Cordula Trunk, kannst du alle unsere Fragen zum Feminismus beantworten?
Speaker 2: Kontaktaufnahme. Der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg. #00:00:17-9#
Speaker 2: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Kontaktaufnahme, heute mit Cordula Trunk. Mein Name ist Hannah, und Cordula und ich dürfen heute zusammen in ihrem Elternhaus zu Gast sein, dass ist kurz vor den Toren Nürnbergs in Eckental, und wir werden heute über Feminismus sprechen. Cordula ist Philosophin und Kulturwissenschaftlerin, kommt aus Nürnberg, arbeitet aktuell an der Uni Insbruck. Dort forscht sie zu feministischen Geschichte, zu Subjektierungsweisen und Antisemitismus in subkulturellen Bewegungen, sie zudem seit vielen Jahren in der feministischen und antifaschistischen Bewegung aktiv, und Theorie und Praxis gehören für sie untrennbar zusammen. Hallo Cordula! #00:01:04-1#
Speaker 2: Hallo, vielen Dank für die Einladung. #00:01:06-4#
Speaker 1: Schön, dass du da ist oder dass ich bei euch sein darf. #00:01:09-6#
Speaker 2: Ja, es ist ja ein wunderschöner Apriltag in Franken. #00:01:14-5#
Speaker 1: Deine wissenschaftlichen Schwerpunkte hört sich ganz schön kompliziert an, und auch beim Lesen musste ich mich gerade ganz schön konzentrieren, dass es kein Zungenbrecher wird. Was machst du denn da? Kannst du das beschreiben? #00:01:28-9#
Speaker 2: Ja, also ganz runtergebrochen arbeite ich eben an der Universität Insburg und gebe da Lehre also ganze mal Seminare und Vorlesungen, und was ich auch mache, ist, dass ich promoviere, also meinen Doktor, meine Doktorarbeit gerade schreibe, und da forsche ich eben zur feministischen Konfliktgeschichte und schaue mir an, wie der Diskurs um feministische Subjekte, also zum Beispiel sowas wie Frau oder Flinta*, oder auch Lesbe sich historisch und theoretisch, wie die entstanden sind und was für Konflikte es eben darum gab innerhalb der feministischen Bewegung in Deutschland. #00:02:09-1#
Speaker 1: Ich würde total gerne über unsere aktuellen feministischen Kämpfe sprechen, aber ich glaube, es hilft, wenn wir das noch mal einordnen in den geschichtlichen Kontext und ganz zu Beginn vielleicht nicht so ganz banal. Aber was ist eigentlich Feminismus? #00:02:25-4#
Speaker 2: Ja, das ist eine sehr gute Frage, Hannah. Was ist eigentlich dieser Feminismus? Ich würde sagen, jede Person, die du fragst, hat wahrscheinlich ein bisschen eine andere Definition davon, weil es ja so viele verschiedene Strömungen da gibt. Ich würde sagen, Feminismus ist eine soziale Bewegung und eine wissenschaftliche Theorie, die sich für die Gleichstellung aller Geschlechter einsetzt, und das sowohl sozial, politisch, ökonomisch als auch eben auf juristischer Ebene. Das ist, glaube ich, so eine ganz grundlegende basale Definition, was man sich unter Feminismus vorstellen kann. #00:03:00-3#
Speaker 1: Und diese Gleichberechtigung, die haben wir noch nicht erreicht. #00:03:03-4#
Speaker 2: Nein, das haben wir leider nicht. Also seit 1945, quasi nach der NS Zeit, sind zwar offiziell rechtlich Männer und Frauen gleichgestellt, aber eine Gleichstellung ist ja eben nicht nur auf juristischem Wege zu erreichen, sondern sie muss ja auch so in den realen Lebensbedingungen irgendwie umgesetzt sein, und das ist eben nicht der Fall. Ich kann da auch einfach mal ein, zwei Beispiele nennen, an denen wir das sehen. Also, zum einen gibt es immer noch ein Gender Pay Gap, das bedeutet, der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen, andere Geschlechter werden in den Statistiken nicht erfasst, was die da quasi pro Stunde Arbeit verdienen, und in Deutschland liegt der bei 18 Prozent. #00:03:49-5#
Speaker 1: 18 Prozent, für exakt die gleiche Arbeit? #00:03:51-7#
Speaker 2: Die gleiche Arbeit, genau, für genau die gleiche Arbeit bekommen Frauen im Schnitt 18 Prozent weniger Lohn pro Stunde. #00:03:59-3#
Speaker 1: Wenn ich das manchen Menschen erzähle, dann würden die behaupten, aber wir haben doch sowas wie Tarifrunden und Tarifverhandlungen, normale Lohneingruppierungsgruppen jetzt zum Beispiel bei uns bei der Stadt. Wir werden nach Tarif alle bezahlt, da werden alle gleich bezahlt. Wie kann es denn sein, dass das in manchen Berufen nicht so ist? #00:04:16-3#
Speaker 2: Das liegt daran, dass das ja ein statistischer Wert ist, der durch alle Berufsgruppen hindurch quasi erhoben wird, und natürlich gibt's Lohngruppierungen, die quasi dasselbe bekommen. Auch als Lehrer, Lehrerin bekommt man Tariflohn, das ist es ungefähr gleich. Aber es gibt ja auch sehr viele Berufsgruppen, wo Löhne verhandelt werden, und da weicht es dann enorm ab. Man sieht auch eine größere Differenz. Je höher die akademischen Abschlüsse sind, also je höher man quasi die Leiter hochsteigt, umso größer werden die Lohnunterschiede dann letztendlich. Man muss sagen, 18 Prozent ist auch enorm hoch. #00:04:52-1#
Speaker 1: Und inzwischen kann ich hier aber T-Shirts kaufen, auf denen draufsteht: "I'm a Feminist". Ist denn Feminismus jetzt inzwischen in der Mainstream Bubble angekommen? #00:05:01-4#
Speaker 2: Ah, das ist auch eine komplizierte Frage. Ich würde sagen, ja, auf der einen Seite schon also Feministin sein, ist irgendwie wieder In. In den 90er-Jahren war das ja sehr verpönt, da war so eher so ein Schimpfwort, und niemand wollte Feministin sein. Heute ist es auf jeden Fall in. Man kann, wie du schon erzählt hast, auf T-Shirts kaufen oder auch zum Beispiel Beyonce hat 2014 auf ihrer legendären Lemonade-Tour ein riesen Feminist als Background auf ihrer Bühne gehabt. Also, das ist auf jeden Fall wichtig, und ich glaube, was das zeigt, ist das halt einfach aktuell junge Mädchen, Frauen und queere Personen keinen Bock mehr haben, sich diskriminieren und unterdrücken zu lassen, und das weltweit. Also Feminismus. Wir sprechen jetzt über den deutschsprachigen Raum, aber ist natürlich eine internationale Bewegung. Wenn man zum Beispiel nach Argentinien, Chile oder den Rest von Südamerika schaut, haben wir da massive Kämpfe, wo wirklich viele Leute sagen, sie haben einfach keinen Bock mehr darauf, wie die Zustände gerade sind. Und auch in Deutschland ist es nicht so, dass man sich da ausruhen kann auf dem, was erreicht wurde. Es gibt zum Beispiel auch neben dem Gender Pay Gap den Gender Care Gap. Das bedeutet den Unterschied, was Männer und Frauen, auch da wird es wieder nicht nach queeren Personen hin erhoben, an Sorgearbeit leisten und Sorgearbeit meint Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Hausarbeit, aber auch sowas wie ehrenamtliche Tätigkeiten zum Beispiel, und da werden die Zahlen jetzt noch erschreckender. Die liegen nämlich bei 44,3 Prozent laut Bund, das Ministerium für Familie, Senoren, Frauen und die Jugend. Und 44,3 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgetätigkeiten wenden Frauen mehr auf als Männer pro Tag. Generell sind das ungefähr 79 Minuten pro Tag. Das heißt in der Woche, wenden Männer ungefähr 21 Stunden für unbezahlte Sorgetätigkeiten auf, also sowas wie Müll rausbringen, Spülmaschine einräumen, aber auch Kinder in die Kita oder zum Kindergarten bringen, und Frauen 30 Stunden. Wenn man sich das jetzt vorstellt, wenn man eh schon einen 40 Stunden Job hat, danach 30 Stunden unbezahlte Sorgearbeit macht, bedeutet, dass das Frauen im Schnitt ungefähr doppelt so viel arbeiten wie Männer auch da wird es wieder nur nach zwei Geschlechtern erhoben. Aber man sieht da, dass die Ausbeutung, muss man ja schon sagen, also einfach das doppelte Arbeitspensum bedeutet. Und was natürlich auch noch dazu gehört, ist, dass Gender Pay Gap und Gender ergab hängen natürlich zusammen. Dann, wenn ich mehr weit leisten muss und mehr Sorgetätigkeiten mich zum Beispiel um die Kinder kümmern muss oder eine kranke Angehörige zu Hause habe, die ich pflegen muss, dann kann ich natürlich nicht so viel Lohnarbeiten, und deswegen sieht man auch, dass Frauen viel, viel öfter als Männer in Teilzeitberufen sind, weil sie eben sich nebenbei noch um Kindererziehung oder um kranke Angehörige kümmern müssen, und deswegen können sie eben nicht in diesen klassischen oder nicht so oft in diesen klassischen 40 Stunden Lohnarbeit berufen sein, wo man auch Karriere macht und an dementsprechend auch mehr verdient. #00:08:23-8#
Speaker 1: Was da auch mit dazu spielt, ist dieser Begriff des Mental Load, also der mentalen Belastung. Was ist das denn? #00:08:30-7#
Speaker 2: Mental load, das ist ja wieder so ein englischer Begriff, der eigentlich gar nicht so schwer zu erklären ist. Ich finde das immer recht witzig, wenn man mal, also jeder von uns kennt ein Paar, und man fragt einfach den Mann und die Frau beide, was gerade im Kühlschrank zu Hause ist und was eingekauft werden muss. Und mit 99 prozentiger Sicherheit kann die Frau genau aufzählen, was in dem Kühlschrank gerade ist, wann das Kind einen Arzttermin hat, wann es in die Schule muss, wann die Schwiegermutter Geburtstag hat, wann die Wäsche gemacht werden muss und und und ja, Männer wissen das einfach nicht. Das ist gar keine böse Absicht oder so. Aber das ist eben diese Mentel load, also all diese Zusatztätigkeiten, die man einfach so nebenbei als unsichtbare Arbeit im Hintergrund erledigt, die belasten einen natürlich, und das ist eben diese diese geistige Schwere, die auf einem lastet, das, was man alles immer noch im Hintergrund mitbedenken muss, und der ist eben auch nach einem sehr krassen Gender Gap aufgeteilt. #00:09:35-0#
Speaker 1: Weil oft hört man ja auch, dass in Hetero-Paaren oder in Hetero-Beziehungen, die Männer da sagen, ja, ich mache ja was mir gesagt wird, aber da kommt ja viel auf dieses Vordenken nochmal mit an. Also ich bin ja nicht eine Auftraggeber*in in dem Moment, oder die andere Person ist ja kein Bediensteter, der die Sachen abarbeitet, die ich ihm Auftrage, sondern es ging ja eigentlich darum, die gesamte Arbeit komplett fair aufzuteilen, und das gilt also, bezieht sich ja auch auf die Planung, und ich glaube, wenn man das mit Arbeitskontexten verbindet, ist es ja ganz eindeutig, dass Menschen die Sachen in Projektplänen organisieren, dass die nicht diejenigen sind, die das Ganze ausführen. Aber in dieser Care-Situation ist es oft so, dass die Frauen, die Care-Arbeit oder diese Fürsorgearbeit organisieren und ausführen, also dass das beides quasi in einer Person passiert und dass, wenn das weitergegeben wird an die andere Person, dann ist es wirklich wie ein Auftrag, und dann sieht man, dass es nicht komplett verteilt ist. #00:10:29-1#
Speaker 2: Genau und was dann natürlich auch noch dazu gehört, ist, die Verantwortung liegt bei den Frauen, und die Verantwortung wiegt natürlich schwer, wenn man den Haushalt schmeißen muss, wenn man zwei Kinder zu Hause hat, vielleicht noch ein Haustier und einen Ehemann oder einen Partner, um den man sich dann im zweifelsfall auch noch kümmern muss, weil der hat ja auch Arzttermine, und auch da werden manchmal Sachen vergessen. Also da ist auf jeden Fall noch einiges nachzuholen, bis wir wirklich von der Gleichstellung und der fairen Aufteilung von Arbeit sprechen können. #00:10:58-1#
Speaker 1: Jetzt sind wir ja schon ganz stark in aktuellen feministischen Diskursen. Wie hat es denn angefangen, der Feminismus? Wollen wir in Deutschland bleiben, innerhalb Deutschlands? Wie hat denn der Feminismus begonnen? #00:11:11-1#
Speaker 2: Ja, wie er begonnen hat, natürlich gibt's Feminismus in dem Sinne irgendwie schon immer, weil schon immer Frauen sich gegen die Diskriminierung zur Wehr gesetzt haben. Ich würde da ganz knapp. Die erste große Stimmung waren die Frauen, die sich für das Wahlrecht eingesetzt haben und dafür, dass Frauen überhaupt irgendwie rechtliches Subjekt werden und dem Mann gleichgestellt werden. Das war die erste Generation, Anfang 1900. #00:11:37-5#
Speaker 1: War das damals diese Suffragetten-Bewegung? #00:11:39-6#
Speaker 2: Ja, die Suffragetten, die gab es in Deutschland leider nicht so stark, das war eher. #00:11:43-9#
Speaker 1: Eine französische Bewegung. #00:11:45-5#
Speaker 2: Ja, französisch, amerikanisch und auch englisch, genau die haben sich sehr stark verteidigt und gewehrt gegen ihre Unterdrückung. In Deutschland gab's eher Strömungen von bürgerlichem Feminismus, aber auch von sozialistischem Feminismus. Ganz stark. Und Namen, die da sehr bekannt sind, ist zum Beispiel Hedwig Dohm, oder Minna Cauer, das ist so der bürgerliche Teil der Frauenbewegung, und dann gab es natürlich noch den sozialistischen Teil mit Clara Zetkin, Rosa Luxemburg, Alexander Kollontai. Das sind ja sehr bekannte Namen, die bis heute ja mit Frauenbewegungen in Verbindung stehen. #00:12:21-3#
Speaker 1: Das heißt, wer die Namen jetzt noch gar nicht gehört hat, geht ganz schnell in unsere Stadtbibliothek und holt sich da die Biografien über diese Menschen. #00:12:30-8#
Speaker 2: Da sind natürlich auch sehr spannende Biografien, weil die haben ja auch mehrere Kriege erlebt, teilweise, und wirklich auch gekämpft, und ja, sich in dieser Zeit als Frau zu behaupten und auch einen Beruf zu ergreifen oder überhaupt sich Zugang zu Bildung zu verschaffen, war natürlich was total besonderes, also sehr beeindruckende Persönlichkeiten. #00:12:49-9#
Speaker 1: Mhm, was haben die denn damals so erreicht? #00:12:52-2#
Speaker 2: Also, zum einen wurde in Deutschland, ist 1918 das Wahlrecht erkämpft worden. Seit ich glaub 19 Januar war es 1919 durften dann das erste Mal auch Frauen wählen. Ja, der Zugang zur Bildung wurde stark erkämpft, und dann, muss man sagen, gibt es in Deutschland natürlich den großen Einschnitt mit der Zeit, wo die Frauenbewegung sich teilweise in der NS-Bewegung aufgelöst hat oder aufgegangen ist. Es gab wenig Widerstand aus der Frauenbewegung, leider. Deswegen so richtig einsteigen mit der klassischen deutschen feministischen Geschichte ist dann eigentlich erst so ab '68, weil da war ja die besondere historische Begebenheit, dass '68 hatten wir die Revolte der Studierenden, die 68er-Bewegung, die ist vielen von uns ja nen Begriff, und im Zuge dessen haben eben auch Frauen versucht, mehr Rechte für sich zu erkämpfen, und haben gesagt, hey, wir haben keinen Bock mehr, uns ausbeuten zu lassen, und wir haben auch keinen Bock mehr, uns von unseren linken Männern ausbeuten zu lassen. Deswegen organisieren wir uns selber und setzen einfach andere Themenschwerpunkte, auch als in der klassischen linken Bewegung, und wofür die ganz stark gekämpft haben, war zum Beispiel Abtreibungsrecht, also Recht auf Abtreibung, aber auch gegen Gewalt an Frauen, da sind die Zahlen bis heute unglaublich schlimm. Ich hab mir die aktuellen Zahlen vorher nochmal angeschaut, körperliche und sexuelle Gewalt erlebt jedes dritte Mädchen, beziehungsweise Frau, in ihrem Leben, und 25 Prozent erleben eben körperliche und oder sexualisierte Gewalt in ihrer Ehe oder Partnerschaft. Das ist ein Viertel aller Menschen, die in Beziehungen sind. Das ist enorm hoch, also das sind ganz, ganz erschreckende Zahlen. Das bedeutet natürlich auch, dass jeder von uns eine Betroffene von sexualisierter Gewalt kennt und auch die Täter, denn die müssen ja irgendwo auch sein. #00:14:59-2#
Speaker 2: Das sind ja dann in dem Fall die Ehemänner. #00:15:01-6#
Speaker 2: Genau, und auch zwei von drei Frauen erleben sexuelle Belästigung häufig im öffentlichen Raum auch, und das ist auch einer der Gründe, wo man sieht, dass so die aktuelle feministische Welle, die ganzen jungen Feministinnen sagen, da haben sie keinen Bock mehr darauf, sich von irgendwelchen Männern blöd anschauen zu lassen, sich blöde Sprüche drücken zu lassen oder im schlimmsten Fall irgendwie belästigt zu werden. Das ist einfach nicht mehr die Zeit dafür so, und ich hoffe, dass das natürlich in Zukunft weniger wird, die Zahlen. Aber leider muss man sagen, dass seit der Corona Pandemie die Zahlen nur noch nach oben gegangen sind, also in absoluten Zahlen: 2022 haben 240547 Menschen häusliche Gewalt erlebt. Das ist ne Steigerung um 9 Prozent im Vergleich zum Jahr 2021, und die Zahlen sind aktuell noch nicht zurückgegangen. Das ist fast eine Viertelmillion Menschen. Weil man muss natürlich sagen, die Dunkelziffern liegen immer wesentlich höher, und ja, für Frauen und Mädchen ist einfach der gefährlichste Ort das eigene Zuhause. #00:16:12-9#
Speaker 1: Ja, und jetzt hört ihr da auch mit dazu, dass bei häuslicher Gewalt nicht nur körperliche Verletzungen mit dazu, sondern ja auch seelische Verletzungen oder dass den betroffenen Personen Zugänge verhindert werden. #00:16:26-7#
Speaker 2: Genau das kann noch viel, viel schwieriger erfasst werden, also über emotionalen Missbrauch, da, wenn die Zahlen erst mal erhoben werden würden. Da wären die auf jeden Fall noch wesentlich höher. Was erhoben wird oder was mittlerweile mehr beachtet wird, ist der Mord an Frauen, weil sie Frauen sind. Das nennt man Femizid. Femizid ist ein Begriff, der aus Südamerika kommt, und quasi bedeutet die Tötung von Frauen, weil sie Frauen sind, und auch da sind die Zahlen erschreckend. Jeden Tag versucht ein Mann, seine Partnerin oder Ex-Partnerin umzubringen, in Deutschland, in Deutschland, und jeden dritten Tag gelingt das auch. Also auch jetzt sind wir, ich glaube, bei fast 90 Tötungen schon, das ist enorm krass. #00:17:18-9#
Speaker 1: Ja, ja, wir waren eigentlich zuerst bei der geschichtlichen Einordnung. Noch jetzt sind wir wieder auf unsere aktuellen Kämpfe gesprungen. Ich glaube, weil es einfach so unfassbar ist, dass wir immer noch an diesen gleichen Punkten kämpfen. Aber wir hatten jetzt ganz am Anfang gesagt, es gab zuerst Frauenwahlrecht, dann ist der Feminismus innerhalb Deutschlands eingeschlafen, ist dann wieder aufgewacht. Was waren denn so die Erfolge der '68, '69er Bewegung? #00:17:42-5#
Speaker 2: Ja, da vielleicht noch mal so ein bisschen was aus der Historie, weil feministische Geschichte ja auch nicht allen so bekannt ist. Es gab den Initiationsmoment der sogenannten neuen Frauenbewegung. Der war 1968 ein Tomatenwurf, also quasi eine militante Aktion. Das ist damals so gewesen, dass der SDS also der sozialistische Deutsche Studierendenbund und zu seiner 23. Delegiertenversammlung zusammengekommen ist, in Frankfurt in einem großen Saal. Der war komplett überfüllt, und die Frauen hatten sich sich eine Möglichkeit erkämpft, dort auch eine Rede zu halten. Diese Rede hat Helke Sander gehalten, und man muss sich überlegen, die Frauen haben sich vorher schon zusammengetan und haben sich vernetzt, damit das überhaupt möglich war, dass diese Rede da gehalten wurde, und Helke Sander hat in ihrer Rede eben kritisiert, dass die linken Genossen sich eben auch auf der Arbeit der Frauen ausruhen würden, dass halt die Sorge und die Kindererziehung und Betreuung nicht gleich verteilt war, dass sie nicht ernst genommen wurden, dass sie die Tätigkeiten erledigen sollten, die so ja sowas wie Flyer verteilen, vielleicht, aber sie sollten nicht die richtige politische Arbeit machen, und da hatten die einfach keinen Bock mehr. Und dann hat Helke Sander eben diese Rede gehalten. Alle waren ganz aufgeregt, und die Männer haben sich diese Rede angehört und waren dann so ja gut und wollten einfach mit der Tagesordnung weitermachen, und das hat den Frauen dann gereicht, und dann hat Sigrid Rüger angefangen Tomaten, die sie zufällig dabei hatte, auf den Vorstand zu werfen. Man erzählt sich, es wurden nicht die richtigen Männer getroffen, aber es wurden Männer getroffen, und es war klar, die Männer waren völlig fassungslos, wie sie als linke Genossen irgendwie, als ja eine von den guten irgendwie überhaupt kritisiert werden können, und die Frauen hatten einfach keinen Bock mehr. Die waren so, das reicht so, und ja, es ist schwer, das sich aus heutiger Sicht vorzustellen. Aber das war so ein einschneidendes Erlebnis, das weiß ich, an demselben Abend die Frauen losgezogen sind und neue Gruppen gegründet haben, also an demselben Abend wurden überall neue Frauengruppen ins Leben gerufen. Die haben sich damals ja unter anderem so wie Weiberrat genannt, weil sie immer als Weiber beschimpft worden sind, und dann haben sie sich das eben angeeignet und waren so, naja, ihr beschimpft uns als Weiber. Dann könnten wir jetzt auch Weiber Gruppen irgendwie und machen unser eigenes Ding und haben sich da eben dann sukzessive von der linken Bewegung abgespalten. Die ist ja dann auch nach und nach eingeschlafen in Deutschland. Also, es war ja nur ein kurzes Aufblühen von dieser linken Bewegung. Aber die Frauenbewegung hat dann erst angefangen, sich zu formieren, und ja hat immer mehr eigene Gruppierungen gegründet. Und zwei Kristallationsmomente waren auf jeden Fall der Kampf gegen Abtreibung. Da gab's mehrere Aktionen, die so die Frauen sehr zusammengeschweißt hat. Eine der wichtigsten Momente damals waren die Demonstrationen gegen den Paragraphen 218, in dem die Abtreibung geregelt ist, und eine Aktion in der Zeitschrift Stern. Da haben über 300 Frauen, vor allem bekannte Frauen, gesagt, dass sie abgetrieben haben, was ja damals eine absolute Straftat war. Bis heute ist es eine Straftat. Sie wird nur nicht mehr verfolgt. #00:21:22-0#

Speaker 1: Wir haben heute in den Nachrichten gehört, dass eine von der Bundesregierung beauftragte Kommission gesagt hat, dass Abtreibungen in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen grundsätzlich erlaubt sein soll. Und jetzt schauen wir uns mal diesen Zeit-Horizont an, wenn das Ende der 60er-Jahre war, wo das angefangen hat zu kämpfen. Jetzt haben wir 2024. Wie lange hat es gedauert? Wie lange ist dieser ganze Prozess? Wie kann es sein, dass so ein grundsätzliches Recht den Frauen so lange verwehrt worden ist? #00:21:51-9#
Speaker 2: Ja, und auch natürlich muss man sagen, es wird ihnen gewährt, aber es wird ihnen nicht gegeben. Also, Abtreibung steht immer noch in der Strafgesetzordnung, und wie wir in Ländern wie Polen oder auch Umgang gesehen haben, kann das auch sofort wieder zurückgenommen werden. #00:22:08-7#
Speaker 1: Die USA. #00:22:09-3#
Speaker 2: Mhm oder in den USA, also was wirklich der nächste Schritt ist, dass es, wie zum Beispiel in Argentinien, in der Verfassung verankert wird, dass wir das Recht bekommen abzutreiben, wenn wir das wollen, auch ohne irgendwelche weiteren staatlichen Einschränkungen, wie irgendwelche Beratungen, die man machen muss, verpflichtend, und so weiter und so fort. Also, es ist endlich an der Zeit, dass den Frauen ihr eigener Körper wirklich gehört und sie als einzige die Zugriffsrechte darauf haben, und nicht irgendwelche Männer oder der Staat. Genau, und damals noch mal zurück in die '70er, diese Zeitschriftenaktion wurde damals von Alice Schwarzer ins Leben gerufen, die heute eine sehr umstrittene Ikone der feministischen Bewegung ist, und hat auch eingeschlagen wie eine Bombe, weil das quasi der Moment war, wo der Gesamtdeutschland klar wurde, dass da was in Bewegung ist. Vorher hat sich das eher so in der linken Szene abgespielt, in der linken Bewegung, aber da war wirklich für jede Person plötzlich sichtbar: Hey, da passiert was! Da ist eine neue soziale Bewegung. Mit der müssen wir uns auseinandersetzen, weil es sind Frauen. Frauen sind überall, es sind 50 Prozent der Gesellschaft, und sie haben keine Lust mehr, so wie es war. Und ja, diese Aktion ist quasi nach einem Vorbild aus Frankreich geschehen. Dort haben auch in der Zeitung auch über 100, also Hunderte Frauen irgendwie angegeben, dass sie abgetrieben haben, und Alice Schwarzer war zu dem Zeitpunkt in Frankreich, und hat es dann quasi mit nach Deutschland gebracht. Diese Aktion, und was man da gut dran sieht, ist, dass die Frauenbewegung, auch die Deutsche Frauenbewegung, immer schon sehr international verknüpft war, denn es gibt natürlich Frauen überall auf der Welt, und auch wenn wir nicht unter den selben Problemen leiden, haben die doch immer Ähnlichkeiten miteinander. #00:24:11-6#
Speaker 1: Wie ist es denn dann weitergegangen nach den Siebzigern? Was waren danach die darauffolgenden Kämpfe? #00:24:17-8#
Speaker 2: Also in den Siebzigern war eben Gewalt gegen Frauen ein großes Thema. Es wurden die ersten Frauenhäuser gegründet, die ersten autonomen Frauenhäuser. Es gab militante Splittergruppen im Feminismus, wie die "Rote Zora", die zum Beispiel auch mehrere Feuer und Bombenanschläge verübt hat, um dadurch ja auf Probleme und Missstände in der Gesellschaft aufmerksam zu machen. Und was ja auch passiert ist, ist, dass in den Siebzigern sehr viele Frauenbuchläden, Frauenkneipen, Frauenzeitschriften gegründet wurden und Frauen versucht haben, sich sehr eigenständig zu organisieren. Es gab damals zwei große Strömungen im Feminismus, zum einen den Gleichheitsfeminismus und zum anderen den Differenzfeminismus. Und der Gleichheitsfeminismus, da ist zum Beispiel ein großes Vorbild Simone de Beauvoir, die mit ihrem Buch "Le Deuxième Sexe - Das andere Geschlecht" ja einen Grundstein für theoretisches Fundament der feministischen Bewegung gelegt hat, und der Gleichheitsfeminismus will eben, dass Männer und Frauen und andere Geschlechter gleichgestellt sind. Da geht es um eine Angleichung von verschiedenen Momenten. Und der Differenzfeminismus hat mehr Wert darauf gelegt, dass Frauen und Männer unterschiedlich sind und in ihrer Unterschiedlichkeit dann aber auch die gleichen Rechte bekommen sollten. Die haben sich natürlich untereinander gestritten und insgesamt, was so das ab den '70ern quasi es viel, viele Konflikte in der Frauenbewegung gab, weil nach dieser Anfangseuphorie, wo man den gemeinsamen Aufbruch hatte und Themen gesetzt hat, die Frauen aus allen Schichten betreffen, also sowohl Abtreibung als auch Gewalt gegen Frauen, passiert ja Frauen, egal in welcher gesellschaftlichen Position sie sind. Es sind dann nach und nach immer mehr die Unterschiede zwischen den einzelnen Frauen zum Tragen gekommen. Und da wurde dann eben deutlich, dass zum Beispiel weiße Frauen ein Rassismus-Problem haben. Es gibt ja auch schwarze Feministinnen, es gibt viele migrantische Feministinnen, die haben auch die Deutsche feministische Bewegung kritisiert, weil sie gemeint haben, dass sie da auch nicht gehört und gesehen werden. Es gab lesbische Frauen, die sich gegenüber den heterosexuellen Frauen positioniert haben, weil sie unterschiedliche Erfahrungen hatten. Es gab Kritik von Trans-Feministinnen, die komplett diese heteronormative Ordnung in Frage gestellt haben, und so gab es einfach Haufen Konflikte, die in dieser Zeit angefangen haben und verhandelt wurden und die bis heute quasi andauern. #00:27:05-4#
Speaker 2: Da ist jetzt auch dieses Akronym der Flinta*-Personen daraus entstanden. Was sind denn Flinta*-Personen? #00:27:14-1#
Speaker 2: Also, Flinta* genau ist ein Akronym, ist eine Abkürzung für Frauen, Lesben, Inter, nicht Binäre, Trans- und A-Gender Personen. Frauen-Lesben, also F-L das kommt historisch aus der Frauen-Lesben-Bewegung. Die haben sich quasi auch in den '70er, '80er Jahren von der mainstreamfeministischen Bewegung abgespalten, weil sie gesagt haben, die Probleme, die die heterosexuellen Frauen haben, und die Kämpfe, die die führen, das sind nicht unsere. Wir haben keine Ehemänner, wir leiden nicht unter der Gewalt in der Ehe, wir werden nicht von unseren Ehemännern vergewaltigt, weil wir nicht verheiratet sind und keine Männer lieben. Und die haben sich eben abgespaltet, um so für Sichtbarkeit zu kämpfen. Und dieses F-L war wirklich ja zum einen sehr pragmatisch gewählt, stand dann zum Beispiel auf Einladungstexten oder auf Flyern, stand dann F-L Frauen-Lesben, was bedeutet, dass die Themensetzung oder die Räume eben hauptsächlich für Frauen-Lesben, ja da waren. Und gleichzeitig ist es aber auch eine neue Identität, die da geschafft wurde, also eine neue Subjektposition weg von diesem, was auch immer eine Frau ist, hin zu wir sind Frauen-Lesben. Uns macht aus, dass wir ein gleichgeschlechtliches Begehren haben und dass wir Feministinnen sind. #00:28:35-9#
Speaker 1: Und dieser zweite Teil, wann kam der mit dazu? #00:28:39-0#
Speaker 2: Der ist dann quasi im Laufe der Zeit dazu gekommen. Vielleicht nochmal ganz kurz, was das heißt, also, Interpersonen sind eben Personen, deren Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig männlich oder weiblich sind. Interpersonen gibt schon schon immer, man nennt sie auch intergeschlechtlich, und die ältesten Abbildungen von Interpersonen sind aus dem antiken Griechenland. Also das ist schon immer gab es mehr als zwei Geschlechter und... #00:29:06-5#
Speaker 1: Und es kommt auch tatsächlich gar nicht so selten vor. Ich habe mal Zahlen gelesen, die die Anzahl von Interpersonen verglichen haben mit den Anzahl von rothaarigen Menschen. Also das ist ungefähr eine gleiche Verteilung, und jetzt kann sich jeder mal überlegen, wieviel natürlich rothaarige Personen kennt man, und genauso viele Interpersonen gibt's. #00:29:24-4#
Speaker 2: Genau das ist ja auch teilweise ein sehr schambehaftetes Thema, und man muss dann natürlich auch sagen, bis vor kurzem wurden intersexuelle Menschen häufig zwangsoperiert, also quasi ab kurz nach der Geburt wurde einfach in ihrer geschlechtlichen Merkmalen eingegriffen, und es wurde entschieden, du bist ein Mann, du bist eine Frau, und dann operiert, was zu massiven Traumata geführt hat, weil natürlich sich manche Menschen anders entwickelt haben. Also kurz nach der Geburt weiß man das vielleicht noch nicht, welchem Geschlecht man zugehörig ist, und bis heute leiden da wirklich viele darunter. Ja, genau also das sind Interpersonen, dann nicht binäre Personen sind Personen, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlen und dem auch nicht zugehörig sind. Das heißt, sie sind halt eben weder Mann noch Frau, die sie sehen, eben nicht Binär, also nicht in der zweigeschlechtlichen Ordnung zu finden. Und Transpersonen sind eben Personen, die im falschen Geschlecht geboren wurden und erst im Laufe ihres Lebens dann ihr richtiges Geschlecht annehmen konnten. #00:30:37-2#
Speaker 1: Und A-Gender-Personen? #00:30:39-9#
Speaker 2: A-Gender-Personen sind Personen, die sich eben nicht in der geschlechtlichen Ordnung überhaupt verorten, also die wollen einfach kein Geschlecht haben. #00:30:47-9#
Speaker 1: Und jetzt hat sich dieses Akronym gebildet, weil das alles diejenigen Menschen sind, die vom Patriarchat unterdrückt werden und die unter den Folgen des Patriarchats leiden. Was ist denn jetzt noch mal ganz grundsätzlich überhaupt das Patriarchat? #00:31:01-2#
Speaker 2: Das Patriarchat, das auch so ein Begriff, den jeder irgendwie kennt, der hat natürlich eine Geschichte und historisch immer wieder spezifische Bedeutungen gehabt. Also der Patria, der Familienvorsteher im alten Griechenland, im alten Rom, war natürlich der Mann, der seiner Familie vorstand, dem Haus und Hof gehört hat und der alles entscheiden konnte. Das haben wir jetzt in Deutschland zum Glück meistens nicht mehr der Fall. Aber Patriarchat ist eben mehr. Es ist halt auch eine Struktur, die sich ganz tief in die Gesellschaft, in die Denkarten, in die Ideologie, in die Art und Weise, wie Menschen sich selber und andere sehen, eingeschrieben hat. Heute gibt es auch andere Begriffe dafür, zum Beispiel sowas wie hegemoniale Männlichkeit, also die aussagen will, dass das Männliche in allen Bereichen, die Vorherstellung hat, oder aber auch sowas wie Androzentrismus. Das bedeutet eben, dass sich alles um das Männliche zentriert und das Männliche die stärkste Position hat. Prinzipiell bedeutet das einfach eine Hierarchie zwischen den Geschlechtern. #00:32:10-1#
Speaker 1: Wenn wir nochmal auf unsere geschichtliche Einordnung zurückkommen, hatten wir am Anfang die Kämpfe für grundsätzliche Rechte. Dann haben wir gesehen, die Kämpfer haben sich differenziert, und aktuell würde ich behaupten, das Schlagwort intersektionaler Feminismus steht gerade im Vordergrund. Was ist denn intersektionaler Feminismus? #00:32:27-9#
Speaker 2: Intersektionalität als Begriff kommt aus den USA. Der wurde in den '70er Jahren von Kimberlé Crenshaw geprägt. Das ist eine schwarze Juristin, die große Studien dazu gemacht hat, wie schwarze Frauen vom US-Gesetz unterdrückt werden. Da ging es um Klagen von schwarzen Frauen, die von dem, ich glaube, einem Automobilkonzern gekündigt wurden. Genau aber Kimberly Crenshaw hat eben diesen Begriff Intersektionalität geprägt, der quasi spezifisch auf eine Unterdrückungserfahrung raus möchte in dem Kontext von schwarzen Frauen, und zwar, dass sie nicht einfach als Schwarze und additiv als Frauen unterdrückt wurden, sondern ganz konkret als schwarze Frauen. Und und Intersektionalität bedeutet Mehrfachunterdrückung, also verschiedene Unterdrückungsmomente kommen in einer Person zusammen. Also das kann zum Beispiel auch sein, dass eine Person migrantisch geprägt ist und aus einem recht armen Haushalt kommt. Dann sind wir schon zwei Unterdrückungsmerkmale, und wenn sie dann noch weiblich sozialisiert ist, dann sind es eben drei Unterdrückungsmerkmale, die in einer Person zusammenkommen. Und Intersektionalität ist eben eigentlich ein Forschungszugang. Das hat sich jetzt natürlich stark verändert, vor allem mit dieser Reise aus den '70ern in die USA. Zu heute, also heute, lese ich immer wieder, dass auch einzelne Personen und sagen, ich bin intersektionale Feministin, was eigentlich nicht so viel Sinn macht als Satz, weil Intersektionalität eben eine Forschungsmethode ist. Was sie damit wahrscheinlich ausdrücken möchten, ist, dass sie dafür kämpfen, dass verschiedene Unterdrückungsmechanismen gleichzeitig adressiert und bekämpft werden. Das ist natürlich ein bisschen komplizierter, als zu sagen: "Ich bin intersektionale Feministin." Aber ja, das ist natürlich ein wichtiges Instrument, um deutlich zu machen, dass es eben Unterschiede gibt zwischen Frauen. Also weiße Frauen sind eben anders unterdrückt als schwarze Frauen oder migrantisierte Frauen. Es gibt da einfach unterschiedliche Momente und wenn wir wirklich als Gesellschaft dafür sorgen möchten, dass alle den gleichen Zugang zu Rechten haben, dann müssen wir eben genau darauf schauen, wie diese einzelnen Unterdrückungsmechanismen die Personen betreffen. #00:35:03-2#
Speaker 1: Würdest du der Vollständigkeit halber nochmal sagen, was denn der Unterschied ist zur Diversität? #00:35:09-0#
Speaker 2: Also Diversity, also Diversität. Ja, es wird oft manchmal übersetzt ins Deutsche, aber meistens heißt es Diversity. Diversity ist ein neoliberaler Slang-Begriff, der dem Rechnung trägt, dass rausgefunden wurde, dass große Firmen erfolgreicher sind, je diverser ihre Teams aufgestellt werden. Und diverser meint damit, reine Teams aus weißen Männern sind nicht sonderlich erfolgreich. Sobald Frauen dabei sind, sobald schwarze Männer und Frauen dabei sind, und im Idealfall noch queere Personen und Personen aus anderen Kulturen, werden eben diese Teams immer erfolgreicher und wirtschaftlich immer verwertbarer, weil sie einfach eine höhere Flexibilität und eine höhere Kreativität an den Tag legen. Das heißt, Diversity ist eigentlich ein neoliberales Schlagwort, was einen höheren Absatz erzielen möchte. Das ist Diversity, das wird natürlich aber auch von Gender-Mainstreaming Sachen gesetzt. Also alle wollen heute irgendwie Diversität, und es meint quasi, dass mehrere geschlechtliche Positionen, aber auch verschiedene kulturelle Positionen abgebildet sein sollten. Und ich sehe das ganze sehr kritisch, weil zum einen ist es natürlich schön, wenn eine Vielfalt da ist. Aber man muss sich eben auch immer fragen, eine Vielfalt warum? Also, warum setzen denn so viele Unternehmen auf Diversity? Warum ist das denn so wichtig? Und und wie soll das eigentlich erreicht werden? Und Intersektionalität ist eben ein Forschungszugang, wo man versucht, die Mehrebenenunterdrückung ja auszudifferenzieren und zu begreifen, und Diversity ist quasi ein Schlagwort, ein Konzept. #00:36:56-9#
Speaker 1: Okay, jetzt sind wir natürlich in Bayern und müssen auch übers Genderverbot sprechen. Seit dem ersten April gilt, das in bayerischen Schulen, und bayerische Beamt*innen nicht mehr gendern dürfen in offiziellen schreiben. Aufgrund der freien Meinungsäußerung ist, glaube ich, die Begründung, dass niemanden vorgeschrieben werden soll, wie man zu sprechen und zu schreiben hat, indem vorgeschrieben wird, wie zu sprechen und zu schreiben ist. Wie bewertest du denn das Genderverbot aus so einer feministischen, wissenschaftlichen Perspektive? #00:37:31-1#
Speaker 2: Ja, aus einer wissenschaftlichen Perspektive ist so ein Verbot natürlich niemals sinnvoll, weil Wissenschaft braucht den freiheitlichen Zugang zu allem. Und das wird durch Verbote natürlich eingeschränkt. Jetzt muss man da aber, glaube ich, auch genau hinschauen. Es wurde verboten, dass in offiziellen Schreiben nicht mehr gegendert wird. Es wurde noch nicht gesagt, wie denn die Strafen dafür ausschauen sollen. Das ist völlig unklar. Deswegen würde ich sagen, naja, solange kein Strafenkatalog festgelegt wurde, sollte man das vielleicht einfach mal probieren. Ich nehme an, es wird nicht lange dauern, bis geklagt wird, weil man da ja auch ein rechtliches Problem hat. Also, es gibt nunmal drei Geschlechtseinträge, männlich, weiblich und divers, und diverse Personen werden eben nicht mit einem generischen Maskulin angesprochen, und da wird sich Bayern verhalten müssen. Also, es funktioniert einfach auch in so einer Amts- und in so einer Bürokratie-Logik schon gar nicht. Und ja, wie du schon gesagt hast, dass ist halt ein bisschen ein Witz, dass man sich gegen Verbote wehrt, indem man Verbote erlässt. Also, ich glaube, es war eher so eine Symbolpolitik von Söder und Co. an die konservativen Leute in dem Land. Hier, wählt uns, wir machen das richtige, wir legalisieren nur das Kiffen. Da können wir uns nicht gegen wehren, aber Gendern, soweit kommt es in Bayern nicht, das ist dann doch noch verboten. Und was ja immer noch erlaubt ist, ist dass Schüler*innen und Studierende dürfen weiter gendern. Es kann angestrichen werden in den Klausuren oder in den Schulaufgaben, aber es darf nicht als Fehler bewertet werden. Also deswegen: Gendern ist weiterhin erlaubt. Es ist nur in manchen Situationen verboten. #00:39:23-5#
Speaker 1: Um wieder auf dein persönliches Forschungsthema zurückzukommen, du forscht zu feministischer Konfliktgeschichte. Was sind denn da aktuelle Konflikte, die du dir anschaust? #00:39:33-3#
Speaker 2: Ja, aktuell beschäftige ich mich mit dem Konflikt zwischen militantem Feminismus und dem explizit friedlichem Feminismus. Der den gibt's auch schon seit den, seit den Anfängen des Feminismus. Ich muss dazu sagen, Militanz ist im Feminismus besonders definiert. Feministische Militanz grenzt sich ab von so einer normalen Militanz, und es bedeutet eben, dass es anfängt mit einer Haltung und nicht unbedingt mit einer gewaltausübenden Handlung. Also, feministische Militanz setzt am Alltag an. Das bedeutet einfach aufzustehen, nein zu sagen, zu widersprechen, wenn man unterdrückt wird, und dafür zu kämpfen, dass man eben weniger diskriminiert wird. Und ich schaue mir aktuell die Konflikte zwischen verschiedenen Subjektpositionen an. Zum einen ist es ja so, dass die Ideologie besagt, dass Frauen eher friedlich sind und gewaltfrei und harmoniebedürftig oder -süchtig und vor allem keine Gewalt ausüben. Und wenn man aber so genauer in die Geschichte schaut, dann fällt auf, das stimmt eigentlich gar nicht. Also auch Frauen haben schon immer gekämpft, haben auch mit Waffen gekämpft, und es ist eher eine Zuschreibung als Realität, dass Frauen eben nicht militant sein können. Und ich schaue mir diese Konflikte gerade an, sehr historisch also. Wenn es um die rote Zora geht, das war ja eine militante feministische Gruppe, die bis in die 90 er auch tatsächlich aktiv war, und vergleiche das dann mit militanten Aktionen von heute, also auch aus dem, also zum Beispiel aus dem Pop Feminismus, schaue ich mir da Beispiele an, wie Beyonce, weil sie einfach so schön bekannt ist. Sie hat ein Video rausgebracht, und in dem Video rechnet sie mit ihrem noch-Ehemann Nas ab, weil der sie bezogen hat, und sie läuft eben mit einem Baseballschläger durch die Straßen und zerschlägt Autos. Und das ist eine militante Aktion, und das wird eben gerade als Pop Feminismus gefeiert. Und sowas schaue ich mir dann an, wie so einzelne strategische Momente im Feminismus, die damals schon existent waren, bis heute dageblieben sind und eben Eingang in so ein popkulturelles Moment gefunden haben. #00:42:11-2#
Speaker 1: Und wenn wir jetzt schon beim Pop Feminismus angekommen sind, müssen wir eigentlich auch über Taylor Swift reden, die ja gerade durch sämtliche Glasdecken schießt, und mit als erfolgreichste Frau jetzt gerade in der Pop und Musikgeschichte gehandelt wird. Kennst du dich mit ihr ein bisschen aus? #00:42:27-9#
Speaker 2: Leider kaum. Haha. Also mit Taylor Swift kenne ich mich wirklich kaum aus, weil ich sehe halt eben diesem popkulturellen Feminismus zuordne, und da gibt's ja einige Phänomene, aber ich kenne immer nur Beyonce, weil die hab ich damals schon gehört, als ich ein Teenie war, aber ja, Taylor Swift ist Weltstar und sprengt alles und vertritt auf jeden Fall einen Pop Feminismus. #00:42:52-3#
Speaker 1: Was ist denn Pop Feminismus? #00:42:54-2#
Speaker 2: Pop Feminismus ist eine der vielen Strömungen von feministischer Bewegung, die es momentan gibt, und für mich ist Pop Feminismus eben ein Feminismus, der sich der Popkultur bedient und aber auch in der Popkultur verortet ist, also häufig nicht über ein spielerisches Aneignen und Vermengen von feministischen Kämpfen und feministischen Zielen mit Popkultur hinausgeht. Also ein Feminismus, der keinen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel fordert und vor allem keinen Systemwandel, wie es vielleicht ein sozialistischer oder ein materialistischer Feminismus macht, sondern eben in dem Bestehenden versucht, kleine Freiheiten zu erkämpfen. Pop Feminismus ist für mich so Girl-Power-Socken tragen, Feminismus auf dem T-Shirt stehen, haben, sich die Haare abrasieren und bunte Haare bunt zu färben, und damit erschöpft sich das dann auch. #00:43:56-3#
Speaker 1: Aber glaubst du nicht, dass diese Art von Feminismus das ganze in so einen Mainstream mit überbringt oder zumindest eine andere Gruppe von Menschen auch erreichen kann? #00:44:05-2#
Speaker 2: Ja, das glaube ich schon. Also dieser Pop Feminismus hat ja stark angefangen, auch in den 90er-Jahren mit den Riot Girls. Riot Girls war eine Bewegung in den USA. Das waren quasi so DIY Punks, die einfach selber Musik machen wollten und das durchgesetzt haben, die sogenannten Riot Girls. Die waren super erfolgreich in den USA und wurden danach auch vermarktet. Was so das bekannteste Phänomen war, was aus Riot Girls entstanden ist, sind die Spice Girls, und das ist dann auch das, was in Deutschland ankam. Spice Girls war nämlich der Slogan Girl Power. Aber halt nicht wie bei den Riot Girls Girl Power, sondern irgendwie Girl Power. Man konnte trotzdem nett und süß sein und irgendwie noch einen tollen Boyfriend haben, und man musste jetzt nicht irgendwie mit allem brechen oder so, sondern man war halt ein bisschen anders und durfte selber auch Musik machen und war halt super erfolgreich. Aber das war es dann auch. Und das, was in Deutschland eben angekommen ist, war damals in den '90ern, Anfang der 2000er. Ich weiß nicht, ob du dich noch an die erinnerst, diese T-Shirts, wo dann so "Zicke" oder "Schlampe" draufstand. #00:45:17-0#
Speaker 2: Natürlich, ja. #00:45:18-2#
Speaker 2: Diese unsäglichen T-Shirts, die dann so wild waren und unangepasst, aber halt so eine Unangepasstheit in einem System, die niemandem wirklich gefährlich wird. Und da kommt dieser Pop Feminismus her, und das ist dann natürlich weitergegangen. Da muss man sagen, Deutschland und Pop Feminismus. Also Deutschland bringt ja jetzt eh nicht die großen Künstlerinnen hervor, die weltweit bekannt werden. Da muss man dann natürlich in die USA schauen, zu Taylor Swift und zum Beispiel auch Miley Cyrus oder anderen. #00:45:50-3#
Speaker 1: Du hast dieses Girl-Boss-Prinzip kurz angesprochen. Was ist denn das Girl-Boss-Prinzip? Und was ist denn die Kritik daran? #00:45:56-5#
Speaker 2: Also die Girl-Boss oder Lady-Boss oder was auch immer, wie auch immer man die nennen will. Ich finde, das sind immer so ganz komische Begriffe, sowas wie Frauenpower oder alles, was so in diese Richtung geht. Das sind quasi neoliberale Strömungen innerhalb des Feminismus, wo es darum geht, dass Frauen Karriere machen, und darum geht's, mehr nicht. Es geht darum, um aufzusteigen, möglichst viel Geld zu verdienen und eben als Frau selbstständig Karriere dazu machen. Und da ist eben eine Kritik daran, dass es da nie darum geht, dass es allen Frauen weltweit besser geht und allen queeren Personen weltweit, sondern eben wieder nur manchen einzelnen Frauen. #00:46:44-2#
Speaker 1: Und dass es sich einfach nicht darum dreht, das System zu verändern und um diese ganzen kapitalistischen patriarchalen Machtstrukturen zu verändern, sondern so ein System wie Einzelne innerhalb dieser Systeme besser klarkommen. #00:46:57-8#
Speaker 2: Genau! #00:46:58-4#
Speaker 1: Ja, auf wenn ich auch nochmal gerne zurückkommen würde, ist Alice Schwarzer, die ja inzwischen eher gefallene oder eine sehr umstrittene Ikone ist. Wie gehen wir denn mit solchen Ikonen um? Also, jetzt hat die ja diese Abtreibungsgeschichte nach Deutschland gebracht und war damals super stark und irgendwie sehr, sehr relevant, heute nicht mehr. Wie gehen wir denn mit diesem Erbe um? #00:47:22-1#
Speaker 2: Ja, Alice Schwarzer hat natürlich viel für die Frauenbewegung in Deutschland getan. Wenn man in die historischen Quellen schaut, sieht man, dass sie auch damals schon sehr umstritten war. Also, sie hat ja damals Emma, die Zeitschrift, gegründet, die gibt's ja bis heute noch. Und Emma hat damals Geld, Spenden aus der Frauenbewegung bekommen, um überhaupt, dass diese erste Ausgabe irgendwie publiziert werden konnte. Und es gab damals noch eine zweite Frauenzeitschrift, die Courage. Die hat nicht so lange durchgehalten, weil die eben anders organisiert war als die Emma. Und auch damals schon gab es sehr viel Kritik an Schwarzer, dass sie angegeben hat, für alle Frauen zu sprechen, aber sich nie alle Frauen dort vertreten gefühlt haben und es auch direkte Auseinandersetzungen gab, die Schwarzer einfach ignoriert hat. Jetzt muss man sagen, dass Schwarzer ja ...nicht alle Leute werden besser, wenn sie älter werden, und Schwarze hat einfach in den letzten Jahren problematische Position vertreten, sowohl rassistische als auch extrem transfeindliche Positionen, und ich würde sagen, man kann mit ihr insofern umgehen, dass man anerkennt, was sie für diese Bewegung getan hat, und eben auch anerkennen muss, dass sie ihr mittlerweile eher schadet, als dass sie ihr nutzt. Was international, die wichtigere Ikone ist als Schwarzer, die sehr auf Deutschland begrenzt ist, ist Judith Butler. Und Judith Butler muss man natürlich auch als gefallene Ikone betrachten, weil sie sich furchtbar menschenfeindlich geäußert hat, jetzt im Kontext des siebten Oktobers, dem Angriff der Hamas auf Israel. Da hat sie sich massiv menschenfeindlich geäußert, und seitdem ja, muss man sie in die Reihe von Schwarzer setzen. Judith Butler hat auch viel für die feministische Bewegung getan und schadet ihr gerade massiv. #00:49:14-1#
Speaker 1: Was sind denn gerade so ganz aktuelle feministische Kämpfe? Oder was ist so eine feministische Bewegung oder Gruppe, die du aktuell beobachtest und spannend findest? #00:49:25-6#
Speaker 2: Also, was ich in letzter Zeit sehr interessant fand, war die Feminism Unlimited Demonstration in Berlin. Die war riesengroß, waren Tausende Feministinnen und andere Personen da, und die haben sich eben für einen universalistischen Feminismus eingesetzt. #00:49:46-6#
Speaker 1: Was bedeutet das? #00:49:47-4#
Speaker 2: Universalistisch bedeutet in dem Sinne, dass allen Leuten dieselben Rechte zugesprochen werden sollen und es eine solidarische Bewegung sein muss und man eben nicht selektiv sich aussuchen kann, mit wem man solidarisch ist und wie man unterstützen möchte, sondern dass es immer an alle Personen gehen muss. #00:50:08-3#
Speaker 1: Kannst du das an dem Beispiel festmachen? #00:50:09-9#
Speaker 2: Also die Feminism Unlimited Demo hat sich eben auch im Kontext des Nah-Ost-Konflikts, der in Deutschland ja nicht geklärt werden kann. Aber das, was man in Deutschland eben sieht, dass das einen massiven Anstieg an antisemitischen und auch rassistischen Straftaten gab in Bezug auf den Nah-Ost-Konflikt, und es leider leider gerade aus queerfeministischer Ecke massive Solidaritätsbekenntnisse zu Hamas gab, was sehr schwierig zu verstehen ist, weil die Hamas ja eine islamistische Terrororganisation ist. Aber trotzdem haben sich eben viele Feministinnen dort solidarisch erklärt und gleichzeitig eben den vielen hunderten israelischen Frauen und Queers die Solidarität entzogen. Also man darf nie vergessen, was da am 07.10. passiert ist, da sind einfach die meisten Juden und Jüdinnen getötet worden seit der Shoah. Das ist ein Dammbruch, das gab's einfach seitdem nie wieder, und es ist furchtbar, was da passiert ist. Und explizit hat die Hamas sexualisierte Gewalt als Kriegsstrategie, Kriegswaffe eingesetzt. Das ist jetzt nichts besonderes, das wird in den meisten Konflikten mit sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe eingesetzt. Was in dem Kontext besonders war, ist, dass die Hamas das gleichzeitig auch gefilmt hat. Also, es wurde ja live gestreamt, wir haben alle diese Bilder gesehen, das waren entsetzliche Bilder. Und dieses Filmen und Streamen, ja ordnen andere Wissenschaftler, wie zum Beispiel Rolf Pohl, als Zurschaustellung von Kriegstrophäen ein. Quasi so eine moderne Variante dieser altertümlichen Praxis, weil das natürlich zweimal wirkt. Also einmal in dem konkreten Ausführen, dem konkreten Erleben dessen, was dort passiert ist, und zum anderen aber auch nochmal als Message, weil es ja an alle weltweit gesendet wurde. Und diese Message ist wirklich bei allen emanzipierten Frauen Queers und vor allem auch bei allen jüdischen Menschen, denn die hat es ja in aller erster Linie zuerst getroffen, angekommen, dass sie nicht sicher sind. Und ja, das ist so einer der Konflikte, die gerade aktuell massiv sind. #00:52:28-0#
Speaker 1: Wenn du dir die ganze Konfliktgeschichte insgesamt, wenn man das sagen kann, wenn man sich das anschauen kann, was sind denn so für dich die größten Learnings gewesen oder so Aha-Momente, wie sich Konflikte wieder vielleicht auflösen können oder sich sinnvoll weiterentwickeln können? #00:52:45-9#
Speaker 2: Also in Bezug auf Konfliktgeschichte fällt mir eben immer wieder auf, dass Konflikte immer wieder kommen. Und dass es nicht so ist, dass sie nach einem linearen Prinzip verlaufen, sondern dass es wie so lose enden, die irgendwann verloren werden und irgendwann auch an einem völlig anderen Ort, in einem anderen historischen Setting, wieder aufploppen können. Und man sieht auch, dass die Konflikte in der feministischen Bewegung nicht nur anhand von Themen geführt werden, sondern häufig auch was mit einem mit einer generationalen Frage zu tun haben und sich Begriffe ja zum Beispiel einfach über die Zeit verändern. Heute reden wir anders als vor 50 Jahren. Wir benutzen zum Beispiel diesen Begriff Flinta*. Vor 50 Jahren wusste niemand, was eine Flinta*-Person ist. Das heißt, häufig entstehen gerade Konflikte auch dadurch, dass sich verschiedene Generationen gar nicht verstehen, weil die andere Begriffe benutzen. Und was mir an Hand dieser feministischen Konflikte auffällt, ist, dass sie zum einen immer mit sehr großer Heftigkeit geführt werden, weil das natürlich mit einer Identität und einer persönlichen Verletzung einhergeht, weil alle Feministinnen sich ja gegen diese Mehrheitsgesellschaft, die männlich dominiert ist, zur Wehr setzen. Und wenn es dann innerhalb dieser Schwestern Bande auch zu Konflikten kommt, das wesentlich schwieriger auszuhalten ist. Also, die werden erbittert und heftig geführt und verletzend, dass ist wirklich manchmal entsetzlich. Und genau also zum einen diese Heftigkeit, mit der diese Konflikte geführt werden, und zum anderen, was ihnen auch gleich, das, dass sie eben nicht gelöst werden. Und ich glaube, sie können auch nicht gelöst werden, weil Frau sein als gemeinsame Grundlage für ein politisches Engagement nicht ausreicht, weil dieses Frausein eben so unterschiedlich ist. Also ne weiße Akademikerin aus einem bürgerlichen Elternhaus hat einfach ganz andere Probleme als eine migrantisierte Putzkraft, die 40 Stunden arbeiten muss unter prekärsten Bedingungen. Die beiden werden sich auch im realen Leben, wahrscheinlich nicht begegnen, außer im Büro, wo die eine putzt und die andere arbeitet, und das reicht eben nicht, um gemeinsam zu kämpfen. #00:55:12-6#
Speaker 1: Vielleicht eine kurze Anekdote. Wir hatten mit einer Frau gesprochen, die war bestimmt über 70, die sich auch als Feministin bezeichnet hat, und die meinte zu uns, wie könnt ihr das denn heute immer noch machen? Es ist doch so anstrengend, und sie versteht gar nicht, wofür wir kämpfen, weil sie hatte damals dafür gekämpft, dass wir uns nicht mehr pink anziehen müssen und dass wir nicht mehr femininisiert rumlaufen. Und jetzt kommen die ganzen jungen Frauen und ziehen sich nur noch bauchfreie Sachen an und haben sich pinke Nägel und färben sich die Haare wieder blond. Und dann hatten wir versucht zu argumentieren, naja, aber das geht ja dann jetzt wieder mehr um so eine Selbstbestimmung. Die jeder kann jetzt irgendwie machen, was sie wollen, und so ein bisschen um dieses Reappropriating von diesen ganzen Verhaltensweisen und von diesen Thesen. Und das war echt auch ein spannendes Gespräch, da zu sehen, wo die Enttäuschungen einfach stattgefunden haben, und das einfach, klar, ganz viel von dem, was sich heute oder was sich damals erkämpft worden ist, heute so selbstverständlich ist, dass wir auf einem ganz anderen Startpunkt sind und dass man aber trotzdem nicht vergessen darf, wo wir eigentlich herkommen. #00:56:19-8#
Speaker 2: Ja, ich glaube, dass ist ein gutes Stichwort. Viele haben eben nicht auf dem Schirm, wie kurz das erst alles her ist. Also Vergewaltigung in der Ehe ist erst seit 1997 überhaupt ein Straftatbestand, das sind gerade mal 27 Jahre. Ich bin wesentlich älter als dass das verboten ist, dass ist nicht lange her, und man vergisst es so schnell. Und das liegt eben daran, dass es keine kontinuierliche feministische Geschichtsschreibung gibt, die auch jungen Mädchen und jungen queeren Personen erklärt wird. Also, man lernt es ja nicht an der Schule. An der Schule, wenn es um Frauenbewegungen geht, dann in so einem historischen Kontext, sondern heißt, ja, ist alles gut, wir sind ja alle längst gleichberechtigt. Aber wie wir am Anfang gesehen haben, es ist nicht der Fall, es gibt noch viel zu tun, und man begreift es nicht, dass das was ist, was wirklich was mit einem selber zu tun hat. Das lernt man häufig erst, wenn man älter wird. Dann merkt man, dass man an immer mehr Grenzen stößt, was man werden kann, wo man hingehen kann, wo man auch ganz praktisch Nachts auf der Straße rumlaufen kann und wo nicht. Also da lernt man erst, wenn man älter wird, und da fangen dann natürlich dann auch viele an, sich als Feministin zu identifizieren, und das ist heute anders als damals. Ich finde ja zum Beispiel bei dem, was du gerade angesprochen hast, dieses, wie ziehen wir uns eigentlich an, und wie kleiden wir uns? Und war Frau sein früher nicht vielleicht viel mehr und anders, als es heute ist? Ich finde da das Beispiel von diesem künstlichen Fingernägel ganz gut. Das ist ja so ein absoluter Trend. Also, ganz viele haben diese künstlichen Fingernägel und müssen dann ja auch je nachdem, wie lang die sind, lernen, Dinge neu zu machen. Also zum Beispiel auf einem Handy tippen, man tippt da nicht so wie ohne diese Fingernägel oder auf Tastaturen oder so, und es ist ja eigentlich eine Einschränkung von der Funktionsfähigkeit von Händen. Warum tun Feministinnen das? Natürlich kann man dann sagen, ja, sie können ja trotzdem irgendwie alles machen. Es funktioniert ja auch. Sie wollen halt gut ausschauen, es soll halt schön sein, es gefällt ihnen halt, sollte man nicht kritisieren. Gleichzeitig muss man natürlich bemerken, sie schränken sich körperlich ein in dem, was sie machen können. Sie sind weniger frei in diesem Moment, und ich würde da immer sagen, mir steht es jetzt nicht zu zu bewerten, ob die einzelne, ob das jetzt in Ordnung ist oder nicht. Das soll jeder für sich selber entscheiden. Aber was ich möchte und was da, glaube ich, so ein feministischer Zugang dazu ist, ist, dass jeder in die Lage versetzt wird, darüber zu reflektieren, warum sie das tut, und ob das wirklich ihre eigene Entscheidung ist oder ob es doch was ist, was sie tut, weil sie denkt, dass es von ihr erwartet ist, oder weil es halt gerade dem gängigen Schönheitsideal entspricht. Und natürlich, wenn wir so Musikvideos anschauen oder die ganzen Celebreties und Stars uns anschauen, die haben alle diese langen Nägel, das waren jetzt aber meistens auch nie die bekanntesten Feministinnen. Ähm, ja, ich finde, man kann diese Frage mal stellen, warum hast du diese Nägel? Was findest du da schön daran, und wie verortet du dich da in deinem feministischen Kampf? Und wenn die Person das reflektiert hat und argumentieren kann, warum sie das trotzdem macht, ja, dann soll sie das halt machen. Aber wenn sie das nicht weiß und nicht kann, weil sie darüber noch gar nicht nachgedacht hat, dann ist es halt eine Reproduktion von gängigen Schönheitsnormen, die zu problematisieren ist. #01:00:03-2#
Speaker 1: Das hast du sehr, sehr schön zusammengefasst. Das war ja genau die Thomas-Gottschalk-Problematik, der in seiner Abschlussfolie der jungen Feministin nicht geglaubt hat, dass die Feministisch ist, weil sie so wahnsinnig feminin angezogen war und der meinte so, wie kannst du denn feministisch sein, wenn du so aussiehst? #01:00:20-8#
Speaker 2: Ja, bei Thomas Gottschalk ist es natürlich eines der vielen Probleme. Dieser Mensch hat der jetzt... Hoffentlich ist er jetzt abgetreten..., oder manchmal merken Leute auch nicht, wenn sie gehen sollten, und sie werden einfach nicht besser. Ich finde, so Thomas Gottschalk ist halt so die Generation von Schwarzer, die hätten sich verstanden, aber es ist halt einfach nicht mehr zeitgemäß. #01:00:42-8#
Speaker 1: Hm, ganz am Schluss, jetzt sind wir schon bei Thomas Gottschalk angekommen, würd ich noch mal ein Wort über unsere Männer verlieren wollen. Wir haben die ganze Zeit von feministischen Kämpfen gesprochen und was die Frauen alles kämpfen und wo wir kämpfen. Aber es braucht einfach auch feministische Kämpfe, die von Männern geführt werden. Warum? #01:01:03-7#
Speaker 2: Also einmal ist: Feminismus bedeutet ja die Befreiung aller Geschlechter. Das heißt auch die Befreiung der Männer von Männlichkeit, und Männlichkeit ist ja nun mal ein ziemlich trauriges Konstrukt. Also dieses keine Gefühle zeigen, immer der härteste sein müssen, immer gewinnen müssen, dieses Einzelkämpferding, das macht ja keinen Spaß. Also da wird ja auf Dauer niemand glücklich. Und auch wenn man sich eine Statistik anschaut, und zwar wenn es um Ehe geht, wenn Mann und Frau verheiratet sind, bedeutet das, dass Männer länger leben und Frauen kürzer. Also eigentlich, aus einer feministischen Perspektive sollte man einfach nicht mehr heiraten, haha. Aber ja, auch für Männer bedeutet das halt, sich mit Feminismus und feministischen Themen auseinanderzusetzen, dass sie ein besseres Leben führen können und dass sie halt auch keine Täter sein müssen. Und was ich mir da immer wünsche ist, dass Männer eben auch mit anderen Männern ins Gespräch gehen und nicht stumm zusammen neben ihrem Bier sitzen und über Fußball reden, sondern sich vielleicht mal über Dinge unterhalten, die wirklich wichtig sind in deren Leben. #01:02:15-7#
Speaker 1: Und dass Männern bewusst wird, dass sie selber und mindestens jemand ihrer Freunde Täter sind, dass das die Menschen sind, die diese ganzen Übergriffe machen, weil es wird immer davon gesprochen, den Frauen passiert, den Frauen passiert aber nicht, die Männer machen, und es sind aber einfach die Männer, die diese ganzen Übergriffe begehen. #01:02:35-6#
Speaker 1: Ja. #01:02:36-4#
Speaker 1: Danke, Cordula, für deine ganze Zeit und für das wahnsinnig bereichernde Gespräch. Danke, dass du das alles zu dem geschichtlichen Kontext eingeordnet hast. #01:02:45-6#
Speaker 2: Ja, danke für die Einladung. Es war mir ein Vergnügen. #01:02:49-0#
Speaker 1: Wer noch mehr über Feminismus wissen will und wer jetzt noch tiefer ins Thema einsteigen will, für den haben wir ganz viele Möglichkeiten. Zum Beispiel ist der nächste Termin am 13. Juli mit Nadja Bennewitz, und sie macht eine Stadtführung über die Nürnberger Prozesse in genderkritischer Perspektive, über die Prozessbeobachter*Innen, über die Zeug*innen und über die Opfer. Es wird eine wahnsinnig interessante Veranstaltung sein. Außerdem werden wir das Buch "Toxic Femininity" als Sachbuch des Monats besprechen. Das wird ein wahnsinnig spannendes Gespräch werden. Und wer sich in reinen Flinta* Gruppen oder Frauengruppen wohler fühlt, für den haben wir auch ganz viele Kurse, um so einen Safe-Space zu machen. Also zum Beispiel gibt es Kurse, die sich mit Kulturen der Region beschäftigen, die nur für Flintapersonen sind. Es gibt ganz viele Bewegungskurse, also zum Beispiel Aqua-Gymnastik, Tanz-Workshops, Selbstverteidigungsworkshops, die auch nur für Frauen angeboten werden, oder wo es einfach reine Frauen- und Flinta-Gruppen gibt und wer eher so in die Richtung Beruf gehen will. Es gibt Trainings zum Thema Schlagfertigkeit, Gehaltsverhandlungen für Frauen. Wie mache ich als Frauen ein eigenes Startup auf? Also, da gibt es ganz viel auf der BZ-Internetseite zu finden, und weil wir auch viel über das Thema Intersektionalität gesprochen hatten, auch nochmal ne herzliche Einladung zu den Texttagen m 12-14 Juli. Da haben wir am Samstagabend ein ganz besonderes Programm, und zwar von Gianni Jovanovic und Celina Bostic, "Wir Kinder der kleinen Mehrheiten." Das ist ein Bühnenprogramm, das von Gianni Jovanovic kuratiert wurde, und er ist selbst schwuler Romnier. Da wird es auf dieser Bühne darum gehen, da freuen wir uns sehr darauf, und natürlich unsere Schwesterorganisation, die Stadtbibliothek. Da findet ihr ganz, ganz viele Hintergrundliteratur. Ich hoffe, ihr habt euch den Namen der Feministinnen aufgeschrieben, die ihr jetzt alle Nachschauen und recherchieren wollt, und ihr könnt euch da zum Schlagwort Feminismus alle dort vorhandenen Bücher anzeigen lassen. Außerdem gibt's immer mal wieder Medienlisten, die zusammengestellt werden, die da zu dem Thema zu finden sind. Oder ihr Sprecht einfach die Mitarbeiterinnen der Stadtbibliothek an. Vielen dank fürs Zuhören! Bis bald! #01:05:02-7#
Dieses Projekt/Diese Maßnahme/Initiative leistet einen wichtigen Beitrag, Nürnberg schrittweise inklusiver zu gestalten. Es/Sie ist Teil des Nürnberger Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Den Ersten Aktionsplan hat der Nürnberger Stadtrat im Dezember 2021 einstimmig beschlossen. Um die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in Nürnberg zu verwirklichen, wurden und werden umfangreiche Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Weitere Informationen finden Sie unter www.inklusion.nuernberg.de.

Ganz grundlegende feministische Themen, einen Abriss über feministische Geschichte und, natürlich, sprechen wir über das Gender-Verbot in Bayern.
Dieser Podcast ist zum Weiterleiten für alle: Sowohl für Feminismus-Anfänger*innen als auch für diejenigen, die sich schon länger mit dem Thema auseinandersetzen. Cordula Trunk erklärt grundlegende Fragen zum Feminismus (Was ist das überhaupt? Warum ist er für alle Menschen relevant?) und gibt gleichzeitig auch vertiefende Hintergrundfakten.
Nach diesem Gespräch wissen Sie, warum die zweite Feminismuswelle mit einem Tomatenwurf begann und wie wir mit Personen wie Alice Schwarzer und Judith Butler in Zukunft umgehen können.
Weitere Links zu Cordula Trunk:
- Cordula Trunk, Uni Innsbruck:
https://www.uibk.ac.at/iezw/mitarbeiterinnen/persoenliche-seiten-mitarbeiterinnen/trunk/info/trunk.html - Trunks Artikel zum FLINTA Begriff:
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1167492.feminismus-am-anfang-ist-das-wort.html - Kommission empfiehlt Entkriminalisierung von frühen Abtreibungen: https://www.tagesschau.de/inland/kommission-abtreibung-102.html
Aufgenommen am: Montag, 15. April 2024
Veröffentlicht am: Donnerstag, 18. April 2024
Moderation: Hannah Diemer
Im Gespräch: Cordula Trunk
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