du dich jetzt mal um guckst und das sage ich immer zu meinen Studierenden "Na ja, wenn ihr mal später Lobbyisten werden wollt, dann werdet ihr sicher nicht eine Stellenanzeige finden Lobbyistin gesucht, sondern was ihr sehen, was ihr nach ihr suchen müsst, wenn ihr diesen Job machen wollt, das ist Public Affairs Manager, Government Affairs Manager, na, so was werdet ihr gucken und dann findet ihr die Leute". Warum ist das so? Naja, wahrscheinlich eben, weil die Wahrnehmung nicht so ganz positiv ist. Lobbyismus an sich ist ja etwas, was schon immer in den modernen Demokratien dazugehört hat. Also auch die quasi Gründungsväter der amerikanischen Demokratie, der Unabhängigkeitserklärung. James Madison hat bereits gesagt, dass Interessenvertretung, also heute auch bekannt als Lobbyismus, ein ganz elementarer Bestandteil jeder Demokratie ist. Nun ist natürlich die Frage wie werden die Interessen vertreten. Wer hat eine Chance, ein Interesse zu vertreten und wie ist es gewichtet und was spielen Ressourcen beispielsweise für eine Rolle? Wo fühlen sich Politiker zugeneigt und was für einen Einfluss hat es auf die Politikgestaltung? Und da wird es interessant, aber an sich ist es von jeder modernen Demokratie ein ganz integraler Bestandteil. #00:10:02-2#
Hannah Diemer: Hast du das über die Jahre beobachten können, ob sich da Schwerpunkte verändern in der Lobbyarbeit oder ob da neue Methoden gewählt werden? #00:10:09-7#
Irina Lock: Ja, es gibt also es gibt immer neue Methoden. Es gibt vor allem neue Schwergewichte, würde ich sagen. Also als ich angefangen habe, mich mit der Lobbyingforschung zu beschäftigen, ich weiß noch, ich habe einen Artikel geschrieben, das ist so circa zehn Jahre her und da ging es, da habe ich ein Beispiel zitiert über die höchsten Lobbyingausgaben des letzten Jahres. Das war dann so im Jahre, so Anfang der 2010er und da damals habe ich Forschung betrieben zur Lebensmittelampel, was wir heute als Nutriscore auf manchen Lebensmitteln sehen, wurde so vor 10, 15 Jahren auf EU Ebene diskutiert, ob wir so eine Lebensmittelampel verpflichtend machen wollen für alle Lebensmittel in der EU. Das ist damals nicht durchgegangen wegen massiven Widerstands der, unter anderem wegen massiven Widerstand der Nahrungsmittelindustrie. Und damals hat die Nahrungsmittelindustrie, ich glaube die Zahl war die veröffentlichte Zahl, 9 Millionen € pro Jahr ausgegeben, um diesen Gesetzentwurf dem entgegenzutreten. Das war damals wahnsinnig viel Geld, das ist heute lachhaft. Also diese Summen sind durch große Technologieunternehmen völlig in den Hintergrund geraten. Also heute sprechen wir um ein zig faches dieses dieses Betrags, was jährlich von großen Technologieunternehmen ausgegeben wird, was wir gemeinhin in der Forschung und ich glaube auch in den Medien als "Big Tech"-Unternehmen bezeichnen, sprich also klassischerweise Amazon, Google, Microsoft, Apple. Diese großen Oligopole oder Monopole in manchen Bereichen. Und was, das ist ganz klar das absolute Lobbying Schwergewicht auf EU Ebene zumindest. Deutschland ist natürlich noch mal ein bisschen anders gelagert. #00:11:59-0#
Hannah Diemer: Was steht da aktuell im Gespräch. #00:12:00-6#
Irina Lock: Aktuell im Gespräch? Naja, also als letztes was verabschiedet wurde, war der "AI Act", also wie künstliche Intelligenz auf europäischer Ebene reguliert werden soll. Davor hatten wir die Gesetzespakete zu digitalen Märkten und digitalen Diensten. Das waren so die, die die letzten Jahre für erhebliches Aufkommen an Lobbying gesorgt haben. #00:12:22-2#
Hannah Diemer: Was haben die da zum Beispiel gemacht? #00:12:23-8#
Irina Lock: Also diese, dieser Gesetzesakt oder diese Gesetzespakete zu digitalen Märkten und digitalen Diensten, da ging es vor allem darum, einerseits zu klären, welche Verantwortlichkeiten haben Plattformen, wenn sie beispielsweise Inhalte zulassen und veröffentlichen. Also welche Stellung haben überhaupt Plattformen? Und dann geht es auch darum, bestimmte Marktmacht einzugrenzen. Eben, dass man nicht mehr diese Monopole hat, wie wir sie bei beispielsweise Suchmaschinen oder Verkaufsplattformen sehen. Und dass die Bürgerinnen und Bürger in der EU mehr Rechte haben darüber, wie ihre Daten gebraucht werden. #00:13:04-3#
Hannah Diemer: Und wie ist das jetzt am Schluss ausgegangen? #00:13:06-4#
Irina Lock: Ja, die EU ist ja schon weltweit Vorreiterin, was Digitalgesetzgebung angeht. Es sind auf jeden Fall die striktesten Gesetze. Das hing natürlich auch vor allem mit der ehemaligen Digitalkommissarin zusammen, die Vestager, die da sehr stark dahinter sich geklemmt hat. Und es ist durchaus, ich bin keine Juristin, ich kann das nicht juristisch richtig gut einordnen und ich habe mir von Juristen sagen lassen, die sind da auch noch dran, diese Gesetzeskonvolute überhaupt zu verstehen. Es ist viel Einfluss genommen worden, das ist völlig klar. Aber trotz allem ist es weltweit somit die strikteste Regulierung von digitalen Plattformen, die wir haben. Wie dann diesen Gesetzespflichten nachgekommen wird und wie griffig und wirksam sie am Ende sind, das können wir natürlich jetzt erst sehen. Das tritt gerade alles so langsam in Kraft. Es gibt ja immer Übergangsfristen. Bei der KI-Regulierung ist es auch ziemlich komplex geworden. Und jetzt sieht man natürlich in der Nachlese na ja, manche sagen, das wäre ein Innovationshindernis für die KI-Entwicklung in Europa. Andere sagen, es ist viel zu lasch geregelt worden und wir bräuchten noch viel mehr Regulierung. Ja, also am Ende des Tages kann es nur die Zeit entscheiden, was wir, was wir wirklich sehen werden. #00:14:22-6#
Hannah Diemer: Wie forscht man denn jetzt zu Lobbying? Also, es passiert ja da wahnsinnig viel Kommunikation von den verschiedensten Seiten, wie findest du den raus, wer sagt was zu wem und was hat es dann überhaupt für einen Effekt? Es ist doch total kompliziert und undurchsichtig. #00:14:41-6#
Irina Lock: Ja, das ist schwierig. Das ist wirklich schwierig. Vor allem, weil ja Lobbying passiert auf wahnsinnig vielen verschiedenen Kanälen. Wir haben zum einen natürlich dieses, was man klassischerweise darunter versteht, dass Lobbyistinnen und Lobbyisten sich mit Politikerinnen und Politikern im Büro treffen und denen die Positionen darlegen und dann hoffen, dass die das mitnehmen in die Beratungen. Andererseits passiert natürlich Lobbying auch über Umwege, dass man sagt, man versucht als Organisation die eigene Meinung und die eigene Sichtweise in die Öffentlichkeit zu tragen, so dass Daten und öffentlicher Diskurs stattfindet über die Position und die vielleicht mitgetragen werden, so dass wiederum auch Politikerinnen und Politiker vielleicht den Eindruck haben, dass es da eine Mehrheitsmeinung gibt, die übernommen werden muss. Also es gibt ganz viele verschiedene Wege, das macht es kompliziert. Zum zweiten macht es kompliziert, dass wir natürlich wenig Transparenz haben. Wir haben ja gerade in Deutschland erst seit kurzem ein Transparenzregister, was Lobbying angeht. Da hat sich die, haben sich die ehemaligen Bundesregierungen ganz vehement daran, dagegen gesperrt. Vor allem die Merkelregierung hat das über viele, viele Jahre hin ganz vehement abgelehnt. Es kam dann vor nicht allzu langer Zeit und dieses Register ist aber auch nicht so wahnsinnig ähm, ja, so wahnsinnig viele Informationen kriegt man da nicht. Was passiert da? Man muss als Organisation, die in Berlin lobbyiert, muss man sich registrieren lassen. Und dann gibt man an, wie viele Mitarbeiter man fürs Lobbying einsetzt und man gibt an, wie viel Budget man ungefähr einsetzt. Es sind aber auch so relativ große Kenngrößen. So, und damit war's das dann mehr oder weniger. #00:16:19-6#
Hannah Diemer: Und du hast es vorher schon kurz angesprochen. Es ist jetzt nicht immer verkehrt, wenn Personen oder einzelne Gruppen ihre Meinungen vertreten, weil die ja dann auch Expert*innen auf ihren Feldern sind. Wie kann man das denn jetzt unterscheiden, oder wann würde man sagen "Ah ja, das ist jetzt gut, dass das jetzt lobbyiert wird und dass man dafür mehr Meinungen vertritt"? Weil am Schluss ist es ja alles wieder wahnsinnig individualisiert und persönlich, was ich dann von dem Lobbying halte, oder? #00:16:47-8#
Irina Lock: Ja, einerseits schon, andererseits muss man natürlich auch sehen, also diese Grundidee, dass Interessenvertretung zur Demokratie gehört würde, man hat natürlich immer am Anfang, oder man hat wahrscheinlich häufig Unternehmen im Kopf und denkt sich na ja, die haben dann viel Geld und wollen ihre Sichtweise durchdrücken. Aber genauso gut lobbyieren ja auch NGOs, Umweltverbände, auch Bürgerinitiativen machen ja dasselbe. Die lobbyieren ja auch, um ihre Ziele zu erreichen. Und da würde man dann wahrscheinlich geneigt sein und sagen na ja, das wäre ja schon gut, wenn deren Sichtweisen da auch mit reingekommen würden. Also die Frage ist eigentlich mehr, gibt es da eine diverse Abbildung, so dass jeder irgendwie was sagen kann und wirklich Zugang hat zu Politiker*innen und Entscheidungsträgern oder nicht. Und darum geht es eigentlich viel mehr. Und natürlich wissen wir, dass Unternehmen, die sich vielleicht auch eine Beratung leisten können, die wiederum Lobbyisten angestellt hat, die eben persönliche Kontakte zu manchen Politikern unterhalten, dass es da schon eher so ist, dass die besseren Zugang bekommen als die eine oder andere Bürgerinitiative. #00:17:55-3#
Hannah Diemer: Hast du dann vielleicht Tipps für kleinere Vereine oder Initiativen, die ihr Thema voranbringen wollen. Was ist denn da besonders erfolgreich, welche Strategien und Maßnahmen man ergreifen kann? #00:18:06-3#
Irina Lock: Ja, ich denke also, ein guter Weg führt immer über die lokalen Bürgervertreter, die lokalen Politiker*innen, der Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises beispielsweise, wenn sie zum Beispiel auf Bundestags- oder Landtagsebene gilt. Und sonst ist, was wir wissen aus der Forschung ist, dass gerade zivilgesellschaftliche Organisationen davon profitieren, wenn ein Thema auch in der öffentlichen Debatte Schaum schlägt. Das heißt, je mehr Aufmerksamkeit ein Thema in der öffentlichen Debatte bekommt, desto besser für gerade zivilgesellschaftliche Organisationen. Das ist quasi was, was hilft. Wohingegen Unternehmen auch häufig versuchen, Themen aus der Öffentlichkeit herauszuhalten, für die sie oder gegen die sie lobbyieren, weil wir auch wissen, das ist meistens erfolgreicher, wenn man das hinter den verschlossenen Türen regelt und nicht die Öffentlichkeit mit einbezieht. #00:19:01-4#
Hannah Diemer: Da gab es früher diesen Spruch "Jede Presse ist gute Presse.", würdest du dem zustimmen? #00:19:07-4#
Irina Lock: Na, was Lobbyismus angeht nicht. Bei anderen kann man da immer wieder das hinterfragen. Aber bei Lobbyismus ist es sicherlich nicht so, die meisten Lobbyisten mit denen ich gesprochen habe bis dato, die haben da ein sehr differenziertes Bild und auch ein sehr gutes Bild davon, was denn öffentliche Aufmerksamkeit generieren soll und was nicht. #00:19:27-1#
Hannah Diemer: Und gibt es denn jetzt so einen wissenschaftlichen STANDARD, ab wann wir was als Lobbying einordnen? Ich frag mich, wie kann man das bewerten? Das, was Einfluss nehmen will auf eine Meinung oder das da was meinungsbildend handeln möchte und zu einer reinen Informationsverbreitung. Also was ist da so der Unterschied? #00:19:47-1#
Irina Lock: Ja, das ist schwierig. Auch die Frage was ist jetzt Öffentlichkeitsarbeit und was ist dann Lobbyismus? Das ist auch total schwierig. Also an sich würde man sagen, na ja, aus einer strategischen Kommunikationsperspektive betreibt man Lobbyismus, wenn man versucht, über kommunikative Mittel, sprich also nicht jetzt eine Parteispende, Einfluss auf die Politikgestaltung zu nehmen, zum Beispiel Gesetzesvorhaben, aber ja auch Regulierungen usw.. So und wie kann ich jetzt unterscheiden, ob eine NGO oder ein Umweltverband eine Studie herausgibt und die öffentlich bewirbt, weil sie der Meinung ist, dass das einfach eine wahnsinnig interessante Erkenntnis ist, zum Klimawandel beispielsweise, oder weil sie damit unter Umständen einen bestimmten Gesetzgebungsprozess beeinflussen will. Das kann ich eigentlich gar nicht unterscheiden. Muss ich das andererseits auch wiederum unterscheiden wollen? Das ist dann die andere Frage. #00:20:44-3#
Hannah Diemer: Am Schluss versuchen ja eigentlich alle, ihre eigenen Meinungen zu pushen und voranzubringe und ich glaube, das macht es gerade für ganz viele total schwierig, so dieses Vertrauen, was sehr verloren geht in so öffentlich rechtliche Medien und in so eine allgemeine Berichterstattung, das finde ich, geht damit so einher und auch mit dieser Professionalisierung der Kommunikation von Politik, dass nicht mehr gut unterschieden werden kann, was ist jetzt eigentlich Meinung, was ist Tatsache, was sind Thesen, was sind irgendwelche Ziele, wie kann ich mich denn da zurechtfinden in so einem Immer schwieriger werdenden kommunikativen Umfeld. #00:21:22-4#
Irina Lock: Es wird zunehmend schwieriger, auch weil Lobbyismus, Lobbying auch häufig funktioniert, eben genau wissend, mit diesen Dingen umzugehen. Beispielsweise wird ja auch ganz viel Lobbyismus betrieben über Denkfabriken, Thinktanks, die dann wiederum den Anschein von einer Art von Neutralität, Wissenschaftlichkeit oder Autorität haben, aber am Ende doch von Interessenverbänden beispielsweise bezahlt werden oder deren Studien wiederum finanziert werden von gewissen Interessen, also es ist zunehmend schwierig. Was hilft, ist natürlich Hinterfragen und ich bin schon der Meinung, dass es vertrauenswürdige Qualitätsmedien in Deutschland gibt, die ihre Quellen deutlich machen, also ihre Quellen im Sinne von woher sie ihr Wissen haben, so weit das geht im Journalismus, darlegen können. Es gibt da einiges an sehr guten, sehr gut recherchierten Investigativjournalismus, auch was Lobbying beispielsweise angeht. Wenn wir an diese Ewigkeitschemikalien beispielsweise denken, diese PFAS Chemikalien, das ist was, wo beispielsweise auch Datenmengen zur Verfügung gestellt werden, die wir auch für die Forschung nutzen können. Und das kommt durch den Investigativjournalismus und den gibt es, und an den würde ich mich als Bürgerin immer erst mal halten. Ich würde nicht empfehlen, unbedingt wissenschaftliche Studien zu lesen, denn das ist einfach für eine andere Zielgruppe bestimmt und deshalb in der Sprache nicht wahnsinnig verständlich. Aber das ist, glaube ich, ein ganz guter Ansatzpunkt. #00:22:59-0#
Hannah Diemer: Das ist schön, dass du das erzählst, weil so ein Misstrauen wächst in öffentliche Medien und da hat man das sehr viel beobachtet mit dem Aufkommen von neuen Medien, von anderen Medienplattformen, von schneller werdenden Medienplattformen. Welche Rolle spielen denn da diese ganzen neuen Technologien wie KI generierte Bots in einer Prägung von der öffentlichen Meinung? #00:23:23-9#
Irina Lock: Ja, das ist keine Frage, auf die es eine so wahnsinnig einfache Antwort gibt. Wir sehen ja auch, dass es durchaus Phasen gab, wie beispielsweise die Anfangsphasen der Coronapandemie, wo auf einmal das Vertrauen in öffentliche Medien wieder ganz stark gestiegen war und danach wieder abgefallen ist. Es gibt auch hier wiederum Phasen und so, es ist ja auch nicht so, dass wir in einer Welt leben, wo jeder den öffentlichen Medien misstraut. Also wir haben trotz allem eine Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland, die traditionelle, also traditionelle im Sinne von öffentlich rechtliche Medien, Tageszeitungen, sei das jetzt in der App oder gedruckt, TV vor allem, Radio, jeden Tag nutzen. Und jetzt erst mal, also es ist ja nicht so, dass das die Menschen keine von diesen Traditionsmedien mehr nutzen, das muss man schon auch ein bisschen einordnen, finde ich. Zum anderen, ja, das Aufkommen, ich denke du du zählst vor allem auf soziale Medien ab und da gibt es ja einiges an Annahmen, die man so trifft, so im Sinne von Echokammern und Filterblasen, die wir empirisch ja so nicht nachweisen können. Ach so, ja. Also wenn wir zum Beispiel uns angucken, dass es gibt ja, Mediennutzung ist ganz unterschiedlich, je nach Altersgruppe. Also wir haben die ältere Bevölkerung und damit meine ich so Menschen ab 65, 70 nutzt traditionelle Medien, TV vor allem, Radio, gedruckte Zeitungen, oder, also klassisch erscheinende Zeitungen. Und jüngere Menschen geben weniger an, dass sie quasi diese traditionellen Medien nutzen. Was sie aber tun, ist, ihre Informationen über die sozialen Medien zu bekommen. Jetzt sind aber die traditionellen Medienhäuser auf den sozialen Medien natürlich genauso aktiv. Und das ist ein Forschungsfeld, das nennen wir "Intermedia-Agenda Setting", das heißt also, wie verhält es sich, sind jetzt die sozialen Medien diejenigen, die Themen hoch auf die öffentliche Agenda bringen, oder sind es doch die traditionellen? Und da gibt es gar keine eindeutigen Befunde. Also wir haben zum Beispiel bei Themen wie Breaking News zum Beispiel und das ist wiederum was, wo wir sehen, okay, das kommt ganz schnell auf die sozialen Medien wird sofort aufgegriffen von den traditionellen Medien und die posten natürlich wiederum ihre Artikel Beiträge auf den sozialen Medien, wodurch das wieder mehr Aufmerksamkeit generiert. Also das ist gar nicht so trennscharf zu unterscheiden. Und die Rolle von Bots beispielsweise, das wird ja auch immer im Wahlkampf als als große Manipulationsgefahr angesehen. Wir können nicht wahnsinnig, also die Forschung, die wir machen können, ist begrenzt, weil wir begrenzten Daten Zugang haben. Das ist für uns als Forscherinnen und Forscher das allergrößte Hindernis. Womit hängt das zusammen? Wiederum mit den großen Technologieunternehmen, über die wir es vorhin hatten. Die werden jetzt gezwungen, dass sie uns Zugang geben, und das ist auch wahnsinnig holprig, das kann ich aus eigener Erfahrung schon sagen. Also wir haben nicht den vollen Datenzugriff. Von daher können wir nur Mutmaßungen anstellen. Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die machen dahingehend Untersuchungen, und die sind wahnsinnig spannend. Und es sind die Aktivitäten von Bots, die solche, zum Beispiel Manipulationen, Missinformation, usw. verbreiten, sind sehr gering. Also wir reden im einstelligen Prozentbereich. Es ist kein Massenphänomen. #00:26:42-6#
Hannah Diemer: Das ist aber sehr, sehr beruhigend zu wissen, also weil das ja so vor kommt, als gäbe es das sehr stark und wenn du sagst, na gut, die Effekte sind relativ gering, ist das ja total beruhigend. #00:26:54-9#
Irina Lock: Na, über Effekte kann ich nichts sagen, ich kann nur was über Verbreitung sagen und die ist trotz allem relativ gering, oder einfach Anzahl von Accounts von dem, was wir nachvollziehen können, die da draußen herumschwirren. Was die Effekte wiederum sind von Menschen, die sich das reinziehen, dass, da gibt es wiederum andere Studien dazu, aber so ganz können wir das natürlich nicht nachvollziehen. #00:27:16-1#
Hannah Diemer: Bei den Big Tech Lobbying, mit dem du dich ja gerade beschäftigst, hast du da neue Erkenntnisse, die du besonders spannend findest. #00:27:25-6#
Irina Lock: Was haben wir uns letztens angeguckt? Wir haben uns ein Gesetzesvorhaben in England angeschaut. Die haben quasi parallel zu diesem Gesetzesvorhaben digitale Märkte und Dienste dadurch, dass sie ja nicht mehr in der EU sind, ein eigenes Gesetzespaket verabschiedet oder verabschieden wollen. Auch eine sehr lange Geschichte dazu, welche Inhalte denn auf sozialen Medien Plattformen bespielt werden können und welche vielleicht nicht mehr draufkommen, wie Jugendliche und Kinder vor allem geschützt werden können. Und da haben wir uns angeguck, was sagen denn zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich eben mit mentaler Gesundheit oder mit dem Schutz von Minderjährigen beispielsweise beschäftigen? Und was sagen eigentlich Big Tech Unternehmen? Wie argumentieren die gegen solche Regulierung, gegen weitere Regulierung von Plattformen? Das ist dann schon ganz spannend, wenn man sich das en détail anschaut. Und das kann man sich in dem Fall en détail anschauen, weil das englische Parlament diese Eingaben öffentlich macht. So, und dann kann jeder interessierte Bürger oder jede Wissenschaftlerin sich das runterladen und sich das einfach durchlesen. So, das ist jetzt vermindert spannend, würde ich sagen. Also. Aber man kann, wenn man sich damit beschäftigen möchte, was wir getan haben und das in der Tiefe durchliest, schon einiges herausziehen. Und dann haben wir auf der einen Seite zivilgesellschaftliche Organisationen, die natürlich ganz hart argumentieren mit harten Fakten und sagen Ja, wir wissen, dass wir einen starken negativen Effekt auf die mentale Gesundheit haben. Soziale Medien und der Konsum macht Jugendliche süchtig, führt zu Gesundheitsschäden wie Depressionen und Krankheiten. Auf der einen Seite wir müssen diese, diese Zielgruppen schützen, auf der anderen Seite sagen Big Tech Unternehmen "Ja, es geht hier um Freiheit, ganz wichtig, wir sind verantwortliche Unternehmen". So nach dem Motto "Das wissen Sie ja, wir sind ja verantwortliche Unternehmen und nichts liegt uns mehr am Herzen als das unserer Nutzer, aber am Ende des Tages sind wir ja auch nur die Plattform, wir können nichts für die Inhalte und wir sind wahnsinnig besorgt, aber es geht nun mal um Freiheit." #00:29:38-7#

Hannah Diemer: Und das Argument schlägt dann alles. #00:29:41-4#
Irina Lock: Es scheint so, es wird, also es wird gerade Freiheit und Meinungsfreiheit wird schon sehr häufig verwendet. Ich würde sagen, das ist auch was, was wahrscheinlich so in dem deutschen Kontext nicht so wahnsinnig gut Anklang finden würde und dann wiederum vielleicht im englischen Parlament mehr. Das hat natürlich dann auch wieder mit den Mehrheitsverhältnissen zu tun. Das ist schon wahnsinnig interessant. Auch dann wird immer wieder angezweifelt und das sind ganz, ganz gut geübte Argumente es wird die Wissenschaftlichkeit angezweifelt und das ist natürlich verschieden unterschiedliche Befunde gibt und dass man natürlich auch dem wirtschaftlichen Streben keinen Riegel vorschieben darf. Also es sind ganz oft gut geübte Argumente, die wir seit Jahrzehnten auch von Lobbyistinnen und Lobbyisten kennen, die da wieder aufgewärmt werden und am Ende des Tages ganz oft natürlich die Verhältnismäßigkeit, also kann man den armen Unternehmen noch mal aufbürden, dass sie noch mehr Filter, Inhaltsfilter usw. da einbauen müssen. Und das führt doch zu Wettbewerbsnachteil. Ich glaube, du kannst dir vorstellen, was da so kommt. Und das ist ja immer wieder interessant, dass es hier scheinbar eine Art, schon immer wieder dieselben Argumente gibt, auf die zurückgegriffen wird. #00:30:53-2#
Hannah Diemer: Und am Schluss haben aber dann doch die einzelnen Vereine und Initiativen die Oberhand gewonnen, weil es dann reguliert wurde oder. #00:31:02-5#
Irina Lock: Es wurde schon reguliert, aber es gibt natürlich natürlich verschiedene Härtegrade der Regulierung sagen wir mal, und ganz strikt ist es nicht geworden. Also es gibt so manche Sachen, die durchgegangen sind und andere Sachen, die wiederum nicht durchgegangen sind. Und das ist auch immer noch im Gesetzgebungsprozess. Ja. #00:31:23-1#
Hannah Diemer: Habt ihr auch was gemacht Zu den Faktenchecks, die es geben soll auf diesen ganzen Social Media Plattformen? #00:31:27-9#
Irina Lock: Naja, Factchecking ist was, was Kollegen ganz viel untersucht haben. Und da gibt es ja sehr auch wiederum widersprüchliche Befunde. Da gab es jetzt letztens wieder eine große Diskussion darüber, weil ja Meta dieses Factchecking abgeschafft hat, ich glaube vor allem im US amerikanischen Einflussbereich. Ich glaube, in Europa ist es glaube ich noch aktiv. Aber die Befunde sind hier und da sprechen wir vor allem über Wirkungsstudien, sind auch wirklich zweideutig. Also so wahnsinnig großen Effekt auf die Wahrnehmung derjenigen, die das lesen, hat Fact Checking offensichtlich auch nicht. Also Es ist nicht so, dass nur weil man eine Information als unwahr herausstellt, dass dann die Menschen sofort denken "Oh, na dann ist diese Person, dann ist die Information auch nicht mehr glaubwürdig". Das wissen wir leider auch. #00:32:16-6#
Hannah Diemer: Jetzt hat sich ja gezeigt, dass bei der letzten Bundestagswahl, dass die jüngeren Wähler*innen mehr zu den Rändern der Parteien gehen, also eher links oder eher rechts wählen und da wird ja auch vermutet, dass vor allem soziale Medien Plattformen einen ganz großen Einfluss darauf genommen haben. Gibt es da Beobachtungen jetzt auch so strategische Kommunikation sperspektive? #00:32:39-5#
Irina Lock: Ja, Beobachtungen, würde ich jetzt sagen. Das kann ich schon teilen. Empirische Erkenntnisse habe ich jetzt persönlich selber keine Studien durchgeführt, wo ich jetzt schon was sagen könnte zur letzten Bundestagswahl. Was wir natürlich sehen ist, dass alle Parteien auf den sozialen Medien vertreten sind und je nach Zielgruppe auf den einen oder anderen stärker oder weniger, das ist völlig klar. Und wir haben jetzt bei dem Wahlerfolg der Linken, das wird vor allem für die auf die große Social Media Kampagne der Spitzenkandidatin zurückgeführt. Ob wir jetzt da kausale Effekte würde ich da jetzt mal nicht zuschreiben, aber wir sehen natürlich, dass hier eine starke Reichweite generiert wurde und viel Aufmerksamkeit unter der jungen Zielgruppe und die junge Zielgruppe auch wiederum überproportional viel "Die Linke" gewählt hat. Was wir aber in den Nachwahlbefragungen finde ich ganz interessant sehen, das kann man auch einsehen, die sind öffentlich, zum Beispiel von Infratest dimap, da sehen wir auch, dass die Wahlentscheidung, also die Bürgerinnen und Bürger haben angegeben, dass die für die Wahlentscheidung wichtig waren, weniger die Personen, sondern die Inhalte. So, und dann ist es eigentlich eher aus strategischer Kommunikationsicht die Frage: Wo erreiche ich meine Zielgruppe? Und wenn ich diese Zielgruppe mit den Inhalten eben auf TikTok erreiche, dann gehe ich auf TikTok. Und wenn ich diese Zielgruppe, weil ich vor allem die ältere Bevölkerung ansprechen will, na, dann muss ich eben in die Talkshows im Fernsehen oder ich muss ins Radio oder ich muss ein Zeitungsinterview geben. Also das ist einfach eine Frage von: Wo erreiche ich die Menschen? Und wir wissen das, wenn wir uns Mediennutzung angucken, dass vor allem jüngere Menschen eben andere Kanäle nutzen, welche Informationsangebote sie dann auf TikTok oder auf Instagram sich wiederum reinziehen, das ist auch oft natürlich durchsetzt mit traditionellen Medienhäusern, sage ich jetzt mal, aber das können wir natürlich auch aus Forschungssicht nur bedingt nachvollziehen, weil wir keinen Einblick haben in die Algorithmen, die das Ganze filtern. #00:34:43-7#
Hannah Diemer: Wenn man von strategischer Kommunikation in der Politik ausgeht, wie würdest du denn das unterscheiden von anderen Bereichen, wie zum Beispiel Wirtschaft oder Vereine, Non-Profit Unternehmen? Hat da die Politik noch mal eine andere Verantwortung gegenüber den anderen Gruppierungen? #00:35:02-4#
Irina Lock: Hm. Na, das ist jetzt eine normative Frage. Also vielleicht kommt man da eher hin, wenn wir uns ansehen, wie Bürgerinnen und Bürger, vielleicht welche Ansprüche sie an Politik stellen. Und da würde ich sagen, oder an die Kommunikation, die sie aus der Politik erreicht. Und da denke ich, muss man zum einen mal ganz stark unterscheiden zwischen Wahlkampfzeiten und nicht Wahlkampfzeiten, so wie es die Kommunikatorinnen und Kommunikatoren auch tun. Und dann gibt es natürlich auch gesetzliche Pflichten, die Politiker, die zum Beispiel in der Regierungsverantwortung sind, die müssen sich ja verantworten gegenüber den Bürgern, haben eine Informationspflicht und wie kommen Sie der nach. Also ich glaube, da gibt es eben verschiedene Komponenten daran. Haben sie eine andere Verantwortung im Sinne, was Wahrheit und Wahrhaftigkeit angeht, na ja, wahrscheinlich schon, weil sie ja gewählt wurden, um Interessen der Bürger wiederum zu vertreten, also haben die Bürger einen Anspruch darauf, auch wahrheitsgetreu informiert zu werden, da würde ich schon von ausgehen. Wohingegen wahrscheinlich Kund*innen im Supermarkt und von Unternehmen da schon eher größere Skepsis gegenüber walten lassen. Ich habe mich in meiner Forschung, seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit Nachhaltigkeitskommunikation und damit natürlich auch einhergehend Greenwashing. Und ich weiß noch, als ich begonnen habe, dieses Thema zu unterrichten, war das noch was, wo man sagte "Naja, Greenwashing, das macht ja kaum jemand". Und auch Studierende waren da so "Ja, okay, da kann man einzelne Beispiele dafür finden". Und wenn ich damit heute mit Studierenden darüber rede, dann merke ich, dass da eine ganz große Skepsis gegenüber Unternehmen herrscht und eigentlich davon ausgegangen wird, dass sowieso Greenwashing betrieben wird. So, also das ist quasi der Status quo. Es wird, was das nachhaltige Engagement angeht erstmal wahrscheinlich nicht wahrheitsgetreu kommuniziert. Und das hat sich ganz stark verändert in den letzten 10, 15 Jahren, wo davon noch vom Gegenteil ausgegangen wurde. Also das ist auch etwas, was sicher ganz stark im Wandel ist, was natürlich auch dem dem Thema geschuldet ist Nachhaltigkeit und Klimakommunikation. Wenn es beispielsweise um Finanzkommunikation geht und dadurch über Börsenunternehmen, die ihre Quartalszahlen darlegen müssen, da gibt es eine Informationspflicht, die ist gesetzlich geregelt, der müssen sie nachkommen, da ist wahrscheinlich weniger Zweifel angebracht. Andererseits haben wir da auch wiederum solche Skandale erlebt in den letzten Jahren über Bilanzfälschungen usw. Ja, also die Skandale helfen nicht unbedingt, würde ich sagen. #00:37:43-9#
Hannah Diemer: Wenn wir weiter auf die strategische Kommunikation und Politik schauen. Gibt es ja wahrscheinlich eine sehr feine Grenze zu Propaganda, oder, also manchen Staaten wird ja eine Propaganda unterstellt China, Russland, das die Propaganda betreiben. Jetzt haben aber ja auch die EU und Deutschland mit ihrem Auswärtigen Amt eine strategische Kommunikation, die Ziele verfolgt. Warum sprechen wir da nicht von Propaganda? Sagen wir das, weil das quasi unsere eigenen Kanäle sind, oder wieso bewerten wir das anders? #00:38:18-8#
Irina Lock: Ja, also der Begriff Propaganda kommt ja, ist ein alter Begriff. Der kommt aus den Jahren nach dem ersten und vor allem dann nach dem Zweiten Weltkrieg. Da, als sich damals die Kommunikationswissenschaftler, Medienwissenschaftler hingesetzt haben, sich das Gebiet überhaupt erst geformt hat und die verstehen wollten, was ist da denn eigentlich passiert während dieser großen Weltkriege und warum und natürlich vor allem auf die Diktaturen gemünzt, warum war es möglich, dass in Nazideutschland so viele diesem Führer gefolgt sind? Und dann wollte man das verstehen. Und da haben sich diese Propagandatheorien entwickelt und darauf hat man, also quasi, ja man hat Propaganda Theorien aus diesen Zeiten eben heraus entwickelt. Und aus diesem Verständnis, aus diesem Nachkriegsverständnis, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg. Und das muss man, glaube ich, sehen, wenn man mit diesem Begriff hantiert. #00:39:16-3#
Hannah Diemer: Wie würdest du den für heute definieren? #00:39:18-1#
Irina Lock: Ja, das ist, also Propaganda geht eben davon aus, dass es Massenmedien gibt und dass sich über Massenmedien große Mengen der Bevölkerung signifikant beeinflussen und manipulieren kann und dass das eine Einwegkommunikation im Prinzip ist. Also das Bild, was mir immer vorschwebt, wenn ich über Propaganda nachdenke, ist zum einen jetzt mal abgesehen von Nazideutschland und mit den Kampfaufrufen und den ganzen Plakaten und natürlich der Manipulation der Massenmedien und der, der Manipulation über Sprache ist andererseits auch zum Beispiel Flugblattaktionen der Alliierten, die sie mit ihren Bomben abgeworfen haben, auch über, über Deutschland beispielsweise, wo eben drinstand, dass, wo zum Beispiel zur Kapitulation aufgerufen wurde. Das ist genauso Propaganda. Das Bild scheint mir immer so, also quasi viele Flugblätter verteilen, Radioansprachen. Das sind so die, die, die, die Bilder, die mir in den Sinn kommen. Und das wird natürlich, wenn wir jetzt zum Beispiel über Nordkorea oder vielleicht auch China nachdenken und dann sehen wir diese Volkskongresse und diese Versammlungen, und die, die Führer oder die Anführer stehen vorne, das hallt natürlich nach und deshalb kommen diese Vergleiche auf. Warum sprechen wir selbst nicht über Propaganda, was, was quasi wir als westliche Nationen betreiben? Das, was quasi das Auswärtige Amt oder andere Nationen betreiben würde, heute zusammengefasst unter dem Begriff "Public Diplomacy", wo es eben darum geht, dass das Image, die Reputation des Landes hervorzubringen. Aber die Intention ist natürlich nicht Manipulation in erster Linie. Also man möchte nicht Leute manipulieren, dass sie eben einer bestimmten Richtung folgen und bestimmte Tätigkeiten ausführen oder ihr Verhalten ändern und gegen andere Gruppen beispielsweise richten, sondern die Idee ist, die Nation auf eine gewisse Art und Weise darzustellen. Und das machen natürlich alle, das ist völlig klar. Und warum man jetzt dann den Propaganda Vorwurf, der will natürlich immer diese Weltkriegsbilder mit provozieren. Also wenn ich jemandem Propaganda vorwerfe, dann will ich genau das. Und da muss man vielleicht eher darüber nachdenken was ist eigentlich die Intention desjenigen, der den Propagandavorwurf macht als was ist jetzt eigentlich der Begriff Propaganda und wie grenzt er sich so richtig ab? #00:41:52-4#
Hannah Diemer: Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Andreas Kindl, der der Beauftragte ist für strategische Kommunikation, der hat gesagt: "Wir arbeiten ehrlich und transparent und alle unsere Quellen und Behauptungen kann man dann nachprüfen.". Also auch ähnlich, was du gesagt hast mit so qualitativen Journalismus, dass man das einfach überprüfen kann, was da gesagt wird. Das könnte jetzt natürlich auch wieder jeder sagen, dass sie ehrlich und transparent arbeiten. Wie kann ich mich denn da sicherer fühlen in meiner eigenen Medienrezeption? #00:42:24-6#
Irina Lock: Ja, es ist schwierig. Das ist absolut schwierig. Was sicher hilft, ist, das hilft immer, ist viel lesen und viele verschiedene Dinge auch lesen. Man hat ja so die Tendenz und da schließe ich mich selbst mit ein, dass man natürlich die Medien liest, die man schon immer gelesen hat, die einem von der politischen Meinung her gewogen sind und dann eigentlich eher die Medien, die man naja, wo man denkt, naja, das ist aber nicht wirklich guter Journalismus, oder das ist mir jetzt eigentlich viel zu neutral oder zu rechts oder zu links, die lässt man links liegen. Vielleicht kommt man ein bisschen näher, wenn man sich eben, na ja, diverse Medien ab und zu mal konsumiert. Und das geht übrigens wahnsinnig gut über die sozialen Medien, weil ich dort natürlich in relativ kurzen Beiträgen mir viele verschiedene Meinungen und viele verschiedene Perspektiven angucken kann und das auch noch mit, was mit wenig Kosten verbunden ist. #00:43:28-7#
Hannah Diemer: Hast du denn als Expertin für eine strategische Kommunikation, auch im politischen Sinn, hast du denn da Hoffnung, dass sich da was wieder bessert, also so von meiner Perspektive aus sind diese ganzen Fake News und ja, diese Vereinzelung von Leuten und die Tendenz zu den extremen Zeiten ist schon irgendwo was Beängstigendes. Wenn du jetzt aus einer professionellen Perspektive darauf schaust, was würdest du sagen? #00:43:57-2#
Irina Lock: Das ist schwierig zu sagen. Also ich bin ja grundoptimistisch und würde sagen, erst mal ist es auch kein Massenphänomen, es ist trotz allem ein geringer Anteil der Missinformation und Desinformation ist, nach wie vor. Ich sehe nicht so einen richtigen Grund wie sich das, also dass wir zu einer Welt kommen, wo wir nur, wo wir frei von Desinformation sind. Das gab es glaube ich auch jetzt vor den sozialen Medien nicht. Also ich glaube, das ist, das ist eine Illusion. Was einem vielleicht Angst macht, sind solche Sachen wie Deepfakes, wo man wirklich irgendwie nicht mehr unterscheiden kann ist das jetzt echt oder ist es nicht echt. Vielleicht auch Dinge wie KI generierte Videos oder Fotos. Andererseits kann man dann natürlich auch die Potentiale dafür sehen, die sie mit sich bringen. Ja, ich glaube, es wird gerade durch die Nutzung von großen Sprachmodellen nicht einfacher werden, in der Zukunft zu unterscheiden, wo kommt was her. Und da muss man, glaube ich, ganz gut darauf achten, was denn die Autorenangaben beispielsweise sind. Und das ist etwas, was ich jetzt aus meiner Forschung festgestellt habe, worauf eigentlich nicht geachtet wird. Wer, also auch wenn Sie eine normale Zeitung sich angucken, wer schaut schon auf den Autor oder die Autorin eines Artikels? Dann sieht man auch mal, wie viele, wie viel Inhalte einer, zum Beispiel schauen Sie sich beispielsweise die Nürnberger Nachrichten an, wie viel Inhalte dort von Journalisten der Nürnberger Nachrichten kommen und wie viele eigentlich von Agenturen kommen. Wenn man da mal ein bisschen darauf achtet. Ja, das wird sicherlich was sein, wo die einzelne Nutzerin und der einzelne Nutzer sehr viel mehr gefordert sein werden, wenn man überhaupt Interesse daran hat, hier eine Unterscheidung zu treffen. #00:45:57-1#
Hannah Diemer: Du hattest dir den Thüringer Wahlkampf empirisch angeschaut. Was hast du denn da gemacht? #00:46:05-1#
Irina Lock: Ja, das ist eine ganz interessante Studie, glaube ich. Was wir gemacht haben, ist Wir haben uns die Social Media Kommunikation aller Parteien in Thüringen während des Thüringenwahlkampf und auch schon davor ,während des Europawahlkampf, also 2024, war in Thüringen das sogenannte Superwahljahr. Es war erst Kommunalwahl, dann war Europawahlen zum Europaparlament und dann war noch die Landtagswahl am Ende des Sommers. Also ganz viel gut. Fruchtbarer Boden für schöne Forschung. Was wir gemacht haben, ist uns die Europawahl und die Landtagswahl angeguckt und dort die Social Media Kommunikation aller Parteien auf Instagram und Facebook. Und wir wollten verstehen, was sind denn eigentlich die Themen, die bespielt werden und welche Parteien ziehen hier den Karren?. #00:46:57-2#
Hannah Diemer: Wieso habt ihr TikTok nicht angeguckt? #00:46:59-4#
Irina Lock: Weil das schwieriger ist. Also zum einen gab es Facebook und Instagram, es läuft über das Unternehmen Meta. Die müssen mittlerweile Forschern Zugang geben zu den Daten. Und wir hatten die sehr naive Hoffnung, dass das auch gut funktioniert und haben damit begonnen. Zu der Zeit waren auch noch nicht alle Parteien auf TikTok vertreten. Das heißt also, wenn wir wirklich die Masse oder die Mehrheit der Social Media Kommunikation anschauen wollen und nicht nur die einer Partei zu dem Zeitpunkt. Dann müssen wir auf andere Plattformen. Dann müssen wir auf die Plattformen gehen, die die große Reichweite haben und nicht TikTok. TikTok ist außerdem vor allem eben genutzt von Menschen, so 14, 16 bis 28, ja Wählerschaft, aber natürlich nicht die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler in Thüringen. So also haben wir uns Facebook und Instagram angeguckt und haben, wollten wissen, welche Themen sind denn die Hauptthemen, die hier bespielt werden. Und haben das auch mithilfe automatisierter Inhaltsanalyse uns angeschaut. Und wir sehen an sich das Migration, ist klar, das bestimmende Thema gewesen in verschiedenen Spielarten und das wird natürlich vor allem durch die wurde natürlich vor allem durch die AfD in den Wahlkampf gebracht. Die anderen Parteien sind da aber auch aufgesprungen. Es gibt kaum eine Partei, die das Thema nicht zum Thema gemacht hat. Und dann haben wir noch so, ja, also das war wirklich das alles bestimmende Thema und dann haben wir je nach Partei noch so ein bisschen Nischenthemen, würde ich jetzt sagen. Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat sich ganz stark beschäftigt mit Frieden und dem Ukrainekrieg. Die Grünen haben natürlich über Klima geredet, aber waren auch die einzigen, im übrigen Ukraine und Frieden war auch größtenteils das BSW, sonst nicht so wirklich. Dann hatten wir noch bei der FDP ein bisschen die Frage nach dem Haushalt, was in Thüringen auch ziemlich wichtig ist. So, aber der Rest drehte sich eigentlich mehrheitlich um Migration. Und was wir auch gesehen haben, ist auch, dass das Migrationsthema zumindest bei der AfD auch das Thema war, was die allermeisten Interaktionen und Reaktionen wiederum hervorgerufen hat. Wir haben also einerseits quasi von der Parteiseite okay, wir bespielen das Thema Migration, ja, aber das sind eben auch das ist eben auch das Thema, was am meisten Reaktionen wiederum von mutmaßlich den Wählerinnen und Wählern bzw. eben den Social Media Nutzerinnen dann wieder zurückgespielt wird. Ja. #00:49:49-2#
Hannah Diemer: Und arbeiten dann auch Parteien mit solchen Ergebnissen oder beobachten die das auch so differenziert, wie ihr das jetzt in der wissenschaftlichen Perspektive macht? #00:49:58-5#
Irina Lock: Also ich glaube jetzt sagen auch gerade auf Landesebene haben die da nicht die Ressourcen dafür. Wenn wir das jetzt schlussendlich mal veröffentlichen, dann würde ich schon denken, dass es vielleicht die eine oder andere Partei gibt, die das interessant findet und sich das so noch mal genauer anzugucken. Was ich bei der Studie auch noch ganz spannend fand, ist, dass wenn es um das Thema Migration ging, wurde auch, wurde das auch wirklich ganz, ganz generisch quasi bespielt. Also was uns auch noch interessiert hat, ist die Frage, inwiefern wird denn überhaupt so ein lokaler Bezug hergestellt, weil gerade das Thema Migration kann man ja jetzt auf Landesebene nicht wirklich beeinflussen, gerade jetzt Thüringen hat noch nicht mal eine Außengrenze also es ist so eigentlich kein Thema, was jetzt jemanden in der Landtagswahl großartig nach vorne bringen würde, sollte man meinen, da es ja nicht auf Landesebene entschieden wird. Und die Parteien machen auch da keinen großen, ja, machen auch keine großen Anstalten das irgendwie mit was lokalem zu verbinden. Also es geht jetzt nicht beim Thema Migration darum, dass beispielsweise im Kyffhäuserkreis eine neue Asylunterkunft, also darum geht es nicht. Es geht auch nicht um Migrant*innen in Jena, es geht um das Thema Migration allgemein und ganz oft verbunden mit dem Hass gegen Migranten und ja, also und eben eine Abwehr von von diesem ganzen Thema gerade eben bespielt von der AfD. Aber es hat. An sich wird noch nicht mal der große Bezug zu Thüringen gesucht. #00:51:41-5#
Hannah Diemer: Und wie geht es jetzt weiter für dich in deinen Forschungen zu strategischer Kommunikation? Was werden die nächsten Schwerpunkte werden? #00:51:49-3#
Irina Lock: Ja, ich, wie gesagt, es wird diese Studie kommen, die sich noch mal anguckt, wie Lobbyismus eigentlich in Deutschland, was ist jetzt eigentlich die Wahrnehmung davon und was wissen die Leute auch wirklich darüber. Denn ich kann mir vorstellen, dass da eigentlich auch gar nicht so viel Wissen darüber spielt. Warum auch, ist ja auch was, womit man im Alltag wirklich gar nichts zu tun hat, größtenteils. Das ist also Lobbyismus und Big Tech Lobbyismus ist weiterhin ein Schwerpunkt und wird es auch bleiben. Dann habe ich noch eine Forschungslinie, darüber haben wir jetzt gar nicht gesprochen, zum Thema KI und wie KI eigentlich in Bildern dargestellt wird, in der öffentlichen Kommunikation. Das heißt, welche Bilder sehen wir eigentlich von KI und was macht das am Ende mit uns und was hat das für eine Bedeutung, das interessiert mich noch. #00:52:35-9#
Hannah Diemer: Warum ist das interessant für dich? #00:52:37-2#
Irina Lock: Das ist eigentlich folgt es so einem mehr einem Interesse dadurch, dass wir, wenn wir strategische Kommunikation in der Praxis sehen, wird mehr und mehr natürlich KI Tools angewandt. Also zum einen zum Text generieren, aber zum anderen natürlich auch zum Bilder generieren. So, also es hat eine wahnsinnige Relevanz für die Praxis. Andererseits fiel mir einfach die Diskrepanz so auf, dass wenn ich über KI lese und selber natürlich auch KI in der Forschung benutze, also das, was gemeinhin als KI bezeichnet wird, also einfach maschinelles Lernen und Algorithmen, die maschinelles Lernen eben programmieren. Dann sehe ich Bilder, beispielsweise von Robotern. Oder ich sehe Bilder, wo ganz viel blinkt und irgendwelche magischen Blitze aus der Dunkelheit erscheinen. Und das hat aus meinem Verständnis von dem, was so ein Algorithmus tut, überhaupt nichts damit zu tun, wie das, was dargestellt wird. Also es ist weder mystisch, noch hat es mit Roboter, also ich habe noch nie in meinem Leben mit Robotern gearbeitet in meiner Forschung, aber trotzallem verwende ich das, was man heutzutage landläufig als KI verwendet wird, bezeichnet wird. Und die Diskrepanz finde ich einfach wahnsinnig spannend. Und was macht das mit unserem Verständnis von KI und der Innovation und mit der gesellschaftlichen Akzeptanz darüber. Und was für, na ja, was denn dann, dann sind wir wieder bei den großen Technologieunternehmen, wie kommunizieren die eigentlich darüber und welches Bild wollen die davon herüberbringen und warum? Also wie wollen sie Ihre eigenen Innovationen in der Öffentlichkeit besetzt wissen, damit diese, weiß ich nicht, allgemein gekauft werden oder Anklang finden, dass da wenig Skepsis vorherrscht. #00:54:30-0#
Hannah Diemer: Spielt da auch viel Greenwashing eine Rolle? Also ich denke an den Vergleich, den mal eine Person gezogen hat, eine Google Suchanfrage kostet irgendwie 1/80 der Energie von einer künstlichen Intelligenz Suchanfrage. Ist das dann Thema? #00:54:44-7#
Irina Lock: Ja, das könnte man als Thema machen. Wir wissen einfach, dass gerade große Sprachmodelle einen wahnsinnigen Energieverbrauch haben und klammern das mal schön aus, weil sie auch einfach so wahnsinnig praktisch sind und weil man das auch gerade ganz gut ausklammern kann, es interessiert ja gerade niemanden. Das wird aber sicher ein großes Thema werden, auch einfach, weil die Rechenkapazitäten begrenzt sind und weil wir auch wollen, dass trotz allem diese Server beispielsweise in Europa stehen und auch hier wir Länder haben auch in Deutschland, wo wir das energetisch und mit den Stromkapazitäten eigentlich gar nicht hinbekommen würden, die hier laufen zu lassen usw., also das ja, diese Serverzentren brauchen unglaublich viel Energie. Deshalb braucht man Länder, wo Energie günstig ist und das wissen wir das ist in Deutschland nicht der Fall. #00:55:32-9#
Hannah Diemer: Vielen Dank für deine ganzen Einsichten und deine ganzen ehrlichen Antworten, die mir persönlich schon viel geholfen haben, da vielleicht nicht mehr einen so pessimistischen Blick zu haben auf unsere Gesellschaft und unsere Medienlandschaft. Danke dir. #00:55:49-4#
Irina Lock: Gerne. #00:55:50-6#
Hannah Diemer: Wer weiter noch über Politik diskutieren möchte in Person habe ich zwei Kursempfehlungen für euch. Und zwar haben wir im Bildungszentrum den Diskussionskreis Politik, der findet immer donnerstags um 18:00 Uhr statt. Das ist ein fortlaufender Kurs, in dem man einfach einsteigen kann. Das geht um politische Debatten zu Themen aus Stadt, Land, Bund und Welt. Der ist zu finden mit der Nummer 2000 und dann die 1, also 20001. Und der zweite politische Diskurs gibt es am Dienstag, den 6. Mai um 18:00 Uhr. Und der hat den Titel "Ins Gespräch kommen! Wie man erfolgreiche politische Diskussionen führt" und ist zu finden mit der Kursnummer 20701. Also falls ihr nicht nur die politischen Diskussionen aus den Medien verfolgen wollt, sondern auch mit vielleicht anderen Menschen nicht aus eurer Filterbubble diskutieren möchte, dann könnt ihr gerne diese beiden Kurse am BZ besuchen. Und damit vielen herzlichen Dank fürs Zuhören. Bis zum nächsten Mal. #00:56:55-3#
Dieses Projekt/Diese Maßnahme/Initiative leistet einen wichtigen Beitrag, Nürnberg schrittweise inklusiver zu gestalten. Es/Sie ist Teil des Nürnberger Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Den Ersten Aktionsplan hat der Nürnberger Stadtrat im Dezember 2021 einstimmig beschlossen. Um die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in Nürnberg zu verwirklichen, wurden und werden umfangreiche Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Weitere Informationen finden Sie unter www.inklusion.nuernberg.de.

Ob große Technologieunternehmen, dem Auswärtigem Amt, Firmen oder kleine Sportvereine: Sie alle betreiben Lobbyarbeit. Doch bis zu welcher Grenze finden wir das in Ordnung?
Ab wann spricht man von politischer Einflussnahme? Was ist nur eine Interessensvertretung oder gar eine Beratung durch Expert*innen?
Prof. Dr. Irina Lock leitet den Lehrstuhl für Strategische Kommunikation in Jena und ist eine renommierte Wissenschaftlerin auf ihrem Gebiet. Sie erklärt, wo der Wikipedia-Artikel über Strategische Kommunikation irrt und worin die Unterschiede zwischen Lobbyismus, Propaganda, Strategischer Kommunikation und Public Affairs liegen.
Im Interview hören Sie die Empfehlungen der Wissenschaftlerin zur politischen Meinungsbildung und erfahren, ob die Sozialen Medien ihren schlechten Ruf wirklich verdienen.
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Aufgenommen am: Montag, 17. März 2025
Veröffentlicht am: Donnerstag, 17. April 2025
Moderation: Hannah Diemer
Im Gespräch: Prof. Dr. Irina Lock
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Alle weiteren Folgen von KontaktAufnahme – der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg finden Sie hier. Jede zweite Woche, immer donnerstags, veröffentlichen wir ein neues Gespräch.
Wen sollen wir noch befragen - haben Sie Ideen und Anregungen? Oder möchten Sie Ihre eigenen „Glücksmomente“ (manchmal am Ende des Interviews zu hören) an uns schicken? Schreiben Sie uns an!