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Bénédicte Savoy, wie konnte Europa vergessen, seine kolonialen Raubgüter zurückzugeben?

Ansage: KontaktAufnahme. Der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg. #00:00:10-8#

Katharina Mittenzwei: Herzlich willkommen zu einer neuen KontaktAufnahme. Mein Name ist Katharina Mittenzwei und ich hatte am 23. September 2022 eine ganz besondere Ehre. Ich durfte im Rahmen einer Pitchveranstaltung im Großen Katharinensaal Kontakt aufnehmen zu einer, der vom Times Magazine als einer der einflussreichsten Frauen der Welt ausgezeichneten Wissenschaftlerin, Professor Dr. Bénédicte Savoy. Sie selbst sagt "Unwahrheiten machen mich nervös". Darum engagiert sie sich in besonderem Maße, durch ihre Forschungen zu Kunstraub und bezieht sich dabei auf den nullten Weltkrieg, also die massenhaften Kolonialkriege von Europa. Professor Savoy hat sich die Frage gestellt, welche Gegebenheiten, Zufälle, Zerwürfnisse zusammentreffen es zuzuschreiben ist, dass die ersten Restitutionsforderungen, die bereits in den 70er Jahren gestellt wurden, nicht nur nicht umgesetzt, sondern schlichtweg einfach vergessen wurden. Sie hören nun also erst einen Vortrag über Ihr Buch "Afrikas Kampf um seine Kunst", der von einer moderierten Gespräch und Publikumsfragen abgelöst wird. Im Publikum saß übrigens eine vierköpfige Delegation aus den beiden togolesischen Partnerstädten Sokodé und Aného. Und nun nochmal: Herzlich Willkommen. #00:01:37-1#

Bénédicte Savoy: Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebes Team des Bildungszentrums, liebe Kolleginnen und Kollegen, Messieurs de la Delegation de Sokodé et de Aného du Togo. Je suis enchanté je me sens privilégié de pour vous ce soir faire c'est conference, qui concernent le continent africain [devon vous]. Es ist mir eine große Freude, dass heute insbesondere vier hohe Vertreter von Sokodé und Aného in Togo unter uns sind, weil das, was ich erzählen werde, ganz zentral mit dem afrikanischen Kontinent zu tun hat. In diesem Vortrag geht es um die Tatsache, dass die ganze Debatte, die wir seit etwa 5,6,7 Jahren hier in Deutschland so heftig haben, über die Restitution außereuropäischer oder afrikanischer Kulturgüter, dass es diese Debatte schon einmal gegeben hat und dass wir es komplett vergessen haben. Und sie kommt wieder, wie die Rückkehr des Verdrängten. Deswegen heißt der Vortrag "Amnesie. 40 Jahre Debatten über die Restitution des afrikanischen Kulturerbes von 1978 bis 2019". Eigentlich werden Sie sehen, ich höre in den 80ern auf und dann springen wir zu unserer Zeit. Im Jahr 2018 hatte ich das riesige Glück, den Auftrag zu bekommen, durch Emmanuel Macron, der damals junger Präsident war, den Sie hier von hinten sehen, den Auftrag zu bekommen mit meinem Kollegen, den ich damals noch nicht kannte, bevor wir, bevor es losging, Professor Felwine Sarr, Professor für Ökonomie an der Uni, damals Saint-Louis, an der Uni Gaston Berger in Saint-Louis, Senegal. Wir hatten den Auftrag, nachzudenken über wie, also nicht über ob, sondern über das Wie, über wie man als französischer Staat afrikanische Kulturgüter, die während der Kolonialzeit nach Frankreich gekommen sind, wie man sie zurück geben könnte. Sie sehen hier eine Szene am Ende der Arbeit. Diese Arbeit dauerte acht Monate und wir haben im November 2018 den Bericht, der manchmal Sarr-Savoy Bericht benannt wird, abgegeben. Das ist der Augenblick, wo wir das diskutiert und abgegeben haben. In den acht Monaten zuvor hatten Felwine Sarr und ich verschiedene Arten von intellektuellen, aber auch physischen, wenn man so will, Erfahrungen. Eine sehr wichtige Erfahrung war, während der Reisen, die wir unternommen haben, in ehemaligen französischen Kolonien, also hauptsächlich in Benin in, wir waren damals in Benin, in Mali, in Senegal und in Kamerun, um mit etwa 100 Vertreterinnen und Vertretern aus den Museen, aus den Universitäten mit Künstlern zu sprechen und zu überlegen, wie sie, oder sie zu hören, zuzuhören, wie sie das sehen. Während dieser Reisen haben wir eine sehr krasse körperliche Erfahrung gemacht, nämlich die Erfahrung der Leere von bestimmten historischen Stätten, wie hier zum Beispiel das Palast von Abomey in der Republik Benin. Die Republik Benin, wenn Sie Afrika so sehen, also Afrika ist ungefähr so, da gibt es Kamerun, das große Nigeria. Hier kommt Benin, also ein ganz kleines Land, danach Togo, danach Ghana, danach Cote d'Ivoire, und dann geht es hoch. Und wir waren hier in der Republik Benin, also nicht zu verwechseln mit Nigeria, wo es die Stadt Benin City gibt, und erlebten in diesem, an dieser Stätte des Weltkulturerbes die Leere eines königlichen Palastes, das 1892 von den Franzosen im Rahmen einer Militäraktion geplündert wurde. Und das Krasse an der Erfahrung ist, dass wir mit unserem Privileg der Mobilität nach einem Nachtflug am nächsten Morgen die Objekte, die dort usprünglich waren, im Musée du quay Branly erleben konnten. Das heißt, wir haben innerhalb von 24 Stunden einerseits die Abwesenheit des Kulturerbes an seinem ursprünglichen Standort erlebt und nach dieser schnellen Reise die Anwesenheit an einem sehr entfernten, sehr dekontextualisierten Ort. Sie sehen hier eine der monumentalen, so anthropomorphischen, das ist der Fachbegriff für Menschen Statuen, die einen Tierkopf haben, aus Abomey und davon waren damals drei sehr wichtige in Paris und insgesamt 26 prominente Stücke aus diesem Königreich von Abomey. Diese Erfahrung war grundsätzlich, die Abwesenheit auf der einen Seite und die Anwesenheit auf der anderen Seite und das zu erleben an einem Tag, weil als normale Museumsbesucherinnen und Museumsbesucher erleben sie meistens nur die Anwesenheit und nicht die Abwesenheit. Wir hatten aber eine andere Art der Erfahrung, die mehr intellektuelle Art und sie hat mit Archiven zu tun. Wir sind nicht nur in diesen acht Monaten viel im Dialog gewesen mit Kolleginnen und Kollegen auf dem afrikanischen Kontinent, sondern wir waren auch in sehr vielen Archiven und entdeckten nach einigen Wochen, relativ bald und das war ein Schock und ich persönlich als Historikerin war petrifiziert, dass das, was wir gerade machten und wir dachten, Emmanuel Macron, junger Präsident, ist ein Pionier und wir haben den Auftrag und wir sind die ersten seit den Wegnahmen vor 100 Jahren, die das aufarbeiten. Nein, wir stellten fest, Sie sehen hier Archivalien aus den 70er Jahren, das es diese gesamte Debatte schon einmal gegeben hat und zwar als Felwine Sarr und ich in die zweite Klasse ging, also kleine Kinder waren. Wir fanden nicht nur Stapeln von Zeitungsausschnitten, "oeuvres d'art [unverständlich]", das ist Le Figaro von 1978. Ganze Zeitschriften über "retoure et restitution des biens culturels", Informationsbroschüren der UNESCO. Wir fanden nicht nur das, sondern sogar ein Bericht, genau wie unser Bericht, von 1981 von einem ehemaligen Louvre Präsidenten Pierre Quoniam, der sagte "Es muss restituiert werden. Das ist eine Frage der Solidarität und der Fairness.", équité et solidarité. Das heißt, erstens waren wir plötzlich nicht mehr die ersten, die den Job machten, zweitens machten wir etwas, was komplett vergessen war. Und als wir angefangen haben, das zu erzählen, in Paris, in den Ministerien, sagten uns die Leute "Mach mal eine Fotokopie von dem Bericht, kennen wir nicht", das kannte keiner mehr. Es ging so weit, dass wir Formulare gefunden haben. Ihr seht hier, "Formulaire type pour les demandes de retour ou de restitution" , also Formulare im schönsten 80er Jahre Design von der UNESCO. Hier ist das Logo oben der UNESCO. Das heißt, damals war schon darüber nachgedacht worden, wie man ganz einfach und formalisiert mit Formularen solche Restitutionen bilateral klären könnte. Es war alles schon da. Und für mich fing nach der Abgabe unseres Berichtes, wo wir mit Felwine Sarr unsere Empfehlungen formuliert haben, eine zweite Reise oder ein zweiter Auftrag an mich selbst, nämlich zu überprüfen, ob diese Debatte der 70er Jahre nur in Frankreich so virulent war oder ob man sie auch vielleicht in Deutschland rekonstruieren könne. Und weil ich seit über 25 Jahren in Berlin lebte und weil Corona war, lag es auch nahe, erstmal die Archive um mich herum zu erforschen. Es stellte sich heraus, dass in den 70er etwas passiert, was in anderen Bereichen unserer Aktualität passierte. Damals, 2019, als ich anfing, darüber zu arbeiten, kam ein Film raus, Sie sehen hier einen Film über die Geburt des 21. Jahrhunderts, und die Filmemacher hier gehen davon aus oder sagen, dass 1990 ein Big Bang unserer Gegenwart war, also sie verorten all die Probleme als die Strukturen unserer Gegenwart dort. Und in derselben Zeit erschien ein, wie ich finde, großartiges Buch, das gibt es in allen möglichen Sprachen, auch auf Deutsch, eines Journalisten der New York Times, Nathaniel Rich, über die Klimadebatte, "Losing Earth". Und er hat rekonstruiert in diesem Buch, wie es passieren konnte, dass in den 70ern, auch 1979 in etwa fast die Schritte hätten gemacht werden können, die die Situation hätten verhindern können, die wir heute haben. Und er rekonstruiert, wie es dazu kam, dass es nicht passierte. Wer hat es verhindert, welche Lobbys waren unterwegs etc.. Und für mich waren diese Bücher sehr inspirierend und dieser Film, weil ich dachte, das ist ja, Mensch, das ist verrückt, wir haben auch jetzt eine so Präsente, gerade in Deutschland oder im deutschsprachigen Raum, so eine präsente Debatte, so eine gewalttätige, fast, oder sehr starke Debatte über Restitution und die gab es auch schon in den 70ern und 1979 wären beinahe auch schon die Schritte gemacht worden. Es gab die Formulare, es gab die Diskussion und es ist gescheitert und das hat mich richtig gereizt und ich wollte wissen, warum, erstens ist das gescheitert und zweitens, warum haben wir es vergessen? Oder um es zugespitzt zu formulieren, wer hat dafür gesorgt, oder hat jemand dafür gesorgt, dass wir es vergessen? Ist es ein natürliches Vergessen oder ist es ein Vergessenmachen einer Debatte? Und das hat mich nicht losgelassen und daraus ist dieses Buch entstanden, das Sie ganz am Anfang gesehen haben "Afrikas Kampf um seine Kunst: Geschichte, einer postkolonialen Niederlage". Ich gehe ein bisschen durch zwei, drei Themen. Es ist natürlich nicht erschöpfend, und ich freue mich sehr, dass wir danach darüber diskutieren und auch die Diskussion mit ihnen eröffnen. Also gehe ich ein bisschen schnell jetzt und wenn Sie merken, es gibt Fragen oder so, behalten Sie sie und stellen Sie sie danach. Mein Vortrag ist jetzt in ungefähr drei mal sieben Minuten oder sechs aufgebaut und die heißen Geschichte, Erinnerung, Fernsehen, zweitens politische Kräfte und drittens Restitution als Gespenst. Für jemanden wie mich, die ich eigentlich im 19. Jahrhundert unterwegs bin, mein Zuhause, fachlich, ist die Zeit von Napoleon. Napoleon ist der erste moderne Kunsträuber, wie Sie wissen. Er hat die ganze Praxis der Antike reaktiviert, indem er zum Beispiel in Deutschland, auch in Nürnberg, auch in München hat ganz großartige Sammlungen ausplündern lassen, die dann nach Paris gebracht wurden, wo sie dann im Louvre ausgestellt waren. Also für jemanden wie mich, die eigentlich in so alten Archiven arbeite, ist das 20. Jahrhundert großartig, weil wir die Medien haben und das sind tolle historische Quellen. Und ich möchte Ihnen eine dieser historischen Quellen zeigen, weil sie meiner Meinung nach sehr viel erzählt über dieses Vergessen, über diese Amnesie. Wir schreiben das Jahr 1978, ich bin sechs Jahre alt, meine Eltern haben einen Fernseher, nicht in Farbe, hier habe ich Farbe, weil und wie alle Familien in Frankreich zu diesem Zeitpunkt, ich glaube, in Deutschland war es nicht anders. Gucken wir um 8:00 abends die Abendschau, Tagesschau. Danach gibt es die Werbung und danach gehen die Kinder ins Bett. Ich bin zu 90% sicher, dass ich die Sendung gesehen habe. Es gibt damals nur zwei staatliche Sender in Frankreich TF1 und unten und in Antenne 2 und in TF1 i st der Starjournalist damals, also wirklich die Ikone, die Stimme Frankreichs. Roger Gicquel heißt er und Roger Gicquel berichtet [Französischer Fernsehbericht]. Er berichtet über eine Initiative der UNESCO, von dem Generaldirektor der UNESCO, damals Amadou-Mahtar M'Bo, der erste Generaldirektor der UNESCO, der aus Afrika kam, aus Dakar, Senegal. Und Amadou-Mahtar M'Bo hatte damals, im Juni 1978, ein Appell veröffentlicht, als Video, als Audiodatei, aber vor allem als Text in allen möglichen Sprachen. Ein Appell für die, für den, für die Rückgabe einiger weniger Stücke, die für die Länder der, damals Dritten Welt genannt, dass sie das zurückkriegen sollten. Und sehr spannend ist hier, wir gucken uns das noch einmal an, nachdem Sie wissen, worum es geht, sehr spannend ist hier, dass Roger Gicquel Bezug nimmt, auf diesen Appell und sagt, dass es um Objekte, die unter historischen Umständen zu uns gekommen sind, geht, die wir lieber nicht kennen sollen, "des circonstances de l'histoire qu'il vaut mieux ne pas trop decrire". Ich zeige Ihnen diese Szene und gucken Sie sich seine Handbewegung, die Augen und überhaupt, wie sojemand mit seiner Körpersprache rangeht. [Französischer Bericht] #00:16:14-4#

Bénédicte Savoy: "des circonstances de l'histoire qu'il vaut mieux ne pas trop decrire", also historische Umstände, die man lieber nicht zu genau beschreiben sollte. Es ist sehr spannend, wie dieser Profijournalist, der eigentlich normalerweise straight in die Kamera schaut, mit den Händen auf dem Tisch plötzlich diese seltsame Handbewegung macht, die so was wie Schwamm drüber heißt Und vor allem diesen Satz. Also er adressiert das Thema, wir sprechen über Objekte, die kamen unter historischen Umständen, über die wir lieber nicht reden sollen. So etwas ist für mich, als ich angefangen habe zu forschen, Gold wert, weil es mir einerseits sagt, dass alle wussten damals, also alle Leute in diesem Alter, 40 Jahre alt, meine Eltern, unsere Lehrer in der Schule, die Nachbarn, meine Oma, mein Opa alle wussten. Wir aber, die Generation der Erwachsenen von heute, die damals sechs Jahre alt waren, was verstehen wir davon? Wir verstehen im Grunde nichts. Wir verstehen ein Unbehagen, wir verstehen, es gibt ein Familiengeheimnis. Die unter sich wissen Bescheid, wir wissen Bescheid, wir sprechen nicht drüber, aber sie reden nicht darüber und sie geben das auch nicht weiter. Und ich bin ziemlich sicher, dass, das ist nur ein Beispiel für andere solche Situationen, die wir ganz bestimmt in der Schule hatten oder in anderen Zusammenhängen. Das ist für meine Generation, also für die, die nur das Unbehagen gemerkt haben, ein. Ein Grund ist, warum wir uns heute so intensiv damit befassen, wir wollen es wissen, oder ich. Und genau das ist das, was mich interessiert. Also dieses Vergessen und wer dafür zuständig war, beim feststellen gleichzeitig, dass das Thema um 8:00 Uhr abends in der Tagesschau war. Das heißt, dass Millionen von Zuschauern davon hörten und Zuschauerinnen davon hörten. Als ich dann anfing, in Berlin nachzugucken, ob die Debatte vielleicht auch eine deutsche war, stellte ich mit Überraschung fest, dass sie, das es nicht nur diese Debatte auch in Deutschland gegeben hat, sondern dass sie von manchen und gerade in den USA, Sie sehen hier eine Zeitschrift, die heißt "Christian Science Monitor", die erschien in Boston und die berichtet über die Debatte, als ob es eine "german debate" wäre, also eine deutsche Debatte. Sollen die, soll die Kunst zurück zu den ehemaligen Kolonien. Und tatsächlich, wenn man anfängt, hier auch hier zu forschen und auch in Medien stellt man fest, dass das Thema nicht nur in Archiven präsent war, sondern auch im Fernsehen auch stundenlang in großen Sendungen. Ich zeige Ihnen kurz ein Auszug aus einer Sendung vom ZDF von 1984, die hieß "5 nach zehn", diese Sendung und sie hatte die Besonderheit, dass sie um fünf nach zehn beginnt, aber nicht endet. Es war eine Open End Sendung und diese hier sehr speziell und in diesem Fall, im Ende des Jahres 1984 hatte ZDF 14 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf zwei Podien im Großen Hof des Überseemuseums in Bremen platziert. Ein Museum, das damals eine Art Südseedorf imitierte, Sie sehen hier ein Südseeboot, ein paar Plastikpalmen, Hütten und hier Plastikmenschen, die irgendwelche Masken auf dem Kopf tragen. Also wir waren sozusagen in der Südsee und damals hatte ZDF eben so ein Panel zusammengebracht aus zwei Teilnehmerinnen, eine Museumsdirektorin aus Dänemark, es gab keine in Deutschland damals, also Frauen, die musste man sich in Dänemark suchen und eine junge, gerade promovierte Juristin waren da, neben Vertretern aus dem Kunsthandel, aus der Universität, hier ein Psychoanalytiker und auch gleichzeitig Vertreter der UNESCO und Direktoren von Museen aus Afrika. Und die alle unterhielten sich, weil es open End war, über drei Stunden. Die Sendung hieß "Haltet den Dieb! Über die Restitution kolonialer Güter an die Dritte Welt". Was ich damit sagen will, noch einmal ist, das Thema war nicht nur in Frankreich um 8:00 Uhr in den Nachrichten, sondern auch hier im deutschsprachigen Raum erstens und zweitens hier im deutschsprachigen Raum kam zur Sprache etwas, was sehr, sehr wichtig ist für uns heute zu verstehen, nämlich, dass die ganze Debatte keine Erfindung von Europa war damals. Vielleicht haben Sie gehört, in den letzten fünf, sechs Jahren hieß es manchmal, ja. die Restitutionsdebatte, das ist was für politisch korrekte, coole Europäer, die nichts zu tun haben. Nein, die Restitutionsdebatte, die erste und was wir heute erleben, ist nur die Rückkehr des Bumerangs, diese Restitutionsdebatte kam aus Afrika, damals, aus afrikanischen Ländern, die gerade ihre, 1960 und infolge ihre Unabhängigkeiten erlangt hatten und im Zuge der Unabhängigkeit ein Bedürfnis formuliert hatten, sehr früh, die ersten Appelle sind von 1965, 1969, 1970, 1971. Sehr früh, haben sie gesagt, wenn wir jetzt unabhängig werden und wir für unsere eigene Zukunft verantwortlich sind, müssen wir uns reconnecten mit unserem eigenen Kulturerbe, was man uns weg oder schlecht gemacht hat, und zwar das immaterielle Kulturerbe, die eigenen Sprachen, die eigene Philosophie, die eigenen Religionen, die eigenen Glaubensrichtungen, aber auch das materielle Erbe, unser Kulturerbe. Und das war schon theoretisiert worden in Dakar in Senegal, in Lagos in Nigeria sehr stark dort, aber auch in Ghana, in den 70ern, in der Stadt Kumasi, im Königreich der Ashanti etc. Und das kam auch, das kam rüber nach Europa, über Wege, die ich nachher kurz erklären werde, und die Zuschauerinnen und Zuschauer der 80er Jahre, also vielleicht Babys unter ihnen kriegten das auch sehr aktiv mit. Ich zeige Ihnen einen ganz kurzen Auszug einer Stellungnahme, der ist sehr spannend, aber den überspringen wir....der Psychologe... eine Stellungnahme von Dr. [unverständlich], Ethnologe aus Frankfurt, damals, er lebt immer noch in Deutschland. Er kam aus Guinea damals, hatte gerade promoviert, bei Adorno in Frankfurt an der Uni, also ein hochkarätiger Intellektueller und er als Mitglied des Podiums hier oder als Teilnehmer erklärte, worum es wirklich ging. Und das war damals, also vor 30 Jahren, 38 Jahren, schon ganz klar, auch hier für das Publikum hierzulande. #00:24:03-9#

Sendungsausschnitt: Diese Ausbeutung, die war nicht nur materieller Art, die war auch kultureller Art. Durch die nationalen Bewegungen sind wir dazu gekommen, unsere Kultur wieder zu entdecken, der man uns sozusagen bis dahin enthalten hatte, und zwar auf zweierlei Ebene. Einmal auf der theoretischen Ebene und andermal auf der konkreten, in dem man uns das weggenommen hat. Und ich denke, man sollte einen Weg finden, in dem so weit von den Ländern verlangt wird, die Objekte, die für unsere weitere Entwicklung, kulturelle Entwicklung wichtig sind, zurückgegeben werden. #00:24:52-4#

Bénédicte Savoy: Sehr spannend, auch als audiovisuelle Quelle, weil weil diese ganzen Schweigen Szenen, also wenn alle so innehalten oder diese Blicke hier, das sind auch historische Quellen, die erzählen was über die Stimmung, über die Art und Weise wie nicht über manche Sachen gesprochen wurde oder wenn einer gesprochen hat, so klar, was das für eine Wirkung hatte in so einem Podium. Also hier damals 80er Jahre ist schon ganz klar, afrikanische Länder, viele afrikanische Länder wollen ihr Kulturerbe zurückhaben. Und diese Debatte ist erstens gesamteuropäisch, ich könnte Ihnen auch Filme von der BBC zeigen, stundenlang Reportagen, großartig, aber sie kam aus dem afrikanischen Kontinent. Jetzt gehe ich in diesen nächsten sechs Minuten ganz kurz über die Wege, wie es den Sprung schaffte, sozusagen, dieses Bedürfnis, das in Afrika in den 60ern und 70er formuliert war, rüber zu kommen nach Europa, denn in Europa waren zunächst die wirklich ganz konkret Betroffenen, nämlich die bewahrende Institution, die Museen, überhaupt nicht scharf darauf, dass es thematisiert wird in der breiten Öffentlichkeit. Wenn man in Archiven geht, ist es auffällig, wie sehr die ganze Debatte nicht nur in Museen dokumentiert ist, sondern in politischen Archiven. Ich zeige Ihnen hier ein Deckel, eine Akte vom Auswärtigen, vom Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin. Sie sehen hier, es geht um Forderungen der Rückgabe von Kulturgut. Das ist so eine fette Akte und es sind nur Dokumente hier von Januar 1979 oder hier, also 2, Thema 2 von Januar 1976 bis Mai 1976. Also sehr viel Material, sehr viele Akten, und zwar in politischen Archiven, weil das Thema dazu geführt hat in Europa, dass es Frontenbildungen gegeben hat, nicht, also nicht wie man denken könnte, okay, die Afrikaner wollen die Sachen zurückhaben und die Europäer sagen nein, sondern die Fronten verliefen irgendwie anders. Und eine der sehr spannenden Trennung war zwischen Vertretern der Diplomatie, der auswärtigen Ämter, der Botschaften in den verschiedenen Ländern Afrikas und woanders und den Museen, also die Diplomaten, das Auswärtige Amt pusht, es muss, es muss zurückgegeben werden und die Museen bremsen eher. Also man findet sehr viele politisch sehr viel politisches Material bei der UNO, auch in Nigeria, zum Beispiel hier meistens mit secret oder vertraulich oder streng vertraulich gestempelten Briefen. Hier, das ist eine Anfrage aus von Ekpo Eyo aus Lagos, Nigeria nach Stuttgart. Superschnelle Briefe, die immer mit diesem roten, also Schnellbrief heißt dieser rote Rahmen und das muss schnell behandelt werden. Es war eine große, ein großes politisches Thema. Museumsarchive haben auch etwas und wenn man das zusammenfasst, kann man sehen, dass es drei große Momente gibt, politische Momente. Das erste ist das Jahr 1973, als zum ersten Mal ein Präsident eines afrikanischen Staates, nämlich Mobutu Sese Seko, von der ehemaligen Kolonie von Belgien Kongo. Er hatte sie umgetauft in Zaire. Er wurde später ein Diktator, Mobutu, aber damals war er anscheinend noch so okay, dass man ihn einlud bei den Vereinten Nationen. Er ist der Erste, der gesagt hat, wir wollen unser Kulturerbe zurück und der das Thema von Kinshasa in Zaire, Kongo nach New York gebracht hat, mit der Unterstützung von vielen anderen afrikanischen Staaten. Es gibt andere starke Momente, ich überspringe das oder ich will Sie damit nicht langweilen, aber 1976 wird eben, Amadou-Mahtar M'Bow bei der UNESCO machte das Thema zur Chefsache und 1979, wie gesagt, spitzte sich so zu, dass man den Eindruck hat, hier und da, dass vielleicht eine Lösung gefunden werden könnte. Die Hauptakteure die ganze Zeit sind nicht die Europäer, sondern zwei hauptsächlich, die das Ganze treiben. Amadou-Mahtar M'Bow sagte ich schon auf der linken Seite und hier Ekpo Eyo. Er war Archäologe und hatte in Cambridge promoviert. Damals kam er aus Nigeria und war der Leiter der Altertumsbehörde in Lagos und derjenige, der schon in den 70er Jahren angefangen hat, zum Beispiel in Berlin bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Dauerleihgaben anzufragen, ohne Erfolg. Ich komme gleich darauf zurück. Für uns spannend ist der Moment, wo es umkippt, also wo wir fast die Lösungen haben und ich würde sagen Europaweit ist es das Jahr 1981. Wenn wir nach Frankreich gucken, finden wir tatsächlich diesen Bericht von Pierre Quoniam, den ich vorhin erwähnte. Dieses Louvredirektors der hier, Sie sehen, sehr chic hier. Inspekteur General de Musee de France. Also kein Anarchist mit einem Messer zwischen den Zähnen und Blut oder kein Trotzkist oder so, sondern ein wirklich etablierter Museumsmann, der in diesem Bericht sagte, Pierre Quoniam: "Les membres du groupe de réflexion sont favorable a la promotion de retours de bien culturels.". Die Mitglieder meiner Arbeitsgruppe sind befürwortende der Rückkehr des Kulturgutes,weil [weiter französisch], also wenn wir das richtig machen, ist das ein Akt der Solidarität und der Fairness, der Justiz, der Kulturerbe Justice oder der Heritage Justice, wie man heute sagen würde. Das war in Frankreich. Aber wenn man sich die Situation in Deutschland anschaut, ist man verblüfft zu sehen, dass sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik Deutschland in diesem Kontext des Kalten Krieges starke Schritte auch gemacht wurden. Und auch hier ist es verblüffend, wer die starken Schritte macht. Sie kennen, oder einige unter Ihnen werden hier Hildegard Hamm-Brücher erkannt haben, die Grande Dame des deutschen Liberalismus, die, als sie noch in der Regierung von Helmut Schmidt war, angekündigt hat, im Sommer 1982 und das wurde auch in der Presse erzählt, hier seht ihr Dienstag, 10. August 1982, in der Süddeutschen Zeitung, Frau Hamm-brücher, Zitat: "Man soll bei der Rückgabe von Kulturgütern großzügig sein". Und sie erzählte damals, dass es sei, dass es durchaus denkbar sei, dass aus Anlass des 100. Jahrestages der Unterschreibung der Schutzverträge mit den ehemaligen deutschen Kolonien Togo und Kamerun, in Afrika, 1984 Kulturgüter zurückgegeben würden, sagte sie. Sie sagte im Grunde, wenn wir in zwei Jahren 100 Jahre Kongokonferenz oder Berlinkonferenz haben, könnten wir was zurückgeben. Drei Wochen später war sie nicht mehr in der Regierung, und die Sache sagte wieder ein dritter. Ach so, ich habe kurz die DDR erwähnt, das mache ich jetzt sehr, sehr schnell und mehr als als Wink für Sie, vielleicht haben Sie noch im Kopf diese hohe Rhetorik des Humboldtforum noch vor einigen Jahren in Berlin, wo es hieß, "Wir wollen Ausstellungen auf Augenhöhe organisieren mit Partnern von den Ursprungsländern" etc. als ob es wie Science Fiction wäre, also super neu und super cool. Das hat alles schon gegeben, und zwar 1985. Hier sind wir tatsächlich im Pergamonmuseum, also gegenüber vom aktuellen Humboldtforum auf der Museumsinsel, damals Ostberlin. Und hier gastierte eine große Ausstellung aus Lagos, die dieser Ekpo Eyo, den ich Ihnen schon gezeigt habe, kuratiert hatte und die DDR war nur Gastgeberin und hatte sich damals bemüht, erstens alles richtig zu machen, nämlich auch zum Eröffnungstag einen Katalog gedruckt zu haben, was in der DDR damals, das sagen uns die Akten im Archiv, nicht einfach war, weil Papier nicht so einfach war zu beschaffen, aber Nigeria hatte gesagt "Keine Eröffnung ohne Katalog", und die DDR hat es geschafft. Sie sehen hier die Vertreter der Deutschen Demokratischen Republik mit den, mit einem Vertreter des blockfreien Nigeria die Ausstellung eröffnet, aber im Rahmen oder am Rande dieser Ausstellung wurde tatsächlich, wir sehen das hier in Briefen, über, im Ministerium für Kultur der DDR über Restitution verhandelt und wir sind 1985 und dann sagt das wieder ein, dann kommt die Wende und es wurde auch nicht mehr diskutiert. Letzter und sehr, sehr schneller Punkt. Ich habe die ganze Zeit gesagt, es hat damals nicht geklappt und wir haben es vergessen. Warum ist das so? Das kann man gut rekonstruieren, indem man sich die Reaktion der Museumsleute anschaut. Und ich weiß, es sitzen einige Museumsleute hier im Raum und ich muss immer wieder betonen, dass ich Museen liebe, aber hier haben die Kolleginnen und Kollegen der Generation vorher sich jedenfalls schriftlich in sehr harte Positionen begeben, die so gut dokumentiert sind, dass man heute behaupten kann, sie haben verhindert, dass der Dialog möglich war, sie haben verhindert, dass die Schritte gemacht wurden, dass diese Formulare eingesetzt wurden und sie haben dafür gesorgt, ganz aktiv, dass das vergessen wird, dass man nicht darüber spricht. Also die Öffentlichkeit war der Feind Nummer eins, und Sie haben immer versucht, das unter dem Radar zu machen. Ich mache es ganz schnell, aber Sie sehen hier, wir sind die Mai 1979, Frankfurter Allgemeine Zeitung. Es geht um ein Symposium über diese Fragen und der erste Satz in der FAZ ist: "Seit etwa sechs Jahren geht ein Gespenst um, in europäischen Museen, kurz Restitution genannt". Also das ist eine Anlehnung an Karl Marx, ein Gespenst geht um in Europa, kurz Kommunismus genannt. Hier sind die Restitutionen das, was Angst macht in den Museen und später im Artikel wird erzählt das, hier kommt das, das es in den Museen sehr heftige Reaktionen ausgelöst hat und diese Reaktion kann man extrem gut in zum Beispiel in den Verwaltungsakten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz untersuchen, weil die Verwaltungsakten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz für diese Jahre in Berlin im sogenannten Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz aufbewahrt waren. Und das ist ein ganz öffentliches, für alle zugängliches Archiv, wo man mit seinem Handy stapelweise alles mögliche fotografieren kann und dort kriegt man auch die Information. Sie sehen hier, dass die Museen dagegen waren oder Angst hatten oder nervös waren, ist nicht nur ein deutsches Phänomen, nicht nur ein in französisches, sondern auch in England ein Problem. Und hier besonders ging es darum, dass die UNESCO damals versucht hat, die Museen zu zwingen, ihre Inventare zu veröffentlichen. Sie sollten damit rausrücken, was sie haben. Und deswegen sehen wir hier, dass Museen eben solche Treasure Lists nicht veröffentlichen wollen. In Deutschland haben wir das ganz große Glück, dass durch die föderale Struktur es so viele Museen gibt und damals mussten Sie sich immer Briefe schreiben oder selbst wenn sie telefoniert haben, haben sie protokolliert und anders als in Paris, wo die auf dem Flur gesprochen haben, in Paris, im zentralen Musée de l'Homme oder so, war's hier das alles, was sie sich durch den Kopf ging, gehen ließen, schriftlich war. Und um solche Geschichten zu rekonstruieren, ist das natürlich ein tolles Material. Ich zeige Ihnen ein, zuletzt, als letztes ein enormes Dokument, ich sage jetzt enormes, weil als ich das fand, dachte ich jetzt, jetzt habe ich es. Ein Dokument von 1978. Das ist ein vertrauliches Dokument zum Thema Rückgabe von Kulturgut. Und wir erfahren hier im ersten Absatz, dass viele Museen zusammen sich zusammengesetzt hatten in Bonn und so ein Papier gemacht hatten, vertraulich, zur Abwehr von Restitution. Und hier überlegen sie, wie wehren wir das Thema ab? Und Sie bringen bestimmte Absätze, ich habe jetzt drei rausgenommen. Das eine, der eine Absatz hat mit dem Begriff Restitution zu tun. Also die Museumsdirektoren sagen wir, wir müssen diesen Begriff abschaffen, weil Restitution hat eine historische Dimension, also das heißt, es ist etwas früher passiert, dann wird man zurückgeben und dann gibt es danach und das bedeutet, früher ist irgendwas passiert und das finden sie zu sehr, dass dadurch der Eindruck eines unsauberen Erwerbs entstehen könnte und sie sagen, wenn wir darüber sprechen, wir Museen, müssen wir immer lieber von Transfer oder von Zirkulation sprechen. Das ist extrem interessant. Und wenn Sie einmal sich noch mal die Diskussion von vor vier, fünf Jahren anhören, werden Sie merken, dass es immer darum ging, ja, wir werden eine Agentur gründen, damit es zirkuliert etc., weil das Wort Restitution aus Sicht der Institution zu gefährlich war. Ein anderer Punkt waren die Emotionen. Diese Museumsdirektoren sagen damals, wenn wir Emotionen zulassen, sind wir verloren, weil die öffentliche Meinung lässt sich durch diese Emotion gegen uns sehr schnell vereinnehmen. Natürlich ist es so, dass Kulturerbe, Museen, Schönheit, Kunstwerke, Religion, Musik, all das, was mit diesen Objekten zusammenhängt, ist emotional. Ich lese das hier kurz vor: "Trotz der für die Bundesrepublik Deutschland eindeutigen Rechtssituation in der Frage der sogenannten Rückführung von Kulturgütern ist damit zu rechnen, dass ein öffentlicher, beziehungsweise moralischer Druck auf unsere Museen zukommen wird. Die Länder der Dritten Welt sind entschlossen, ihr Kulturgut wiederzuerlangen und daheim zu präsentieren. Dies ist ein weitgehend emotionaler Vorgang, der nicht gesteuert werden kann" etc. Und deren Antwort darauf ist, wenn das Thema hochkommt, müssen wir immer mit juristischen Antworten kommen. Keine Emotionen zulassen, sondern immer mit legal oder illegal antworten, weil die Emotionen eben den öffentlichen Druck stärken. Und das letzte, was mich immer besonders interessiert hat, sind die Objektverzeichnisse, also die Transparenz der Bestände, die Listen, die Inventare. Auch hier sagen die Museumsdirektoren damals: "Vor der Erstellung solcher Listen wird sowohl von Seiten unserer Völkerkundemuseen, als auch der Kulturverwaltung gewarnt. So würden Begehrlichkeiten erst recht geweckt.". Also wir wissenschaftliche Institutionen publizieren jetzt nichts mehr, sonst wissen alle, was wir haben. Und das erklärt die Situation, die wir in Berlin bei der Eröffnung, also noch vor einigen Jahren in Berlin hatten, nämlich dass ein großes Museum eröffnet wurde, ohne ordentliche Datenbank über die Bestände zum Beispiel. Ich habe damals immer gedacht, das muss man den Museen erklären, dass es so wichtig ist, oder, ja, in Berlin, es gab die Wende, und das hat so viel Energie gekostet, die Vereinigung, deswegen haben sie keine Inventare. Aber als ich das Papier fand, habe ich es verstanden. Seit den 80ern haben deutsche Museen für Völkerkunde mit Absicht nichts mehr veröffentlicht. Und deswegen war es so wichtig, ist es so wichtig gewesen, in den letzten Jahren das Wort Restitution immer zu bringen und nicht über irgendwelche Zirkulation zu sprechen, weil ansonsten die historische Dimension des Ganzen verschwindet, Emotionen zuzulassen oder merken, dass Emotionen in diesem Zusammenhang eine politische Kategorie sind, die man versucht zu drücken und die Transparenz der Bestände nämlich und das war unsere Forderung sehr lange an der Uni, an der Technischen Uni, wo ich arbeite, aber auch von anderen, dass eben die Bestände endlich ja bekannt gemacht werden. Ich höre gleich auf, mit dem Hinweis, dass all das, diese erste Debatte, also vergessen wurde, dass sie zurückkam auf uns, ich sagte das vorhin, wie ein Bumerang mit der zehnfachen Schleuderkraft eines solchen Gerätes haben die Gesellschaften von heute, also wir das voll ins Gesicht bekommen, haben uns gewundert, wie schnell das alles geht, das von einem Tag zum anderen Entscheidungen getroffen werden etc. schneller als wir denken können. Warum? Weil alles schon diskutiert worden war und wir kollektiv das kollektive Gedächtnis schon da ist, nur unterdrückt. Und deswegen gingen diese Schritte so schnell, so schnell, dass im November vergangenen Jahres, 2021, die kleine Republik Benin, neben Togo es geschafft hat, als erster afrikanischer Staat südlich der Sahara 2,5 Tonnen des eigenen Kulturerbes in echt zurückzubekommen. Das sind, in Deutschland hat man nichts darüber gehört, komischerweise, aber die New York Times, die südkoreanische Tageszeitung etc. haben berichtet. Hier hat man wahrscheinlich nicht so viel darüber erzählt, weil es eine Art Olympische Spiele der Restitution gibt und man will in Deutschland die ersten sein. Egal, diese 2,5 Tonnen sind jetzt wieder in Cotonou, in Benin, seit Februar ausgestellt und allein vom 22. Februar 2022 bis 22. Mai 2022, also in vier Monaten, haben 175.000 Besucherinnen und Besucher diese Ausstellung gesehen in Cotonou und das ist der beste Beweis dafür, dass eines der Klischees oder der Stereotypen, dass die Leute in Afrika sich nicht für ihre Kunst interessieren oder nicht mal wissen, dass es Kunst ist oder andere Sorgen haben, weil sie Hunger haben etc., das alles stimmt nicht, das gehört zu den Stereotypen, zu den Formeln, die hier seit den 70ern benutzt wurden, um die Debatte zu verhindern. Und wenn Objekte wirklich zurück sind und das wird demnächst auch in Nigeria der Fall sein, wenn Berlin diese 600 sogenannte Benin-Bronzen de facto, also physisch, zurückgibt, werden wir sehen, dass in Nigeria auch, also neben Benin, auch ein starkes Interesse sich entfacht und diese Rückkehr auch sehr viel bewegt. Was es bewegt, können wir vielleicht in der Diskussion ansprechen und ich bedanke mich für Ihre Geduld. Vielen Dank. #00:45:01-2#

 

Katharina Mittenzwei: Danke schön. Ja, herzlichen Dank, Frau Savoy, für diese gleichwohl berührenden, aber auch sehr sachlichen Schilderungen. Ich glaube, das hat Halle hinterlassen und ich freue mich, dass wir uns noch kurz austauschen können. Es steht ja jetzt noch an, das große Wort der Restitution. Ich würde ganz gern darüber einmal mit Ihnen sprechen, über diesen Begriff, denn alles fing damit an, dass Emmanuel Macron sie damit beauftragt hat, gemeinsam mit ihrem Kollegen Felwine Sarr, dem senegalesischen Ökonomen einen Bericht zu schreiben, Sie haben es eingangs erwähnt. Dieser Bericht wurde dann veröffentlicht unter dem Titel "Restitution",klar, weil es war ja ein französischer Bericht. Eine zweifache Frage, semantischer Art: Kann man dieses französische Wort "Restitution" mit dem deutschen Restitution übersetzen, was ja sehr einfach wäre, aber ist es das auch? Und zweite Teil der Frage: Sie haben es bereits angerissen, das Zurückgeben kann ja vieles sein, was bedeutet zurückgeben eigentlich? Stichwort Zirkulation, aber kann dieses Wort auch missbraucht werden? Wie dürfen wir es verstehen, wie sollen wir es nicht verstehen? #00:46:24-2#

Bénédicte Savoy: Das ist eine sehr interessante Frage. Ich habe vorhin kurz angedeutet, dass das Wort in sich selbst selbst Geschichte eingekapselt hat. Restituieren heißt, es gibt ein Vorher, ein Während und ein Nachher. Man gibt zurück und dann wird alles anders. Unser Bericht heißt auch mit dem Untertitel, also die Restitution des afrikanischen Kulturerbes "Vers une nouvelle éthique relationnelle", das heißt in Richtung einer neuen Beziehungsethik. Und die Idee ist, dass wir nicht nach hinten schauen und uns irgendwie geißeln, sondern sagen okay, wir hatten die Sachen 130 Jahre, es hat gute Gründe dafür gegeben, oder Gründe, ob sie gut waren, wissen wir nicht, aber wir sagen, jetzt, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, wollen wir eine andere Art der Beziehung mit den afrikanischen Staaten starten und diese zurückgeben, ist der Beginn einer neuen Beziehung, "nouvelle éthique relationnelle" im Französischen. Sie haben vollkommen recht als Macron, Emmanuel Macron hat das Wort in dieser berühmten Rede in Ouagadougou benutzt und das war, das war unfassbar, weil kein Staatsmann benutzt dieses Wort, genau aus den Gründen, die wir gesehen haben, das ist ein Tabu Wort eigentlich für Länder wie Frankreich, wo das Kulturerbe unter einem sehr starken, also das staatliche unter einem sehr starken Gesetz geschützt wird, nämlich "Code du patrimoine", das Kulturerbegesetz und das besagt, dass alle Objekte in französischen Sammlungen für immer drin sind, wie eine Endstation. Also, wenn Sie als als schönes Objekt ins Museum kommen, kommen Sie nie wieder raus, ungefähr, das ist das Prinzip der "inalienabilité". Und deswegen benutzt, würde kein Staatsmann, kein Präsident das Wort Restitution benutzen und deswegen war auch diese Rede so folgenreich. Auf Deutsch heißt das natürlich, wenn man es ganz normal übersetzt, zurückgeben und was vielleicht für mich am meisten oder interessantesten ist, ist eher, also nicht, ob man es so übersetzen kann oder was, sondern wenn wir mit Kollegen aus Kamerun, Sie haben eine große Kooperation mit der Uni Dschang in Kamerun, darüber arbeiten, sie würden natürlich niemals von "Restitution" sprechen, sondern von Rücknahme, also von "Reprendre", weil "Restitution" ist unsere Perspektive, also Zurückgeben ist die Perspektive von denen, die was haben und alle diese Wörter, die wir benutzen, haben alle in sich immer irgendwelche Perspektiven eingekapselt. Wir sprechen von einer Schenkung an ein Museum, unsere Kollegen in Kamerun sagen "Hör auf, von Objektschenkern zu sprechen. Wir sprechen von jetzt an von Objektraffern". Okay, also sagen wir jetzt Objektraffer usw. und das ist sehr, sehr wichtig, immer wenn wir diese Wörter benutzen, ganz kurz zu überlegen, wer spricht gerade. Und ich weiß, dass ihm im Zusammenhang mit Belgien, die Republik Kongo oder diejenigen, die da verhandeln gerade gesagt haben, wir wollen das Wort nicht benutzen, wir wollen von "Reconstitution" sprechen, also "Reconstitution", von Reparatur unserer Bestände sprechen usw. und so fort. Also ein reiches Wort und man könnte wochenlang darüber sprechen. #00:49:46-9#

Katharina Mittenzwei: Ja, ganz spannend. Wie haben Sie es genannt, "Reprendre", wenn man den Perspektivwechsel vornimmt. Vielleicht können wir genau an dem Punkt einmal weitermachen und uns die afrikanische Perspektive anschauen, beziehungsweise schildern Sie in Ihrem Buch einen Artikel in der Zeitschrift Bingo in den 60er Jahren, ganz starke, starke Episode finde ich und offenbar auch ein sehr starker Artikel von einem Dichter aus Gabun, der selbst eine Perspektivwechsel vornimmt und sich vorstellt, wie Europa mit der Restitutionsfrage umgeht. Können Sie uns von diesem Artikel noch berichten? #00:50:20-7#

Bénédicte Savoy: Ja, der Artikel ist der Hammer. Das ist ein Artikel von 1965 in einer Zeitschrift, die heißt Bingo auf Französisch, sie wurde in Dakar, in Senegal verlegt, aber in der ganzen frankophonen afrikanischen Welt gelesen und auch in den Diasporas, in Europa, in Frankreich. Und da kommt auf Seite eins, als wie heißt das, Editorial, also Leitartikel eine Seite mit, in großen Balken geschrieben "Rendez-nous l'art nègre" , also gibt uns unsere Kunst zurück. Und das beginnt mit dem Satz "Es gibt einen Kampf, den wir werden führen müssen. Das ist der Kampf der Rücknahme unseres Kulturerbes" und etwas später im Artikel sagt Paulin Joachim, der Autor: "Ja, ja, ich weiß schon, was die Europäer sagen werden, die werden jetzt sagen: "Wir haben es für euch gerettet. Die Termiten hätten das gefressen. Ihr müsst uns dankbar sein"" und eigentlich erdichtet er schon alles, was tatsächlich gesagt wurde, nämlich dieses ganze Mythos des guten Hüters des afrikanischen Kulturerbes etc. und er endet, indem er sagt "Ja, ja, schöne Dialektik, die Europäer sind stark in dieser Dialektik, aber wir sind jetzt so "decomplexée", also wir sind jetzt so selbstbewusst, dass wir überhaupt nicht mehr dran glauben, an diese Lügen und wir werden das schon zurückholen. Und ich glaube, der letzte Satz ist so etwas wie "Und dann werden wir so groß und stark wie Griechenland sein, denn Griechenland ist auch geplündert worden" und das ist ein wirklich sehr wichtiger, sehr schöner Text, der heute noch seine volle Aktualität hat. #00:52:00-7#

Katharina Mittenzwei: Wenn wir jetzt wieder den Schritt nach Europa machen, möchte ich einmal ganz gerne über die Akteure sprechen, die Sie uns vorstellen. Die Akteure, die maßgeblich an der wenig ruhmreichen Restitutionsdebatte beteiligt waren. Bewusst nicht gegendert, denn es waren häufig Männer. Ich möchte einmal die Süddeutsche Zeitung zitieren, häufig auch rezitiert, die den sehr passenden Begriff des "sinistren Herrenclubs" dafür fand. Aus welchen Lagern kamen diese Männer? Das waren ja häufig nicht unbedingt Kunstwissenschaftler oder Museumsleute, da steckte schon auch Taktik dahinter. #00:52:38-6#

Bénédicte Savoy: Ja, also im deutschsprachigen Raum und das ist der, den ich mir am meisten angeschaut habe, weil ich diese reichen Quellen hatte, kann man wirklich mit sehr großer Sicherheit sagen, dass die Museumsdirektoren der 70er Jahre, also die, die am meisten abblocken, die dieses Papier schreiben, alle ungefähr 60 Jahre alt sind. Das heißt, sie sind alle in den 1910ern, 1914 so ungefähr geboren, sind Juristen, viele unter ihnen, gerade in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sie haben, als Juristen ihre Karrieren im NS-Apparat begonnen. Viele von ihnen, der erste Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, ist in, ich weiß nicht wie viel NS-Organisationen gewesen. Das sind einige echte alte Nazis, die auch dazu stehen irgendwie noch, noch in den 60ern und 70ern und das erklärt ganz bestimmt nicht nur, dass die Bemühungen der sogenannten Dritten Welt abgeschmettert wurden, sondern auch die ersten Bemühungen der jüdischen Nachfahren von Familien, die im Krieg ihre Kulturgüter oder Sammlungen verloren hatten. Auch da haben wir, es hat sehr lange gedauert, bis bis es zu der Einsicht kam, dass man tatsächlich solche Kunstwerke, NS-Kunstraub, restituieren muss und ich glaube, die Arbeit ist noch nicht ganz genau gemacht worden, aber ich glaube, dass wir ziemlich genau sehen würden, dass genau dieselben Herren, die eben nicht mit Nigeria sprechen wollten und nicht mit Ghana etc., auch nicht mit den jüdischen Erben sprechen wollten und das ist für Deutschland sehr, sehr klar. Und in dem Augenblick, wo es ein Generationswechsel gibt, also der erste, etwas jüngere den Job bekommt eines Museumsdirektor, ist der eben ein Achtundsechziger, er kriegt das Museum in Bremen, er geht an die Presse, am ersten Tag ungefähr, und sagt, so was die machen, damit identifiziere ich mich nicht, ich, Herbert Ganslmayr, sehe das ganz anders, ich werde zurückgeben, was ich aus Nigeria habe und so und das Ergebnis für ihn war, dass er innerhalb von zwei Monaten ab, also gemobbt wurde, abgeschnitten wurde, zu gar keiner Sitzung mehr eingeladen wurde und einfach richtig bewusst blockiert wurde in diesen Kreisen. Also es sind krasse Seilschaften, die da arbeiten. #00:55:07-1#

Katharina Mittenzwei: Kann man sagen, dass die Akteursebene in der jetzigen Debatte, wenn ich diese zwei Lager aufmachen kann, erste und zweite Debatte, sehr vielseitiger und mehrschichtiger geworden ist? Ich habe den Eindruck, die Debatte jetzt ist diverser, ist weiblicher geworden, pflichten Sie mir da bei? #00:55:26-9#

Bénédicte Savoy: Also wenn man sich die 70er, 80er Jahre anschaut, ist es schon sehr auffällig, dass die wenigen Frauenstimmen, die sich erheben, alle solidarisch sind zu den Stimmen aus Afrika. Es gibt bestimmt verschiedene Gründe dafür, ein Grund könnte sein, dass sie die Erfahrung des Machohaften, der alten weißen Männer teilen mit anderen, also diese Position des Unterdrückten. Damals hat Melina Mercouri, die für die Rückkehr der Parthenonfriese aus London nach Athen angefangen hat, zu kämpfen. Sie war Kulturministerin und sie sprach von den Frauen als unterdrücktes Kontinent. Und damals schon waren Frauen tatsächlich diejenigen, die gesagt haben, komm, also wir müssen jetzt bessere Beziehungen haben mit diesen Völkern und das war auffällig. Heute würde ich sagen, ja, die Debatte ist sehr, sehr vielfältig, auf jeden Fall, aber ganz lange hatte ich den Eindruck, dass sie noch nicht das Niveau erreicht hat von dieser ZDF Sendung, wo zum Beispiel der Psychoanalytiker sagt "Wir haben eigentlich mit es mit einem, mit einem kollektiven psychologischen Problem zu tun, weil wir nicht als Täter uns sehen wollen und solange man uns von außen sagt ihr wart die Täter, dann blockieren wir uns". All das fand ich sehr interessant damals, was heute radikal neu ist, sind die Social Medias, die Tatsache, dass wir innerhalb von wenigen Minuten wissen, was denkt mein Kollege in Dakar und was machen die gerade in Lagos und welche Künstler sind gerade auf der Biennale in Lubumbashi mit dem Thema unterwegs und diese, diese, diese Bekanntschaft mit anderen Positionen geht viel schneller einerseits und was heute nicht mehr möglich ist, ist Intransparenz. Durch Internet, durch Datenbanken haben es diese Museen, die Museen sehr, sehr schwer, ihre Bestände geheim zu halten, weil auch in sehr konservativen Museen wie in Berlin gibt es immer jüngere Kuratorinnen und Kuratoren, die alles leaken. Und wir an der Uni kriegen die Dokumente. Und das war vor fünf Jahren so, also wir haben sie bekommen, wir haben auf USB Stick die Inventare bekommen. Das war sehr easy, sehr einfach und jetzt sind diese Inventare auch mittlerweile online und gescannt und weil der Druck zu groß war. Genau, das ist ein ganz großer Unterschied zu zu damals. #00:58:13-4#

Katharina Mittenzwei: Sie haben uns gerade auch einen Vergleich mit der Klimadebatte gebracht und Nathaniel Rich erwähnt. Wenn ich einmal diesen Vergleich hernehmen darf, in der Klimadebatte ist es ganz klar, was wir verschleppen, die Erderhitzung steigt und die Kipppunkte kommen näher, sozusagen, wenn man nichts dagegen tut. Wie ist es denn in der Restitutionsdebatte? Da verschleppen wir ja auch was, wenn wir ganz lang davon reden, debattieren und aber nichts tatsächlich in die Praxis umsetzen und zurückgeben, wie sieht das Verschleppen aus? #00:58:50-2#

Bénédicte Savoy: Das Verschleppen sieht so aus, würde ich sagen, dass eben diese Generation, meiner Eltern und Großeltern, die gedacht haben, sie waren damals 60, als sie diese Sachen nicht behandelt haben und sie haben alle, hatte man den Eindruck zum Teil, versucht, schnell ihre Rente zu erreichen, ohne dass das Thema groß aufkommt und haben das ganz bewusst für die Generation danach damit belassen. Das heißt, das Verschleppen war mehr ein Verschweigen und nicht angehen oder mit Arroganz zurückgeben von etwas, was ganz klar nicht nicht versteckt bleiben würde. Und ein Dokument habe ich gerade nicht gezeigt, aber finde ich faszinierend. Das ist ein französischer Museumsdirektor, der sagt auf 30 Seiten in den 70ern, mit unserer Attitüde, wir erhöhen die Frustration die ganze Zeit. Die Leute sind immer frustrierter und jetzt müssen wir Tricks, er spricht von Trickw, entwickeln, damit die Frustration zurückgeht. Ein Trick wäre, sagt er, Wir gründen eine "Fondation de France pour la restitution du patrimoine", also eine große französische Stiftung, und die wird kein Geld haben, aber die Leute in Afrika, die sind immer so dankbar für Kleinigkeiten und dann werden wir Kleinigkeiten machen damit, zum Beispiel Kunstwerke auf dem Kunsthandel kaufen und denen mal hier, mal da was Kleinigkeiten zurückgeben und sie werden so dankbar sein, dass der Frust zurückgehen wird. Also auf solche Ideen kommen sie und die schreiben das auf 30 Seiten, das heißt, Sie wissen ganz genau, diese Haltung ist demütigend und macht die Leute auf der anderen Seite aggressiv, nervös, kampfbereit. Und das sehen wir heute. Also wobei ich sagen muss, die Republik Benin, die es geschafft hat, war weder aggressiv, noch nervös, nicht kampfbereit, sondern einfach so schlau und so diplomatisch, gewieft und elegant, dass sie das wirklich mit all ihren Skills und mit ihrer Klugheit geschafft haben. Und als die Objekte zurückkamen, war, haben sie es geschafft, nicht in eine Siegespose oder Siegesgeste, die zurück zu empfangen, was durchaus legitim gewesen wäre, sondern das hieß immer "alte Freunde kommen zurück, nach 130 Jahren in Frankreich. Willkommen zurück", also es war sehr freundlich und das ist extrem klug. Und die Beninesen haben es geschafft, ihre ihren Frust, ihre vielleicht Aggression in politische Klugheit umzuwandeln und haben es geschafft, dass sie ihr ein Teil, ein kleiner Teil ihrer Objekte, ein kleiner, 2,5 Tonnen ist viel, aber es bleibt trotzdem im Verhältnis noch nicht alles, aber sie haben es geschafft. #01:01:49-2#

Katharina Mittenzwei: Eine letzte Frage noch von meiner Seite, bevor wir dann die Fragerunde ins Publikum eröffnen. Aus gegebenem Anlass, ich wollte eigentlich nicht über das Humboldtforum mit Ihnen sprechen, jetzt mache ich es doch einfach, weil es so aktuell ist. Das Humboldtforum war ja auch vor der ersten Teilöffnung stark in Kritik, weil ihm die Schatzkammerästhetik noch sehr stark vorgeworfen wird, jetzt wurde am letzten Donnerstag, glaube ich, war es, die letzte noch nicht geöffnete Fläche geöffnet. Der Präsident der Berliner Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Professor Parzinger, eröffnete mit den Worten, ich lese das vor: "Restitutionen werde es weiter geben, dort, wo es angebracht ist.". Liege ich richtig in der Annahme, dass an dieser Stelle die letzte Diskussion noch nicht geführt ist? #01:02:35-7#

Bénédicte Savoy: Es wird weitergehen. Was mich geschockt hat am Humboldtforum und zwar nicht jetzt bei den letzten Räumen, sondern vor einem Jahr, als der sogenannte Kolonie Kamerun, ohne Anführungszeichen, also der Raum heißt Kolonie Kamerun, eröffnet wurde, ist es so, dass in diesem Raum die Umstände wie die Objekte, dass sind große Architekturelemente, so Türpfosten, Fensterrahmen, zum Teil so 3,4 Meter hoch geschnitzte, ganz eindrucksvolle Bauteile, die da sind. Und dort hat, das haben die Kuratorinnen und Kuratoren tatsächlich unter dem Druck der Öffentlichkeit die Arbeit gemacht, die wir oder viele von uns haben wollten, nämlich die historische Wahrheit zu formulieren. Und sie sagen einem, von Label zu Label, die Labels sind in Knöchelhöhe, man muss sich immer sehr beugen, um sie zu lesen, wenn man sich beugt, gehen die Alarmanlagen aus. Also so nach dem Motto, wenn du die Wahrheit wissen willst, wird es gefährlich. Aber es ist so und diese Wahrheit steht da. Sie könnte noch ein bisschen transparenter formuliert sein, aber im Grunde steht sie da. Das heißt, sie gehen zu einem großen Element und lesen unten, das ist ein, "das sind die Türpfosten eines Palastes, das von Hauptmann Gloning im Jahr 1907 niedergebrannt wurde und das hat er in der Asche gefunden". Dann gehen Sie zum nächsten, und das nächste ist, "das sind die Reste eines Dorfes, die von Hauptmann [...] verbrannt wurde und das haben wir dann erworben". Und dann gehen Sie zum nächsten, das ist eine große Trommel und da steht, diese Trommel diente zur Kommunikation im Widerstand gegen die Deutschen und wurde von Hauptmann So-und-so beschlagnahmt". So, und dann gehen Sie von Stück zu Stück und denken. oder ich, die so sehr und so ehrlich und so gerne die Wahrheit wissen wollte über diese Sammlung und das immer so laut und so öffentlich gesagt habe, gehe da hin und denke: "Nee, also vielleicht wollte ich es lieber nicht wissen", weil dieser Raum kein Museum mehr ist, sondern wirklich ein Denkmal für die verbrannten Dörfer. Und was mich wirklich, wo ich noch nicht klar damit komme gerade, mit dem Humboldtforum ist, mit der Frage, die meine, eine meiner Hauptfragen immer war, ob ein Museum historische Wahrheit überhaupt verträgt oder nicht oder nicht und ich finde, das Humboldtforum zeigt in manchen Räumen, dass die Wahrheit das Museum tötet. Und das schockt mich, weil ich denke "Oh Gott, vielleicht hatten die alten Herren immer recht, wenn sie das alles nicht rausrücken wollten, weil sie wussten, wenn wir damit rausrücken, ist unsere Institution tot". Und ich glaube, in Berlin sind wir genau an diesem Punkt, wo, das Humboldtforum wurde, eröffnet, in vielen Teilen ist die Wahrheit, liegt sie auf dem Tisch in einer etwas brutale Weise, wie so, wenn man einem schlechten Schüler sagt mach mal deine Hausaufgaben und dann schmeißt er die auf den Tisch, also hier, ihr wolltet die Wahrheit haben, hier, bitte. Und ich glaube nicht, dass es so bleiben kann, weil die Objekte können gar nicht mehr als Objekte da sprechen, man kann deren Schönheit überhaupt nicht mehr sehen, man sieht einfach nur nur noch die Reste in der Asche und ich denke, wenn wir das in Berlin wirklich haben wollen und wenn Kamerun das nicht zurückhaben will, dann müssen wir uns ein Konzept überlegen, weil wir können nicht so, oder wir können vielleicht, aber müssen wir darüber sprechen, ein Denkmal für die verbrannten Dörfer Kameruns. Also für mich ist es unangenehm, aber wenn ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus Dschang in Kamerun dort bin ist es nicht nur unangenehm, das ist kaum auszuhalten, im Grunde. #01:06:44-0#

Katharina Mittenzwei: Dankeschön. Ich bin mir ganz sicher, dass auch Sie jetzt schon die eine oder andere Frage haben, wenn Sie eine Frage haben, wir rufen Sie dann auf, es kommt jemand mit dem Mikro zu Ihnen und wenn Sie Lust haben, sagen sie gerne noch ihren Namen dazu und woher Sie kommen oder warum Sie sich für das Thema interessieren, dann können wir das gut einordnen. #01:07:05-3#

Publikumsfrage: Karin Gleichster von der Stadt Nürnberg, Amt für Internationale Beziehungen. Ich wollte fragen, wie jetzt denn der Stand aktuell ist in Frankreich, werden mehr Dinge zurückgegeben nach diesen ersten neun Statuen? Und wie ist der Stand in Deutschland? Man liest so nebulös, es wird zurückgegeben, aber wann konkret das verpackt und verschickt wird, das ist so ganz nebulös dargestellt worden. Gibt es da irgendwelche konkreten Maßnahmen, die wirklich verlässlich sind? #01:07:33-5#

Bénédicte Savoy: Also in Frankreich ist die Situation folgende nach, wir hatten vorgeschlagen in unserem Bericht, dass dieses Kulturerbegesetz komplett einen neuen Absatz bekommt, in dem steht "Ja, Objekte in französischen staatlichen Sammlungen sind "inaliénable", unveräußerlich, aber Novellierung, wenn sie aus kolonialen Kontexten kommen, sollte es doch möglich sein, sie zurückzugeben. Es sollte eine grundsätzliche Veränderung werden, und dazu hat sich das Parlament in Frankreich nicht entscheiden können, sondern sie haben gesagt wir machen Einzelgesetze. Also wenn diese 2,5 Tonnen-Objekte 26 nach Benin zurückgehen, gab es ein Gesetz im Parlament, und zwar mit null Gegenstimmen. Alle waren damit einverstanden. Und dann wurde vor einiger Zeit eine Trommel nach in die Elfenbeinküste zurückgegeben, nach Abidjan und da gab es wieder ein Gesetz. Mein Gefühl ist, wenn es jedes Jahr drei, vier Gesetze gibt, werden sie sich irgendwann entscheiden, diese "loi-cadre" zu machen und sie sitzen auch schon dran, also sitzen Teams dran, die versuchen das. Zu Ihrer Frage, wann werden die die Objekte konkret zurückgebracht nach Nigeria? Das liegt in den Händen von Nigeria, denn dort werden gerade Museen gebaut und das war etwas, was für uns auch, mit Felwine sehr wichtig war, zu sagen, es kann nicht das Tempo der europäischen, schnellen, jungen Präsidenten sein, die sagen, so wie Macron, ich will, dass innerhalb von fünf Jahren alles zurückgegeben wird. Wenn die anderen seit 130 Jahren immer nur Njet gehört haben, müssen die, wenn eine Bereitschaft plötzlich da ist, auch Zeit haben, um sich zu formieren und auch zu überlegen wo wollen wir es haben, wie wollen wir es haben etc. und in Nigeria werden diese Museen gebaut und ich vermute, in den nächsten Monaten werden die Objekte auch tatsächlich rüber kommen. #01:09:35-2#

Publikumsfrage: Ja. Tobias Müller. Ich habe mit Museum gar nichts zu tun, ich bin Psychiater und mich hat der letzte Satz vor dieser Fragerunde, oder einer der letzten von Ihnen so ein bisschen wach gemacht, wo Sie gesagt haben, wenn man das so macht wie in Berlin, wo dann steht diese Trommel ist quasi, ich spitze das mal ein bisschen zu, von einem Massaker übrig geblieben, dann würde man das Museum töten. Und wo ich denke, also ich fand es eher erst mal interessant, natürlich shocking, oder es dreht einem den Magen um, wenn man also mit dem Wunsch nach Erbauung ins Museum kommt, aber, also so spontan fand ich das erst mal irgendwie gut und interessant und warum denken Sie, dass man damit die Institution quasi kaputt machen würde? #01:10:30-3#

Bénédicte Savoy: Man macht sie nicht unbedingt komplett kaputt, aber das, was ein Museum ist seit 200 Jahren, nämlich Institution, die die goldene Seite der Kunst, das Schöne beleuchten, dass man dort erfährt, etwas über die Kulturen etc., das verschwindet in diesem einen Raum auf jeden Fall, weil die Stärke der Information, der historischen Wahrheit, der Fakten, die sind so, so brutal und auch so unverblümt dargestellt und es kommt auch nichts dagegen, sie werden nicht aufgewogen durch etwas anderes. Und was ich glaube, ist, dass es ganz bestimmt eine der großen Aufgabe der jüngeren Generation an Museumsleuten sein wird, in diesen Museen ein Gleichgewicht zu finden oder sich überhaupt die Frage zu stellen, kann man eine solche Brutalität gleichzeitig darstellen mit "Und guck mal, übrigens das Objekt ist sehr, sehr schön und sehr kunstvoll geschnitzt", geht das? Ich denke, es geht. Ich denke, dass manche Museen, zum Beispiel das Museum Rietberg, in der Schweiz, in Zürich so so einen Weg schafft. Das Humboldtforum hat einfach, für mein Empfinden, in diesem Raum nur die historische Wahrheit gegeben und damit sich zu etwas anderem gemacht als ein Museum. Ja, vielleicht ein Mahnmal, ein Denkmal, ein, eine Gedenkstätte, aber dazu braucht man vielleicht nicht großartige Originalobjekte, einzigartige Zeugnisse einer Kultur, um zu erklären, wir haben diese Kultur zerstört, vielleicht kann man das mit etwas anderem machen. Also stellen wir uns vor, die Deutschen haben einen Thron aus Versailles oder so und gedenken den Krieg von 1870/1871, als sie gewonnen haben und zeigen so einen Thron und sagen "Das haben wir in der Asche gefunden". Also ich weiß nicht, das ist, das sind vielleicht nicht die richtigen Objekte für diese Aussage, sagen wir mal und das, aber ich habe keine fertige Antwort. Ich glaube, das ist eine ganz große Frage für die, die jetzt in den Museen arbeiten, sich damit zu auseinanderzusetzen. En francais. Yes. #01:12:49-0#

Publikumsfrage: Bien sur Merci beaucoup. Merci pour la présentation. [Frage auf Französisch] #01:14:54-2#

Katharina Mittenzwei: [Antwort auf Französisch] Die Frage ist, wie können wir aus dem afrikanischen Kontinent, wenn es keine Inventare gibt oder wenn sie nicht gut zugänglich sind, wie können wir wissen, was uns weggenommen wurde? Momentan gibt es in verschiedenen afrikanischen Ländern Kommissionen. In Togo gibt es jetzt eine, es gibt eine in Ghana, es gibt in Nigeria, in Benin etc. Sie formieren sich im Senegal und holen sich jetzt Informationen, um ihre eigenen Listen von ihrem Kulturerbe in der Welt aufzulisten. Das erste Land, was das gemacht hat, in den 70ern, war Sri Lanka. #01:15:34-7#

Publikumsfrage: Merci beaucoup. [Weitere Frage auf Französisch] #01:16:00-5#

Bénédicte Savoy: Die Frage ist, ob ich immer noch mit Felwine Sarr viel Austausch habe und ob wir manchmal gemeinsam auftreten. Ich mache es ganz kurz, vorhin sagte, kam die Bemerkung, dass ich als Weiße mich irgendwie einsetze für die Belange der Schwarzen und ja, das habe ich jetzt am Anfang gemacht, aber ich mein Punkt jetzt nach drei, vier Jahren ist, das ich denke, ich sollte lieber schweigen, weil ich denke, dass die Position von vielen schwarzen jungen Künstlerinnen, Künstler, Filmemacherinnen, Filmemacher, Intellektuelle etc. viel, jetzt viel spannender sind als alles, was wir uns hier in Europa überhaupt die ganze Zeit sagen und ich war vor kurzem in Tamale, im Norden von Ghana, an der Grenze zu Burkina Faso, wo es ein Zentrum eines 35-jährigen Künstlers gibt, Ibrahim Mahama, das ist das tollste, was Sie an Museen je gesehen haben. Dort ist die Zukunft des Museums, und dort hatte ich den Eindruck, ich bin am Nabel der Welt und ich soll aufhören zu schwatzen hier die ganze Zeit, sondern nur noch zugucken und zuhören, was die machen. Und genau, ich sagte zum Schluss, natürlich wenn man eingeladen wird zu sprechen, muss man sprechen, aber im Inneren möchte ich jetzt am liebsten und das tue ich so viel wie ich kann zuhören, beobachten, das Glück haben, in einer Ecke zu sein, wenn tolle Sachen besprochen werden, in Dakar, in Ghana, in Togo etc. und ja, und ich finde, wir sollten viel, viel, viel mehr zuhören und viel mehr die Position von dort hören, weil die einfach viel, viel reicher sind, weil der Zugang zum Objekt dort so, mit viel mehr Schichten ist, als all das, was wir kennen. Und genau, also bin ich eine, die weiterhin schwatzt, aber eigentlich lieber schweigt. #01:17:52-9#

Publikumsfrage: [Frage auf Französisch] #01:18:22-4#

Katharina Mittenzwei: Das ist super spannend, das ist die Frage, also Togo war erst, Togo gehört zu diesen Kolonien, die erst deutsch waren und dann von den Franzosen, oder Kamerun auch, von den Franzosen und den Briten kolonisiert wurden, so dass die Objekte zunächst nach Deutschland kamen, große Sammlung und dann nach Frankreich. Und die Frage war , wie sieht es aus mit Togo gerade? Die Antwort ist nur ganz kurz, also was Togo angeht. Togoland, das deutsche Togo, war größer als Togo heute und war ein Teil von Ghana. Und Togo hat ganz, ganz starke Grenzprobleme oder Grenzensfragen, wie wir in Berlin mit der Oder-Neiße-Grenze, so ungefähr, also diese Grenze von Polen. Und Togo hat das sehr, sehr stark, weil eigentlich Bevölkerungsgruppen, die zusammengehören, dieselbe Religion, dieselbe Sprache haben etc. geteilt wurden und die Objekte kommen, die aus Togo kamen, aus dem deutschen Togo, würden heute nach Ghana zurückgehen. Und der Stand der Diskussion ist, dass jedenfalls die Kollegen in Ghana und Togo sich jetzt sehr stark zusammentun und über sich selbst als Einheit reden und zum Teil sagen, die Restitutionen helfen uns, die sagen, die sagen, mit Restitution schaffen wir, werden wir Berlin abschaffen. Das ist für eine Berlinerin zunächst "Hä, was meinen Sie?" Ja, die Berlinkonferenz. Und diese künstlichen Grenzen werden abgeschaff, mental, durch die Diskussion um das gemeinsame Kulturerbe über die Grenzen hinaus. Und das ist zum Beispiel eine der Sachen, die, an die wir gar nicht denken hier und die so, so spannend ist, finde ich und eine sehr rege Diskussion, ja, bedeuten. #01:20:07-9#

Katharina Mittenzwei: Stark besorgter Blick auf die Uhr. Wir können uns noch eine ganz kurze Frage erlauben. Eine ganz kurze. #01:20:14-9#

Publikumsfrage: Ich bin [unverständlich], ich komme selber aus Lesotho im südlichen Afrika. Also mit der Kunst habe ich eigentlich nicht so viel, ich beschäftige mich mit interkulturelle Kommunikation, aber Ich freue mich, dass ich hier heute sein konnte, eigentlich aus terminlichen Gründen wäre ich nicht hier gewesen. Deswegen möchte ich mich sehr bedanken von dieser lehrreiche, informative Veranstaltung von Ihnen. Und ich habe keine Frage, weil das war so schön, ich war die ganze Zeit einfach so mitgenommen. Ich möchte nur appellieren, weil am Anfang haben Sie gezeigt, über die Jahre, also eigentlich, wie oft dieses Thema behandelt wurde, sei es in Frankreich, in Deutschland, in verschiedenen Gremien und auch in Parlamente und mein Appell ist einfach, dass wir nicht wieder 20, 30 Jahre uns, die hier sitzen auf ein Video da sehen, das wir schon in 2020 darüber gesprochen, aber gar nichts passiert ist. Also wirklich, ich möchte ein großer Appell, lassen wir irgendwas sich tun. Also, es soll wirklich Bewegung da geben. Da gibt es viele Leute, die sich für andere Sache engagieren und man muss einfach immer die Stärke bringen, zu sagen, ich möchte nicht in so ein Museum, jetzt also Teil davon oder da gehen oder in so ein Land, wo wir das und das Thema so unter der Decke, das bringt uns nicht weiter. Wir sind einfach alle Menschen, wir haben alle das Recht hier zu leben und ich finde es so toll, dass das schon angefangen hat, zumindest diese Teile zurück zu geben. Also die müssen wirklich zurück. Ja, danke. #01:22:17-1#

Bénédicte Savoy: Danke. #01:22:17-7#

Katharina Mittenzwei: Ja, herzlichen Dank. Das war eigentlich schon ein ganz grandioses Schlusswort. Wir müssen uns leider von Frau Savoy verabschieden. Herzlichen Dank. Ich habe schon mal gesagt, aber Sie hinterlassen hier wirklich einen Hall. Es ist toll, dass Sie da waren. Ich glaube, die vollen Reihen, die bestätigen uns, dass. #01:22:41-8#

Katharina Mittenzwei: Das war sie, die 68. Folge des Podcasts KontaktAufnahme. Ein Dank geht an dieser Stelle noch an das Amt für Internationale Zusammenarbeit der Stadt Nürnberg und an die Übersetzerin Dagmar Seck, die während der Veranstaltung eine Synchronübersetzung für unsere französischsprachigen Gäste leistete. Tschüss und bis bald, zur nächsten KontaktAufnahme. #01:23:05-4#

Dieses Projekt/Diese Maßnahme/Initiative leistet einen wichtigen Beitrag, Nürnberg schrittweise inklusiver zu gestalten. Es/Sie ist Teil des Nürnberger Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Den Ersten Aktionsplan hat der Nürnberger Stadtrat im Dezember 2021 einstimmig beschlossen. Um die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in Nürnberg zu verwirklichen, wurden und werden umfangreiche Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Weitere Informationen finden Sie unter www.inklusion.nuernberg.de.

„Unwahrheiten machen mich nervös“. Savoy über eine Europäische Amnesie, die Kunst des Zuhörens und dem Herz der modernen Museumswelt in Afrika.

Die 68. Folge der KontaktAufnahme entstand im Rahmen einer BZ-Veranstaltung im Katharinensaal. Bénédicte Savoy, Professorin für Kunstgeschichte der Moderne an der Technischen Universität Berlin, folgte unserer Einladung nach Nürnberg, um über Ihr Buch „Afrikas Kampf um seine Kunst“ zu berichten. Vom Times Magazin wurde Sie als eine der einflussreichsten Frauen der Welt ausgezeichnet. Und das ist auch gut so. Denn Sie selbst sagt von sich „Unwahrheiten machen mich nervös“. Sie engagiert sich in besonderem Maße durch ihre Forschungen zu Kunstraub und bezieht sich dabei auf den 0. Weltkrieg. Also die massenhaften Kolonialkriege von Europa. Prof. Savoy hat sich die Fragen gestellt, welchen Zusammentreffen es zuzuschreiben ist, dass die ersten Restitutionsforderungen, die bereits in den 70er Jahren gestellt wurden, nicht nur nicht umgesetzt, sondern schlichtweg einfach vergessen wurde. Es geht also um die verpasste Chance, afrikanisches Kulturgut im Sinne einer postkolonialen und postrassistischen Solidarität zurückzugeben. Wie konnte diese kollektive Amnesie über Europa kommen? Ihr Plädoyer ist so simpel wie wichtig „Wir müssen endlich die Perspektive des Afrikanischen Kontinents mehr wahrnehmen!“. Berührend und sachlich berichtet Savoy darüber, wie Emotionen in den 80er Jahren von Europäischer Seite vergraben und Forderungen durch Geschichtsklitterung übergangen wurden. Und wie sieht es nun in der Gegenwart eigentlich aus: wann wird welches geraubte Kulturgut an wen wie zurückgegeben?
Bereichert wurde das Gespräch durch die Anwesenheit und Wortmeldungen der Togolesischen Delegation der beiden Nürnberger Partnerstädte Sokodé und Aného. Ein Dank geht an dieser Stelle noch an das Amt für Internationale Zusammenarbeit der Stadt Nürnberg und die Übersetzerin Dagmar Seck, die während der Veranstaltung eine Synchronübersetzung für unsere französischsprachigen Gäste leistete.


Anmerkung: Kurze, französischsprachige Sequenzen gegen Ende der Aufnahme werden vollständig übersetzt.

 

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Aufgenommen am: Mittwoch, 23. September 2022
Veröffentlicht am: Donnerstag, 06. Oktober 2022
Moderation: Katharina Mittenzwei
Im Gespräch: Prof. Dr. Bénédicte Savoy

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Alle weiteren Folgen von KontaktAufnahme – der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg finden Sie hier. Wir sind mindestens jeden zweiten Donnerstag mit einer neuen Folge online, manchmal öfters.
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