Andrea Kuhn, stehen wir an der Schwelle zu einer Corona-Diktatur?
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Ansage: KontaktAufnahme. Der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg. #00:00:10-8#
Grazyna Wanat: Herzlich willkommen zur neuen Folge des Podcasts Bildungszentrum Nürnberg. Mein Name ist Grazyna Wanat und ich spreche heute mit Andrea Kuhn, Leiterin des Menschenrechtsfilmfestivals in Nürnberg. Andrea, wie viele Filme pro Jahr schaust du dir an? #00:00:34-8#
Andrea Kuhn: Ganz genau weiß ich es nicht, aber so zwischen drei und 400 Filme werden schon sein pro Jahr. #00:00:40-2#
Grazyna Wanat: Wahnsinn. Und natürlich gibt es Zeiten, wo es deutlich mehr sind. Und Zeiten, wo du keine Lust auf Kino hast oder die Zeiten gibt. #00:00:48-6#
Andrea Kuhn: Die gibt es nicht. Nö, das nicht. Ich liebe ja Filme. Ich mache das ja nicht nur als harte Arbeit, sondern weil ich es wirklich liebe. Und im Kino kann ich mir auch mal andere Sachen anschauen, als was ich jetzt beruflich anschaue. Aber ich genieße jeden guten Film und ich muss natürlich arbeitstechnisch auch sehr viele sehr schlechte Filme zum Teil gucken. Ja, das ist so, das ist der richtige Arbeitsteilung. Aber wann immer ein schöner Film kommt, ist es eine reine Freude. Und wenn dann noch ein schöner Film außerhalb der Arbeit im Kino läuft, dann schaue ich den mit der gleichen Begeisterung an, wie wenn ich diesen Job nicht hätte, glaube ich. #00:01:25-5#
Grazyna Wanat: Zu den schlechten Filmen hätte ich gleich eine Frage passiert. Also du. Du wählst natürlich kuratiert ein Festival und wählst Filme aus. Passiert dir das auch, dass du einen schlechten Film? Würde ich nicht sagen, aber einen so lala guten Film nimmst, nur weil das Thema wahnsinnig wichtig ist oder andere Gründe dafür sprechen, dass man den Film unbedingt zeigen sollte. #00:01:48-9#
Andrea Kuhn: Also das gibt es. In sehr seltenen Fällen werden wir sagen als solidarischer Akt soll dieses Thema oder diese Person ins Zentrum rücken dürfen. Das sind aber sehr seltene Ausnahmen, die wir eigentlich versuchen zu vermeiden, weil es immer schwierig ist, wenn dann jemand anders im Publikum den Film auch richtig grauenvoll fand. Und man muss ja doch da stehen und das verteidigen. Also wir kennen natürlich unser Publikum inzwischen auch ganz gut und wissen auch, dass der Geschmack des Publikums oft ein anderer ist als unserer. Das heißt, es gibt auch Filme, von denen wir ziemlich sicher sind, dass sie gut laufen werden und auch also positive Reaktionen haben werden, obwohl wir den Film nicht mögen. In der Regel zeigen wir solche Filme nicht. Aber wie gesagt, es kann mal sein, dass wir finden, ein Thema ist so unterrepräsentiert oder es droht gerade so aus den Nachrichten, aus dem allgemeinen Diskurs auszubrechen, dass wir es irgendwie hochhalten wollen, dann ja. Aber das ist, wenn nur als kleiner solidarischer Akt zu verstehen und ist überhaupt keine Maxime fürs Programm. Also eigentlich keine schlechten Filme für uns. #00:03:01-7#
Grazyna Wanat: Genau. Also ein Festival der Menschenrechtsfilme. Das beinhaltet Kino und das beinhaltet Menschenrechte. Was ist da für dich wichtiger? #00:03:12-8#
Andrea Kuhn: Der Film. #00:03:15-0#
Grazyna Wanat: Der Film? #00:03:16-0#
Andrea Kuhn: Also wir sind ja. Ja klar, um auch zu sagen, wo wir sind, auch in diesem Menschenrechtsdiskurs. Wir sind keine Aktivistinnen, wir sind keine Menschenrechtsorganisation, die zu bestimmten Themen informiert, sondern wir sind sehr dezidierten Filmfestivals. Das heißt, wir konzentrieren uns auf künstlerische Filme als politischen Akt. Das ist unser Rahmen, in dem wir fungieren. Und da kann das oberste Kriterium eigentlich für uns immer nur sein Kino, Kino, Kino mit, mit einem politischen Anspruch. Wenn wir das aufweichen würden, wären wir, glaube ich, nicht mehr, was wir sind. Dann könnten wir auch, ich sage es mal anders Design ohne es abwerten zu wollen, aber die machen eine andere Arbeit als wir. Die informieren und wir nehmen das Mittel der Kunst um. Wir suchen uns ein bestimmtes Segment aus all den tollen Filmen, die es gibt, heraus, weil wir sagen, das sollen Leute sehen. Es hat immer eine ästhetische Komponente, die ganz wichtig ist, weil wir sagen, man kann. Man kann über politische Themen nicht sprechen, ohne auch einen politischen, ästhetischen Zugang zu haben. Wir schmeißen Filme raus, weil wir sie unethisch finden oder sogar entpolitisiert, obwohl sie sehr ein politisches Thema präsentieren. Also von daher. Oberste Prämisse für mich ist das Kino. Das ist mein Job. #00:04:34-3#
Grazyna Wanat: Und wenn du sagst, wir, was heißt das dann? #00:04:37-6#
Andrea Kuhn: Wie heißt unser Programm Team? Also das ganze Festivalteam, das für das Programm auch gerade steht und die Menschen auch innerhalb des Festivals, aber auch vom Film aus Nürnberg, die ihre ganze Expertise da reinschmeißen und mit denen ich gemeinsam eine ganze Woche lang sehr, sehr heiß über Filme diskutiere. Über die Vorzüge, Nachteile, wer was mag, wer was problematisch findet. Und das sind sehr, sehr fruchtbare Diskussionen, die eigentlich fast einer der Höhepunkte der Festivalarbeit sind. Gemeinsam so intensiv über Filme und Themen zu sprechen, um dann am Ende ein hoffentlich möglichst breites und interessantes und abwechslungsreiches Programm zu haben, das aber sozusagen den politischen Anspruch nicht verliert und auch den künstlerischen nicht. #00:05:29-5#
Grazyna Wanat: Und wie viele seid ihr? #00:05:31-9#
Andrea Kuhn: Ist unser kleines Team. Also beim letzten Festival waren wir im Moment. Zu sechst im Programmteam. #00:05:41-3#
Grazyna Wanat: Oh, okay. Tatsächlich? Klein? Ja. #00:05:44-5#
Andrea Kuhn: Ja, wir haben ja Gott sei Dank ganz tolle ehrenamtliche Helferinnen und Helfer. Das sind dann noch mal fast um die 40, sich die zustoßen. Wir haben jedes Jahr oder jedes Festival Praktikantinnen, ohne die gar nix ginge von Wir kriegen natürlich vom. Von unserer Heimat, also vom Kunst Kulturquartier, von der Stadt Nürnberg auch Technik und Technikerinnen zum Beispiel gestellt. Das heißt, auch die verstehen wir als Teil unseres Teams, die Filmvorführer, aber eben auch die Menschen, die für uns ehrenamtlich die Tickets abreißen, die Menschen, die sich um Kopfhörer bei Übersetzungen kümmern, also all diese Sachen, die wir brauchen, die Hände, die wir brauchen und die uns dankenswerterweise sehr, sehr großzügig zur Verfügung gestellt werden. #00:06:31-7#
Grazyna Wanat: Das heißt, du sagst, die Stadt Nürnberg unterstützt euch. Ihr seid kein Festival der Stadt Nürnberg? #00:06:39-4#
Andrea Kuhn: Nein, wir sind ein eingetragener Verein. Wir fungieren komplett unabhängig. #00:06:43-7#
Grazyna Wanat: Was nicht schlecht ist, oder Das. #00:06:46-1#
Andrea Kuhn: Ist nicht nur schlecht. Ich glaube, das ist für dieses Thema auch sehr notwendig, weil ein bisschen Distanz braucht. Es braucht es auch, glaube ich, gerade auch in der Stadt die Stadt des Friedens und der Menschenrechte ist. Ich glaube, irgendwo muss eine gewisse Reibung her und die Reibung ist gesund für alle und kann auch mal von unserer Seite kommen. Gleichzeitig ist aber die Stadt Nürnberg der größte Förderer des Festivals, also auch Geld bezogen und stellt uns natürlich die gesamte Infrastruktur, ohne die wir so gar nicht fungieren könnten. Also das Künstlerhaus mit dem Filmhaus, den Leinwänden dort, wie gesagt, den Technikern und Technikerinnen und und insgesamt sehr viel Unterstützung auf allen Seiten und auch Wohlwollen, das für uns natürlich schon wichtig. #00:07:30-8#
Grazyna Wanat: Gibt es auch Versuche der Einflussnahme auf das Programm oder auf Themen oder Personen? #00:07:38-9#
Andrea Kuhn: Nein, also eigentlich nicht wir. Das würden wir uns aber auch ein bisschen verbieten, würde ich jetzt mal sagen. Und dazu kommt aber natürlich auch der Punkt, dass wir unser Programm relativ spät veröffentlichen, das heißt bis dass. #00:07:50-9#
Grazyna Wanat: Es zu. #00:07:51-3#
Andrea Kuhn: Spät ist. Das Kind im Brunnen also. Das gibt es nicht. Aber natürlich haben wir schon Diskussionen und auch Sonderveranstaltungen, die wir machen, wo, wo man vielleicht auch mitbekommt, dass die die Zielrichtung unter Umständen auch mal auseinandergeht. Oder bei unserer Eröffnung in der Tafelhalle ich natürlich auch mal die Gelegenheit nutze, wenn ich schon eine Eröffnungsrede halten darf, auch noch mal in Nürnberg an meinen eigenen Maßstäben zu messen. Ich glaube, das ist gesund und auch ganz notwendig, dass wir das immer wieder machen, damit Nürnberg, dieses Label Stadt des Friedens und der Menschenrechte, auch zu Recht tragen und behalten kann. #00:08:29-0#
Grazyna Wanat: Wenn ich das jetzt sagen darf Ich liebe deine Eröffnungsreden, Du sprichst immer toll und treffend. #00:08:36-1#
Andrea Kuhn: Ja, ich habe ja nur alle zwei Jahre die Gelegenheit was zu sagen und dann Warum alle nutzen? #00:08:41-6#
Grazyna Wanat: Ja, aber warum? Warum eigentlich? Warum nicht jedes Jahr? #00:08:44-6#
Andrea Kuhn: Das hat was mit unserer Struktur zu tun. Also wir sind wirklich sehr klein. Das Festival selber hat anderthalb Stellen, die nicht besonders gut finanziell ausgestattet sind und so ein großes Festival jedes Jahr zu stemmen mit so viel freiwilliger, ehrenamtlicher Zuarbeit, ist eigentlich nicht wirklich sinnvoll machbar. Und wir sagen, dass es eigentlich gut funktioniert, das zwei jährlich zu haben. Wir haben eine viel bessere Auswahl. Wir können nämlich aus dem ganzen Schatz von Filmen von zwei Jahren schöpfen. Das ist ganz gut. Wir haben mehr Filme, die wir zeigen wollen als Programmplätze. Wir kommen nicht in die Situation, wo wir irgendwas füllen müssen und dann halt den Film nehmen oder den, weil naja, irgendwie bräuchten wir schon noch was und der ist zwar nicht toll, aber er tut auch nicht weh. Die Situation haben wir eigentlich nicht, das ist sehr luxuriös und so können wir doch die Kräfte sparen, weil das Festival Jahr ist für alle. Also ein bisschen so eine Horrortour, weil es einfach heißt, dass wir ein halbes Jahr rund um die uhr nur arbeiten. Und das ist nicht gesund. Und es sollte auch nicht jedes Jahr so sein. So kann man inzwischen ja ein bisschen kürzer treten Zum einen. Und zum anderen braucht man ja auch mal Zeit zum Reflektieren und für mich zum Beispiel zu anderen Festivals zu reisen, um neue Filme zu finden. #00:10:03-5#
Grazyna Wanat: Ist das nicht toll? #00:10:05-2#
Andrea Kuhn: Ja, ja. Ich beschwere mich nicht, dass mein Traumjob. Also ich komme viel rum und das geht aber im Festivaljahr selber zum Beispiel nur eingeschränkt. Also im März ist eigentlich Schluss und dann ist sozusagen Hausarrest. Filme gucken. Und in diesen zwei Jahren passiert dann mehr das Netzwerken. Der Kontakt zu neuen Filmschaffenden, zu neuen Festivalkolleginnen und die Überlegungen, was man eigentlich macht, ob das so gut ist, ob man es ändern sollte, wie es weitergeht, Das machen wir dann, wenn ein bisschen mehr Ruhe ist. #00:10:36-2#
Grazyna Wanat: Und zum Festival werden auch Gäste eingeladen. #00:10:40-1#
Andrea Kuhn: Oh ja, Jede Menge. So viel, wie wir uns leisten können. #00:10:43-5#
Grazyna Wanat: Genau. Genau. Und manche von ihnen betreust du dann teilweise rund um die uhr. #00:10:49-0#
Andrea Kuhn: Ich betreue alle meine Gäste und meine Gäste. Da kommt mir nichts dazwischen. #00:10:52-4#
Grazyna Wanat: Genau. #00:10:53-4#
Andrea Kuhn: Das ganze Team macht das natürlich. Aber für mich ist ja die größte Freude, dass die Leute kommen. Ja, wir laden auch niemanden ein, weil weil wir es nicht besser wissen, sondern wir laden die Leute ein, auf die wir uns freuen, mit denen wir über ihre Filme reden wollen. Manche sind sozusagen treue Weggefährten und Weggefährten. Also Filmschaffende, denen wir uns auch sehr verbunden fühlen, die kontinuierlich tolle Sachen raushauen und wo wir uns freuen, wenn wir sie wieder haben dürfen bei uns. Andere sind Menschen, die wir noch gar nicht kennen, die wir kennenlernen wollen. Und Also für mich ist das das Schönste am Festival, dass die Gäste da sind und ich möchte mit allen so viel Zeit verbringen, es irgendwie geht. #00:11:29-3#
Grazyna Wanat: Aber trotzdem gab es Reinfälle, also Gäste? #00:11:35-2#
Andrea Kuhn: Ja. #00:11:36-0#
Grazyna Wanat: Die dich enttäuscht haben. #00:11:37-7#
Andrea Kuhn: Oh ja. #00:11:39-1#
Grazyna Wanat: Vornehm ausgedrückt natürlich. Es gab furchtbare Gäste. #00:11:42-8#
Andrea Kuhn: Und was war so schrecklich an deinen Namen? Musst du nicht nennen. Kannst du aber. Nein. #00:11:49-7#
Grazyna Wanat: Das würde ich jetzt nicht machen. Aber sagen wir so. Also, vorsichtig formuliert. Also, Menschen ohne Humor sind schon insgesamt ein bisschen schwierig. Und ich finde es ganz wichtig, dass man sich selber ernst nimmt als Person. Das heißt aber nicht, dass man. Man sollte das nie auf Kosten anderer Menschen machen. Und ich glaube, es gibt Menschen, die sind etwas zu viel hofiert worden in ihrem Leben. Und das überträgt sich dann auf den Umgang mit anderen Menschen. Und das ist etwas, was für uns schon wichtig ist. Und da geht es jetzt nicht nur um den Umgang zum Beispiel mit mir als Festleiterin, sondern auch mit unserem Publikum oder mit meinen Praktikantinnen. Ein Gast, der bei uns ist, der sollte zu allen Menschen korrekt sein und auch Lust haben, bei uns zu sein. Also wir wollen eigentlich niemanden hofieren und die irgendwie bei Laune halten müssen, sondern wir wollen den Austausch gehen und wir brauchen dafür auch Menschen, die dafür offen sind und die darauf Lust haben. Nicht nur Leute, die man irgendwie, also mit Verlaub, den Arsch hinterhertragen muss oder die alle zwei Sekunden bestätigt haben müssen, wie wichtig sie sind. #00:13:03-3#
Andrea Kuhn: Und dass so so benehmen sich wirklich die Wichtigen, also mit einem super bekannten Namen, oder? Nicht unbedingt. #00:13:10-4#
Grazyna Wanat: Also tendenziell mehr von denen als von den anderen. Was dazu geführt hat, dass wir jetzt auch beschlossen haben, auf große Namen gänzlich einfach in Zukunft zu verzichten. #00:13:20-7#
Andrea Kuhn: Ach, tatsächlich? #00:13:22-1#
Grazyna Wanat: Weil wir sagen, dass das gar nicht das ist, was wir wollen. Das macht man so, weil es wird gesagt, man müsse es so machen. Also Prestige. #00:13:31-3#
Andrea Kuhn: Sache ist Prestige. #00:13:33-1#
Grazyna Wanat: Für die Pressearbeit, sonst kommt da keiner. Um den Wert des eigenen Festivals darzustellen. Und wir haben uns zusammengesetzt und haben gesagt Wer uns daran misst, hat etwas nicht verstanden. Und das ist gar keine Messlatte, die wir uns, die wir akzeptieren wollen und wir über jetzt fast, also die 20 Jahre dieses Festival jetzt gibt, haben wir ganz viel Unterstützung gehabt von sehr prominenten Leuten, zum Teil auch bei unseren Eröffnungsfeiern. Und das war gut und wichtig und und toll. Und jetzt sagen wir, es gibt seit 20 Jahren. Wir haben jetzt Festivalausgaben hinter uns. Wir haben Lust, unserem Publikum die Leute zu zeigen, die wir für die eigentliche Stars halten. Guckt euch doch die an, weil da könnt ihr wirklich was entdecken. Das sind tolle Filme, tolle Leute, Vertraut uns und kommt mit auf die Reise. #00:14:26-4#
Andrea Kuhn: Die anderen sind schon entdeckt. #00:14:28-9#
Grazyna Wanat: Sie sind entdeckt und es kann eigentlich auch nicht sein, dass ich das alle unsere Ressourcen in einen Gast reingehen. Und unsere Ressourcen sind ja immer noch eigentlich zu wenig. Also was Geld angeht, was Zeit angeht und Aufmerksamkeit. Und eigentlich haben wir ganz tolle Leute und die verblassen dann so in diesem Starlicht. Die sollen eigentlich ins Spotlight kommen. Und bei unserer letzten Festivaleröffnung im letzten Oktober hat das ja super funktioniert. Wir hatten ganz, ganz tollen Eröffnungsfilm. Wir mussten keine Kompromisse machen filmisch, weil wir keinen Star hatten, dessen aktuelle Produktion wir dann zeigen mussten. Das Publikum hat den Film geliebt, das Publikum hat unsere Gäste geliebt, Wir haben unsere Gäste geliebt, unsere Gäste haben uns geliebt. Es war also. Liebe überall. Und das war. Das war toll, weil wir das Gefühl hatten, es übersetzt sich. Es waren. Vielleicht waren es waren es 50 Leute weniger als bei einem größeren Star, die da waren. Aber die sind alle geblieben. Die haben nicht nur gewartet. Da kommt der Star, die gucken wir uns jetzt mal eben an und dann gehen wir heim. Das stimmt. Die Leute im Film angeschaut und die kamen nachher ins Gespräch. Und das ist eigentlich das, was wir machen wollen. Und wir nehmen uns das Recht, das, was wir für sinnvoll halten, auch zu tun. Ich muss es dann halt als Leiterin übersetzen, an die Presse, an die Geldgeber und so, aber das mache ich gerne, weil. Ich arbeite in der Kultur, das weißt du selber. Wir machen das ja nicht wegen des Geldes, weil nein, dann wäre wir komplett falsch aufgehoben. Dafür ist die Bezahlung viel zu viel. Zu niedrig. Sollen wir machen? Also ich mache es, weil ich. Weil ich das toll finde. Und weil ich an etwas glaube. Und warum soll ich mir dann von anderen Leuten eigentlich noch vorschreiben lassen, wie das am besten zu tun ist, wenn es sich nicht richtig anfühlt? Und mit unserem Publikum habe ich auch den Eindruck, dass wir so viele tolle Leute haben, die das Festival sehr schätzen, die das auch verstehen und dass die auch mitgehen. #00:16:30-3#
Andrea Kuhn: Und. #00:16:31-6#
Grazyna Wanat: Warum sollte ich dann irgendwas anders machen? Das haben wir jetzt ganz bewusst so gemacht mit den Stars, dass wir uns eigentlich viel mehr auf unsere Leute konzentrieren wollen, auf die Leute, die toll sind, die tolle Filme machen, die zum Teil von sehr weit weg kommen. Und das war sehr heilsam im letzten Festival. Es war wohltuend, weil man muss auch realistisch sagen, wir sind ein Festival, also in Nürnberg, ein großes Festival in der Festivallandschaft. International natürlich nicht. Das heißt, warum sollten Leute zu uns kommen? Also entweder Sie waren noch nie in Nürnberg, interessieren sich zum Beispiel für die Nazivergangenheit und versprechen sich was von der Stadt und sagen die Einladung des Festivals kommt mir gerade gelegen, dann kann ich Nürnberg anschauen. Oder sie kommen, weil sie was Gutes über uns gehört haben. Weil Kolleginnen gesagt haben Das ist ein super schönes Festival, da wirst du dich wohlfühlen. Da gibt es interessante Filme zu sehen und tolle andere Gäste. Oder weil wir sie schon mal da hatten und die Beziehung so stark ist, dass sie Lust haben, wieder mit uns Zeit zu verbringen. Was anderes haben wir nicht. Wir haben kein großes Geld, wir haben keinen Ruhm. Also auch wenn du bei uns gewinnst, würde es jetzt deinen Film nicht aus der Autorität in den in den Star Himmel schießen? Ja, da müssen wir realistisch sein. Aber wir haben was zu bieten, was Athmosphäre, Herzlichkeit, Gastfreundschaft und Wertschätzung angeht. Und das bekommen wir auch von den Filmschaffenden oft zurückgespiegelt, dass sie sich bei uns sehr gesehen fühlen und als und gewertschätzt, als Person, aber auch als Künstler und Künstlerin. Das ist uns auch ganz wichtig. Und wenn das dann klappt und es klickt, dann sieht man sich halt öfters. #00:18:14-9#
Andrea Kuhn: Ich muss sagen, als Leiterin der polnischen Filmwoche verstehe ich das sehr gut, weil es bei uns genauso funktioniert, sind die gleichen Motive. Und auch die Schauspieler oder Regisseure oder Regisseurinnen kommen nicht wegen dem Geld, sondern genau. #00:18:28-8#
Grazyna Wanat: Warum sollte. #00:18:29-4#
Andrea Kuhn: Sie. #00:18:29-9#
Grazyna Wanat: Zu unseren Veranstaltungen kommen, wenn es nicht. Wenn es nicht was anderes gibt, jenseits von Ruhm und Geld? Das haben wir nicht. Aber wir haben was anderes zu bieten. Und ich glaube, das ist auch die Stärke von kleineren Festivals oder von deiner Filmwoche, dass wir eben was bieten, was die Großen überhaupt nicht können. Also bei der Berlinale oder in Cannes. Da werden Regisseure zwar eingeladen und haben eine große Premiere, aber ansonsten hocken die auf ihrem Hotelzimmer. Die haben überhaupt gar keinen Kontakt zum Festival, selbst zu Leuten. Und bei uns? Wir gehen auf die Michaelis Kammer. Ich nehme meine Gäste dahin mit der Festivalparty und ich gehe erst ins Bett, wenn der letzte Gast das Zentrum verlassen hat. Das kommt dann halt an und dann. Das sind unsere Argumente, warum die Leute kommen sollen. #00:19:18-0#
Andrea Kuhn: Hm. Ja, wir sprechen jetzt am 19. August 2020, und es gibt nach wie vor in Deutschland ganz viele nicht ganz kleine Demos gegen Corona Regeln. Und ich wollte dich fragen Als Spezialisten für Menschenrechte leben wir jetzt gerade in einer Corona Diktatur oder an der Schwelle? Und sind diese Demonstranten möglicherweise unsere Verbündeten im Kampf für die Menschenrechte? #00:19:48-8#
Grazyna Wanat: Nein, ganz und gar nicht. Und den würde ich einmal empfehlen, jetzt zum Beispiel nach Weißrussland mal eben rüber zu fahren. Erleben Sie mal, was eine Diktatur eigentlich ist. Das sind Menschen, die wissentlich oder unwissentlich Sache machen. Gemeine Sache machen mit Rechtsradikalen. Das sind nämlich die Leute, die das an diese Demos anmelden. Das sind Menschen, die es als Zumutung empfinden, zum Wohle anderer Menschen, nicht für sich selbst mal ab und zu eine Maske anzuziehen. Und die wählen irgendwas mit dem Grundgesetz oder der Verfassung durch die Gegend. Das halte ich für absurd. Es ist fehlgeleitet und es ist vor allem da kann mir jeder sagen Ja, aber es sind ja nicht alle Nazis, die da sind. Kann schon sein. Aber ihr lauft damit Antisemiten mit Homophoben, mit Sexisten und mit Ultra Rassisten, die gewaltbereit sind. Und zwar auf jeder dieser Demos. Und die Leute werden angefüttert über diese ganzen WhatsApp oder Telegram Gruppen speziell. Da wird in rechte Propaganda auch noch irgendwie und mundgerecht verpackt. Nein, Corona DemonstrantInnen sind keine Verbündeten und die sollten sehr sehr vorsichtig sein, den Begriff Diktatur in Mund zu nehmen. Also was für ein Witz. Es geht darum Rücksicht zu nehmen, aufeinander und auf Menschen, die sich vielleicht nicht aussuchen können, ob sie. Ob sie glauben, dass sie was überleben oder nicht. Es sterben reale Menschen. Die sollen einfach nur mal reden mit meinen Kollegen in Italien oder in Spanien. Was die erlebt haben und was wir Gott sei Dank nicht erlebt haben, weil hier Regeln gelten. Man muss immer gucken, Das? Dass die staatliche Macht nicht übergriffig wird? Zu sehr. Aber ich glaube, eine Maske gelegentlich aufzuziehen. #00:21:31-9#
Andrea Kuhn: Genau. #00:21:32-7#
Grazyna Wanat: Andere Menschen zu beschützen, das ist absolut zumutbar. Es sollte überhaupt nicht darüber diskutiert werden. Und diese Art von narzisstischen Egoismus, den diese Leute an den Tag legen, da fehlt mir jedes Verständnis dafür. Und dann sollen die mal nach links und rechts schauen, wenn sie nicht eh schon selber rechts sind, mit wem sie da eigentlich auf dem Platz stehen. Und dann sollten die aber ganz schnell weggehen, dann zieht euch eure Maske auf, geht zu Black Lives Matter, die brauchen Unterstützung. Da geht es um wirklich was. Aber nicht um Corona, sag ich jetzt mal so. #00:22:05-4#
Andrea Kuhn: Stichwort Black Lives Matter. Ich mache mir auch viele Gedanken über die Sprache, die wir sprechen. Die Sprache verändert sich. Es gibt Begriffe, die okay sind und auf einmal sind sie nicht mehr okay. Und oft weiß man nicht, wo man sich gerade befindet und was man sagen darf, was man nicht sagen darf. Was ist gerade politisch korrekt und was nicht? Und deswegen wollte ich mit dir ein bisschen sprechen über so Gruppen Bezeichnungen, die gerade auf dem Markt sind, sozusagen verwendet werden und in welchen Kontexten, was sie bedeuten. In welchen Kontexten darf man sie sagen oder überhaupt nicht sagen? Also eben gibt es eine ganze Bezeichnungsgruppe und da sage ich ein paar, zum Beispiel Schwarz oder PoC als Abkürzung für Person of Color und People of Color. Dann gibt es auch noch BI, PoC oder farbig. Was sagt man und was bedeutet das? Und warum gibt es so viele? #00:23:12-5#
Grazyna Wanat: Das kann ich dir natürlich im Prinzip nicht beantworten, weil ich bin selber weiß. Also die Frage ist, glaube ich, immer versuchen, möglichst sensibel mit Sprache umzugehen, den historischen Kontext von Begriffen zu verstehen und eine ganze Reihe Begriffe, die vor 30 40 Jahren noch üblich gewesen wären, tauchen in deine Liste Gott sei Dank nicht mehr auf. Ich glaube, es geht darum zuzuhören bei Menschen, die mit diesen Begriffen bezeichnet werden. Was sie dazu sagen. Und wenn mir jemand sagt, ich akzeptiere diesen Begriff nicht oder ich finde ihn verletzend, dann muss ich mir Gedanken machen, dann kann ich das erst mal akzeptieren und halt mal kurz die Klappe. Statt zu erklären, warum das gar nicht verletzend gemeint ist, oder? #00:24:00-3#
Andrea Kuhn: Ja, das passiert oft, dass die Leute das ist gar nicht schlimm, das haben wir doch schon immer. #00:24:04-9#
Grazyna Wanat: Gesagt gemeint, Weißt du, das ist doch. Nein, nein, nein, nein, nein, Das war. Nee, nee, Das hast du falsch verstanden. Ja, genau. Und denk mir. Solche Begrifflichkeiten verletzen und ich will niemanden verletzen. Und solange es für mich kein kein Ding der Unmöglichkeit ist, auf den Begriff zu verzichten. Ja, wenn mir jemand sagt, ich möchte das. Ich möchte diesen Begriff nicht nicht benutzt wissen, benutze ich ihn schlicht und ergreifend nicht, weil das tut mir nicht weh, einen anderen zu suchen. Aber ich muss hören, was die, was mein Gegenüber oder auch eine größere Gruppe im öffentlichen Diskurs dazu sagt. Ich kann das nicht entscheiden. Ich kann auch nicht sagen, was richtig oder falsch ist, aber ich kann immer darauf hören, wenn mir jemand sagt das ist verletzend, das ist rassistisch. Das möchte ich nicht. Und wenn es mir möglich ist, kann ich einen anderen Begriff nehmen, weil das tut mir viel weniger weh als der Person, die ich mit dem Begriff möglicherweise verletzt habe. So also habe ich das. #00:25:01-9#
Andrea Kuhn: Ja, also klar, diese schlimmen Begriffe habe ich gar nicht auf die Liste aufgenommen. Aber ich glaube, der Begriff farbig gehört eigentlich auch schon dazu, weil man glaube, dann hört man auch nicht so gerne. #00:25:14-2#
Grazyna Wanat: Aber das ist natürlich auch historisch. Ist das auch ein Begriff, der, der ja auch dann schwierig ist, was ja bezeichnet ist, ob dann People of Colour oder Person of Colour ist moderner bezeichnet, aber im Prinzip wäre eine Übersetzung etwas ähnliches. Aber auch wenn man dann nach Südafrika schaut und dort die Apartheid Nomenklatura, da bekommt der Begriff der Coloured ja auch vor und bezeichnet nicht Schwarze, sondern Menschen, die nicht so schwarz sind, wie man Schwarze definiert hat, aber nicht weiß. Das hat auch eine hierarchische Ordnung gehabt. Also schwierig. Ich versuche. Ich versuche mich zu vergewissern, wenn ich mit jemandem rede, was für sie der richtige Begriff ist. #00:25:57-5#
Andrea Kuhn: Genau. Aber das ist einfacher. Aber wie? Zwei können uns auch unterhalten über verschiedene Themen und trotzdem brauchen wir Begrifflichkeiten und es ist oft schwer, diese zu finden. #00:26:08-3#
Grazyna Wanat: Das ist schwer. Und vor allem ist auch die Frage Wen meinen wir eigentlich? Also mit wenn es um Rassismus geht, sind in Deutschland natürlich schwarze Menschen definitiv sehr stark davon betroffen. Genau. Aber ja zum Beispiel auch ganz viele Menschen, die vielleicht von anderen Leuten, also in Polizeigeschichten werden als südländisch ertyp bezeichnet. Ja, genau, das ist ja nur eine Verklausulierung für vielleicht türkischstämmig, vielleicht arabischstämmige. Nicht weiß genug, weil ob die Leute, was die im Pass stehen haben oder so, interessiert ja eh gar keinen, das wird ja so klassifiziert. Also da kann ja auch jeder Biodeutsche total darunter fallen, wenn die Züge etwas dunkler sind, die Haare dunkel, vielleicht noch kraus. Also wenn meine ich damit meine ich konkret. Menschen, die sich in der Selbstbezeichnung wahrscheinlich als schwarz bezeichnen würden. Oder meine ich Menschen, die nicht so weiß sind, wie manche Leute sich das hier so vorstellen, wie die Leute zu sein hätten, dann würde ich für den Begriff vielleicht nicht Weiße verwenden. Ja, aber es ist schwierig. Ich glaube, ich denke, das ist auch gut, dass es schwierig ist, dass man. Wir sind halt gezwungen, uns jetzt inzwischen auch mal drüber nachzudenken und das finde ich ganz gut. Ich glaube auch, solange man sich ernsthaft bemüht, wird man im Austausch bleiben und da wird auch keiner kommen und sofort mit dem Finger auf eine zeigen. Möglicherweise kommt jemand und korrigiert und dann kann man ja selber noch mal nachjustieren oder. #00:27:35-2#
Andrea Kuhn: Stimmt. #00:27:35-6#
Grazyna Wanat: Oder was finden. Aber ich glaube, es ist ganz wichtig, dass man zuhört. Welche Begriffe verwenden Menschen selbst als auch als Gruppenbezeichnung zum Beispiel? Und wenn mir jemand sagt, das stört mich oder dieser Begriff ist aus dem und dem Grund problematisch, kann man ihn ja mal versuchen aus dem Vokabular zu streichen, weil so in der Regel können wir uns ja trotzdem noch ausdrücken. #00:27:57-9#
Andrea Kuhn: Na ja, stimmt ja. Aber oft werden eben diese englischen Abkürzungen wie PoC benutzt und das ist schon ein bisschen schwer zu handhaben, auch in der Sprache. Also es fehlen glaube ich in der deutschen Sprache auch passende Begriffe. Aber die Erfindung von neuen Begriffen funktioniert oft auch schwierig. Da hatte ich noch ein Begriff, zum Beispiel Menschen mit Migrationshintergrund oder Migrationshintergrund. Was hältst du davon? #00:28:24-6#
Grazyna Wanat: Also ein Kollege von mir hat mal vorgeschlagen, wir sprechen stattdessen lieber von uns als Menschen mit Nazihintergrund. #00:28:31-8#
Andrea Kuhn: Okay. #00:28:35-0#
Grazyna Wanat: Da würde man mal die Bezeichnungen umdrehen und und auch mit so einem Totschlagargument mal alle, die weiß ich nicht Biodeutsch, deutschdeutsch, autochthon, deutsch oder was auch immer das sein soll wären. Dann würden die mal so eine Gruppenbezeichnung aufgedrückt bekommen. Ich? Ich weiß es nicht. Ich glaube, es kommt immer auf den Kontext an, indem man Begrifflichkeiten verwendet. Beispiel wäre jetzt zum Beispiel die Mordtaten des NSU in Nürnberg. Ja, die Menschen, die da umgebracht wurden. Es waren Nürnberger und es waren Menschen, die den rechtsradikalen Killern an der Definition nicht deutsch genug waren. Von wo die kommen, von wo ihre Familien kommen, ist für mich da gar nicht entscheidend deswegen. Das waren rassistische Morde an Nürnbergern. #00:29:28-3#
Andrea Kuhn: Ja, so wurde es. #00:29:31-6#
Grazyna Wanat: Aber da ist es für mich gar nicht wichtig. #00:29:33-4#
Andrea Kuhn: Beschreibung formuliert. #00:29:35-3#
Grazyna Wanat: Genau. #00:29:36-1#
Andrea Kuhn: Aber die Presse noch woanders. #00:29:38-2#
Grazyna Wanat: Und das ist ja auch so ein Problem mit der Empathie, auch in Nürnberg oder viele Leute in Nürnberg ist auch so verstehen. Man weiß, da ist was passiert. Und vielleicht auch, dass die meisten Todesopfer in Nürnberg gab und ein Sprengstoffattentat. Aber es betrifft ja viele Glauben, es betrifft sie nicht. Wir würden nicht in einem kleinen Laden stehen. Bei uns kommt eine so nicht rein und knallt uns ab, nur weil wir anders ausschauen, vermeintlich anders ausschauen. Und was wo diese Menschen herkommen, ist ja gar nicht entscheidend. Sie sind aus rassistischen Motiven ermordet worden. Und selbst wenn die Deutschen Pass hätten, dritte Generation, fünfte Generation hier wären und die hätten nicht den Deutschennamen und hätten nicht deutsch genug ausgeschaut, wären sie ja trotzdem ermordet worden. Also ist der Hintergrund nicht entscheidend, sondern das rassistische Motiv. Und ich finde das sprachlich immer ganz schwierig. Aber ich, ich ich finde es so ganz wichtig, darüber nachzudenken, wie man sowas dann eigentlich ausdrücken oder jetzt auch plötzlich bekommt wieder so ein Begriff auch fremdenfeindlich. Was für Fremde denn? Was sind das für Fremde? Das sind Leute aus meiner Nachbarschaft. Beim Herrn Simsek hätte ich meine Blumen kaufen können. Ja, was ist denn das für ein Fremder? Das sind Nürnberger, und das ist natürlich dann problematisch, weil dann. Das habe ich auch bei so Black Lives Matter Demos zum Teil gelesen. Und ich weiß, das kommt aus dem Herzen. Was als was Positives gegen Fremdenfeindlichkeit. Aber gleichzeitig heißt es Jeder, der nicht weiß ausschaut, ist fremd. Das trifft ja auch gar nicht die Realität. #00:31:08-3#
Andrea Kuhn: Überhaupt nicht. Natürlich nicht. #00:31:09-7#
Grazyna Wanat: Also sind die nicht fremd. Die sind hier geboren. Was sollen sie denn sonst sein als als von hier? Ja, ja. Nicht alle Menschen, die anders aussehen. Ja, genau. Nur weil sie anders aussehen, sind sie nicht. Warum Fremdsein? Die sind, weiß ich, Generation schon hier. Die sind wahrscheinlich viel mehr Nürnberger innen oder Erlanger innen. Ich komme ja aus Erlangen als manche andere, die aus Hamburg hergezogen sind. #00:31:36-5#
Andrea Kuhn: Ja. #00:31:37-0#
Grazyna Wanat: Und da muss man halt, glaube ich aufpassen, weil das so ein Begriff, der jetzt plötzlich wieder so ein bisschen in der Presse auftaucht, in Reden auftaucht, auf Plakaten auftaucht. Der konstruiert eigentlich eine andere Wirklichkeit, als wir sie haben. Und der verdreht das schon wieder. So ne? Wenn wir diese Begrifflichkeiten unreflektiert benutzen, spielen wir diesen Mördern letztlich in die Hände und wir lassen uns entzweien. Und wir gehören zusammen. Wir sind eine Gemeinschaft Ja, und wir leben sehr gut, also in der Regel im Alltag zusammen. Und da wird so sprachlich ein Keil zwischen Menschen geschlagen, der nichts zu suchen hat. Und dieser Keil, der wird dann halt übersetzt, irgendwann auch in Gewalt der Diskriminierung übersetzt in Gewalt. Und deswegen glaube ich, ist es lohnenswert, dass jeder Einzelne von uns sich auch so gut es geht Gedanken macht. Fehler macht man immer. #00:32:25-1#
Andrea Kuhn: Dazu komme ich gerne ein bisschen später noch mal zu. Fehler macht man immer und darf man Fehler machen heutzutage. Aber zu meinen Begriffen noch mal Da habe ich was auf der Liste, was du auch teilweise jetzt benutzt hast. Mehrmals, nämlich Biodeutsche und dazu kommt noch Kartoffel oder Alman. Was sagst du zu diesen Begriffen? #00:32:45-8#
Grazyna Wanat: Ja, das ist natürlich alles so Hilfskonstrukte und biodeutsch ist natürlich auch sau dämlicher Begriff. Eigentlich, ne? Ich finde aber, das ist schon korrekt. Wenn man andere Leute immer in irgendwelche Töpfchen schmeißt, dann darf man selber. Dann muss man auch damit rechnen, selber in Topf geschmissen zu werden und. #00:33:04-1#
Andrea Kuhn: Dann feindlich, oder? #00:33:05-9#
Grazyna Wanat: Es kommt drauf an, also. Man wird ja gerne auch mal, also mit einer gewissen, manchmal auch humoristischen Distanz gesagt. Ich finde, wir sollten einander insgesamt nicht diskriminieren. Aber die Idee, dass nur weil ich zu der Mehrheitsgesellschaft gehöre, es total unangemessen ist, dass ich auch mal als eine grobe Gruppenbezeichnung reingeschmissen werde, finde ich auch ein bisschen absurd. Also ich muss mich da jetzt nicht groß drüber aufregen, weil ganz ehrlich, ich bin von Rassismus Rassismus nicht nicht groß betroffen, solange ich hier in Deutschland bin. Und wenn mich jemand als Alman bezeichnet, das halte ich schon noch aus. #00:33:44-4#
Andrea Kuhn: Okay. #00:33:45-3#
Grazyna Wanat: Also wenn es wenn es feindlich gemeint ist, dann würde ich wäre ich immer dagegen, weil Gruppen, also gruppenspezifische Hass oder. #00:33:54-3#
Andrea Kuhn: Genau gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit heißt das. #00:33:59-1#
Grazyna Wanat: Menschenfeindlichkeit? Genau. Aber wir machen das selber. Also wir. Und das ist jetzt diese Gruppe, die du gerade als Biodeutsche Kartoffel oder Alman bezeichnet hast. Wir machen das eigentlich ständig. Und dass wir, ohne dass wir uns im Geringsten darüber bewusst sind. Und vielleicht hilft sowas manchmal auch, das ins eigene Bewusstsein zu bringen. Also ich reise ja sehr viel und ich reise auch in Länder, wo ich offensichtlich durch meine Gestalt auch herausstechen. Das ist manchmal ganz heilsam, selber zu erleben, dass man nicht überall automatisch die Norm ist oder normal ist und sich dann denken kann, die anderen werden alle anders oder falsch oder nicht dazugehörig. Sondern ich habe diese Erfahrung auch schon des Öfteren gemacht und finde das ganz gesund. #00:34:47-7#
Andrea Kuhn: Okay, ich habe unter meinen Bekannten in sozialen Medien eine deutsche Schauspielerin, die ganz oft diese Begriffe verwendet und setzt sich sehr stark für zum Beispiel für feministische Themen ein und auch für eine bestimmte ethnische Minderheit, zu der sie selbst gehört. Naja, und dann überlege ich, wenn man frau gezielt gegen Diskriminierung und für Gleichheit steht, warum sollen solche Begriffe hilfreich sein? #00:35:24-9#
Grazyna Wanat: Nein, da finde ich das natürlich an sich völlig recht. Ich verstehe aber auch als, als als als klare Minderheit, dass man auch ein Ventil braucht. Weil in der Mehrheitsgesellschaft hast du eine gewisse Macht und diese Macht drückt sich ja auch ständig aus. Wenn du zu der Minderheit gehörst und ob das jetzt so bestimmte bestimmter ethnischer oder oder geografischer Hintergrund ist, ob das ist, weil du schwul lesbisch bist oder trans. Ob das irgendwas ist, was mit einer Person zu tun hat. Wenn du in der Minderheit bist, hast du wenig Möglichkeiten zu agieren, weil in der Regel die Macht fehlt. Vielleicht ist nicht das Individuum selbst aber als Gruppe. Und da habe ich also minimal größere Toleranz. #00:36:13-1#
Andrea Kuhn: Okay. #00:36:13-8#
Grazyna Wanat: Wenn es sich. Wenn man sich auch mal Luft verschafft, indem man den Spieß umdreht. Inhaltlich hast du völlig recht. Natürlich sollte überhaupt niemand abwertend bezeichnet werden, nur aufgrund ihrer, ihrer Herkunft oder ihrer Identität. #00:36:26-6#
Andrea Kuhn: Okay, da bin ich schon fast durch mit meiner kurzen Liste. Da habe ich aber eben LGBTI, oder? Es gibt jetzt auch LGBTQ plus. #00:36:37-9#
Grazyna Wanat: Es gibt noch ganz viel andere Sachen. #00:36:40-1#
Andrea Kuhn: Es gibt andere. Genau, genau. Es wird kompliziert. Andere? Ja. #00:36:45-2#
Grazyna Wanat: Es wird kompliziert. Ja. Und da kann man versuchen, sich zu behelfen, die man einfach queer sagt, auch englisches Wort, aber das von den die Buchstaben sagen. #00:36:56-6#
Andrea Kuhn: Kann man dieses quer sagen für alles sozusagen, was alle diese Buchstaben symbolisieren sollten? #00:37:04-6#
Grazyna Wanat: Ja, sage ich, ich bin lesbisch. #00:37:10-3#

Die folgende Transkription wurde automatisiert mittels KI erstellt. Etwaige Fehler bitten wir zu entschuldigen. Eine manuelle Nachkorrektur erfolgt zeitnah.
Andrea Kuhn: Aber eben, das ist doch nicht cool. #00:37:12-3#
Grazyna Wanat: Aber wenn mich jemand, als wenn ich, wenn ich mich in Gemeinschaft verstehen möchte oder mich oder mich dort einreihen möchte, dann verwende ich auch den Begriff queer. Ich verwende den aber als als relativ inhaltslosen Sammelbegriff, den ich als strategischen Begriff verstehe, um mich solidarisieren zu können und mit anderen Bündnisse zu schließen. Meine Identität selber ist nicht queer. Ich bin einfach eine Frau, die die auf Frauen steht. Das ist per Definition erstmal einfach nur lesbisch. Aber ich kann den Begriff annehmen als als Sammelbegriff um um eine Gemeinschaft auch sichtbar zu machen. Es wird Leute geben, die sich mit Händen und Füßen gegen den Begriff wehren. Aber es gibt. Also du wirst nie alle erwischen und es wird immer jemanden geben, der ein Problem damit hat. Ja, es wird kompliziert. Aber andererseits ich verstehe natürlich auch das binäre transidente Personen. Genannt werden wollen, weil das Benennen ja stimmt, macht Existenz überhaupt erst sichtbar und möglich. Das verstehe ich. Es ist manchmal sehr unpraktisch, wenn es um den Sprachfluss geht. Und man muss auch. Meistens werden ja pragmatische Lösungen genommen. Aber jetzt zum Beispiel, was ich gelernt habe, was ich versuche zu vermeiden, ist bei unserer Eröffnung zum Beispiel sage ich mal Sehr geehrte Damen und Herren. Ich sage Liebe Gäste, und das aus dem Hintergrund, einfach weil es ist eine Realität, egal was man von Identitäten das ist ja auch schon oft ein sehr politisierter Begriff halt mag es gibt. Es gibt biologische Fakten, wie zum Beispiel intersexuelle Menschen, die aufgrund der Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig zuordenbar sind. Die will ich nicht ausschließen. Und wenn du nur eine Person ist, die sagt Ich bin aber nicht nur, weil ich selber das beschließe, auch das würde ich respektieren und auch die Person möchte ich mit meinen können. Aber zum Beispiel bei mir ist es gar nicht zu entscheiden. Verstehe ich als als Festleiterin, dass ich diese Person ausschließen würde. Ebenso wie alle binären Personen, die sagen Ich bin nicht nur eins oder Ich bin nicht das eine oder das andere. Dann muss ich halt gucken, ob ich eine sprachliche Möglichkeit finde, das auszudrücken. Und bei der Eröffnung zum Beispiel sage ich jetzt Liebe Gäste. #00:39:33-8#
Andrea Kuhn: Ja, also, aber definitiv bei diesen schon wieder diese Kürzel, die aus dem Englischen kommen, die sind eben schwierig zu verwenden in der normalen Sprache. #00:39:44-7#
Grazyna Wanat: Es wird auch nicht besser, wenn du es deutsch machst. Also du kannst auch LGBTI sagen. Im Deutschen. Geht auch. Wird aber auch nicht besser. #00:39:52-4#
Andrea Kuhn: Wird auch nicht besser. Da hast du recht. #00:39:54-8#
Grazyna Wanat: Deswegen. Also ich verwende manchmal queer als queer nicht, nicht heterosexuell, nicht heteronormativ. Und alles andere wäre dann müsste man den Sammelbegriff verwenden. Weil tatsächlich ist in der sprachlichen Praxis oft schwierig ist. Aber dann kommt es darauf an, über welche Gruppen ich spreche oder wen ich meine. Und dann? Werde ich nicht den ganz großen Sammelbegriff meine, sondern spezifische Gruppen. Dass ich dann so präzise wie möglich deshalb mache, weil es ist für mich weniger Mühe, mir das sorgfältig zu überlegen, als es Menschen verletzt, wenn sie falsch bezeichnet werden oder oder sich ausgeschlossen fühlen. Es ist einfach nicht in meinem Interesse, Menschen Schaden zuzufügen. Ob ich das nachvollziehen kann, dass sie sich verletzt fühlen oder nicht, ist da gar nicht der Punkt. Wenn ich es vermeiden kann, dann würde ich immer versuchen, es zu vermeiden, egal worum es geht. #00:40:47-3#
Andrea Kuhn: Über Pollen wollen wir jetzt nicht sprechen, aber in Polen hat man nur noch zwei Sätze dazu. Ja, ja, in Polen hat eben mit diesem Begriff hat die Politik sehr gespielt, weil damit kann man leicht, also leicht kann man versuchen, die Menschen zu entmenschlichen, sozusagen. Wenn das nur zu den Buchstaben reduziert wird, dann sagen die Politiker Es sind doch keine Menschen, Das ist Ideologie, das sind nur Buchstaben und Ideologie. Und dazu hat auch der Oberbürgermeister von der Stadt Krakau einen Brief geschrieben. Ich weiß nicht, ob du das mitbekommen hast oder gelesen hat. An die Community in der Stadt Krakau Ihr seid keine Buchstaben, Ihr seid Menschen und hier herzlich willkommen. Das ist euer Zuhause. Ich fand es sehr schön, weil das schon wirklich ein politisches Statement ist, was sehr benötigt wird in Polen und ja und ja. #00:41:40-4#
Grazyna Wanat: Übrigens nicht nur in Polen, auch in Nürnberg, als zum Ersten Mal zum CSD die Regenbogenfahnen gehisst worden sind. Habe ich mit einigen Leuten aus der Community gesprochen, die mir auch gesagt habe, wie unglaublich bedeutsam das für sie ist. Auch wenn es keine staatliche Verfolgung gibt, wenn wenn die eigene Identität nicht als Ideologie gebrandmarkt wird, ist es doch Zeichen der Zugehörigkeit, weil auch Diskriminierung gibt es bei uns auch. Das ist natürlich in Polen gerade auf einem ganz anderen Level, weil es politisiert wird und nicht nur in Polen, in Ungarn, in Rumänien, in Mazedonien, überall. Das ist halt das Problem. Und das ist auch so ein Punkt, wo ich manchmal denke, auch hier in Deutschland die Community, wir müssen schon echt gucken, weil diese ganzen Phänomene sind ja auch vernetzt. In Deutschland funktioniert es gerade sehr gut mit Rassismus. Das heißt also Menschen, die aus rassistischen Gründen diskriminiert oder verfolgt werden, die kriegen den den Großteil dieser, dieses Hasses und der politischen Instrumentalisierung gerade ab. Aber wir sehen auch in Deutschland schon, dass die. Dass Gewalt und Diskriminierung gegen queere Menschen auch steigt und de facto wir sind die nächste Gruppe, die du zusammenfasst und die als nicht natürlich nicht dazugehörig hingestellt werden. Das ist historisch so, also rassistisch. Rassistische Diskriminierung, antisemitische Diskriminierung würde ich jetzt da einfach mal ganz, ganz, ganz brutal mit reinnehmen. Also diese Art aufgrund von Herkunft. Und die nächste ist immer Identität. Das sind und das wäre auch bei uns nicht anders, es ist bei uns nicht anders. Also Gewalt gegen LGBTI ist hier anzunehmen. Diskriminierung nimmt zu. Und das allein wäre schon finde ich. Für alle queeren Menschen sollte ein ganz klares Signal sein, sich auch an die Seite von Menschen zu stellen, die von Rassismus betroffen sind. Denn und wenn es nur Eigennutz ist. Aber wir sehen das in den Nachbarländern, wo das rassistische Motiv nicht ganz so gut funktioniert. Also bei Orban in Ungarn mit dem Rassismus gegen Sinti und Roma gegen Migrantinnen geht's noch? Aber der fängt ja auch schon stark. Wo das nicht funktioniert, sind die nächsten, sind immer LGBTI Menschen und dann sehen wir immer eine Verknüpfung von Nationalismus und Kirche. Es ist ja auch kein Zufall in Polen, in Russland sind die Orthodoxen, es sind die Krypto Katholen, die Seite an Seite mit den Nationalisten dastehen. Und dann bist du sofort bei Anti Gewalt und Diskriminierung. Und von daher echt Hut ab nach Krakau, weil es halt noch eine von Städten ist, die sich wehren und offen wo offene. Ein sicherer Hafen sozusagen behauptet wird. Und das ist so wichtig. #00:44:39-5#
Andrea Kuhn: Das ist toll. Finde ich auch. Ja, und das ist sehr traurig, das alles. All das, was du sagst. Und es deckt sich damit. Was? Ich denke eigentlich, dass zum Beispiel Polen so ein Labor ist und sich doch für uns lohnt, genauer hinzuschauen, weil die Mechanismen, die verbreiten sich und die schwappen über. #00:44:58-2#
Grazyna Wanat: Das erste Labor über Ungarn. Polen hat von Ungarn gelernt. Und in Polen ging es plötzlich zack, zack, zack, zack, zack. Alle meine polnischen Freundinnen und Kolleginnen und Kollegen, also ich meine diese die Art und Weise, wie da der Staat übernommen worden ist, mit welcher Geschwindigkeit, das, denke ich, haben die polnischen Rechten in Ungarn sehr genau hingeschaut. Wir sehen ähnliche Sachen auch in der Türkei, zum Beispiel mit Erdogan. Die lernen und die lernen sehr gut voneinander, sind außerordentlich gut vernetzt. Und Leute wie die AfD hier in Deutschland, die haben die Kirche nicht an ihrer Seite im Augenblick. Gott sei Dank. Die spielt aber auch in Deutschland keine so große Rolle. Also die werden auch keine große Unterstützung, wahrscheinlich um zu mobilisieren. Aber wir müssen da ganz genau gucken. Und wir müssen sehr genau achtgeben, was hier auch in Gesetzgebung passiert, wie Meinungsmache gegen gemacht. #00:45:53-1#
Andrea Kuhn: Meinungsmache. Das ist es genau, weil es geht nicht nur um eine feindliche Übernahme. Das klingt nur so, es würden Institutionen übernommen usw. Natürlich stimmt das. Aber wie viele bereit sind mitzumachen, das ist das Erschreckende. #00:46:06-1#
Grazyna Wanat: Genau. Und das geht dann so Hand in Hand. Und da müssen wir, glaube ich, hier immer ganz genau gucken Und wir müssen vor allem. Also es geht nicht nur um uns, es geht eben auch um unsere polnischen Freundinnen und Freunde. Die sind also ich. Ich kenne sehr viele Leute in Polen, die sind dem ja ausgesetzt. Ja, also ich, ich betrachte es auch aus der Ferne, aber die sind dem direkt ausgesetzt, die Frauen. Ich meine, ich muss es dir nicht erzählen, aber Freundinnen in Polen, die sind allein von dieser sexistischen, antifeministischen Gesetzgebung betroffen. Die queere Community ist von der ultra homophoben Sprache, von dem Hass und der Diskriminierung betroffen, leiden schrecklich. Und es ist auch unser Ding, auch hinzugucken, um die Freundinnen und Freunde in Polen zu unterstützen, die nicht allein zu lassen, sagen es ist uns egal, sondern irgendwie zu kämpfen und das dann idealerweise sogar in die Politik zu tragen, nämlich als Europaparlament. Weil das, das hier die ganze Zeit gepennt worden ist und nicht reagiert wird auf diese rechtsfeindlichen anti rechtsstaatlichen Übergriffe in Ungarn Polen. #00:47:14-1#
Andrea Kuhn: Enttäuschend ist. #00:47:17-4#
Grazyna Wanat: Das. Es ist eigentlich ein Skandal und jetzt ist es so, dass die schon ihre Front gebildet haben und jetzt kommt man dem Ganzen schlecht bei. Man hätte bei Orban sofort eingreifen müssen. Man hat es nicht getan. Und was wir, glaube ich, machen müssen, ist auch, der Politik da auf die Finger zu hauen. Sagen wir akzeptieren das nicht mehr. Und wir akzeptieren nicht, dass Orban in Bayern willkommen geheißen wird vom Ministerpräsidenten und hofiert wird. Das sind Antidemokraten, die haben hier nicht mit Ehren empfangen zu werden. Ende. Aus. Also wer solche Sachen macht, hat einfach den sein Mitgliedstatus in der Polizei wie im Englischen heißt also in der guten Gesellschaft verloren. Und das muss man auch deutlich zeigen. Aus meiner Sicht. #00:47:58-4#
Andrea Kuhn: Ja. Wäre natürlich schön, aber Realpolitik schaut anders aus. #00:48:03-3#
Grazyna Wanat: Wir müssen alle in die Politik. So ist es ja eigentlich. #00:48:08-0#
Andrea Kuhn: Stimmt. #00:48:08-4#
Grazyna Wanat: Wir müssen alle in die Politik und müssen die Sache selber in die Hand nehmen auf politischem, demokratischem Weg. Eigentlich stimmt, es ist so ein bisschen was. Mir geht es oft im Kopf rum, beschwert sich immer so und dann macht man es halt mal selber. #00:48:20-0#
Andrea Kuhn: Ja, das ist eigentlich was kann man erwarten, wenn man nicht bereit ist, sich selber zu engagieren? #00:48:25-8#
Grazyna Wanat: Na ja, ab in die Politik, Lass uns das machen, Lass uns das mal übernehmen und überlegen. Jede und jeder selbst. In was für einem Land, in was für einer Europäischen Union möchte ich eigentlich leben? Was sind meine Werte? Was bin ich bereit, dafür zu tun? #00:48:40-5#
Andrea Kuhn: Ja. #00:48:41-1#
Grazyna Wanat: Sehr, sehr ehrenwert. Sollten wir alle machen und nicht immer nur schimpfen auf die blöde Politik und die da oben. So ein Quatsch. #00:48:47-6#
Andrea Kuhn: Stimmt. #00:48:48-4#
Grazyna Wanat: Selber machen. #00:48:49-2#
Andrea Kuhn: Ja, ja. Wir haben jetzt viel über Identität gesprochen. Das ist auch ein Begriff, der mich sehr interessiert. Eigentlich finde ich super spannend, weil das ist ein Thema ohne Ende. Wie Identitäten konstruiert werden. Wer bin ich? Wer bist du? Und warum man sich mit irgendetwas identifiziert? Oder wird von von außen gesehen mit einer Gruppe identifiziert? Also die Idee Identität kann von außen auch konstruiert werden usw Und ich frage mich immer öfter die Identitäten gibt, das ist klar, aber es ist Gruppenbildung, die auf Identitäten baut. Gut für das gesellschaftliche Zusammenleben oder eher störend? #00:49:34-4#
Grazyna Wanat: Ich glaube auch, das geht immer nur im Einzelfall, also. Oder es ist immer eine Frage, ob man sich in der vermeintlichen Mehrheit identifiziert oder ob man, wenn es jetzt um die Selbstbeschreibung geht und nicht das, was du meinst mit der Fremdzuschreibung. Das ist natürlich sowieso immer ganz brutal, weil da führt meistens auch niemand was Gutes im Schilde. Also wenn wenn Menschen anfangen, andere Menschen, ohne dass sie das selber so tun, in Gruppen einzuteilen, muss man ja immer sehr schnell hellhörig werden. Aber eine Gruppe kann natürlich auch eine Heimat sein und. Wenn ich jetzt das mal so sagen als lesbische Frau. Also das Coming out für mich war nicht schön, da mich eine Mehrheitsgesellschaft gegenüber, aus der ich Signale damals bekommen habe. Das ist jetzt auch ehrlich gesagt ganz schön lange her. #00:50:20-8#
Andrea Kuhn: Wie alt warst du ungefähr? #00:50:22-4#
Grazyna Wanat: Also mein eigentliches Coming out hatte ich erst mit Anfang 20. Ich wusste, dass ich lesbisch bin, seitdem ich. Weiß ich nicht. Wenn das so ein Thema wird, habe ich mich verknallt. Unsterblich. Meine Englischlehrerin. Ja, also, das war eigentlich schon klar. Aber das. Das war ja noch in 80er Jahren. Das heißt, ich hatte das Gefühl, das ist ein Ding. Wenn das so wäre, wie ich mir ziemlich sicher bin, dass es ist, dann steht mir ein Leben im sozialen Abseits bevor. Das fand ich ungerecht. Ich fand es zwar an sich überhaupt nicht problematisch, weil es war ja ein sehr schönes Gefühl. Man denkt, Was soll daran so schlimm sein? Du tust niemandem weh. So ein positives Gefühl und das aber anerkennen zu können, für mich und uns auch zu sagen, das ist es, was ich bin. Und das ist aber auch okay, war unbeschreiblich wichtig, auch für meine schlicht und ergreifend geistige Gesundheit. #00:51:21-9#
Andrea Kuhn: Ja. #00:51:22-6#
Grazyna Wanat: Weil das andere ist sonst, dass du zu der Mehrheitsgesellschaft offensichtlich nicht gehörst. Und wenn du keinen Ort hast, wo du hingehörst, dann wird es eng. Dann hast du ein Selbstgefühl von. Oder auch vielleicht etwas, was dir von außen herangetragen wird. Dass du nie dazugehörst, dass du immer falsch bist. Und dann ist es wichtig, sich auch als Gruppe definieren zu können, sagen Nein, wir sind gar nicht allein. Es gibt eine legitime Gruppe und und und. Da Heimat zu finden oder zu sagen ich bin richtig so, wie ich bin. Und dann kann man das, wenn da genug Stabilität ist, wenn man keine Gewalt erfährt, wenn man, wenn man mit der. Also das möchte ich auch anerkennen es gibt Menschen, für die ist das nicht möglich, weil die traumatisiert sind, egal ob das jetzt rassistische Sachen sind oder ophobe Sachen. Wenn man die Möglichkeit hat, unbeschadet rein zu kommen, dann hat man vielleicht auch die Möglichkeit, das flexibel zu handhaben und auch ganz offen wieder zu sein. Aber um sich selbst zu finden brauchst, reicht es nicht, etwas nicht zu sein. Nicht sein ist kein Existenz. Du. Irgendwas musst du sein. Und manchmal sind es Begrifflichkeiten, die helfen zu verstehen, zu einzuordnen und auch zu sich zu finden. Also von daher ist immer eine Frage kommt es von außen? Ist es erstmal eine Möglichkeit? Sich zu finden, zu organisieren, sich auch gewiss zu werden über bestimmte Mechanismen? Ich denke, das ist auch, was im Feminismus passiert ist in den 70er Jahren. Einfach zu sagen also das ist dann tatsächlich vor meiner Zeit, aber wir als Frauen, wir definieren uns mal überhaupt erstmal als Gruppe und wir sehen, dass wir bestimmte Erfahrungen teilen. Und die meisten dieser Erfahrungen sind negativ oder sind strukturell gesehen, haben was mit Macht zu tun. Und da sind wir benachteiligt. Du kannst dann solche politischen Positionen der überhaupt erst definieren. Wenn du, wenn du dir im Austausch gewahr wirst, wie eigentlich die Lage ist, wenn du nicht nur nur als Individuum irgendetwas erfährst, sondern wenn du dich mit anderen austauscht und Gemeinsamkeiten feststellst. Das ist, glaube ich, die Grundlage für politische Aktionen, aber auch um sich überhaupt ganz zu fühlen, also eine Existenz zu haben. Und da hat es, glaube ich, seine starke Berechtigung. #00:53:48-8#
Andrea Kuhn: Ja, das definitiv. Und trotzdem, wenn du, auch wenn du den Begriff Heimat verwendest, dass das heißt, man sucht in dieser Gruppenzugehörigkeiten Heimat, weil man draußen, außerhalb von dieser Gruppe keine Heimat gefunden hat. Und da frage ich mich manchmal, ob so nationale Vereinigungen usw von Migranten Vereine eben nicht auch negative Auswirkungen haben dadurch, dass die Leute sehr stark dort die Heimat suchen und sich so eine eigene Welt basteln. Und in dem Land, in dem sie leben, sind sie für diese Außenwelt, interessieren sich weniger, weil sie diese Migrantenwelt für sich gestalten, mit eigener Sprache und Bräuchen und allem Möglichen. #00:54:39-0#
Grazyna Wanat: Das kann auch immer so ein Aspekt sein, also auch ein problematischer Aspekt. Aber gleichzeitig ist diese Art von Zugehörigkeit kann ja auch sehr viel Sicherheit erst mal schaffen. Ich denke, wenn du in die Fremde musst, also viele Leute haben sich es ja nicht ausgesucht. Ja, ist es. Das ist ja eine unglaublich schwierige Situation und belastende Situation. Ich glaube, um da erstmal eine Stabilität zu haben, um überhaupt zu funktionieren, kann es schon wichtig sein, dass man sich irgendwie zusammenschließt und irgendwie mit Menschen, die dieselbe Sprache sprechen, mit denen man vermeintlich was gemein hat. #00:55:17-9#
Andrea Kuhn: Vermeintlich. Ja, genau. #00:55:19-8#
Grazyna Wanat: Manchmal hat man vielleicht auch ganz viel gemein. Manchmal ist es vielleicht nur die Sprache. Oder man stellt dann fest, dass man hat doch nichts gemein. Aber so ein Ausgangspunkt? Das verstehe ich schon. Die Frage ist nur, wie man das idealerweise kombiniert. Ich würde immer hoffen, dass wenn man irgendwo hin irgendwo ist, das ja so eine blöde Utopie, wahrscheinlich auch sehr naiv, dass wir alle gemeinsam Lust aufeinander haben. Ja, das ist. #00:55:47-0#
Andrea Kuhn: Natürlich. #00:55:47-5#
Grazyna Wanat: Und diese Reichhaltigkeit genießen, dass wir eben gar nicht alle so gleich sind. Ja, ich. Ich glaube, es kommt dann halt darauf an, ist. Sprache ist einfach eine Grundlage von Teilhabe an Gesellschaft. Und ich glaube, da muss ganz viel getan werden. Da müssen ganz viele Wege aufgemacht werden, um diese Art von Teilhabe für möglichst viele Leute zu ermöglichen. #00:56:10-1#
Andrea Kuhn: Definitiv. #00:56:11-2#
Grazyna Wanat: Wer sie nicht annimmt oder nicht annehmen kann. Ich auch. Auch da. Wenn deine Familie hier ist, dann musst du die Möglichkeit haben, hier zu sein. Ja. Also. #00:56:23-2#
Andrea Kuhn: Ja. Naja, also, es geht. Es geht nicht nur immer natürlich um eine Verweigerung oder um dieses bewusste Ich bleibe in meinem Ghetto, sagen wir. Und. Mich interessiert nichts anderes, sondern es gibt natürlich auch andere Gründe, was du auch genannt hast Wenn man einfach alt ist, schafft man es vielleicht nicht mehr oder. #00:56:43-9#
Grazyna Wanat: Du hast keine Schulbildung. Du hast es nicht gelernt. #00:56:46-8#
Andrea Kuhn: Genau. #00:56:47-2#
Grazyna Wanat: Es gibt Leute, die sind Analphabeten. #00:56:49-2#
Andrea Kuhn: Jawohl. Oder? Ich kenne auch Menschen, die einfach hier von Anfang an in ziemlich prekären Berufen arbeiten und arbeiten. So viel und so hart und nur unter Menschen, die die gleiche Sprache sprechen, dass sie einfach diese Chance nicht haben. Wann soll er bitteschön Deutsch lernen? Wenn er jeden Tag zehn Stunden auf der Baustelle steht und Polen zum Beispiel? #00:57:12-2#
Grazyna Wanat: Absolut. Aber trägt auch hier bei zur Gesellschaft und. #00:57:15-7#
Andrea Kuhn: Das. #00:57:16-6#
Grazyna Wanat: Und dann auch okay. Ja, und die müssen sich dann noch anhören, dass wir irgendwelchen Deutschen die Jobs wegnehmen, weil sie in der Hähnchenfabrik irgendwelche männlichen Küken killen müssen. Was ein furchtbarer Job ist. In den Schlachthof. Wir haben es jetzt alles gesehen. Und dann verstehe ich auch wenn du. Es kommt ja noch dazu, dass das ja nicht in einem neutralen Raum passiert, sondern in einem Raum, wo diese Menschen ja oft eben auch Rassismus ausgesetzt sind. Aber wie gesagt, ich spreche nicht gut genug Deutsch, ich schaue nicht deutsch genug aus. Da verstehe ich, dass man einen Ort sucht, wo man einfach mal okay ist. Ja, wo man nicht nicht falsch ist, nicht komisch. #00:57:52-9#
Andrea Kuhn: Außerdem funktioniert es automatisch. #00:57:54-7#
Grazyna Wanat: Und das ist irgendwie so. Man muss dann schon genau hingucken. Also nicht alle rotten sich sozusagen zusammen. Das wäre dieses ganz negative Bild, weil sie sich verweigern, sondern viele haben gute Gründe. Und ich glaube, es ist in uns allen Strukturen zu schaffen, die es möglichst einfach machen sollten für alle Menschen in dieser Art von Austausch zu gehen. Ob es dann jemand annimmt oder nicht, ist noch mal ein anderes Thema. Andererseits glaube ich auch an den freien Willen von Menschen. Ich weiß nicht immer, was am besten für andere Leute ist und die Hürden noch sehr hoch. Also für viele Leute sind die Hürden tatsächlich hoch zu hoch. Und wenn du zum Beispiel hierher kommst und um Asyl bittest eine Freundin von mir ist war sieben Jahre im System, ohne Deutschkurs, ohne Zugang zu irgendwas. Ja, also da brauche ich jetzt nicht vorwerfen, dass ihr Deutsch nicht perfekt ist. Ja, sie hat auch verlernt zu lernen. #00:58:52-7#
Andrea Kuhn: Selbstverständlich in Strukturen zu funktionieren. #00:58:55-8#
Grazyna Wanat: Und sie war jung, Die ist mit 17 hierher gekommen und steckte nur in diesem, in dieser ganz unnatürlichen Situation. Sie durfte ja nicht arbeiten, sie durfte Ja. #00:59:06-6#
Andrea Kuhn: Dann wollte ich noch zurück zu diesem Thema oder Kultur, wo wir schon einmal gesagt haben, dass man eben so hypervorsichtig ist manchmal Was darf ich sagen, was darf ich nicht sagen? Und da gibt es so ein Phänomen, worüber vielen geschrieben und gesprochen wird dass wenn sich Menschen Meinungen erlauben, die eben nicht erlaubt sind, werden nicht nur die Meinungen gecancelt, sondern auch die Menschen. Was hältst du davon von diesem Phänomen? Existiert das tatsächlich oder ist es gefährlich? Tatsächlich? Oder ist es jetzt einfach so ein Medienphänomen? #00:59:42-5#
Grazyna Wanat: Ich glaube, es ist gefährlich. Aus einem ganz anderen Grund als den, den du meinst. Weil dieser Begriff der Council Culture ist ja ein politischer Kampfbegriff. Und wenn du guckst, wer angeblich gecancelt wird, sind es Leute in sehr machtvollen Positionen, die auch übrigens gar nicht gecancelt werden, denn die sind in Positionen, wo sie unglaublich viele Menschen erreichen und ihre Meinung natürlich kundtun. Und die werden in der Regel aufmerksam gemacht von Menschen, die weniger Macht haben auf bestimmtes Verhalten. Und das wird dann als politischer Kampfbegriff, als Kanzel culture bezeichnet. Aber eigentlich geht es hier ganz viel um Macht und die Leute, die angeblich gecancelt werden, fangen immer von einer sehr, sehr hohen Machtposition an! Und richten sich in Aussagen oft gegen Leute, die viel weniger Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe, machtusw haben. Und da bin ich sehr dafür, auch da ganz genau hinzugucken, wer hier eigentlich diese Begrifflichkeiten in den in den Mund nimmt. Denn die Frage ist immer Trittst du nach unten oder nach oben? Und in den Begriff Kanzlerkultur wird in der Regel nach unten getreten von Leuten, die oben stehen. Wenn du mich jetzt fragst, sollte jede Person, die irgendwann was Unbedachtes gesagt hat, sofort den Job verlieren. Nein. Passiert das in der Realität? Nein, nicht bei uns in Deutschland. Das ist also das. Aber als Phänomen ist es in der Regel so, dass Leute in sehr machtvollen Positionen, die gut gehört werden, die eine riesige Reichweite haben, dass die auf Verhalten aufmerksam gemacht werden, dass manche Leute nicht okay finden und das dann schon als Kultur zu verstehen, ist eigentlich eine rechte rechter politischer Kampfbegriff, wo ich immer sehr vorsichtig wäre. Wer da eigentlich wovon spricht und wer am Ende die Macht hat. Das sind nämlich nicht. Also die Macht bleibt eigentlich bei der Gruppe, die angeblich gecancelt wurde. Fast immer. #01:01:43-7#
Andrea Kuhn: Ja. Also grundsätzlich bin ich deiner Meinung grundsätzlich aber in den sozialen Medien vor allem wird man ganz oft bestraft, wenn man sich getraut hat, eben irgendetwas in Frage zu stellen oder etwas nicht ausreichend politisch Korrektes zu sagen. Und ich finde, das ist schon auch ein bisschen für das Zusammenleben, ein bisschen so eine gefährliche Entwicklung. #01:02:09-0#
Grazyna Wanat: Das stimmt oder ist das Problem? Es sind eher die sozialen Medien als eine Kultur, die dahinter steht. Weil das natürlich ein Phänomen ist. Und dem sind in der Regel eben die marginalisierten Leute ausgesetzt und nicht die machtvollen. Dass diese ganzen Shitstorms trolling und sowas ist natürlich erst möglich geworden mit. Mit den sozialen Medien. Und die da am lautesten schreien, das sind die Personen, die strukturell zur machtvollsten Gruppe gehören. Das nämlich weiße Männer, die sich auf zum Beispiel Frauen, die in der Gamingindustrie arbeiten, also stürzen wie die Irren. Jede Frau, die mal den Kopf aus der Deckung hebt, wird sozusagen sofort versucht, abgesägt, mit Vergewaltigungsdrohungen sonstwas. Wir sehen das jetzt bei bei NSU 2:00 null, dass sich auch die Die Rechtsterroristen hauptsächlich auf Frauen einschießen. Also da muss man auch die Strukturen angucken. Aber es sind natürlich die sozialen Medien, die durch ihre Anonymität und durch diese dieses hohe Erregungspotenzial und da kommen halt dann die Algorithmen dazu, die auch immer wieder das füttern, was besonders erregend ist mit möglichst provokanten Headlines. Die, die das dieses Phänomen natürlich auf eine ganz andere Art überhaupt erst schaffen. Da weiß ich den Umgang auch nicht. Ich glaube, man muss da ein bisschen. Auch in der Presse und dem persönlichen Umgang muss man sich ein bisschen gewahr werden, wie Internetkultur zum Teil passiert, Weil gerade dieses Trolling ist etwas, was so ganz oft das sind Strategien des Trolling, die benutzt werden, um zu provozieren. Wenn daraufhin jemand etwas darauf reagiert, auf eine sehr provokante Äußerung, die nur dazu da ist, zu provozieren, wird das als falsche Empörung Deklariert und dann als Cancer Culture. Aber der erste Impuls war überhaupt nur, Empörung zu generieren. Völlig wurscht. Es geht nur darum, was Provokantes zu sagen, ob man das glaubt oder nicht. Jede Person, die diese provokante Äußerung weiterverbreitet, macht genau das, was die Trolle wollen. Und auch wenn die Person es weiterverbreitet, sagt. Hast du das gesehen? #01:04:22-7#
Andrea Kuhn: Ja, das stimmt. #01:04:23-8#
Grazyna Wanat: Das passiert zum Beispiel ganz oft bei der AfD oder bei der NPD. Zum Teil sogar völlig marginalisierte Aussagen, die zum Teil einfach irre sind. #01:04:33-8#
Andrea Kuhn: Bekommen super Reichweite. #01:04:35-9#
Grazyna Wanat: Und da sind dann alle, die die wohlmeinenden Liberalen sind, die das verbreiten. Und der einzige Zweck dieser Äußerung oder dieser Memes, die dann kreiert werden, ist die Verbreitung. Das sind wir, die, die verbreiten, nicht die Rechten. Und diese Empörung wird genutzt, auch aus strategischen Gründen. Und da muss, glaube ich, auch Presse noch schlauer werden. Da muss Öffentlichkeit schlauer werden, wie man mit solchen Phänomenen umgeht, weil. auch ich gucke das Neueste. Die AfD ist rassistisch. Ja, Herrgott. Ja, ja, das wissen wir alle. Sie wird gewählt, weil sie rassistisch ist. Sie wird ja nicht gewählt, weil die Leute nicht verstehen, dass die Rassisten sind. Die werden ja gewählt, weil sie Rassisten sind. Also, wem erzähle ich das jetzt eigentlich? Wem muss ich jetzt noch mal irgendeine extreme Meinung von der AfD Mecklenburg Vorpommern irgendwas zukleistern? Der Erkenntnisgewinn ist null. Was ich mache, ich erfülle sozusagen deren Auftrag. Ja, und ich glaube, diese Phänomene sind auch ein bisschen verlinkt. Also Council Culture, dieser Begriff Trolling, Reichweite von Rechten und das Zurechtstutzen jeder Person, der es angeblich nicht zusteht, sich auch zu äußern. Und das sind die Personen, die mal Kritik äußern. #01:05:48-9#
Andrea Kuhn: Ja, ja. #01:05:49-7#
Grazyna Wanat: Das greift ineinander. Da muss man sehr genau gucken, was da eigentlich passiert. #01:05:53-3#
Andrea Kuhn: Ja. Ach Andrea, ich könnte mit dir die ganze Nacht sprechen. Aber können wir, glaube ich nicht machen. Wir haben auch ein paar Rubriken in dem Podcast. Ich wollte das ganz geschickt in das Gespräch einbauen, aber ich habe es völlig vergessen, weil wir so viele Themen hatten. Und trotzdem frage ich dich gerne Lernen. #01:06:14-0#
Grazyna Wanat: Lernen, was ich kann. Ich sage. #01:06:16-4#
Andrea Kuhn: Was ich gerne können würde. Weil lernen kann man es glaube ich nicht richtig wahnsinnig gerne gut singen können. Wenn ich mir irgendwas aussuchen könnte, wäre es das und man kann das sicher ein stückweit lernen. Also irgendeine Technik zu. Aber da wäre ich immer noch nicht wahnsinnig. Musikalisch immer noch keine tolle Stimme, aber das wäre mit Leuten in Verbindung zu treten, nur weil man so schön singen kann. Also durch Musik, das finde ich ein Traum. #01:06:40-7#
Grazyna Wanat: Andrea, du weißt, du bist im Podcast das Bildungszentrum, Wir haben dafür Kurse. #01:06:45-7#
Andrea Kuhn: Ja, ich weiß. #01:06:46-9#
Grazyna Wanat: Aber wir sind jetzt an dem Punkt, wo wahrscheinlich auch. Es gibt ja Leute, die haben natürliches Talent und andere, die könnten mit harter Arbeit ein bisschen besser werden, aber die werden nie das Level erreichen. Ich versuche sozusagen meine natürliche Beschränkung anzuerkennen und ich muss mich dann halt beim Karaoke ausleben. Wobei ich warte darauf, dass es im Musikverein, also in der Kantine von Auschwitz, endlich wieder Karaoke gibt. Weil das ist so ein schöner Raum, wo man das machen kann. Und ich vermisse das sehr in Nürnberg, weil da können auch Menschen wie ich mit großer Überzeugung und großer Leidenschaft. Irgendwas ins Mikro brüllen und man wird nicht von der Bühne gezerrt. #01:07:27-1#
Andrea Kuhn: Toll. Wollte ich auch eigentlich schon immer machen. Ich habe es noch nie probiert. #01:07:31-4#
Grazyna Wanat: Ich habe das bei unserem Festival zum Ersten Mal gemacht, weil wir Karaoke als Festival Party uns gewünscht hatten. Vom Musikverein und Musikverein. War so nett und hat das zu unserem Festival also gelegt. Und wir hatten die gloriose Nacht aller Nächte, glaube ich. Mit allen Gästen ging so gut, alle haben irgendwas, krächzt auf der Bühne, in Gruppen oder alleine und es war nur schön. #01:07:55-6#
Andrea Kuhn: Ach toll. Gibt es Aufnahmen davon? #01:07:58-7#
Grazyna Wanat: Ja. Also meine Praktikantinnen hatten quasi nichts besseres zu tun, als mich im Video direkt an dem Abend noch auf Instagram zu stellen. Auf unseren Festivalaccount. Und ich? Ich kann ernsthaft sagen, dass es noch viel schlimmer war, als ich dachte, dass es gewesen wäre. #01:08:17-4#
Andrea Kuhn: Ich würde schauen, ob ich das verlinken kann. #01:08:20-7#
Grazyna Wanat: Oh nein. Nein. #01:08:22-7#
Andrea Kuhn: Äh. Ja. #01:08:24-5#
Grazyna Wanat: Okay. Okay. Verstanden. #01:08:26-6#
Andrea Kuhn: Es ist mit voller Inbrunst und Überzeugung vorgetragen. Mein Elvis. Handwerklich. Dachte ich, es wäre nicht ganz so schlimm. Aber dann sieht man es als Video und denkt sich. #01:08:38-7#
Grazyna Wanat: Okay. #01:08:40-8#
Andrea Kuhn: Übrigens, wenn du schon vom Bildungszentrum sprichst, also ich habe ja auch die Freude, jetzt im nächsten, also im September auch mal euer Gast zu sein als als Lehrende im Studium generale. Da darf ich mich mal in vier Einheiten zum Thema Filmsprache und filmisches Erzählen äußern. Das hab ich auch schon sehr darauf gespannt. #01:09:02-5#
Grazyna Wanat: Das ist toll. Na gut, dann zum Abschluss hast du zur Auswahl entweder Mecker, Ecke oder Glücksmomente. Was willst du uns lieber? #01:09:09-6#
Andrea Kuhn: Glücksmomente. #01:09:10-8#
Grazyna Wanat: Glücksmomente. #01:09:13-7#
Andrea Kuhn: Ganz großer Glücksmoment war Corinna bedingt das erste Mal, als ich wieder mit Menschen zusammen an einem Tisch saß, die nicht meine Familie waren. Und das das besondere Glücksmoment war, das uns das glaube ich, allen gleich ging. Wir waren noch auf. Also der politische Hintergrund ist gar nicht wichtig, aber wir waren gemeinsam auf einer Gedenkveranstaltung für eines der NSU Opfer für den Herrn Jascha und so eine Gruppe, mit der ich jetzt ganz lange nur online zu tun hatte, weil wir uns nicht persönlich treffen konnten. Es waren viele Leute da. Danach ein paar gesagt Kommt, lasst uns doch was trinken gehen. Das war also nach den Maßgaben nicht hundertProzentig korrekt. Aber wir haben schon Abstand gehalten. Wir waren halt nur mehr als zwei Haushalte zu dem Zeitpunkt. Aber wir saßen sehr verteilt. Und dieses Gefühl zu sehen und selber auch zu spüren, wie man so durchatmet, dass man an einem Tisch sitzt und nicht nur eine Person, die auf Zoom spricht, anguckt, sondern dass man mal gemeinsam spricht als Gruppe. Und dann entspinnt sich ein Zweiergespräch und dabei sehe ich noch, wie die dritte Person gerade guckt und auf irgendwas reagiert. Das war ein Moment von totalem Glück. Für uns alle glaube ich, dass wir uns fast direkt. Wir waren kurz davor, uns ewige Liebe zu schwören, weil dieser Moment so außergewöhnlich war, von uns allen so genossen worden ist. Im sozialen Raum gemeinsam wieder zu sein, ohne etwas machen zu müssen, sondern einfach nur zu sein, gemeinsam und es laufen zu lassen. Das ist so aus dem letzten halben Jahr ein extrem starker Moment. #01:10:56-6#
Grazyna Wanat: Das ist nicht überraschend, dass mir das schon mehrere Menschen erzählt haben. Ja, es ist tatsächlich. Das hat uns wahnsinnig gefehlt, als wir so eingesperrt. #01:11:06-7#
Andrea Kuhn: Ich hoffe ja auch, dass wir uns alle daran erinnern, wie wichtig das Zusammensein ist und dass das wir uns noch mal neu formulieren, wie wir eigentlich leben wollen und was wichtig ist und was nicht wichtig ist. Und dieses Zusammensein ist so unglaublich wichtig. Ich hoffe, dass es einen Nachhall hat, dass wir das nicht wieder vergessen. #01:11:24-3#
Grazyna Wanat: Ja. Glaubst du, dass uns das positiv verändert? #01:11:29-2#
Andrea Kuhn: Also war die Hoffnung am Anfang? Ich fürchte, nein, Weil es jetzt schon wieder so instrumentalisiert wird. Weil die Leute es vergessen. Ich hatte am Anfang ein bisschen Hoffnung, dass wir uns darauf konzentrieren, was wichtig ist, weil wir auch spüren, was wichtig ist, ganz unmittelbar, was wir vorher nicht einfach in diesen Notwendigkeiten und diesem Alltag so untergegangen ist. Ich glaube, dieses dieses Vergessen ist ein Problem. Aber ich hoffe, dass ein Stück weit die Energie und das, was uns, was uns wichtig ist, bewusster wird und dass wir gemeinsam daran arbeiten, dass wir in einer Gesellschaft leben, die sich danach ausrichtet und nicht nach irgendwelchen Gewinninteressen oder vermeintlichen Zwängen, denen wir angeblich alle unterliegen und die so wurscht sind, wie wir erlebt haben. In den Monaten, wo wir im Lockdown waren. #01:12:20-7#
Grazyna Wanat: Ja. #01:12:23-1#
Andrea Kuhn: Vielen Dank für das Gespräch, Andrea. Es war richtig toll, dich wieder zu sehen. Und ja. #01:12:28-7#
Grazyna Wanat: Richtig gefreut. Vielen Dank für die Einladung. #01:12:31-9#
Dieses Projekt/Diese Maßnahme/Initiative leistet einen wichtigen Beitrag, Nürnberg schrittweise inklusiver zu gestalten. Es/Sie ist Teil des Nürnberger Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Den Ersten Aktionsplan hat der Nürnberger Stadtrat im Dezember 2021 einstimmig beschlossen. Um die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in Nürnberg zu verwirklichen, wurden und werden umfangreiche Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Weitere Informationen finden Sie unter www.inklusion.nuernberg.de.

Andrea Kuhn, Leiterin des Menschenrechtsfilmfestivals, über Kino, Machtstrukturen, „cancel culture“ und über Fluch und Segen von Identitäten.
Andrea Kuhn leitet das Menschenrechtsfilmfestival in Nürnberg. Das Nuremberg International Human Rights Film Festival (NIHRFF) ist Deutschlands größtes und ältestes Filmfestival zum Thema Menschenrechte. Mit rund 10.000 Besuchern pro Ausgabe ist es auch das publikumsträchtigste Filmfestival Nürnbergs. Seit 1999 präsentiert es alle zwei Jahre engagierte internationale Filmkunst. 2020 ist ein festivalfreies Jahr, was jedoch nicht heißt, dass sich die Festivalmachenden ausgedehnte Ferien gönnen.
Um das Programm zu kuratieren, sichtet Andrea Kuhn jährlich Hunderte Filme. Im Gespräch erzählt sie über die Arbeit des unabhängigen Vereins, der das Festival ausrichtet, über ihre Liebe zum Film, und erklärt, warum es besser ist, wenn die eingeladenen Ehrengäste keine Berühmtheiten sind. Außerdem ordnet sie die aktuellen „Corona-Proteste“ in den Freiheit-Diskurs ein und diskutiert die Vor- und Nachteile der Gruppenbildung anhand der Identitäten. Sie erklärt, warum sie gerne den Sammelbegriff „queer“ verwendet und wie – ihrer Meinung nach – die Begrifflichkeiten, die Menschengruppen bezeichnen, verwendet werden sollen.
Weiterführende Links:
Nuremberg International Human Rights Film Festival (NIHRFF)
Gerne lernen - mit BZ!
2020 entschlüsselt Andrea Kuhn im Studium Generale mit den Teilnehmenden die Geheimnisse der Filmsprache und begibt sich zugleich auf eine Reise durch die Filmgeschichte:
Studium Generale. Mehr wissen – weiter denken!
Im Studium Generale erfahren die Teilnehmenden neue Denkansätze, erweitern ihren Horizont oder frischen Bekanntes auf. Die fächerübergreifende Vielfalt der Themen lässt Neues entdecken, es lohnt sich immer in das Programm zu schauen!
LSBTIQ-Lexikon der Bundeszentrale für politische Bildung
Glossar der Neuen Deutschen Medienmacher*innen
Glossar des Informations- und Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit
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Aufgenommen am: Mittwoch, 19. August 2020
Veröffentlicht am: Donnerstag, 3. September 2020
Moderation: Grazyna Wanat
Im Gespräch: Andrea Kuhn
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Alle weiteren Folgen von KontaktAufnahme – der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg finden Sie hier. Jede Woche, immer donnerstags, veröffentlichen wir ein neues Gespräch.
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