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Alisa Müller, ist Armut Schicksal oder System?

Hannah Diemer: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Kontaktaufnahme. Mein Name ist Hannah Diemer und ich begrüße heute ganz herzlich in meinem Büro in der Stadtbibliothek Alisa Müller vom straßenkreuzer Alice. Erklär uns doch mal, was ist denn der Straßenkreuzer? #00:00:40-1#

Alisa Müller: Der Straßenkreuzer ist ein Verein in Nürnberg, und es gibt es mittlerweile seit 30 Jahren, und das erste und sicher bekannteste Produkt und eigentlich auch das, wo man jetzt angefangen hat, dass der Straßenkreuzer, das Magazin, das jeden Monat in Nürnberg auf der Straße verkauft wird. #00:00:57-2#

Hannah Diemer: Und es ist ein ganz besonderes Magazin oder ist auch ein besonderer Verein, weil ihr seid ein Verein, der sich mit obdachlosen oder wohnungslosen Menschen beschäftigt. #00:01:06-0#

Alisa Müller: Ja, genau also mit Armen und Obdachlosen. Die Obdachlosigkeit, das schon ein bisschen der Kerngedanke von Straßenzeitungen, dass man sagt, okay, Menschen, die sowieso auf der Straße sind und da zum Beispiel mit betteln ihr Geld verdienen, dass man denen ein Stückchen würde zurück gibt und ihnen ein gutes Produkt an die Hand gibt, dass sie dann Verkaufe kaufen könnte. So der Grundgedanke von Straßenzeitungen. Ja, und wir beschäftigen uns auch inhaltlich. Also, wir nennen uns Sozialmagazin. Wir beschäftigen uns auch inhaltlich viel mit den Themen, also Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit, Wohnungsfragen sind so Kernthemen, die wir immer wieder aufgreifen. #00:01:42-0#

Hannah Diemer: Warum hat sich der Straßenkreuzer vor 30 Jahren gegründet? #00:01:46-0#

Alisa Müller: Also, ich nehme an, ich war damals noch nicht dabei. Ich nehme an, es wird ein Bedürfnis gegeben haben, da sozial was zu machen und zu ändern. Also, diese Bewegung der Straßenzeitungen hat in New York angefangen, Anfang der Neunziger, und dann ist das so in den Jahren drauf nach Europa geschwappt. Deswegen haben sie sich Anfang der 90 er ganz viele Straßen, Zeitungen in Deutschland und Europa gegründet, der Straßenkreuzer, eine davon. Wir sind 94 gegründet worden, das heißt, genau vor 30 Jahren, das heißt, gerade kann man das gut an der Zahl der Jubiläen irgendwie ablesen, und letztes Jahr hat es so angefangen, dass die unsere befreundeten Straßenzeitungen in Deutschland gibt's, über oder um die 30 Stück, also ganz schön viele, genau dass da die ersten Jubiläen waren. Wir sind dieses Jahr dran. Dann kommen wir noch einmal. #00:02:33-9#

Hannah Diemer: Und was machst du genau bei den Straßenkreuzern? #00:02:35-5#

Alisa Müller: Ich arbeite vor allem in der Redaktion, bin also für die Erstellung des Magazins zuständig, einmal für die Planung und arbeite auch als Journalistin manchmal gar nicht so viel, wie ich möchte, weil wir oft eben mehr mit der Planung beschäftigt sind und im Verteilen von schönen Themen an freie Mitarbeiterinnen, und ich arbeite auch noch in der Straßenkreuzeruni. #00:02:59-4#

Hannah Diemer: Wenn du erzählst, dass du redaktionelle Arbeit machst, was waren denn deine bisher, oder hast du irgendwie eine Lieblingsgeschichte, die du im Straßenkreuzer erzählt hast? #00:03:08-5#

Alisa Müller: Wenn du so fragst, es gibt einige. Es gibt natürlich auch gerade in der Redaktion viele Aufgaben, die wir einfach machen müssen, kleine Nachrichten oder so. Aber sicher, ein Hit war die allererste Geschichte, die ich für ein Straßenkreuzer gemacht habe, also noch als freie Mitarbeiterin. Da bin ich in den Kirchenweg gegangen. Da werden Pensionsplätze für Obdachlose vergeben. Also, Pensionsplätze sind Zimmer, in denen man für Monate, also länger bleiben kann, nicht nur für eine Nacht wie Notschlafstellen, sondern wenn du dieses Zimmer mal hast, dann hast du erstmal einen Dach über den Kopf, wenn auch von der Stadt zugewiesen, und da gibt es eine Stelle am Kirchenweg, und damals ist es kaum noch vorstellbar. Heute war der große Aufreger, dass die eine Plexiglasscheibe zwischen hinter der Theke und vor der Theke gemacht haben, aus Angst vor Angriffen. Seit Corona ist das überhaupt kein Ding mehr, diese Plexiglasscheiben. Aber damals war das eben der Grund für uns, dahin zu gehen, und uns meint schon, wie das da eigentlich funktioniert. Und da hab ich ne ganz klassische Reportage gemacht und war sicher drei oder vier Stunden bei diesen Frau, die auch ihren Namen gar nicht in der Zeitung lesen wollte. Wir durften sie auch nicht fotografieren, weil die Angst hatte, dann auf der Straße auch noch angesprochen zu werden, irgendwie weil sie viele Leute abweisen muss, und ich war dann eben einen Vormittag dabei, wie am Anfang noch Plätze vergeben werden konnten, und dann war es halt irgendwann vorbei. Und dann sind die Leute gekommen, haben erzählt, sie wissen nicht, wo sie halt abends schlafen sollen, und die Frau hat gemeint, ja, kommen Sie morgen wieder. Und danach bin ich, so musste ich heimlaufen und bin durch die Innenstadt heimgelaufen und hast so richtig verstanden, wie man sich aus dieser Gesellschaft ausgeschlossen fühlen kann. Aber ich habe auf einmal gedacht, ja, ich verstehe, warum Leute denken, sie können hier nicht mehr fach in die Geschäfte rein laufen und hier am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, weil du so marginalisiert wirst von diesen Strukturen, und ich glaube, das war jetzt für mich persönlich war das ein sehr einschneidendes Erlebnis, wo ich auch gedacht habe, ok, das ist einfach auch wichtig, dahin zu gehen, und, wenn ich schon nicht alle anschauen können, dann drüber zu schreiben, damit andere davon lesen können. #00:05:13-0#

Hannah Diemer: Wir werden später sicher noch mal weiter über deine Arbeit in der Redaktion und an der Straßenkreuzeruni zu sprechen. Aber lass uns doch zu Beginn mal grundsätzlich durch über Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit sprechen. Welche Begriffe verbinden wir denn aktuell? Ist wohnungslos der passende Begriff? Ist obdachlos? Der passende Begriff? Was sagt man denn? #00:05:34-5#

Alisa Müller: Eigentlich sagt man beides für unterschiedliche Sachen. Also es gibt natürlich wissenschaftliche Diskussionen, was man da jetzt sagt, aber so in der Praxis hat sich durchgesetzt, dass Wohnungslosigkeit die Situation bezeichnet, wenn man keinen eigenen Schlüssel hat, mit dem man seine Wohnung auf und zu sperren kann, und Obdachlosigkeit bezeichnet die Situation, wenn du tatsächlich keinen Schlafplatz hast in der Nacht, und dazwischen gibt es nämlich auch noch viele Möglichkeiten, was passieren kann. Man kann bei Freunden unterkommen oder bei Verwandten, also wenn man sich überlegt, was man machen würde, wenn man aus der Wohnung fliegt. Das erste wäre, irgendjemanden zu fragen, ob ich mal auf der Couch schlafen kann, und das, was wir vorhin schon kurz hatten, diese Vergabe von Pensionsplätze, wenn man von der Stadt quasi untergebracht wird. Das ist auch keine eigene Wohnung, also man hat keinen eigenen Mietvertrag. Also solche Leute bezeichnet man auch als wohnungslos, aber eben nicht als obdachlos. #00:06:31-9#

Hannah Diemer: Okay, wie kommt man denn klassischerweise in Obdachlosigkeit? Welche Faktoren gibt's denn, die da zu reinspielen? #00:06:39-4#

Alisa Müller: Naja, also ganz grundlegend wird man obdachlos, wenn man seine Wohnung verliert und die der Verlust der Wohnung, das ist tatsächlich einfach ganz individuell. Also, ich tu mir da immer, ich sag schon immer, was ich tu, mir immer ein bisschen schwer, da einen Weg zu beschreiben, weil man das nicht so genau sagen kann. Meistens kommen mehrere Faktoren zusammen, klassischerweise zum Beispiel eine Suchterkrankung, die schlimmer wird, eine Trennung vom Partner oder der Partnerin, die so aus Erfahrungswerten vor allem Männer oft sehr schwer trifft, und Verlust der Arbeit und psychische Erkrankungen. Das sind so Faktoren, die das sicher in Anführungszeichen erleichtern. Und wenn da zwei zusammenkommen oder vielleicht noch ein dritter, dann ist es eben wahrscheinlich, dass man zum Beispiel in so einen Modus kommt, dass man Briefe nicht mehr aufmacht, weil man sagt, das ich, ich kann nicht mehr. Ich mag gar nicht mehr, dass man überhaupt nicht mehr auf die Idee kommt, irgendwie sich Hilfe zu suchen, bevor tatsächlich die Räumungsklage kommt und man irgendwann aus der Wohnung raus muss. Es gibt ja Möglichkeiten, sich vorher helfen zu lassen, und ja, dass man, ich habe es ja noch nie erlebt. Ich glaube, dass man da ganz schnell in so eine oder schnell, aber man kommt in so einen Zustand, dass man einfach irgendwie denkt, auch man ist es vielleicht nicht mehr wert, dass dass man da Hilfe bekommt und irgendwie da rauskommen sollte, und ich habe das gefühl, dass es so eine Gemengelage ist, die zu Obdachlosigkeit führen kann. #00:08:13-7#

Hannah Diemer: Wenn man wohnungslos wird, wie schaut denn dann der Prozess klassischerweise aus? Kann ich mich an Unterstützungsangebote wenden? Welche gibt's da? Wie erfahre ich denn von denen? #00:08:25-6#

Alisa Müller: Ja, also ja, die gibt's, und der zweite Teil der Frage ist schon ganz wichtig, nämlich wie erfahre ich davon, und ich glaube, da gibt's immer noch viele Schwierigkeiten. Also ich habe das Gefühl, dass die wenigsten wissen, dass Städte, Kommunen, also natürlich unterschiedlich, aber im allgemeinen viel dafür tun, um Wohnungslosigkeit zu verhindern. Also eigentlich hat jede mittelgroße Stadt irgendeine Stelle Fachstelle, die sich mit der Prävention von Wohnungs und Obdachlosigkeit beschäftigt, Nürnberg hat die auch, die heißt Fachstelle für Wohnungsfrage und Obdachlosigkeit, und eine von den Aufgaben ist die Prävention, und das kann auch zum Beispiel dadurch erfolgen, dass Mietschulden übernommen werden. Das ist auch, also ist gar nicht so sehr irgendwie gar kein so alturistisches Gedanke. Es ist auch für die Stadt billiger, Mietschulden zu übernehmen, als jemanden unterbringen zu müssen, oder danach dafür sorgen zu müssen, ist es einfach. Manchmal gerät man ja in die Schieflage und kann durch kurzfristige Hilfe da auch wieder selber rausfinden. Oder also das ist das eine, dass das geht oder das eben beraten wird, also dass man da im Prozess, wenn du eine dritte Partei hast, zum Beispiel ganz anders mit Vermietern reden kannst und schauen kannst, ob man in Raten zahlen kann, irgendwie sowas vereinbaren, wozu man alleine vielleicht gar nicht die Ideen oder die Kraft hat. Also, das gibt es, aber man muss davon erfahren. #00:09:49-3#

Hannah Diemer: Und wenn ich dann wohnungslos geworden bin, gibt's diese Notschlafstellen oder Pensionen, hast du schon genannt. #00:09:56-0#

Alisa Müller: Was ist es denn also? Das sind zwei unterschiedliche Sachen. Notschlafstellen sind Übernachtungsplätze, die abends aufmachen, meistens also vor acht, macht da nichts auf, irgendwann abends, nachts, und dann kann man kommen und sagen, ich brauche einen Schlafplatz, und dann bekommt man ein Bett in Mehrbettzimmern. Meistens oder so, zählen auf jeden Fall mit anderen Menschen, die du dir nicht aussuchen kannst, auf einem Zimmer und natürlich auch mit anderen Menschen, ja wahrscheinlich alle auch schwierigen Wohnlagen. Also von Solidarität ist da oft auch nicht so viel zu spüren. Da passt jeder auf seine Sachen auf, spätestens wenn man das erste Mal beklaut worden ist in so einer Notschlafstelle, und dann schläft man da und muss dann früh um sieben oder acht auch wieder ausziehen. Die wird dann geschlossen, und Pensionen, meiner mal noch gibt's da städtische und private Betreiber von obdachlosen Pensionen mit ganz unterschiedlichen Standards, also wirklich Löcher, wo du eigentlich nicht wohnen willst, und diese Pensionsplätze hat man für länger, also dann für Monate oder sogar Jahre, auch wenn die natürlich nicht so gedacht waren. Das Problem ist ja, dass es keinen bezahlbaren Wohnraum gibt, wo die Leute dann wieder rausgeben könnten. Deswegen in vielen von diesen Hilfseinrichtungen bleiben die Menschen einfach hängen, obwohl die nie dafür gedacht waren, dass Menschen da jahrelang ihren Lebensmittelpunkt haben. #00:11:24-5#

Hannah Diemer: Gibt's Zahlen über die Wohnungslosigkeit? #00:11:28-4#

Alisa Müller: In Nürnberg ja, also ich weiß, dass ungefähr 2500 Menschen in Nürnberg von der Stadt untergebracht sind, also was wir jetzt hatten in Pensionen oder Notschlafstellen, oder es gibt noch ein paar andere, betreutes Wohnen, und so gibt es noch ein paar Sachen. Das sind insgesamt ungefähr 2500, ungefähr 1200 in Pensionen und tatsächlich Obdachlose. Dazu gibt's auch Zahlen in Nürnberg, die sehr unterschiedlich sind. Also, die Stadt geht von 50 bis 100 Obdachlosen aus, stabil seit Jahren, und sagt doch, das sind eben Menschen, die man nicht erreichen kann mit den klassischen Hilfsangeboten, die gemacht werden. Die Stadt sagt, dass niemand auf der Straße schlafen muss, wenn er das nicht will. Das kann man schon. Kann man sagen, dass das stimmt. Ich habe jetzt schon kurz geschildert, was die Alternative ist. Ja, und die Frage ist natürlich, ob das tatsächlich eine freie Wahl ist. Also, ich kann verstehen, dass Menschen sagen, dann schlafe ich lieber draußen und bin alleine und kann irgendwie selber für meine Sicherheit sorgen, als mich in so einem Schlafsaal zu begeben, wo ich nicht weiß, was mich erwartet, und die Wärmestube, das ist eine komische Wärmestube für Obdachlose mittlerweile seit der Pandemie. Die haben ihre Regeln geändert. Da gibt es essen, man kann duschen und sich tagsüber aufhalten, und die haben während der Pandemie mal eine Zählung vorgenommen und gehen ungefähr von 250 bis 300 Menschen aus in Nürnberg, die obdachlos sind, also die die Berechtigung haben, in die Wärmestube zu gehen. #00:13:01-5#

Hannah Diemer: Was ist denn das für eine Berechtigung? #00:13:03-9#

Alisa Müller: Ah, zum Beispiel kannst du auf dem Personalausweis eingetragen haben, ofw, ohne festen Wohnsitz, das zählt. #00:13:10-5#

Hannah Diemer: Das stelle ich mir sehr deutsch vor, also da muss ich irgendwie, gerade obwohl es so schwer das Thema ist, ein bisschen schmunzeln, dass wir in Deutschland Berechtigungen brauchen, um quasi wohnungslosen Hilfen zu beantragen oder zu bekommen. #00:13:23-0#

Alisa Müller: Ja, also es war ganz genau, kann ich das nicht sagen. Es war auf jeden Fall vor der Pandemie anders. Da konnte man da eher rein, und in der Pandemie hat sich also dadurch, dass ja teilweise auch sich die Leute nicht mehr im öffentlichen Raum offen halten durften, was ja für Obdachlose einfach ja, was sollen sie denn machen? Also, es war einfach wirklich eine untragbare Situation, und dann scheint der Ansturm so groß geworden zu sein, dass die ihr Angebot limitieren mussten und das tatsächlich nachprüfen. #00:13:48-5#

Hannah Diemer: Okay, du hast jetzt gesagt, es gibt ganz viele städtische Programme oder Organisationen, die eben bei der Unterstützung von den wohnungslosen Menschen helfen. Gibt es denn da aktuell Bereiche, in denen du Verbesserungspotenzial siehst? #00:14:03-3#

Alisa Müller: Also ja immer, grundsätzlich muss man sagen, dass wir in Nürnberg im Vergleich mit anderen deutschen Großstädten wirklich eine gute Versorgung haben. Also, die Stadt ist sozial, die Zahlen sind extrem niedrig, wenn man andere Städte mit der gleichen oder mehr Einwohnerzahl anschaut. Also, die Situation ist schon gut, aber ich scheue mich trotzdem davor zu sagen, dass es ausreichend ist, ist es einfach nicht, was es viel mehr braucht. Dann aber also man kommt dann schnell dazu, dass es eigentlich viel mehr Veränderungen im System braucht. Ja also, dass es Armut gibt, es einfach in einer kapitalistischen Gesellschaft irgendwie angelegt, dass es Menschen gibt, denen es besser geht und denen es schlechter geht, und das individualisiert wird, dass du sagst, die Menschen sind selber dran schuld, wenn sie arm sind, und da kommt man, oder ich mittlerweile komme ganz schnell dahin, dass ich mir denke, ja, eigentlich, das sind die Verbesserungen, die wir dringend bräuchten. #00:15:00-0#

Hannah Diemer: Was stellst du dir denn davor, oder was wäre das dann? Eine persönliche Utopie? #00:15:03-9#

Alisa Müller: Ich wollte gerade sagen, das ist alles schon sehr utopisch. Genau weiß ich gar. Ich glaube, ich würde irgendwie schon ausreichen, wenn die Menschen tatsächlich ein Bewusstsein dafür haben, dass das, eben, wie viel Anteile an Armut strukturell sind, und zwar vielleicht auch gerade diejenigen, die es betrifft, die dann eben auch oft das so total verinnerlicht haben, dass sie sagen, ja, ich habe halt nichts gelernt, deswegen geht es mir so oder ach, ich trinke halt zu viel, deswegen bin ich in so einer blöden Situation. Ich glaube, das wäre so. Ne, das ist schon sehr utopisch, das zu denken, dass dass es so einen Bewusstseinswandel gibt. #00:15:42-3#

Hannah Diemer: Was meinst du mit strukturellen Voraussetzungen für Armut? Kannst du das einfach mal benennen, was du damit meinst? #00:15:48-8#

Alisa Müller: Ja, also, es ist sicher so mittlerweile, dass dass der gesellschaftliche Stand in Deutschland vererbt wird und sicher noch mehr als vor 50 Jahren, also dass die Generation, die jetzt um die 30 ist, quasi komplett andere Voraussetzungen hat als ihre Elterngeneration, was Aufstiegsmöglichkeiten im Prinzip angeht. Und ja, ich habe heute auch in Vorbereitung über dieses Gespräch viel über diesen Punkt nachgeht. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie ich den tatsächlich ausdrücken kann. #00:16:20-8#

Hannah Diemer: Was spielen da für Punkte für dich mit rein? Ist es, was mit sucht? Ist das was mit Bildung? Ist es irgendwie eher so eine erlernte Gesellschaftsform? #00:16:32-4#

Alisa Müller: Nee, ich hänge irgendwie heute schon die ganze Zeit drin, dass das alles so individualisiert wird, dass du das Gefühl, dass die Menschen sind selber schuld, wenn sie arm sind, und sie müssten. Doch sie müssten doch einfach nur genug lernen zum Beispiel und genug Geld verdienen, oder müssten doch einfach nur mal das Trinken aufhören, und dann wird es schon alles. #00:16:54-1#

Hannah Diemer: Aber Menschen haben in unserer Gesellschaft unterschiedliche Startpunkte. #00:16:58-9#

Alisa Müller: Ja, und ich glaube, es ist auch umgekehrt so, dass diejenigen, die erfolgreich sind in unserer Leistungsgesellschaft, ja, dass sie auch das Gefühl haben, dass sie das irgendwie verdient haben, und die anderen haben es halt nicht verdient. Und ich glaube, daher kommt die Einstellung, dass man da gar nicht wirklich was dran ändern will, weil also diejenigen, die was ändern könnten, das sind ja die, die erfolgreich sind und Geld haben und Einfluss haben, und die wollen aber auch gar nichts verändern, weil sie sagen, ja selber schuld, und die sehen überhaupt nicht, dass das nicht stimmt. Das ist das, was mich ärgert. #00:17:32-7#

Hannah Diemer: Ja, ja klar, da wird ja auch ganz viel darauf gegeben, wenn ich sage, ich habe mir das alles selber erarbeitet. Das habe ich, weil ich mir selber erwirtschaftet habe. Aber ganz oft liegt es ja daran, dass ich aus einer Familie komme, die mir das ermöglicht hat, oder dass ich einfach geerbt habe in der Gesellschaft, ich dazugehöre, die viel Geld hat, die viel Zeit hat, die viel Ressourcen hat, die mich so entsprechend fördern kann, dass ich mich so verwirklichen kann. Und wenn mir diese ganzen Förderungen von Anfang an gar nicht zustehen, dann ist es ja nicht die persönliche Schuld oder der persönliche Gewinn dieser einen Person, sondern dann ist es ein strukturelles. #00:18:06-2#

Alisa Müller: Ja, genau, und dann hat man, braucht man aber, glaube ich, auf diesen Blick auf die unteren und die Armut irgendwie, um sich da selber besser zu fühlen oder um sich das sich vergewissern zu können, dass man tatsächlich erfolgreich ist. Und das ist, glaube ich, was, was irgendwie in der Gesellschaft angelegt ist, was ganz viel verhindert, dass sich strukturell was ändert. #00:18:29-0#

Hannah Diemer: Das ist schon ein bisschen angesprochen, aber ich würde dich gerne trotzdem noch mal fragen, wie sich denn dann genau diese Stigmatisierung und diese Vorurteile obdachlosen Menschen gegenüber auswirken? Also wie trifft es denn diese obdachlosen, wohnungslosen Menschen? #00:18:42-8#

Alisa Müller: Also, sofern sie zu erkennen sind, trifft es sich sicher jeden Tag, weil Obdachlose sich ja oft da aufhalten, wo viele Menschen sind, nicht alle, aber oft, weil es da einfach mehr Möglichkeiten gibt, das heißt Pfandflaschen sammeln, betteln, also, es gibt irgendwie Möglichkeiten, sich den Lebensunterhalt zu finanzieren. Die ganzen Einrichtungen sind in der Innenstadt. Man muss einfach auch da sind. Die anderen Menschen sind da, und wenn, wenn du so sichtbar obdachlos bist, dann, ich meine, das sieht man ja, wenn man an ihnen vorbeiläuft. Also da kann man mal überlegen, wie man an ihnen vorbeiläuft, und Menschen merken das, wenn sie ignoriert werden, laufend. Also das ist sicher was was, wo man immer merkt, dass es Vorurteile gibt. Also ist einer von uns einen Stadtführer. Der war selber lange obdachlos. Der hat erzählt, dass er mal, ich glaube, er saß auf der Wörder Wiese mit seinem Kumpel, hat seine seine Brose aufgemacht und hat eben diese ganzen abschätzigen Blicke von den vorbeilaufenden mitbekommen und hat danach gesagt, ja, und die setzen sich in Biergarten und trinken da ihre drei Maß, und das, was ich mache, soll schlimm sein, und das ist tatsächlich schon so, dass man da ja auch so ein bisschen mit der Nase oben vorbeiläuft. Was eigentlich, was diese Menschen merken und zu Recht sagen, das haben wir nicht verdient! #00:20:08-9#

Hannah Diemer: Ihr habt auf eurer Webseite vom Straßenkreuzer stehen über das Leben zwischen der Wärmestube und dem Straßenverkauf. Wie lebt sich denn zwischen Wärmestube im Straßenverkauf? #00:20:20-3#

Alisa Müller: Viele von unseren Verkäufern sind einfach von extremer Armut betroffen, aber haben eine eigene Wohnung oder haben was oder sind untergebracht. Zum Beispiel auch in der Heim wohnen einige also haben ein Dach über Kopf, müssen nicht in die Wärmestube, und diejenigen, die tatsächlich auf der Straße leben, die haben oft nicht die Kraft dafür, den Straßenkreuzer zu verkaufen. Also, wir kommen ja später vielleicht auch noch auf die Uni. Wir merken bei ganz vielen von unseren angeboten, dass dass das halt einfach sind, unterschiedliche Zielgruppen. Mit dem Magazin sprechen wir diejenigen an, die in der Lage sind, noch arbeiten zu können, wenn irgendwie, und das ist ja tatsächlich auch körperlich, fordern, die Arbeit, auf der Straße zu stehen, bei jedem Wetter und dieses Magazin zu verkaufen, und die Menschen, die zum Beispiel zur Wärmestube gehen, dass ja auch so ein Vorurteil, das oft kommt, als Obdachlose nichts zu tun hätten, wenn sie dann zum Beispiel, könnte man jetzt denken, verkaufen sie nicht mal den Straßen Kreuzer. Was machen sie denn dann? Und in einem von unseren letzten Heften hat eine Mitarbeiterin von uns mit einem Obdachlosen geredet, regelmäßiger Besucher der Wärmestube, der tatsächlich jeden Morgen erst mal zwei Stunden von seinem Schlafplatz zur Wärmestube läuft, dann dort seine Sachen erledigt. Also, viele haben zum Beispiel da ihre Postadresse, das heißt, die können da ja ihr Bürozeug machen, im Prinzip und Wäschewaschen, duschen, was essen, dann hat er jemand, macht noch weiter Erledigungen, dann geht er ins Fitnessstudio. Er legt sehr viel Wert auf einen gepflegten Körper, und da duscht er jetzt immer in dem Fall, und dann läuft er wieder zurück. Das sind auch schon vier Stunden am Tag, die zum Beispiel einfach mit laufen rumgehen. Und auch so ein Gedanke, wie viel eine Wohnung eigentlich Lebenskom vor bietet, wie zum Beispiel, dass man einfach kochen kann, dass man duschen kann, Wäsche waschen, das sind alles Sachen, die Obdachlose sich organisieren müssen, um überhaupt erst mal leben zu können. Und dazu kommt oft auch noch irgendeine Suchterkrankung, was auch mit enormem Druck einhergeht, irgendwie Geld zu beschaffen, um Alkohol zum Beispiel zu beschaffen. Vielleicht muss man Pfandflaschen sammeln oder betteln. Das ist alles zeitaufwendig. Ich glaube nicht, dass diese Menschen nichts zu tun haben. #00:22:37-0#

Hannah Diemer: Was glaubst du, was für eine Rolle Suchterkrankungen spielen bei so Wohnungslosigkeit? #00:22:42-3#

Alisa Müller: Ja, hat sicherlich große, wobei das jetzt keine. Also Ursache und Wirkung möchte ich da jetzt nicht festlegen. Aber ich habe auch öfter mit Leuten aus Osteuropa, also mit Polen, geredet, die auf der Straße hier in Nürnberg sind, und die sagen alle, ja, das, der Alkohol hilft halt klar, die wissen alle, dass das nicht gut ist. Also das musst ihnen nicht sagen, die sehen ja auch an ihren ganzen Kompe, dass das keine gute Entscheidung ist. Aber die sagen, dann vergesse ich halt mal. Und bei anderen Süchten, also bei harten Drucken, würde ich sagen, dass es so ist, dass dass es umgekehrt ist, dass oft zuerst irgendwie Abhängigkeit entsteht und dann der Druck, das finanzieren zu müssen, und dann kommt man in Armut, wenn dann alle Ressourcen mal aufgebraucht sind, und dann landet man auf der Straße. #00:23:28-4#

Hannah Diemer: Was gibt's da für Unterstützungsangebote in Nürnberg für Suchtkranke? #00:23:32-5#

Alisa Müller: Also, es gibt die Hängematte, also es ist eine Notschlafstelle für Suchtkranke, und es gibt einen sehr großen Verein, die Mudra, mit ganz vielen angeboten, die auch auf Suchterkrankungen spezialisiert sind. #00:23:46-0#

Hannah Diemer: Und da wird dann den Süchtigen geholfen, vielleicht runterzukommen von den Drogen oder? #00:23:52-9#

Alisa Müller: Ja, das ist stellt man sich immer so schön vor. Also erst mal wird ihnen geholfen, egal also, was sie gerade brauchen, und im Idealfall geht es dann damit einher, dass man sagt, okay, da kann man vielleicht auch ein bisschen runterkommen, aber viele das auch einfach saubere Spritzen zum Beispiel irgendwie Beratungsangebote bei hatte Behandlung ermöglichen und natürlich auch, wenn es geht, irgendwie auf auf nen Entzug vorbereiten und das dann begleiten. Ja! #00:24:24-3#

Hannah Diemer: Was hältst du von sicheren Konsumorten? #00:24:26-9#

Alisa Müller: Ja, ich denke so, ich halte das für nötig, weil ich, wenn man, was wir jetzt ja auch die ganze Zeit gemacht haben, ja, wenn man das Suchterkrankung bezeichnet, was es meiner Meinung nach ist, also wenn man das mal annimmt, dann muss man einfach sagen, diese Menschen sind krank, und ich finde auch, dass jahrelange Erfahrung zeigt, dass offensichtlich eine Verdrängung nichts bringt, sondern dass das immer nur irgendwo anders auftaucht. #00:24:52-9#

Hannah Diemer: Und dass man dann den Menschen mit so einer zumindest sicheren Nutzungsmöglichkeit bisschen Unterstützung bieten kann, dass sie sich vielleicht gar nicht noch stärkere Verletzungen zuziehen, sie einfach einen sicheren Ort haben. #00:25:06-5#

Alisa Müller: Genau also ja, es ist einfach ein sehr menschlicher Gedanke, das zu akzeptieren, dann und zuerst mal zu sagen, okay, man muss es ja nicht unterstützen. Das Macht, glaube ich, auch niemand, aber es zu akzeptieren, es gibt, und es wird immer Menschen geben, die Drogen nehmen, und dann ist das erste, was man machen kann, den Menschen zu helfen, dass sie davon nicht auch noch irgendwelche Infektionen bekommen oder vielleicht jemanden haben, der im Fall der Fälle, wenn irgendwas, wenn überdosiert worden ist oder so, der da ist, der weiß, es gibt mittlerweile zum Beispiel so ein Nasenspray, was man super nehmen kann bei Überdosierungen, aber muss man halt haben, muss halt in der Nähe sein. Also ja, für mich stellt sich die Frage überhaupt nicht, dass man da Menschenleben retten kann. #00:25:49-9#

Hannah Diemer: Wenn man wohnungslose Menschen im Stadt geschehen begegnet, was würdest du dir denn für nen Umgang wünschen? #00:25:55-5#

Alisa Müller: Also eigentlich, was ich mir wirklich wünschen würde, ist ein reflektierter Umgang, und da bin ich selber bei mir auch immer noch am Aushandeln, was das eigentlich bedeutet. Ja, also, ich versuche immer, Menschen wahrzunehmen und jetzt nicht nicht extra auch noch wegzuschauen. Wenn mich Menschen grüßen, grüß ich zurück, Geld gebe ich eher selten, aber das machen andere ganz anders, und ich finde es schöner, eigentlich auch da freigiebig zu sein, und irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich auf so eine Frage nicht nicht mit so Handlungsanweisungen antworten kann, sondern dass es ist aber gut, drüber nachzudenken, und man wird halt in unserer Gesellschaft auch mit Sachen konfrontiert, die einem nicht gefallen. Das natürlich ist das nicht schön, da hinzuschauen, aber es gehört dazu, das ein Stück weit anzunehmen und auch einfach mal, also vielleicht auch einfach realisieren zu können. Okay, dem geht es gerade echt schlecht, und mir geht es im Vergleich ziemlich gut, dass es ist irgendwie auch so ein Widerspruch, den man aushalten muss, und ich habe das Gefühl und irgendwie die Hoffnung, wenn man das mehr machen kann oder wenn das mehr Leute machen, dass dann irgendwie auch die Voraussetzungen geschaffen werden, was zu ändern. #00:27:14-5#

Hannah Diemer: Dass man sich nochmal mit mehr Freundlichkeit begegnet. #00:27:17-4#

Alisa Müller: Ja, das wäre dann zum Beispiel ein konkretes Ergebnis von dem ganzen, dass man tatsächlich mal ins Gespräch kommt. Das muss ja nicht von heute auf morgen sein, dass du auf einmal sagst, du redest mit allen, aber das kann durchaus ein Ergebnis sein, oder zum Beispiel den. #00:27:31-4#

Hannah Diemer: Straßenköter Magazin zu kaufen. #00:27:33-5#

Alisa Müller: Das ist natürlich sowieso immer empfehlenswert. #00:27:36-4#

Hannah Diemer: Was ist denn jetzt der konkrete Straßenkreuzer Magazin? Wir haben jetzt gehört, ihr habt vor 30 Jahren angefangen. Es ist ein Sozialmagazin. Wer darf diese Magazine verkaufen? #00:27:46-0#

Alisa Müller: Also verkaufen dürfen es Verkäuferinnen und Verkäufer, die sich bei uns gemeldet haben. Also die sind bei uns angemeldet, die haben den Ausweis, den sie auch beim Verkauf immer sichtbar tragen müssen mit einer Ausweisnummer, und die dürfen dann den verkaufen. Bei uns müssen sie nachweisen, dass sie wenig Geld haben. Also, wir geben den Ausweis auch nicht jedem, wobei, das habe ich ja schon gesagt, es ist auch eine anstrengende Arbeit. Also Menschen, die kommen und auf den Straßen verkaufen wollen, die brauchen auch Geld. #00:28:19-1#

Hannah Diemer: Was ist denn euer Grenzrahmen gerade? #00:28:22-2#

Alisa Müller: Also, Leute mit Bürgergeld dürfen bei uns, die gelten bei uns. #00:28:26-8#

Hannah Diemer: Okay, und wie läuft denn dann so einen Verkauf normalerweise ab? Also, die Menschen kommen zu euch und holen sich dann bestimmte Nationen ab, oder kriegt ihr da gleich viel? Oder wie ist es? #00:28:38-5#

Alisa Müller: Nee, die Verkäufer kaufen bei uns die Hefte, also momentan kostet das Heft 2,70€ im Straßenverkauf quasi an den Endkunden, und wir verkaufen die Hefte für 1,30€ an die Verkäuferinnen und Verkäufer. Und das bedeutet auch, dass die Verkäuferinnen, Verkäufer sich selber überlegen müssen, wie viele Hefte sie wollen. Also die kommen und wollen eine bestimmte Anzahl von Heften kaufen, die haben sie dann aber auch gekauft. Also, bei uns gibt es keine Möglichkeit, die Hefte dann wieder umzutauschen, irgendwie zu neuen Heften oder so, ja, sondern die Verkäufer haben die dann müssen also irgendwie auch selber damit wirtschaften. #00:29:20-0#

Hannah Diemer: Das bedeutet auch, das pro Heft, das die Verkäuferinnen verkaufen, 1,40 bei den Verkäufer:innen bleibt. Und wie erstellt ihr als straßenkreuzer Verein des Magazins? #00:29:30-9#

Alisa Müller: Also, das ist ganz klassisch journalistisch redaktionelle Arbeit, würde ich sagen. Es macht enorm viel Spaß, weil wir ja sehr frei sind in unsere Themen aus, weil also, es ist einfach ein erstens ein Magazin. Wir sind frei von tagesaktuellen Sachen, weil wir so, wir gehen zehn Tage vor, erscheinen in Druck. Also aktuelle Sachen gehen sowieso nicht, gibt einem auch, wenn man das mal akzeptiert hat, auch enorme Freiheit bei der Themen Auswahl, und dann können wir auch ganz viel machen, was uns Spaß macht, eigentlich und wo wir denken, das macht auch Spaß, wenn die Leute das dann lesen wollen, und ein bisschen schwingt natürlich auch immer mit. Also, das oberste Ziel ist, die Situation unserer Verkäuferinnen und Verkäufer zu verbessern. Die zählen zu der zu den armen Menschen. Also ist es schon auch immer Ziel von uns, Inhalte zu machen, die eben dazu beitragen, das Bewusstsein, also, sag mir da, den Blick auf Armut und soziale Ungleichheit zu lenken, um eben zu sagen, die Leserinnen und Leser, die es kaufen, sollen dann mehr Bewusstsein dafür haben und vielleicht auch vielleicht sitzen sie an Positionen, um was zu ändern, was großes oder was kleines. #00:30:43-4#

Hannah Diemer: Welche Reportage ist dir denn da zum Beispiel besonders im Kopf geblieben? #00:30:47-7#

Alisa Müller: Also, ich habe mich einmal mit einem mit einem Polen getroffen. Thema, das Heft erwarten. Worauf warten wir noch, und wir sind mal naiv davon ausgegangen, weiß ich noch, waren da als Thema geschrieben, quasi auf ein besseres Leben, und dann konnte ich mich mit dem unterhalten. Ich habe ihn auch gefragt, worauf erwartet, und er hat gemeint, auf einen Systemwechsel, und merken wir da schon an, der Antwort war sehr reflektiert, und ja, der hat einfach so eine. Ganz wahrscheinlich haben das viele. Aber in der Deutlichkeit ist mir das vorher auch noch nie vor Augen geführt worden, wie erzählt hat, dass er also er ist quasi hergekommen nach Deutschland, hat ein Gewerbe angemeldet und wollte mit nem Freund zusammen hier arbeiten. Dann hat es mit dem Gewerbe nicht geklappt, das weiß ich nicht mehr genau. Er hat auf verschiedenen Baustellen gearbeitet hat zum Beispiel, entweder ist er gar nicht bezahlt worden, oder es hieß, du musst erst mal ein paar paar Wochen arbeiten, bis du dann den Mindestlohn bekommst, oder erst mal ein paar paar Monate schwarz, bevor wir dich irgendwie anmelden können, oder fahren mal auf die Stelle. Dann ist er zurückgekommen. Dann hieß es, ne schlechte Arbeit, gibt kein Geld. Das hat er ein paar mal gemacht, bis er, so wie er es erzählt hat, irgendwann dann hat man nach Nürnberg zurückgefahren ist, und klar war so, jetzt ab dachlos, also jetzt hat er auch, hat er nichts mehr, wo er hingehen kann. Der hat zum Beispiel erzählt, dass er auch mal wochenlang gearbeitet hat, während der obdachlos war, bis er es einfach körperlich nicht mehr geschafft hat, also acht Stunden arbeiten und dann abends wieder auf die Bank legen, und er hat gemeint, die ganzen Hilfseinrichtungen, die sind ja alle tagsüber offen, also zum Beispiel die Wärmestube, die wir jetzt schon hatten. Also, du brauchst als Obdachloser diese diesen Zeit tagsüber, um, um dein Leben zu organisieren. Ja, er hat gemeint, es war halt auch, er hatte kein Geld, aber er musste sich was zum Essen kaufen, weil er eben kein kostenloses Essen bekommen hat, um dann mittags essen gehen, also was zu essen auf der Arbeit. Ja, das hat er so zwei Wochen durchgehalten, und dann hat er aufgehört, hat gemeint, das geht nicht. Das Problem ist halt auch tatsächlich. Also wie der erzählt, hat er ganz viel gearbeitet, aber es ist halt auch nicht anerkannt, es war schwarz, oder er hat nichts dafür bekommen, und dann bekommst du keine Sozialleistungen in Deutschland. #00:33:09-5#

Hannah Diemer: Und der ist dir besonders im Kopf einfach geblieben, weil er sich so eingesetzt hat. #00:33:13-1#

Alisa Müller: Na ja, er war es so. Also er hat so, ich sage ja nicht, dass ich keine Vorurteile habe. Er hat in Polen Studium, Marketing, Studium abgeschlossen, hatte das Haus, hatte eine Tochter, also die Tochter hat ja immer noch, aber keinen Kontakt mehr, und ich glaube, was mich beeindruckt hat. Erstens war er nicht alkoholabhängig und konnte deswegen ganz gut erzählen. Viele, die wahrscheinlich was ähnliches durchgemacht haben, können das nicht mehr so gut erzählen, weil weil einfach der Alkohol da viel mehr kaputt gemacht hat und so diese Entwicklung hin zu, also zu einem Leben wirklich in elend, ohne eigenes Verschulden. Du hast an keinem Punkt sagen können, das hat er jetzt falsch gemacht. Das war, glaube ich, das, was mich da naja, auf jeden Fall noch lange beschäftigt hat danach. #00:34:01-0#

Hannah Diemer: Und kannst du ein Bisschen erzählen, worum euer aktuelles Heft geht, was da so Schwerpunkte sind? #00:34:06-6#

Alisa Müller: Ja, das aktuelle Heft ist das Maiheft, und im Mai haben wir den Titel Haltung zeigen und beschäftigen uns also. Die Idee war Agrar: Subventionen und quasi mit der Landwirtschaft. Wir haben mit einer Kreisbäuerin geredet und mit einem Bauern, der hier ökologische Rinderhaltung betreibt, und haben beide nach ihren Standpunkten gefragt. #00:34:35-6#

Hannah Diemer: Ja, also tatsächlich dieses mal kein Thema, was du direkt mit ner Wohnungslosigkeit zu tun hat. #00:34:41-8#

Alisa Müller: Nee, nee, weil, wenn man ja, wenn man ein bisschen überlegt, hängen halt ganz viele von unseren Lebensthemen hängen mit sozialer Ungleichheit zusammen. Das Thema Ernährung in riesigem Maße, was Menschen sich leisten können, dass gesunde Ernährung so viel kostet, dass arme Menschen gezwungen sind, billige Lebensmittel und eben Fleisch aus schlechter Tierhaltung zu kaufen. Also dessen sind wir uns bewusst, dass das alles zusammenhängt, und wir wollen natürlich auch unsere Leserinnen und Leser nicht langweilen. Also wir können auch nicht jedes mal ein Heft zur Obdachlosigkeit machen, und wollen wir auch gar nicht, würde uns selber auch langweilen. #00:35:23-9#

Hannah Diemer: Ihr macht im Straßenkreuzer nicht nur das straßenkreuzer Magazin, sondern es gibt auch die straßenkreuzer Stadtführungen. Die nennen sich Schichtwechsel. Warum heißen die so? #00:35:36-6#

Alisa Müller: Also, ich finde ihn sehr gut, und ich bin mir ziemlich sicher, dass er eben auch, dass er diesen Perspektivwechsel anzeigen soll, dass man sagt, man sieht jetzt die Stadt mal eben nicht aus der Perspektive der Touristen, die den schönen Brunnen anschauen und über einen Kettensteg laufen, sondern man sieht die Einrichtungen, die sich für arme und obdachlose Menschen einsetzen. Sicher hat es auch ein bisschen. Was könnte ich mir vorstellen mit diesem Tag nach Ding zu tun, dass man sagt: Okay, tagsüber sind eben hier Touristen und arbeitende Menschen in der Stadt und so, weil die dann weg gependelt sind oder in ihren Hotels sind? Ja gehört die Stadt auch denjenigen, die sie für andere Zwecke nutzen müssen. #00:36:14-5#

Hannah Diemer: Wer sind denn die Menschen, die die Schichtwechsel Führungen halten? #00:36:18-4#

Alisa Müller: Also, wir haben momentan sieben Stadtführerinnen und Stadtführern, so viele wie noch nie, und allen gemeinsam ist, dass sie Expertise haben in Sachen Armut und Obdachlosigkeit, einige in erster Linie aus der Sicht von Suchterkrankungen und daraus resultierende Armut, und andere waren obdachlos und sind da wieder rausgekommen und können darüber erzählen. #00:36:47-1#

Hannah Diemer: Das heißt, das sind Menschen, die alle aus einer eigenen persönlichen Betroffenheit erzählen und sprechen. #00:36:52-2#

Alisa Müller: Ja, ja, wobei die sich natürlich auch Wissen angeeignet haben. Als Stadtführer, also auch jemand, der seine Lebenserfahrung eher in den Suchterkrankungen liegt, kann auf den Schichtwechsel Stadtführungen kompetent was zur Opto. Igkeit erzählen. Aber die Schichtwechsel Stadtführer bringen auch immer ihre eigene Lebensgeschichte mit ein, und ich glaube auch, dass das gewollt ist, dass letztlich also das ist, warum viele Menschen hinkommen, und es ist ja auch letztlich das, was berührt, eben die Geschichte von tatsächlichen anderen Menschen. #00:37:23-0#

Hannah Diemer: Wie kann ich denn bei so einer Schichtwechsel Stadtführung teilnehmen? #00:37:26-7#

Alisa Müller: Die Stadtführungen werden für Gruppen organisiert, das heißt, wer eine Gruppe ist und sich als Gruppe definiert, der kann sich bei meinen Kolleginnen melden, einfach e Mail, Schichtwechsel, Straßenkreuzer und einen Termin für die Führung ausmachen. Also, die werden dann tatsächlich einfach individuell ausgemacht und vergeben, und für Einzelpersonen haben wir auch oft ne Schichtwechsel. Stadtführungen einmal im Monat, immer am letzten Sonntag im Monat, Treffpunkt am Handwerkerhof. #00:38:01-4#

Hannah Diemer: Und da kann ich einfach dazu kommen und mich von den verschiedenen Führungen einfach mitreißen. #00:38:07-7#

Alisa Müller: Genau also, da kommt immer ein Stadtführer oder eine Stadtführerin, und die macht dann eine Führung für alle, die da kommen. #00:38:12-6#

Hannah Diemer: Neben dem Magazin und den Schichtwechsel Führungen, habt hier auch noch ein Projekt der straßenkreuzer Uni, und da hast du mir aktuell den Flyer mitgebracht. Wird das Sommersemester 2024, der jetzt hier auch bei uns in der Stadtbibliothek und am Bildungszentrum an den Orten mit ausliegen wird. Was ist denn die straßenkreuzer Uni? #00:38:31-8#

Alisa Müller: Ja, die ist ein Bildungsprojekt, unser einziges Projekt, das auch von der Stadt Nürnberg mitfinanziert wird, und wir bieten ja semesterweise, also immer in Halbjahresblöcken, Bildungsveranstaltungen an für alle, also auch ohne Zugangsvoraussetzungen. Also niemand muss Bedürftigkeit nachweisen, und wir sind auch wirklich über jeden froh, der kommt, also es darf jeder kommen. Das schöne ist eigentlich, dass die Uni von dieser Durchmischung lebt und halt von dem Interesse an dem Thema, das wir anbieten, und deswegen versuchen wir auch immer, möglichst spannende Themen anzubieten. Also wir organisieren die immeren Themenblöcken, drei Themenblöcke mit je drei Veranstaltungen, und dann machen wir meistens noch spezial Veranstaltungen oder Workshops, je nachdem, was wir gerade, was wir anbieten können, und wir laden Experten und Expertinnen ein, entweder aus der Wissenschaft oder aus der Praxis. Also wir hatten vor ein paar Semestern eine, die beim Zoll arbeiten, die von der Arbeit vom Zoll erzählt hat. Dieses Semester gehen wir zur Polizei, zum Beispiel, also wir sowohl Experten aus der Praxis als auch Professorinnen und Professoren, die was erzählen. #00:39:42-9#

Hannah Diemer: Wenn er zur Polizei geht, wie ist denn das Verhältnis von obdachlosen Menschen zu den Polizisten? Da stelle ich mir ehrlich gesagt nicht ganz einfach vor. #00:39:53-5#

Alisa Müller: Also, für die Uni habe ich das noch nicht mitgemacht. Aber was ich weiß, ist, dass die Schichtwechsel Stadtführungen zum Beispiel auch mit der, die heißt irgendwie Aufbauorganisation. Also, es gibt eine Einheit, die sich mit dem Bereich rund um die Königstorpassage beschäftigt, eine spezielle Polizeieinheit, und das sind Polizisten, die auch die immer wieder da sind, also die die Situation irgendwie kennen, und der Leiter ist uns sehr gewogen, der nimmt auch an Schichtwechsel Stadtführungen teil, zum Beispiel, und ich selber habe mal eine Führung mitgemacht mit einem von unseren neuen Stadtführern, der lang suchtkrank. Ja, wahrscheinlich ist er immer noch suchtkrank, aber er hat lang, quasi auch in und um den Bahnhof, sich aufgehalten, und der hat erzählt, dass das für ihn schon enormer Unterschied war und dass er das irgendwie also er hat halt immer noch so, weil sich so ihm so Polizisten nähern, spannt sich in ihm immer noch alles zusammen, und er denkt, gott, was passiert jetzt, und er hat mir richtig erzählt, dass er dann einmal sich gedacht, ach so, jetzt habe ich ja diesen Ausweis mit Straßenkreuzer hier rumhängen und mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein an denen vorbeigehen konnte. Und was ich sehr schön finde, ist das regelmäßig auch auszubildende Polizisten von der Bereitschaftspolizei, die Schichtwechsel Stadtführungen mitmachen. Das ist natürlich auch für unsere Leute cool, dass man einfach sagen kann, jetzt seid ihr mal die Experten, und ihr erzählt den Polizisten, was ihr eigentlich wisst, alles. #00:41:20-8#

Hannah Diemer: Zurück zur Uni. Wenn da andere wohnungslose oder jetzt von armutsbetroffenen Menschen da sind, bringt es denen irgendwas, quasi zu dieser Uni zu gehen? Habt ihr da irgendwie eine Art von Zertifikaten, die ihr ausstellt? #00:41:35-9#

Alisa Müller: Also, am Ende jedes Semesters bekommen die Menschen für jeden Themenblock, den sie abgeschlossen haben, eine Urkunde. Das ist jetzt erst mal eine Urkunde, also ein Stück Papier und ein Begleitschreiben vom Jobcenter, das quasi die Bereitschaft auszeichnet, sich weiterzubilden, und dazu anhält, dass man dieses Begleitschreiben auch möglichen Bewerbungen beilegen kann. #00:41:58-6#

Hannah Diemer: Gibt's was, was du noch mit den Hörer innen teilen willst, die sich noch nicht so wirklich bewusst sind jetzt über diese Realität und den Herausforderungen mit Wohnungslosigkeit? Also, ich glaube, wir haben viel über das Leben auf der Straße gesprochen und zu den ganzen Vorurteilen die Hilfsangebote. Was ist dir denn wichtig oder was sind denn so persönliche Sachen von dir, die du jetzt noch mal mitgeben willst? #00:42:23-2#

Alisa Müller: Also, es ist nicht persönlich, aber es ist mir sehr wichtig. Wir haben seit eineinhalb Jahren ungefähr unser neues Projekt, Housing first, also ein Projekt in Kooperation mit anderen Vereinen. Mittlerweile arbeiten da drei Sozialpädagoginnen, die bei uns im Haus angesiedelt sind. Deswegen umgangssprachlich unser unser Projekt, weil die bei uns mit sitzen. Und Housing forst ist ein Konzept, das so den traditionellen Ansatz der wohnungslosen Hilfe umdreht. Der traditionelle Ansatz ist, dass die Menschen irgendwie wieder beweisen müssen, dass sie wohnfähig sind und ja zum Beispiel zu einem bestimmten Zeitpunkt abstinent sein müssen, dass man, damit sie eine Stufe weiterkommen können. Und Housing first sagt, dass das, was obdachlose Menschen brauchen, in erster Linie eine Wohnung ist, und deswegen bekommen sie diese Wohnung, und zwar einen normalen Mietvertrag mit dem Vermieter selbst unterschrieben und einen Schlüssel, und danach wird geschaut, wie man mit den Problemen, die vorhanden sind, umgehen kann. Also enge sozialpädagogische Betreuung ist da nötig. Und wir merken jetzt auch, dass oft nach so einem Jahr oder so dann die tatsächlichen Probleme an die Oberfläche kommen, die wahrscheinlich davor dadurch, dass die gesamte Situation so angespannt war, überhaupt nicht bearbeitet werden konnten. Und Finnland zum Beispiel konnte mit Hilfe dieses Ansatzes ist jetzt staatliche Politik dort seit Jahren die obdachlosen Zahlen quasi also auf ein extrem niedriges Niveau drücken, und irgendwie zeigt diese an, so schön, dass es halt möglich ist, wenn man will, ja so Projekte, wie wir sie jetzt machen. Das ist natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber es zeigt, dass es geht. Du gibst Menschen eine Wohnung, und sie haben eine Wohnung. Das finde ich in dieser Schlichtheit irgendwie auch ein schöner Gedanke. #00:44:16-5#

Hannah Diemer: Neuer, bestechend. Genau wie viele, wie viele housing first Wohnungen gibt es denn in Nürnberg? #00:44:22-3#

Alisa Müller: Momentan 17 und tatsächlich auch viele von privaten Vermieterinnen und Vermietern. Also, wir haben auch mit Wohnungsbaugesellschaften zu tun, die geben uns auch Wohnungen, aber es kommen auch immer wieder private Vermieter auf uns zu. #00:44:34-7#

Hannah Diemer: Und wer bezahlt dann die Wohnungen? #00:44:37-4#

Alisa Müller: Mhm, ja, zum Beispiel das Jobcenter. Viele von den Leuten haben ja Ansprüche auf Leistungen, und da muss man schauen, dass die, dass die Miete im Rahmen bleibt. Es gibt ja gewisse Grenzen, und dann ist es so, dass das Jobcenter die Wohnung bezahlt. Ja. #00:44:53-1#

Hannah Diemer: Das heißt, es ist für die Vermieter:innen eigentlich eine relativ sichere Einnahmequelle und für die wohnungslosen Menschen oder Gefährdeten Super sicherer Hafen. #00:45:02-5#

Alisa Müller: Ja, also tatsächlich nur wohnungslos. Es gibt eine Warteliste, die auch immer wieder geschlossen wird, weil von der Seite kein Mangel herrscht. Wir müssen eben schauen, dass genug Wohnungen da sind und housing first ist für Menschen mit sogenannten multiplen Problemlagen. Also, man sagt schon, dass da Menschen eine Wohnung bekommen sollen, die auf dem normalen Wohnungsmarkt einfach überhaupt keine Chance hätten. #00:45:25-4#

Hannah Diemer: Multiple ist dann Suchterkrankung, armutsgefährdet oder armutsbetroffen? #00:45:30-5#

Alisa Müller: Ja, genau zum Beispiel Suchterkrankung und psychische Erkrankung oder irgendwie so ein Konglomerat, wo man sagt: Okay, das schafft man auf dem freien Wohnungsmarkt, reist man da nicht viel? #00:45:42-4#

Hannah Diemer: Und diese sozialpädagogische Betreuung, woher kommt die? Kommt die auch dann von euch? #00:45:46-7#

Alisa Müller: Ja, das sind Sozialpädagogen, einer und zwei Pädagoginnen, die bei uns, also die angestellt sind, ja! #00:45:53-9#

Hannah Diemer: Und die kommen in die Wohnung, dann auch zu den einzelnen Personen, oder? #00:45:57-5#

Alisa Müller: Unterschiedlich? Okay. Die also, die Betreuung, ist extrem engmaschig, und die machen das tatsächlich mit den Menschen aus, wie es gewollt ist. #00:46:06-2#

Hannah Diemer: Ja. #00:46:06-9#

Alisa Müller: Also, auch die Betreuung ist freiwillig. Das ist auch ein Grundpfeiler von diesem Konzept. Ist die Wohnung, die hast du, dann bist du im System, housing first quasi, und dann sind Wohnung und Unterstützung aber getrennt voneinander. Also theoretisch auch jemand, der seine Wohnung wieder verliert aus irgendwelchen Gründen, bleibt im System und wird weiter unterstützt. Und jemand, der keine Unterstützung will aus irgendwelchen gründen, weil er sagt, er kommt alleine zurecht, der hat aber auch weiterhin seine Wohnung. #00:46:34-8#

Hannah Diemer: Das heißt, es ist quasi die Wohnung ist nicht an irgendwelche Bedingungen geknüpft oder zu incentives dann geknüpft. Du musst so und so viele Therapiestunden machen, um das dann behalten zu dürfen. #00:46:44-6#

Alisa Müller: Genau eben gar nicht. Das ist ein normaler Mietvertrag. Also housing first ist auch, macht keine Garantie, und er schreibt nichts, hat selber keine Wohnungen, stellt nur den Kontakt her. Also, es ist auch schon ein Commitment von den Vermieterinnen natürlich, die müssen schon sagen, dass sie das wollen, lernen aber auch ihre Miete vorher kennen. Und letztlich also wir hatten, es gibt ein Ehepaar in für zum Beispiel, es gibt sich ja auch mehr, aber das kenne ich. Das hat Haus in Forst im Prinzip schon praktiziert, bevor es diese Idee gab. Also, die haben einen ein Mietshaus mit Wohnungen und haben die immer auch an sozial schwache oder obdachlose Menschen gegeben, die einfach gesagt haben, ja, es sind halt ja, natürlich haben wir mit diesen Menschen Probleme, genau so viele wir mit allen anderen Mietern auch, und das finde ich fast das ganz schön zusammen. Aber man kann auch gut reinfallen, wenn man ein, ein akademiker Pärchen seine Wohnung vermietet. Es ist einfach, man weiß es nie! #00:47:36-7#

Hannah Diemer: Danke, Lisa, für die ganzen spannenden Einblicke in den Straßenkreuzer. #00:47:41-8#

Alisa Müller: Bitteschön, es hat mich sehr gefreut, dir davon! #00:47:44-0#

Hannah Diemer: Mich auch, und dann alles gute zum dreißigsten Geburtstag von eurem Verein. #00:47:48-8#

Alisa Müller: Dankeschön. #00:47:49-4#

Hannah Diemer: Ja. #00:47:50-2#

Alisa Müller: Ja. #00:47:50-4#

Hannah Diemer: Gibt's denn vielleicht Feierlichkeiten? Oder? #00:47:54-2#

Alisa Müller: Wir werden wahrscheinlich im Herbst feiern, also was ich sicher, was ich sicher sagen kann, ist, das ist wie eine Jubiläumsausgabe machen werden vom Straßenkreuzer und, wie ich es wahrscheinlich auch, eine Ausstellung. #00:48:06-4#

Dieses Projekt/Diese Maßnahme/Initiative leistet einen wichtigen Beitrag, Nürnberg schrittweise inklusiver zu gestalten. Es/Sie ist Teil des Nürnberger Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Den Ersten Aktionsplan hat der Nürnberger Stadtrat im Dezember 2021 einstimmig beschlossen. Um die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in Nürnberg zu verwirklichen, wurden und werden umfangreiche Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Weitere Informationen finden Sie unter www.inklusion.nuernberg.de.

“Armut ist kein individuelles Problem!”, betont Alisa Müller vom Straßenkreuzer. Ein Plädoyer, wie wir als Gesellschaft mit Armut und Wohnungslosigkeit umgehen können.

Alisa Müller arbeitet als Redakteurin im Straßenkreuzer - dem Verein, der das gleichnamige Sozialmagazin herausbringt. In Nürnberg kennen sicher alle die Verkäufer*innen, die das Magazin anbieten. Doch wer darf das Magazin verkaufen? Welche Geschichten findet man im Straßenkreuzer? Im Podcast spricht Müller über konkrete Zahlen und Fakten zu Armut und Obdachlosigkeit in Nürnberg und hat dabei gleichzeitig immer das große Ganze im Blick.

Aufgenommen am: Dienstag, 30. April 2024
Veröffentlicht am: Donnerstag, 16. Mai 2024
Moderation: Hannah Diemer
Im Gespräch: Alisa Müller

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Alle weiteren Folgen von KontaktAufnahme – der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg finden Sie hier. Alle zwei Wochen, donnerstags, veröffentlichen wir ein neues Gespräch.

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