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Nadja Bennewitz, wie kommen wir zu mehr HERstory?

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Nadja Bennewitz: KontaktAufnahme. Der Podcast Bildungszentrum Nürnberg. #00:00:10-8#

Katharina Mittenzwei: Herzlich willkommen in der Bande. Schön, dass wir uns unterhalten. Schön, Sie über den Bildschirm zu sehen. Herzlich willkommen bei unserer KontaktAufnahme, dem Podcast des Bildungszentrums. Ich darf Sie mit einigen wenigen Sätzen vorstellen. Sie sind Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Friedrich Alexander Universität in Erlangen, Nürnberg am Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte. Zudem sind Sie freiberuflich im Bereich der Erwachsenenbildung mit dem Schwerpunkt Historische Frauen und Geschlechterforschung tätig, und zwar nicht nur in Nürnberg, sondern auch gerne immer unterwegs und am liebsten in Italien. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Erforschung der Frauen und Geschlechtergeschichte, insbesondere für das späte Mittelalter, die Reformzeit und das 19. und 20. Jahrhundert. Ja. Schön, Sie zu sehen, Frau Benedikt. Wer ist Ihre persönliche Heldin? Hm. #00:01:09-0#

Nadja Bennewitz: Also in historischer Perspektive wäre es in jedem Fall Christine Pison, eine gebürtige Venezianerin, die aber in Frankreich am Pariser Hof zu Beginn des 15. Jahrhunderts groß geworden ist und die erste professionelle Schriftstellerin in der Geschichte war und für die neue Frauenbewegung auch bedeutsam wurde. Durch ihr dann neu herausgegebene Buch Das Buch von der Stadt der Frauen 1405 erschienen und bedeutsam, oder? Meine Heldin ist sie auch deshalb, weil sie auch glorreiche, vorbildhafte Frauen aus der Geschichte präsentiert hat und insofern natürlich auch schon eine Form von Frauengeschichte praktiziert hat. Also das wäre so ein historischer Perspektive. Aber ich habe natürlich auch noch aktuelle Heldinnen, und wenn ich da so nachdenke, dann wären es Kapitäninnen. Da wäre es zum Beispiel Pia Klemm. Und dann die andere Kapitänin Carola Rakete, die in Zusammenhang mit Sea Watch unterwegs sind auf dem Mittelmeer, um Flüchtlinge das Leben zu retten. Und ja, die ihre Arbeit dann nicht nur als humanitären Akt verstehen. Das natürlich auch, sondern auch als politischen Akt gegen diese Abschottungspolitik Europas. Und dieses inhumane, inhumane Abschotten von Menschen, die, die hier Zuflucht suchen. Und diese beiden Frauen Carola Rakete und Pia Klemm finde ich einfach großartig und mutig und tough und politisch auf der richtigen Seite stehend. #00:02:43-5#

Katharina Mittenzwei: Wie kamen Sie zu Ihrem Schwerpunkt der historischen Frauen und Geschlechterforschung? Wie hat das angefangen bei Ihnen. #00:02:49-7#

Nadja Bennewitz: Schon in der Schule eigentlich? Ich hatte einen sehr, sehr guten Geschichtslehrer, weshalb ich auch heute natürlich dafür plädiere, dass Geschichte ein wichtiges Unterrichtsfach ist und die Persönlichkeit, der der Lehrkraft im Geschichtsunterricht ganz prägend sein kann und Geschichte deswegen auch nicht langweilig vermittelt werden darf, weil es ganz viel mit uns im Jetzt und Hier zu tun hat und insofern also mein historisches Interesse schon in der Schule geweckt wurde und gleichzeitig meine Schwester, als ich so 14 war, in die Frauenbewegung eingetreten, kann man ja nicht sagen, aber Teil dieser sozialen Bewegung war und den Feminismus zu uns nach Hause brachte und ich dann eigentlich ja so mit 15, 16 schon das als sehr unschön oder sehr ungerecht empfunden habe, dass Frauen in der Geschichte auch im Deutschunterricht, in der Literatur nicht vorkamen und deswegen diese Kombination. Toller Geschichtsunterricht und von Hause aus immer so politische Diskussionen über Feminismus hat dazu geführt, dass ich eben in historischer Perspektive mich mit Frauen und Geschlechterverhältnissen angefangen habe zu beschäftigen. #00:04:01-8#

Katharina Mittenzwei: Sie haben es jetzt schon in Ansätzen erwähnt. Ist denn die allgemeine Geschichtsschreibung aus männlicher Perspektive entstanden? Sie haben die Antwort ja fast schon gegeben. #00:04:12-7#

Nadja Bennewitz: Ja. Na ja, sicherlich. Also insofern, als natürlich dadurch, dass Frauen erstmal nicht zum Universitätsstudium zugelassen waren. Das ist ja eine Entwicklung, die erst im beginnenden 20. Jahrhundert ansetzt, in Bayern 1903, in Preußen 1908, so dass also sie aus weiblicher Perspektive nicht nach ihrer Vergangenheit schauen konnten in im akademischen Bereich. Und Geschichte hat ja immer auch was mit der Identität zu tun. Das heißt, diejenigen, die also geforscht haben an den Universitäten, waren weiße, männliche Akademiker, die ganz andere aufgrund ihrer Sozialisation ganz andere Fragen gestellt haben an die Vergangenheit und folglich natürlich auch diese Vergangenheit anders in der Geschichtsschreibung rekonstruiert haben, als dies jetzt heutzutage gemacht wird, weil es immer natürlich aus der Gegenwart heraus entsteht. Und insofern ist natürlich die Geschichtsschreibung als akademische Disziplin im 19. Jahrhundert lange Zeit eine andere Angelegenheit gewesen, die aus der Perspektive von einer ganz bestimmten kleinen, privilegierten Gruppe, die eben auch männlichen Geschlechts war, aus geschrieben wurde. Insofern würde ich das bejahen. Und es mussten dann natürlich viele andere gesellschaftspolitische Prozesse auch in die Gänge gebracht werden, damit da eine Perspektiverweiterung erfolgte. #00:05:46-4#

Katharina Mittenzwei: Und wie sind diese Prozesse entstanden? Also seit wann gibt es historische Geschlechterforschung bzw den Fokus auf Diversität in der Geschichte und in der Man Bildung. #00:05:56-8#

Nadja Bennewitz: Man kann so sagen. Also ich erwähnte ja schon Christine Debison. Also wenn wir jetzt wirklich in die Vergangenheit zurückgehen, ließe sich durchaus auch eine gewisse Tradition nachzeichnen, wie man also in vorangegangenen schon der Vormoderne versucht hat, also auch immer wieder einzelne weibliche Persönlichkeiten aus der Geschichte hervorzukramen. Aber wenn wir jetzt mal von der Wissenschaft im heutigen Sinne ausgehen, beginnt es so in den 1960 er Jahren in den USA und schwappt dann hier auch Ende der 60er, Anfang der 70er nach Europa über. Und hier in Deutschland ist es aber erst mal eine nicht akademische Bewegung, also die Ansätze zu einer Story im Gegensatz zu History, seine Geschichte, ihre Geschichte ist ja ein sehr, sehr schönes Wortspiel, was man im Englischen betreiben kann, was natürlich auch Hintergründe hat. Das ist nicht nur ja ein fiktionales Wortspiel, sondern ist tatsächlich seine Geschichte und die Forderung nun nach ihrer Geschichte also kommt von außerhalb der Universitäten, wird dann aber hineingetragen. Ziemlich bald. Fakt ist aber, dass natürlich so die die ersten wirklich großen Historikerinnen, die dann auch eine akademische Laufbahn zum Glück gemacht haben, dass viele von ihnen, wenn nicht sogar die meisten, das müsste man biografisch jetzt noch mal erkunden, auch ihre Wurzeln haben in diesen feministischen Diskussionen und Auseinandersetzungen der 70er und 80er Jahre, so dass also dieser, dieser Blick oder diese Erkenntnis von der Notwendigkeit einer Veränderung von Geschichtsschreibung, also auch bei Ihnen im Politischen liegt, sich dann aber natürlich wissenschaftlich weiterentwickelt hat oder weiterentwickelt, verändert hat. Natürlich. #00:07:39-9#

Katharina Mittenzwei: Sie forschen ganz viel an Nürnberger Persönlichkeiten, Nürnberger Frauen. Sie sind aber auch häufig in Italien und bringen eine ganz große Leidenschaft für dieses Land mit und auch für den Schwerpunkt Frauen im italienischen Widerstand. Woher kommt das? #00:07:59-9#

Nadja Bennewitz: Also meine Eltern sind nach Italien gezogen, als ich zehn Jahre alt war und so bin ich also dort viele Jahre aufgewachsen und sozialisiert worden. Und gerade auch diese wichtige Phase der Pubertät. Und dann sind wir wieder zurückgegangen. Meine Schwester hatte das Glück, die war schon älter. Sie ist dann quasi in Italien geblieben und lebt seitdem dort. Das heißt also durch meine eigene Biografie und durch das Aufwachsen und dadurch, dass ich die Sprache da natürlich gelernt habe und weil ich immer noch familiären, engen Kontakt dorthin habe, ist einfach ja meine Leidenschaft und mein Interesse an diesem Land sehr, sehr groß. Ich weiß nicht, ob ich es als meine zweite Heimat bezeichnen könnte. Ähm, ja, vielleicht schon. Also es ist schon ein Land, das mich sehr, sehr stark anzieht. Und insofern ist natürlich naheliegend, das auch beruflich in irgendeiner Art und Weise mitzunehmen. Also diese Kombination von Italien und Geschichte. Die italienische reiche, reichhaltige Geschichte bringt es natürlich mit sich. Und da sind es ganz, ganz viele Orte, Städte, Epochen, die mich interessieren. Aber eine ist natürlich, was auch hier die deutsche Geschichte anbelangt, die Zeit von Nationalsozialismus und Faschismus und auch die die Vernetzungen, die es natürlich zwischen den beiden Ländern in dieser Zeit gab, zunächst als Verbündete und dann aber besetzt Deutschland Italien 1943. Und dann beginnt eigentlich eben eine große Widerstandsbewegung der Resistenza gegen diese deutsche Besatzung. Es gab natürlich auch schon in den Jahrzehnten zuvor. Italien war ja schon seit 1922 unter faschistischer Diktatur. Viele Menschen, Frauen und Männer, die im Widerstand tätig waren, die in die Exil gingen oder in die Verbannung geschickt worden sind oder in den Gefängnissen saßen oder eben gelang es ihnen auch noch in der Illegalität gegen die Faschisten zu arbeiten. Aber gerade 1943, als dann Mussolini gestürzt wird und die Bevölkerung an und für sich denkt Jetzt ist der Krieg für Italien vorbei, man kann jetzt austreten. Es wird ein Waffenstillstandsabkommen mit den Alliierten abgeschlossen und dann das Land eben besetzt wird von den Deutschen. Und hier eigentlich eine Terrorherrschaft installieren kann man sagen immer noch in Kollaboration mit den italienischen Faschisten, die eben weiterhin festhalten an Mussolini. Da beginnt dann eigentlich diese große Bewegung der Resistenza. Und ja, da sind Frauen einfach ein ganz wesentlicher Bestandteil dabei, dass sie zum einen im zivilen Widerstand tätig waren, zur Unterstützung dieser dieses bewaffneten Widerstandes, indem sie Materialien Unterlagen, auch schriftliche Aufzeichnungen. In die Berge, in dem sich dieser Guerillakrieg gegen die deutsche Besatzung auch vorrangig abgespielt haben, hat transportiert haben. Also ich spreche von schriftlichen Unterlagen, weil das sind ja vielfach sehr junge Menschen, die, die sich also verweigern, weiterhin mit Deutschland Krieg zu führen und deswegen sich zurückziehen in die Berge, um diese Resistenza, diese Widerstandsbewegung zu beginnen, die politisch geschult sind und die auch nach zwei Jahrzehnten faschistischer Schulung natürlich geprägt sind von dieser Ideologie, weshalb diese Resistenza also nicht nur eine bewaffnete Widerstandsbewegung war gegen den Besatzer und und gegen die Nazis, sondern auch eine Widerstandsbewegung war zur Schulung, zur Aufklärung, also ein Kampf für Bildung, ein Kampf für das Frauenwahlrecht, was Frauen bis dato in Italien noch gar nicht besessen haben. Also insofern ist das auch ein sehr wichtiger Beitrag, den Frauen leisten, indem sie auch als polit. Kommissarinnen, also agiert haben. Diejenigen, die schon politisch geschult waren, haben dann die Jüngeren eben auch ausgebildet in diesen kleinen Partisanenformationen. Sie haben Munition transportiert, sie haben Waffen transportiert, sie haben Informationen transportiert. Also alles, was bei einer regulären Armee, ja offizielle Offiziere, Verbindungsoffiziere machen, gibt es natürlich nicht in so einer illegalen Widerstandsbewegung gegen die Nazis. Und diese Verbindungen haben die Frauen gemacht. Das heißt, ich habe also Partisaninnen kennengelernt. Die. Die sind manchmal am Tag 80 Kilometer gerannt, um eben strategische Informationen von einem Ort zum anderen zu bringen. Und es war natürlich lebensnotwendig, dass sie pünktlich waren. Weil wenn die Information nicht überbracht werden konnte, dann konnte das eben verheerend ausgehen für die zivile Bevölkerung oder ein Anschlag gegen irgendwelche Eisenbahntrassen, um die Verbindungswege der Deutschen mit Deutschland zu unterbinden, hat nicht funktioniert. Also insofern war das sehr wichtige Arbeiten und daneben haben natürlich auch manche Frauen selber dann sich in die Berge zurückgezogen, mit der Waffe in der Hand gekämpft. Aber das würde ich gar nicht in den Vordergrund stellen. Also da ist man ja in der Widerstandsforschung schon seit einiger Zeit umgeschwenkt und sieht eben nicht mehr in dem glorreichen Helden mit der Waffe in der Hand, der Widerstand gegen die Nazis geleistet hat, die die Gallionsfigur, sondern diese ganze Form des humanitären Widerstands, also beispielsweise auch eben Verfolgte zu verstecken und sie zu beschützen, also den Nazis, den Menschen die Menschen zu entziehen, die sie zu vernichten versuchten. Ja, dass das also auch alles Formen des Widerstands waren. Und da waren Frauen in Italien sehr, sehr stark beteiligt, in Deutschland selbstredend auch ich. Wie Sie wissen, beschäftige ich mich auch mit Frauen im deutschen Widerstand gegen die NS Herrschaft. In Italien war die Situation noch mal ein bisschen eine andere. Ist ja sehr klar jetzt. Ja, und das finde ich sehr, sehr spannend und das fand ich auch immer sehr berührend. Mittlerweile sind die, die ja alle so so Jahrgang 22, ach ja, waren gestorben, also Jahrgang 1920 Jahre die dann eben muss man sich ja auch bewusst machen. Also manche waren erst 18, manche waren Anfang 20 blutjunge Frauen waren, die damals sehr viel riskiert haben und dann auch nach 45 weiterhin politisch in der neuen italienischen Republik dann engagiert waren, die kennengelernt zu haben, Das hat mir sehr viel gegeben, das fand ich sehr beeindruckend. Und ja, was die sich getraut haben, das ist schon schon maßgeblich gewesen. #00:14:44-0#

Katharina Mittenzwei: Ja, zu ihren Zeitzeuginnen arbeiten kommen wir gleich. Noch eine Frage zu den Formen des illegalen Widerstands haben Sie dann den Eindruck, die weibliche Form des Widerstands hat einen anderen Charakter als so eine geschlechtergemischte oder ein männlicher Widerstand? #00:15:00-4#

Nadja Bennewitz: Na ja, wenn, dann aufgrund der gesellschaftlichen Zustände und aufgrund der Sozialisation. Also die Partisaninnen, die ich kennenlernte, die dann auch wirklich mit der Waffe in der Hand gekämpft haben, haben auch immer wieder betont, dass sie eine Abscheu gegenüber diesem Gerät hatten und das nicht gerne benutzt haben. Sie sind nicht so erzogen worden. Das war natürlich ein wahnsinniger Schritt in so einem katholischen Land, wie Italien es war und eben nach zwei Jahrzehnten faschistischer Indoktrination als Frau dann zu so einem brutalen Mittel greifen zu müssen. Also insofern würde ich sagen ja, der sie haben sich anders verhalten aufgrund der der Verhältnisse, aufgrund ihrer eigenen Erziehung und Prägung und auch aufgrund von Notwendigkeiten. Also als 43 eben Deutschland Italien besetzt. Wollen Sie sämtliche junge Männer weiterhin rekrutieren für die nationalsozialistische und faschistische Armee, die ja weitergekämpft haben, wie wir wissen. Und das heißt, die jungen Männer, die sich dem entziehen wollten, die mussten fliehen, ansonsten wären sie deportiert worden nach Deutschland zur Zwangsarbeit, was viele, viele nicht überlebt haben. Und deswegen sind sie geflohen in die Berge, währenddessen die Frauen nicht gesucht worden sind von den deutschen Besatzern. Das heißt, die konnten weiterhin legal in ihren Städten und Dörfern leben. Und das heißt, wenn sie sich dem Widerstand angeschlossen haben, dann haben sie das freiwillig gemacht. Dann war das bei manchen eine politische Entscheidung, weil sie eben schon politisch geprägt waren. Bei manchen war es auch eine Entscheidung, weil sie wussten, mein Bruder sitzt da, mein Cousin oder mein Verlobter. Und deswegen unterstütze ich natürlich diese Bewegung. Also unterschiedliche Motivationen. Aber es war an und für sich dann immer eine sehr freiwillige, bewusste Entscheidung, die diese jungen Frauen getroffen haben und natürlich auch ältere. #00:16:48-0#

Katharina Mittenzwei: Und wie wichtig war dann dabei die Idee der Solidarität untereinander? #00:16:52-8#

Nadja Bennewitz: Ganz stark, also gerade auch 43 im September wird das Waffenstillstandsabkommen bekannt gemacht, und die Deutschen, die ohnehin schon Italien misstrauten, hatten schon die Pläne zur Besetzung des Landes in der Tasche. Und es passiert sehr schnell, dass also die italienische Armee, die in dem Moment, in dem das Waffenstillstandsabkommen mit den Alliierten bekannt wird, sich auflöst, Der König flieht. Es gibt keine Regierung mehr und diese, die Soldaten hoffen jetzt ist der Krieg vorbei, gehen nach Hause und sind jetzt gefährdet, eben auch aufgegriffen zu werden. Ja, noch von den übrig gebliebenen überzeugten Faschisten und von den deutschen Militärregierung. Und die müssen jetzt versteckt werden. Und es beginnt jetzt so was, was man in der italienischen Geschichtsschreibung als die größte Verkleidungsaktion der Geschichte benennt. Das heißt, Frauen haben sich diese jungen Männer geschnappt und haben sie verkleidet. Sie haben die die Armee in Uniform verbrannt. Sie haben auch die Waffen versteckt oder vielleicht sogar vernichtet und haben sie neu eingekleidet und haben sie natürlich versorgt mit Lebensmittel. Und haben sie dann auf dem Weg nach Hause? Ja, es waren ja viele, die jetzt im Norden waren und eigentlich in Sizilien lebten, und haben sie nach Hause geschickt. Und wir wissen von dieser größten Verkleidungsaktion, was natürlich überhaupt nichts Organisiertes war, sondern eine spontane Form der Solidarität von Historikerinnen, die in den 80er Jahren viele dieser Frauen interviewt haben und dadurch natürlich eben zum Glück diese Geschichte heute noch präsent macht. Und haben diese Frauen interviewt, die erzählt haben Ich habe mir doch gedacht, mein eigener Junge ist jetzt auch irgendwo und ich freue mich doch, wenn es da auch eine Frau gibt, eine Mutter oder eine Familie, die ihn unterstützt und dafür sorgt, dass der eben nicht deportiert wird, sondern sich irgendwo in den Bergen verstecken kann oder nach Hause auf den Weg machen kann. Insofern Natürlich war es eine große Solidarität, die jetzt erst mal gar nicht so groß, politisch motiviert oder organisiert war, sondern auch erst mal spontan aus einem humanitären Verständnis heraus. #00:19:02-0#

Katharina Mittenzwei: Ja, lassen Sie uns einmal in die Gegenwart springen. Sie haben Carola Rakete als so mutige Heldin Aktivistin erwähnt. Als Historikerin haben Sie nicht selten auch schon vor Politikerinnen referiert, um für Geschlechtergerechtigkeit zu mobilisieren, um aus Ihren Erkenntnissen in der Frauenforschung zu berichten. Sehen Sie sich denn hier auch als über die mittleren vergangener Zeiten? #00:19:27-8#

Nadja Bennewitz: Na ja, in erster Linie also gar nicht, um jetzt aktuelle Handlungsoptionen für das Hier und Jetzt zu entwickeln, weil das sehe ich nicht als meine Aufgabe. Ja, das sollen Politikwissenschaftlerin oder Soziologinnen machen oder eben Politikerinnen, egal ob jetzt in Parteien oder auf der Straße, Sondern was ich machen kann, ist eben wie sind denn früher? Wir haben dann sind dann früher Auseinandersetzungen gelaufen, wo haben Auseinandersetzungen stattgefunden und wie haben sich Kämpfe entwickelt und welche Forderungen bestanden? Welche Missstände sind erkannt worden und warum? Also so was kann ich aufzeigen. Ja, wie wir es eben zur zur ersten Frauenbewegung im 19. Jahrhundert kam, was da für Forderungen aufgestellt worden sind, welche welche Fehlentwicklungen die damaligen Frauen erkannten und wie dann das Frauenwahlrecht beispielsweise durchgesetzt wurde oder wie zuvor Frauen dann endlich zugelassen worden sind, als Parteimitglieder und auch politische Versammlungen besuchen durften und dann in der Weimarer Zeit eben tatsächliche politische Rechte, wenn auch in eingeschränktem Maße zugesprochen worden sind, oder wie es dann in der neuen Frauenbewegung ging, bzw. Was auch nach 45 so von offizieller Seite in den Parlamenten stattgefunden hat. Oder in den Gewerkschaften oder in den Kirchen, also innerhalb der Institutionen, was sich da getan hat. Und wie dann der Aufbruch in den 70er Jahren mit der neuen Frauenbewegung in Folge der Studentenbewegung war ja klar. Also sowas kann ich aufzeigen. Solche Vorträge, die ich durchaus gerne mache. Das ist dann auf Einladung von Zusammenschlüssen von von Frauen verschiedener Parteien, die so parteiübergreifend Veranstaltungen durchführen, vielleicht als Kick off vor irgendwelchen Kommunal und Regionalwahlen, aber wenn, dann eben aus dem Publikum von mir an mich die Frage gerichtet wird Ja, was sind denn jetzt so was? Was würden Sie uns denn jetzt raten? Wie kann man denn jetzt weitergehen? Das fällt mir sehr schwer. Da sehe ich nicht meine Verantwortung oder Sie auch nicht meine Kompetenz drin. Ja, ich kann aufzeigen, wie eben Frauen in früheren Jahrzehnten Parteien überparteiliche Bündnisse geschlossen haben, dass so was schon machbar war, ja, wo da gemeinsame Schaltstellen war, aber wo auch Differenzen zwischen Frauen waren. Ich denke, das müsste man vielleicht auch noch mal wirklich hervorheben, dass Frauengeschichte ja nicht bedeutet, dass wir hier einen monolithischen Block vor uns haben. Sondern es geht ja gerade darum, Frauen als handelnde historische Subjekte ernst zu nehmen und folglich eben auch die Unterschiede und Differenzen zwischen den Frauen deutlich zu machen. Also wir Frauen sind nicht alle gleich. Das war eben so erst mal in den 70er Jahren in der Frauenbewegung so der erste Kick, ja noch mal erneuter Erkenntnis eines feministischen Bewusstseins. Aber es muss ja deutlich werden, dass eben, Sie haben es auch schon angesprochen Diversität, ja, dass Frauen sich natürlich durch ganz viele Kategorien voneinander unterscheiden. Und wenn wir über Frauen sprechen, müssen wir ganz genau spezifizieren Spreche ich jetzt über die Elite oder über Marginalisierte oder welcher Herkunft oder was auch immer. #00:22:38-5#

Katharina Mittenzwei: Und genau diese Frauen nehmen sie sich ran und lernen Sie kennen und zeigen Sie uns Hörerinnen, denn Sie haben einen eigenen Podcast. Die Zwischenfälle mit dem Untertitel Die beunruhigende Aktualität der Vergangenheiten. Ganz, ganz, ganz starke Untertitel, wie ich finde. Eine Podcastreihe im Radio Z, bei der Sie in kurzen Beiträgen mit Ihrem Kollegen Michael lieber Geschehnisse und Persönlichkeiten der Zeitgeschichte vorstellen. Meist mit Originaltönen und natürlich häufig aus dem Bereich der Frauengeschichte. Und Sie sagen ganz klar Ihre Sendung ist keine unparteiische, das heißt Herrschafts und Klassenverhältnisse. Die Geschlechterbeziehungen oder Konstruktionen hegemonialer Männlichkeiten werden diskutiert. Da steckt so wahnsinnig viel Herzblut und so viel Energie drin. Und ich finde das ganz unglaublich, wie wenig man denn tatsächlich wirklich über diese Frauen Persönlichkeiten auch bei uns in der Region weiß. Wie kommen Sie denn Monat für Monat auf Ihre Ideen, auf die Themen? #00:23:40-3#

Nadja Bennewitz: Also das fällt mir eigentlich überhaupt nicht schwer. Ja, ich arbeite seit 1996 als freiberufliche Historikerin und habe deswegen natürlich einen ganz großen Fundus. Also da ist es eher die Kunst. Und ich bin ja keine ausgebildete Radiomacherin, obwohl mir das mal Spaß machen würde, mich da diesbezüglich noch mal mehr fortzubilden. Aber der Michael, lieber mein Kollege eben, kommt aus dem Radio und dann bringt man sich natürlich autodidaktisch auch sehr viel bei, wie man so was hörbar machen kann, wie man das akustisch erfahrbar machen kann. Und das geht natürlich zum einen, wenn ich Originaltöne von von Protagonistinnen habe, entweder dass ich die selber noch kannte und interviewen konnte oder aber, dass mir alte Audioaufzeichnungen, die wir dann heutzutage digitalisieren, zur Verfügung gestellt werden. Also das ist eher so die Kunst, dass man sagt, wir müssen es in ein kleines Format bringen, was eben jetzt nicht so ein verkappter Vortrag ist, sondern der anders aufbereitet und lebendiger ist, dass man da Lust hat, es akustisch zu erfahren. Aber. Also wenn ich jetzt wieder mal angefangen, ich weiß gar nicht 2017 oder 2018, also es läuft schon eine ganze Weile und es ist ist schon viel Arbeit, muss ich sagen, weil das ist alles ja unbezahlte ehrenamtliche Tätigkeit, die ich aus Leidenschaft mache, um eben Inhalte, die mich interessieren und die mir Spaß machen, zu platzieren. Aber wenn ich jetzt so nachdenke, also die nächsten paar Jahre, wenn man mir die Zeit reicht, mache ich das weiter, weil die Themen gehen nicht aus. #00:25:15-7#

Katharina Mittenzwei: Haben Sie eine Lieblingsfolge? #00:25:18-9#

Nadja Bennewitz: Ja, ein paar. Mehrere. Also zum einen die, über die. Den Streik der Glasperlenzieherinnen von Venedig Anfang des 20. Jahrhunderts von 1904 finde ich ganz super. Da sind auch Widerstandslieder überliefert, die wir dann auch ins Deutsche übersetzt haben. Also Italien oder Venedig im Speziellen ist ja berühmt für die Glasproduktion. Und ich glaube, alle, die mal nach Venedig gefahren sind, haben sich da irgendwas aus Glas gekauft oder irgendwelche Ketten, Armbänder. Und das Ganze lief natürlich schon im 19. Jahrhundert. Das war dann so bürgerlicher Nippes, also auch die Fransen, die man beispielsweise für bürgerliche Accessoires benötigte. Ist alles so sehr weltberühmt und unbekannt, ist an und für sich, dass dahinter eine furchtbar schlecht bezahlte Frauenarbeit stand, eben die der Perlenaufzieherinnen und deren Lohn wirklich so schlecht war, dass ihnen 1904 der Kragen geplatzt ist und sie eben sehr spektakuläre Aktionen gemacht haben in den venezianischen Gassen, um für mehr Lohn zu kämpfen. Und das war auch ein sehr erfolgreicher Streik. Ja und? Also diese Sendung, glaube ich, ist mir ziemlich gut gelungen. Und dann auch die, über die die Novemberrevolution in Bayern Also da hat es verschiedene Kongresse auch noch gegeben. Novemberrevolution in Bayern 1918 zur Beendigung des Ersten Weltkrieges. Und infolgedessen gab es ja eben die Überlegung oder die Auseinandersetzung. Was für eine Staatsform soll jetzt Deutschland nach dem Sturz der Monarchie bekommen? Und da gab es ja linke Kräfte, die gerne eine basisdemokratische Republik gehabt hätten und da waren auch Frauen mit zugange. Und ja, das haben wir auch durch unterschiedliche Sprecherinnen versucht zu dokumentieren, weil die Reden, die in dieser Zeit ja von November bis Sommer, 19. November 1918 bis Sommer 1919 gehalten worden sind, lässt sich natürlich sehr gut szenisch auch so darstellen. Und das ist ja auch noch eine weitgehend ja unbekanntere Zeit. Ja, es ist nicht etwas, was jetzt unbedingt in bayerischen Geschichtsunterricht. Nicht behandelt wird, zumindest nicht in aller Breite. Und dabei ist es doch ein, wie ich meine, ganz entscheidendes, auch mentalitäts geschichtliches Ereignis. Was für politische Ideen da so diskutiert worden sind. Ja, ach, und dann noch ein paar andere. Manche sind nicht so gut gelungen, aber andere zum Beispiel die über die Heinze Frauen, die 1981 gleichen Lohn für gleiche Arbeit durchgesetzt haben. Ich denke, da hatten wir auch ganz viele zeitgenössische Beiträge, auch Lieder oder Nachrichtenbeiträge. Dass diese Sendung sehr lebendig geworden ist, meine ich. #00:28:17-6#

Katharina Mittenzwei: Können Sie uns noch erzählen, wo wir das wann hören können? #00:28:21-8#

Nadja Bennewitz: Na ja, es ist immer jeden ersten Freitag im Monat auf Radio Z. 95,8 UKW im immer im Rahmen der des Stoffwechsel. Das sind zwei Stunden. Aber man denkt natürlich jetzt nicht dran, am ersten Freitag des Monats um 17:00 das Radio anzuschalten. Zumindest meistens nicht. Wir haben eine Homepage, die heißt Radio Z Zwischenfälle und dort sind alle Sendungen als Podcast abrufbar. Also von daher beim Autofahren oder beim Staubwischen jederzeit anzuhören. Und die Sendungen sind eben so zwischen 25 bis 45 Minuten lang. Wir hätten es eben immer gerne kürzer und manchmal schafft man es einfach nicht. Das ist halt doch 40 Minuten. #00:29:03-6#

Katharina Mittenzwei: Ja, ziemlich genau ein Jahr ist es her, da hatten sie ein anderes Projekt im Kopf, und zwar das Projekt der Straßennamen. Sie haben Nürnberger Bürgerinnen und Bürger dazu aufgerufen, Frauennamen zur Straßenumbenennung einzusenden. Was ist denn in dem letzten Jahr passiert? #00:29:23-1#

Nadja Bennewitz: Also die die Idee kam, das war ja ein Vortrag auch, den ich fürs Bildungszentrum gehalten habe, weil die Frauenbeauftragte und auch der Stadtrat ein sehr großes Anliegen deutlich gemacht haben. Eben mehr Straßen in Nürnberg nach Frauen zu benennen, kam ja auch immer wieder die Kritik von außerhalb. Und wenn man sich dann mal anschaut, wie so die die Aufteilung ist, dann sind von den Straßen, die nach mit Menschen Namen oder Familiennamen bezeichnet sind in Nürnberg circa 7 % weiblich und von denen 7 % kann man dann noch mal gut 3 % weg streichen, weil es dann eben Minerva Platz oder Marientor Tunnel ist. Also das heißt religiöse Frauennamen, mythologische Frauennamen, die keine historische Persönlichkeiten beinhalten. Das heißt, es bleiben also gut 4 % übrig. Und das ist natürlich ein eklatantes Missverhältnis, so dass mich die Frauenbeauftragte Hedwig Schauten beauftragt hat. Ich soll mal Listen zusammenstellen mit Frauen, die, die es wert wären, nach denen hier Straßen nach den Straßen benannt werden könnten. Das habe ich dann auch gemacht, eben aus meinem Fundus geschöpft und bin so aus dem Mittelalter über die Reformationszeit, Renaissance, über die frühe Neuzeit des 19. und bis ins 20. Jahrhundert gegangen und habe also ich glaube so über 50 kurz Porträts von Nürnbergerinnen oder Frauen, die in Nürnberg maßgeblich gewirkt haben, zusammengestellt. Und das gibt es jetzt also das liegt in der Schublade der Stadt Nürnberg. Und dann hatten wir eben auch vom BZ aus die Idee, ich könnte auch noch mal mehr die Bevölkerung mit einbeziehen. Das war natürlich dann gerade in Corona Zeiten, das heißt, der Vortrag lief über über Online, war aber dementsprechend natürlich auch wiederum gut besucht, weil man sich ja auch egal wo man sitzt zuschalten konnte. Und in der Folge oder im Vorfeld, das weiß ich jetzt nicht mehr. Wie das zeitlich war, war der Aufruf es sollen sich Leute in der Bevölkerung doch Gedanken machen und Ideen einbringen, nach welcher Frau noch Straßen benannt werden könnten. Und da war die Resonanz jetzt nicht bombastisch, aber es sind doch über 30 Vorschläge gemacht worden und ich fand es sehr hoch spannend, weil da natürlich dann Frauen berücksichtigt worden sind, die ich überhaupt nicht auf dem Schirm habe, nämlich zum Beispiel Sportlerinnen. Ja, da kenne ich mich also gar nicht aus, die eben. Die Leute müssen ja mal verstorben schon sein, die eben irgendwie als große Trainerinnen Eindruck hinterlassen haben oder eben irgendwelche erfolgreichen Wettkämpfe bestanden haben, oder? Da merkt man auch wieder, wie Geschichte natürlich immer was mit der eigenen Identität zu tun hat. Aus, aus von Lehrerinnen, die wiederum bedeutsame Lehrerinnen aus ihrer Vergangenheit benannt haben. Irgendwelche Schulleiterinnen an Schulen? Ja. Also es kamen wirklich eine ganz tolle Bandbreite an unterschiedlichen Persönlichkeiten, viele natürlich kantig und sind auch schon benannt worden. Aber ich fand es gut, dass die nochmals erwähnt werden und von einer anderen Perspektive aus vorgeschlagen wurden. Ja, und das haben wir dann abermals dem Stadtrat auch übergeben. #00:32:51-5#

Katharina Mittenzwei: Das heißt, es ging bei dem Aufruf gar nicht unbedingt um eine Arbeitserleichterung ihrerseits, sondern auch um so die Erfahrung der Selbstwirksamkeit und Reflexion bei den Bürgerinnen. #00:33:03-1#

Nadja Bennewitz: Auf jeden Fall. Ja, ja. Die Arbeitserleichterung war das nicht, sondern ging wirklich darum. Also weil man muss sich ja vorstellen, dass solche Kontroversen und ich meine Straßenbenennungen sind immer Kontroversen. Es ist erstaunlich, wie emotional dieses Thema belegt ist. Das will man gar nicht meinen, aber es ist eine hochexplosive Mischung. Aber dass, egal jetzt ob Straßenbenennungen oder andere Kontroversen ja auch nur dann im kollektiven Bewusstsein bleiben, wenn sie in die. Wenn sie es in die Zeitung schaffen, am besten natürlich ins Feuilleton und dort breit diskutiert werden. Wir haben ja immer wieder solche Debatten. Jetzt denke daran, was aus dem aus der Kongresshalle in Nürnberg, wie wie damit umzugehen ist. Ja, und dann bleibt sowas natürlich auch im Bewusstsein der Bevölkerung. Und darum ist es mir auch gegangen, dass man eben Anstöße gibt, darüber nachzudenken An welche Vergangenheit wollen wir uns erinnern? Was ist geschichtswürdig nach unserem heutigen Maßstäben? Ja, dabei ist natürlich auch immer die Diskussion damit verbunden. Wir können nicht das gesamte Stadtbild verändern. Dieses Stadtbild ist ein Abbild nicht der Vergangenheit wohlgemerkt, sondern dieses Stadtbild mit all seinen Denkmälern und Inschriften, Tafeln und Straßennamen. Ein Abbild der Geschichte, also der Geschichtsschreibung, ja also der Konstruktion der Vergangenheit. Und da gibt es natürlich sehr kontroverse Ansätze. Darf ich da eingreifen oder verfälsche ich damit eben nicht? Ja, die die Sicht der damaligen, die diese und jene Entscheidung getroffen haben? Oder vertrete ich die Position zu sagen Unsere Sicht heute ist eine andere und damit Menschen sich auch wieder finden können dieser Stadt, muss auch diese diese Erinnerung im Stadtbild diverser werden. Ja nicht nur weiblicher, sondern muss müsste auch vielleicht andere Perspektiven, andere Personengruppen mit festhalten. Ja, und da gibt es das eine Kontroverse. Aber gerade in frauenpolitischer, feministischer Perspektive heraus wäre es wichtig, so was auch immer wieder in die Öffentlichkeit zu bringen. Und deswegen also der Aufruf an die Bevölkerung. #00:35:14-3#

Katharina Mittenzwei: Und auch jetzt ein Appell von uns beiden oder Ihnen an die Städte und an unsere Stadt, dieses Konzept auch nicht nur in der Schublade zu lassen, Straßen umzubenennen und die alten weißen Männer namentlich nicht als sehr dominieren zu lassen. Verraten Sie uns denn auch, welches Projekt sie jetzt in diesem Jahr angehen werden. Oder ist das noch ein Geheimnis? #00:35:40-2#

Nadja Bennewitz: Nee, nee, nee. Geheimnis? Na ja, obwohl, das eine ist noch sehr unausgesprochen. Das wäre möglicherweise die Zusammenarbeit mit einer Künstlerin, Grafikerin und eventuell ein schön anschauliches, bibliophiles Geschichtsbuch über unbequeme Frauen für Jugendliche. Aber ich weiß noch nicht, ob ich dazu prädestiniert bin. Ja, ich bin bin ja in der Uni mit jungen Erwachsenen und in der freiberuflichen Tätigkeit mit Erwachsenen tätig. Also ich weiß noch nicht, ob mir das gelingen würde, aber ich sehe natürlich das Bedürfnis junger Menschen, sich doch mit der Geschichte noch mal anders zu zu nähern. Also das war vielleicht vor zwei Jahrzehnten, als dann habe ich angefangen 1996, das ist ja jetzt auch schon wieder Vierteljahrhundert her. Ja, da war es sicherlich noch nicht so, dass jüngere Menschen interessiert waren, auch an Frauengeschichte, an Geschlechtergeschichte, an queerer Geschichte. Und was ich aber jetzt in den letzten fünf Jahren erlebe, ist, dass ich auch viel mehr angefragt werde von Jugendgruppen. Ja, die, die so zwischen 16 und 26 sind, sage ich mal, und die Interesse haben an der Geschichte von Männlichkeiten an an ja historischer Geschichte, die sich mit Geschlechterverhältnissen oder mit Handlungsräumen von Frauen, von Frauengruppen beschäftigen. Und deswegen habe ich mir gedacht, wäre das vielleicht keine schlechte Sache. Aber, aber mal schauen, was daraus so wird. Ansonsten ist mein Alltagsgeschäft einfach sehr. Das Bildungszentrum will ständig an die planen, jetzt schon für das zweite Halbjahr 2020. Und meine Reisen nach Italien möchte ich natürlich auch machen. Und dann die Universität, an der ich natürlich auch sehr gefordert bin. Ja. #00:37:37-0#

Katharina Mittenzwei: Und haben Sie denn in all diesen, zwischen all diesen Projekten und Anfragen auch Zeit, selbst noch was zu lernen? Also, weil wir vom Bildungszentrum kommen, frage ich jetzt natürlich schon ganz gerne. Gibt es etwas, das Sie noch mal lernen möchten? #00:37:49-2#

Nadja Bennewitz: Gerne lernen. #00:37:51-1#

Katharina Mittenzwei: Na ja, also ich lerne täglich, muss ich sagen, Ja und das ist mir auch sehr wichtig. Also ich merke das auch so an meiner Buchhändlerin, der Buchhändlerin meines Vertrauens. Ich bin eine Informationsleserin, nicht unbedingt eine Genussleserin. Also es muss für mich immer irgendwie was rausspringen, dass ich ein Stück weit klüger bin. Aber es ist natürlich so was wie eine Fachidioten, ich gestehe. Also Historie, Historie, Historie, das ist mein Lebenselixier, das ist meine Leidenschaft. Und daraus, ja speist sich auch mein Ja, mein Alltag. Und was Sie sagen mit mit vielleicht was anderes lernen. Vielleicht Meinen Sie das damit? Na ja, also ich sagte ja schon, hier mit Radiomachen. Das wäre mal was, was mich interessieren würde. Ich habe mal ein paar Stunden einen Kurs bei einer Nürnberger Künstlerin gemacht, die Claudia Endres, die sehr Bildhauerin und ich finde die total toll und dafür bin ich aber nicht geeignet. Ja, also ich fand es schon auch interessant, um zu merken, wie wahnsinnig schwer Steinmetzarbeit ist. Ich meine, ich spreche so oft über Kirchenbauten oder historische Architektur und sage immer, was dahinter steckt. Und wenn man es persönlich mal an so einem Stein haut und schleift, merkt, was für wahnsinnige Arbeit es ist. Aber ich bin jetzt überhaupt nicht berufen zu sowas. Ja, deswegen jetzt noch mal was ganz anderes lernen. Aktuell bin ich eigentlich sehr ausgelastet und zufrieden, muss ich sagen. #00:39:23-4#

Nadja Bennewitz: Das klingt sehr gut. Sollten Sie doch mal einen Online Akkordeonkurs besuchen wollen. Oh, okay, gehen Sie gerne auf unsere Website, aber auch an die Hörerinnen und Hörer. Die laden wir natürlich auch herzlich ein. Sich über Veranstaltungen zu informieren, die sie anbieten am Bildungszentrum. Sie widmen sich beispielsweise Frauenclustern in Nürnberg im kommenden Halbjahr oder auch den Frauen der Moderne im Germanischen Nationalmuseum. Sie sind eben, wie Sie auch schon sagten, in Museen unterwegs oder bieten Kunstspaziergänge in der Stadt an. Ja, Frau Benefiz, ich bedanke mich ganz, ganz herzlich für das Gespräch. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Man kann ja auch drei Stunden mit Ihnen sprechen. Herzlichen Dank. Danke für Ihre Zeit. #00:40:05-3#

Katharina Mittenzwei: Ja, danke schön. Auf Wiederhören. Tschüss. #00:40:07-5#

Nadja Bennewitz: Tschüss. #00:40:08-0#

Dieses Projekt/Diese Maßnahme/Initiative leistet einen wichtigen Beitrag, Nürnberg schrittweise inklusiver zu gestalten. Es/Sie ist Teil des Nürnberger Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Den Ersten Aktionsplan hat der Nürnberger Stadtrat im Dezember 2021 einstimmig beschlossen. Um die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in Nürnberg zu verwirklichen, wurden und werden umfangreiche Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Weitere Informationen finden Sie unter www.inklusion.nuernberg.de.

„Wir brauchen mehr Geschichten von unbequemen Frauen“ betont Bennewitz. Ein Gespräch über weibliche Partisaninnen, Mentalitätsgeschichte und Radio.

„Historie ist mein Lebenselixier“ sagt Nadja Bennewitz, Forscherin der Frauengeschichte - und wir nehmen es Ihr sofort ab. Bereits in jungen Jahren kommt sie in Berührung mit der Frauenbewegung und findet rasch ihre Berufung in historischer Geschlechterforschung. Mittlerweile ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg am Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte und freiberuflich im Bereich der Erwachsenenbildung – auch am BZ – tätig. Sei es die weibliche Antifa-Bewegung in Italien oder der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Franken: Bennewitz betont immer wieder, wie wichtig es sei, Frauen als handelnde historische Subjekte ernst zu nehmen. Warum also nicht das Wortspiel der „herstory“ als Gegenspielerin der history verwenden. Ihr Podcast „Zwischenfälle. Die beunruhigende Aktualität der Vergangenheit“ ist ein Medium, sich dieser Aufgabe anzunehmen. Da ist zum Beispiel der Streik der Glasperlenzieherinnen von Venedig. Bennewitz berichtet über das harte Leben und den Kampf der ArbeiterInnen in Venedig. Und sie stellt fest, die Nachfrage nach weiblich erzählter Geschichte, die Geschichte von und über unbequeme Frauen, hat in den letzten beiden Jahrzehnten stark zugenommen. Und wir stellen fest: das Gespräch mit Nadja Bennewitz ist kein unparteiisches.

Auch interessant:

  • Mehr über die Arbeit von Nadja Bennewitz erfahren Sie hier.

  • Die Hörgeschichten „Zwischenfälle“ sind hier zu finden.

  • la resistenza - Faschismus und Widerstand in Italien unter deutscher Besatzung

  • Über das Projekt zu Frauenstraßennamen in der Stadt Nürnberg

  • Mehr zur Heldin Carola Rakete gibt es hier.

  • Zu Veranstaltungen mit Nadja Bennewitz am BZ geht es hier.

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Aufgenommen am: Donnerstag, den 16. Dezember 2021 
Veröffentlicht am: Donnerstag, den 10. Februar 2022
Moderation: Katharina Mittenzwei
Im Gespräch: Nadja Bennewitz

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Alle weiteren Folgen von KontaktAufnahme – der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg finden Sie hier. Wir sind mindestens jeden zweiten Donnerstag mit einer neuen Folge online, manchmal öfters.
Wen sollen wir noch befragen - haben Sie Ideen und Anregungen? Oder möchten Sie Ihre eigenen „Glücksmomente“ (manchmal am Ende des Interviews zu hören) an uns schicken? Schreiben Sie uns an!