Kursleitung Bettina Marr

Bettina Marr, warum ist es sinnvoll, Notenlesen zu können?

Ich denke, es ist vor allem für Menschen sinnvoll, die sich in irgendeiner Form mit Musik beschäftigen vor allem aktiv als Sänger*in oder Instrumentalist*in, aber auch für (passive) musikliebende Zuhörer*innen. Die Notenschrift ist eine eigene Sprache mit eigenen Gesetzmäßigkeiten, und diese zu erlernen ist ähnlich wie bei einer Fremdsprache. Ich sage meinen Kursteilnehmer*innen immer, dass man hier genauso „Vokabeln“ üben muss. Außerdem sollte man sich verständigen können, wenn man mit anderen Menschen gemeinsam musiziert und die Zeichen auf einem Notenblatt deuten können.

Wer ein Instrument spielen oder sich ein Lied erarbeiten möchte, liest ab, was da in den 5 Zeilen (oder meist mehr) geschrieben steht und setzt es dann in die musikalische Sprache, also Klänge, Melodien, Rhythmen um. Oder umgedreht: Ich denke mir eine Melodie aus und möchte sie notieren, damit sie nicht verloren geht. Dazu bediene ich mich der Notenschrift mit ihren vielen Zeichen und kann sie so für andere zugänglich und bewahrbar machen. Ohne die Notenschrift könnten wir heute nichts mehr von Bach & Beatles und Tausenden anderen reproduzieren.

Du unterrichtest auch in der Grundbildung und bringst Menschen das Lesen bei. Was zeichnet diese Arbeit aus?

Vor allen Dingen sehr viel Fingerspitzengefühl! Für erwachsene Menschen, die Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben haben, ist es eine große Hürde in unsere Kurse zu finden. Sind sie dann einmal da, atmen sie auf: Ich bin ja nicht allein mit diesem Problem! Sie haben dann einen geschützten Raum, wo sie ihre Fähigkeiten in ihrem eigenen Tempo und Schwierigkeitsgrad erweitern und trainieren können. Oft entsteht so eine familiäre Lernatmosphäre, in der auch vergangene schulische Misserfolge aufgearbeitet werden können. Das ist für Teilnehmer*innen und Dozent*innen gleichermaßen angenehm.

Ist es irgendwann zu spät, zum Lesen lernen – egal ob Buchstaben oder Noten?

Auf diese Frage antworte ich sofort mit einem lauten: NEIN! NIEMALS! In beiden Kursen hatte ich schon Menschen jeder Altersgruppe. Das menschliche Gehirn ist ein Leben lang plastisch, d.h. es kann sich verändern, also lernen.

Egal ob alt oder jung, Noten oder Buchstaben: Motivation und Üben, Üben, Üben sind für beides wichtig, dann wird man täglich ein kleines bisschen besser und es fällt einem leichter. Dann wird man für seine Mühen auch belohnt: „Hey, ich kann endlich angstfrei im Supermarkt einkaufen, ohne ständig fragen zu müssen.“ oder „Juhuu, endlich kann ich meinen Lieblingssong vom Blatt spielen!“

Bildrechte: Bettina Marr