Christine Haas, warum wird am Gostner Hoftheater nicht mehr gelitten?
Anne Wasmuth: Hallo, herzlich willkommen zu einer neuen Kontaktaufnahme. Mein Name ist Anne Wasmuth, und mein Gast heute ist Christina Haas, Theaterpädagogin, Regisseurin, Dramaturgin, Mitglied der Theaterleitung am Gostner Hoftheater. Wie schön, dass du heute hier bist! Ich freue mich sehr, hier zu sein. Christine! Du hast Theater und Medienwissenschaft, neuere Deutsche Literatur und Pädagogik in München und Erlangen studiert, und noch während des Studiums hast du am Staatstheater Nürnberg als Regieassistentin gearbeitet und bist dem Haus bis heute oder bis letztes Jahr. #00:01:00-9#
Christina Haas: Emotional auch heute noch. #00:01:03-0#
Anne Wasmuth: Heute noch auf jeden Fall verbunden. Lange Zeit nach dem Studium bist du in die Welt der freischaffenden eingetaucht, bevor du als Theaterpädagogin am Schauspiel Frankfurt angefangen hast. Seit sechs Jahren nun lebst du wieder in Nürnberg, und wer Theater liebt, der muss ja fast schon einmal über deine Füße gestolpert sein, denn du warst und bist sowohl dem Staatstheater Nürnberg, dem Theater Salz und Pfeffer wie dem Gostner Hoftheater verbunden, hast die unterschiedlichsten Projekte realisiert oder angestoßen. Heute bist du immer noch vieles, aber vor allem gehörst du zur Leitung des Gostner Hoftheaters. Der Blick auf deinen Lebenslauf verrät auch, du bist ein Gewächs des Jugendclubs des nürnberger Staatstheater. Damit fing alles an? #00:01:54-4#
Christina Haas: Damit fing alles an. Ja, die ganze Misere. Warum wäre? Es ist einfach. Ich habe in der Schule schon gerne Theater gespielt, und dann wurde 2000 am Staatstheater, das damals noch gar kein Staatstheater war, ein Jugendclub gegründet, und ich habe das gelesen und dachte mir, ah, das ist spannend, und dann hat mich das Theater verschluckt. Also, das war dann so irgendwie. Es war also auch bis heute der tollste Ort der Welt so, und ich habe meine ganze Freizeit da verbracht, habe dann nach dem Abi erstmal ein Jahr lang Praktikum da gemacht und war dann auch während meines Studiums immer dort, so dass viele Menschen sich gefragt haben, ob ich wirklich studiere, weil wir dem Theater war. Aber ich habe geschafft, das beides zu machen, tatsächlich mit. #00:02:46-5#
Anne Wasmuth: Abschluss tatsächlich mit. Ja, du hast selbst immer wieder zur selben Zeit verschiedene Hüte auf, wenn man so deinen Lebenslauf anschaut, und auch die funktioniert. Du. Jetzt hast also Pädagogin, Organisatoren, Projektleitung, Theaterleitung, Vernetzerin, Dramaturgin. Welcher Hut gefällt ja am meisten? #00:03:10-7#
Christina Haas: Das ist eine ganz schwere Frage. Es wechselt auch immer so ein Bisschen, also es gibt dann also manchmal habe ich dann einen, lege ich einen Hut ab. So Pädagogik habe ich zum Beispiel gerade nicht mehr auf. Aber es gab auch Phasen, wo das einfach so der Haupthot war und andere Dinge nebenher liefen. Das ist auch so ein bisschen das schöne, dass man zwischen den Hütten so dann wechseln kann und dann wieder eine Pause von dem einen Bereich macht und wieder in einem anderen mehr ist. Zum Beispiel, und, ähm, gerade also diese Theaterleitung und Dramaturgie ist beides toll, so, weil man Dinge mitgestalten kann. Als Dramaturgin bin ich viel auf proben, was einfach immer noch das ist, was mir am Theater am meisten Spaß macht, aber eben gleichzeitig eben auch als Theaterleitung Dinge ermöglichen, gestalten, mit Leuten sprechen, das ist beides toll, und ich glaube, es ist auch gut in dieser Komplementarität. #00:04:14-2#
Anne Wasmuth: Mhm, dann fangen wir doch gleich mal mit dem Hut Theaterleitung an beziehungsweise viel mehr. Erst mal mit eurem Haus und den Menschen, die zu euch kommen. Es gibt dieses Theater seit 19, 79, das heißt, mit Hof ist tatsächlich ein Hof im räumlichen Sinne gemeint, oder? #00:04:31-5#
Christina Haas: Ja, genau also, natürlich ist das einerseits das Wortspiel mit Gostenhof, und zum anderen ist es aber eben auch. Um zu uns ins Theater zu kommen, muss man durch einen schönen alten Hinterhof gehen. Wir sind in einer ehemaligen Spielzeugfabrik angesiedelt. Bis 78 war die Firma der Gebrüder einfallt beheimatet, die haben Blechspielzeug hergestellt, und dann eben 79 hat dieses Kollektiv, das, das er gegründet hat, dieses Haus gekauft und da eben ein Theater etabliert. #00:05:04-7#
Anne Wasmuth: Mhm und ist bei den Menschen sofort diese Assoziation mit Hof oder Gostenhof da oder sind überrascht, weil sie mehr denken? Da ist eine 200 jährige Institution im Sinne eines Hoftheaters. #00:05:17-6#
Christina Haas: Das ist mir noch nicht so begegnet. Also, es gibt viele, die das Wortspiel mit kosten Hoftheater nicht so ganz bemerken auf den ersten Blick, und die sagen, dass Kosten Hoftheater, oder ist der Stadtteil dann präsenter? Und dann glaube ich, dass auch so die durchschnittlichen Theater Zuschauer in einem. Ich glaube, ich habe nicht so einen Bezug zu Hoftheater. Erstmal, und das ist so. Ich glaube, das ist mehr so ein Theater und Kulturmenschen ding, dass man sich dann freut, sagen zu können, der Hof Schauspieler ist anwesend, und ich war vor einem halben Jahr in Wien, und dann steht man vor dem Burg und hoffte, Theater, und ich habe meinen Sticker mit Kosten Hoftheater, Hoftheater, mit Hoftheater. Das finde dann nur ich lustig, aber das reicht in dem Moment dann auch. #00:06:05-5#
Anne Wasmuth: Gibt es so ein typisches costner Publikum, oder anders gefragt, wie sehr Gostenhof ist das Kosten? #00:06:14-3#
Christina Haas: Ist eine schöne Frage. Ja, wir machen gerade eine Publikumsbefragung und merken da, wie unser Publikum auch nach Stadtteilen zusammengesetzt ist. Wir haben einen hohen Kosten, Hof Anteil, ich glaube, vermehrt bei den Älteren. Also, es gibt ganz viele, die diesem Theater auch treu seit 40 Jahren verbunden sind. #00:06:37-6#
Anne Wasmuth: Hm! #00:06:38-0#
Christina Haas: Und was jetzt aber auch kommt, dass es sich wieder mehr durchmischt, also, ich glaube, es gab so ein bisschen eben. Das Publikum ist gemeinsam mit dem Theater älter geworden, und jetzt kommen auch wieder vermehrt junge Menschen. Wir haben gerade bauen gute Kontakte zu den Unis auf und haben da einen ganz schönen Austausch, und ich glaube, so in unserem Theater kann man sich gut begegnen, auch weil wir so klein und gemütlich sind und mit der Kneipe, und man kann gut in Austausch kommen. #00:07:13-4#
Anne Wasmuth: Mhm, das muss man vielleicht auch noch dazu sagen. Ihr habt mehrere Spielstätten. #00:07:18-3#
Christina Haas: Ja, wir haben noch den Hubertus Saal in diesen Hof, und da haben wir über 200 Plätze. In Gostenhof haben wir ja nur 80, 81, und im Hubertussaal haben wir hauptsächlich Gastspiele und einmal pro Jahr unsere Jugendproduktion, weil da kommen Schulklassen, und da wäre unser Saal in der Austraße sehr schnell voll. #00:07:39-9#
Anne Wasmuth: Mhm, das heißt, die Eigenproduktionen laufen nur in der Austraße, also da entscheidet ihr auch nicht um, wenn jetzt was Mega erfolgreich ist, dass ihr sagt, oh, wir gehen doch in den anderen Saal! #00:07:52-4#
Christina Haas: Wir haben das gerade mit unserer aktuellen Produktion ganz, ganz kurz überlegt, weil die, da gibt es einen großen Run drauf. Aber es ist Atmosphäre, ich was ganz anderes, und der Hubertus Saal ist einfach, es war früher mal ein Ballsaal, und das ist ein relativ weiter Raum, und diese Intimität, die wir im Kosten haben, dass also, ich fände es nicht gut für das künstlerische Produkt, das wir da haben. Das dahin umzuziehen mit Konzerten, ist das was anderes, weil das nicht von dieser, das hat eine andere Atmosphäre, das funktioniert, und das ist was anderes, ob eben ein Stück für den kleinen Saal oder für den großen Seil gearbeitet wurde. #00:08:31-9#
Anne Wasmuth: Das heißt, im Hubertussaal, die Gastspiele, das sind vor allen Dingen dann auch spiele, die euch Geld bringen. #00:08:38-4#
Christina Haas: Ja, also, ich glaube, so im Gesamthaushalt fließt ja dann auch Arbeit und Mietkosten, und so was rein, bringt da nicht so viel. Diese Spielstätte mit dem oberes Saal ist entstanden, weil es einfach Künstlerin gab, für die das Kosten dazu klein sein wurde, weil die erfolgreich waren und die in im Haus verbunden waren. Und dann hat die damalige Leitung nach. Also, sie haben vorher auch schon immer nach anderen Spielstätten gesucht, und das Kosten war schon immer auch viel unterwegs so. Und auch jetzt noch gibt es oft Stücke, die an anderen Orten oder in der Stadt spielen. Aber seit 2007, glaube ich, gehört der Hubertussaal fest dazu, und das ist dann so, Hideo oder Zimmer steht, für die einfach team 200 Plätze voll kriegen, so. #00:09:36-9#
Anne Wasmuth: Mhm, ja, du sagst gerade, erlebt in totalen Run auf das aktuelle Stück, wie geht's euch aber so generell? Also, wenn man sich mit Menschen unterhält und sagen ja, ganz viele, ja auch Mensch mein ausgefahren hat sich so verändert. In der Kollegin von mir hat schon mal zweifelt ne Email an ganz viele Menschen geschrieben, und hier verabredet euch mit mir, dass ich rausgehe. Wie ist das im? Steht euch die Corona Pandemie grundsätzlich ein Teil des Publikums genommen? #00:10:04-8#
Christina Haas: Es ist ein bisschen schwer zu sagen, weil das mit dem Leitungswechsel auch zusammenfiel, und dann wusste man erst mal nicht so genau, ob der Knick mit der Veränderung der Menschen zu tun hat oder mit der Pandemie. Wir hatten dann Lockdown und dann Begrenzungen, wo nur 25 Prozent rein durften, dann 50 Prozent und so weiter. Dann hatten wir einen Knick, wo es irgendwie was dann definitiv Corona war, wo die Leute so verunsichert waren und gar nicht ins Theater wollten. Und jetzt, so seit November, wird es stetig besser, und ich merke, dass das Stück ist für unsere Verhältnisse relativ lang so. Wir haben eine Pause, was nicht so oft ist bei uns, und die Leute sind immer erst mal so stehen. Es steht am Eingang 130 Minuten inklusive Pause, und wenn ich dann im Hof stehe, dann höre ich so: Gespräch, super, das ist aber schon ganz schön lang, und so war das kein Problem. Da war so ein Stück mit zwei, 15 voll okay, und mir geht es aber selber ja auch so, und dann geht man in das Stück und merkt nicht, wie die Zeit verfliegt. Und wenn man sich danach mit den Leuten unterhält, dann sind alle immer froh, dass sie da waren und sagen also, ich merke, dass die Leute sich wieder daran gewöhnen müssen. Aber es funktioniert, und das ist auch beruhigend. #00:11:31-0#
Anne Wasmuth: Ja, das glaube ich. Ihr habt ein ganz spezielles Karten. Angebot nennt sich. #00:11:36-5#
Christina Haas: Genau also, das ist so, quasi das Kürzel gilt dann auch eben für Menschen ohne Arbeit und anderen finanziellen Schwierigkeiten. Uns ist ganz wichtig, dass wir zugänglich sind, so, und wir glauben daran, dass Theater wichtig ist und dass Geld nicht die Sache sein sollte, die einen davon abhält, da hinzugehen, und deswegen gibt es für uns Eigenproduktionen immer mindestens einen Termin, wo Menschen, die sich ein Theaterbesuch nicht leisten können, sich anmelden können und dann kostenlos ins Theater gehen können. #00:12:11-8#
Anne Wasmuth: Und woher wissen sie das von diesem Angebot? Oder wie sprecht ihr die an? #00:12:17-4#
Christina Haas: Es steht in unserem Programm drin. Man guckt natürlich, dass man das auch über, also Nürnberg passt und so weiter in die Welt trägt, und es steht aber einfach ganz regulär bei unseren Preisen mit dabei, dass es immer einen Termin gibt, und dann muss man halt noch rausfinden, wann der Termin ist. Aber im Internet steht also, es steht auch in allen Spielplan, dann immer daneben. #00:12:39-2#
Anne Wasmuth: Ja, und wird es auch angenommen, und unterscheidet sich das dann vom Spielen her? Ist ist das anders, oder ist es so wie wie die dritte, vierte, fünfte Vorstellung von der normalen Produktion? #00:12:53-5#
Christina Haas: Ja, es ist ja, da sind ja trotzdem auch andere Menschen drin. Also, das ist ja keine exklusive Vorstellung für für und auch das ist uns wichtig, dass es sich mischt und dass man nicht sagt, das ist jetzt die die Vorstellung, die wir verschenken, weil ich auch immer finde, dass Theater ein Begegnungsort ist, und jetzt zum Spielen selber, dann bin ich leider, das ist eine der einzige Hut, den ich konsequent nicht aufsetzen zu sagen. #00:13:24-9#
Anne Wasmuth: Man muss nicht alles machen, richtig du hast. Als Motto, im Theater kann mit einfachsten Mitteln eine ganze Welt entstehen. Das macht es für mich zu einem magischen Ort. Das ist natürlich ein wahnsinnig schönes, zugleich ungemein pragmatisches Motto für jemanden, der bei einem freien, ich behaupte mal, chronisch unterfinanzierten Theater arbeitet. Es gibt einen Film der Medienwerkstatt Franken zum 40 jährigen Jubiläum des Cosmas. Das Stößt aus sind selber Horn, das Motto des Costs. Scheitern gilt nicht, Wissens leiden. #00:14:03-1#
Christina Haas: Das ist ein Motto, von dem wir uns abgewandt haben. Tatsächlich mit den einfachsten Mitteln, meine ich eigentlich auf der Bühne, weil so, wenn man irgendwie in die Theater Theorie geht, dann ist so irgendwie zu sein und schaut dabei zu. Das ist Theater. #00:14:20-8#
Anne Wasmuth: Mhm. #00:14:21-2#
Christina Haas: Ich brauche eigentlich nur jemanden, der so tut, als wäre jemand anders, und jemanden, der sich anguckt. Schon ist Theater da und, ähm, dass es einfach nur diese Verabredung gibt, und dadurch müssen dadurch können Welten entstehen. Das ist das, was ich mit Einfachheit meine. Finanziell ist eine ganz andere Geschichte, weil alle diese Menschen müssen bezahlt werden und sollen fair bezahlt werden, und das ist nicht ganz einfach. #00:14:47-6#
Anne Wasmuth: So. #00:14:48-2#
Christina Haas: Aber es ist tatsächlich also künstlerisch, Gemeinden mit den einfachsten Mitteln okay. #00:14:53-4#
Anne Wasmuth: Hättest du denn trotzdem gerne mehr Geld für euer Theater? #00:14:57-4#
Christina Haas: Jeden Fall also tatsächlich brauchen wir auch definitiv mehr Geld, weil es gibt so eine historisch gewachsene Deckungslücke, der so auch mit diesem Generationenwechsel zu tun hat. Aber man muss auch sehen, die Gründungsgeneration, Gisela Hoffmann, die hatten bis 2005 oder so was hatten die noch reguläre Jobs nebenher, und jetzt sind wir halt an dem Schritt. Wir haben das alles studiert, wir, ähm, wir sind ausgebildet in diesem Bereich und machen nur das, und natürlich brauchen wir eine faire Bezahlung. So, und dann, ähm, ist es jetzt so, dass es eine schon lange benötigte Anpassung der Mindest Gage gab. Das heißt aber nur, dass die Vorgabe gestiegen ist, wie viel gezahlt werden soll, woher das Geld kommt, das wissen die meisten Theater in Deutschland gerade noch nicht. #00:15:55-7#
Anne Wasmuth: Hm! #00:15:56-5#
Christina Haas: Und das sind einfach so Schwierigkeiten, die es gerade gibt. Aber ich bleib da mal ganz positiv und gehe davon aus, dass wir Wege finden werden. #00:16:09-8#
Anne Wasmuth: Mhm, ja, es ist nicht nicht einfach für Kulturschaffende, die, die schnell selbst ausbeuterisch unterwegs sind und dann sich schnell so in prekären Arbeitsverhältnissen wiederfinden. Eigentlich, ich mein Bisschen mittendrin eigentlich? Wie erlebst du das hier in Nürnberg, wenn ihr Künstler engagiert? Ihr habt ja viele Freie, die eben die bei euch arbeiten, kommen die gut über die Runden? #00:16:38-4#
Christina Haas: Ja, also unterschiedlich würde ich sagen, wir bezahlen für freie Szene. Okay, weil wir gerade nicht mehr bezahlen können. Wir würden gerne mehr bezahlen. Für freiberufliche ist dann natürlich immer so dieses, wie viele Jobs habe ich, und wie funktioniert das gerade? Was muss ich noch nebenher tun, damit es funktioniert? Was du gerade meintest mit dem selbstausbeuterischen ist, dass es oft so dieses gibt. Ich mach's auch für weniger. Blöd gesagt, so und so bei uns ist so, wir haben eine feste Struktur, wie viel wir zahlen. Wir sind da auch transparent. Ich persönlich kann jetzt gerade nicht sagen, weil Zahlen nicht mehr im Bereich sind, aber das sind so Dinge, mit denen wir offen umgehen und wo wir einfach sagen, nee, nee, das ist das, was wir bezahlen. Ich glaube auch, da verändert sich was. Aber was so im Stadttheater System oder generell im Theatersystem oft so ja System ist, ähm, man muss halt verhandeln, wenn man schlecht verhandelt, dann wird man schlechter bezahlt. Bei uns ist es einfach so, wenn du diesen Job machst, bekommst du diese Gage, und es geht nicht darum, ob du irgendwie gut drin bist, mit uns zu streiten, sondern es wird einfach das bezahlt. #00:17:56-0#
Anne Wasmuth: Ja, spannend macht Geld künstlerisch einen Unterschied auf der Bühne. #00:18:01-3#
Christina Haas: Das meine ich zum einen mit den einfachsten Mitteln, das ja. Klar, kann ich da irgendwie ein krasses Bühnenbild für eine halbe, 1 Million Euro hinsetzen, aber wenn da aus um die Dinge nicht stimmen, dann ist das halt ein schönes Bühnenbild, aber der Abend wird dadurch nicht wesentlich besser. Ich glaube, Geld macht insofern einen Unterschied, das natürlich Künstlerin, die gut bezahlt werden, entspanntere Menschen sind und besser arbeiten können, so. Ich glaube einfach wirklich auf so einer ganz banalen menschlichen Ebene macht es einen Unterschied. Es macht nicht unbedingt bessere Kunst. #00:18:47-6#
Anne Wasmuth: Mhm, das Costner ist Nürnbergs ältestes freies Theater, und hinter dem steht ein Verein. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten Reinhard Schiller und Gisela Hoffmann, und 40 Jahre lang hat Gisela Hoffmann auch zusammen mit ihrem zweiten Mann und technischen Leiter hat Kohle Hoffmann das Theater geleitet, und ja, prägt absolut 2019 mit dem 40 ein Überleben, wurde der Generationenwechsel eingeläutet. Erzähle uns so ein bisschen, du hast es schon angedeutet gesagt, dieses Scheitern geht nicht. Wissenseiten davon haben wir uns verabschiedet. Was bedeutet das so? Generationenwechsel? #00:19:27-8#
Christina Haas: Es ist natürlich erst mal ein großes Erbe, dass man antritt, weil irgendwie, so auch für mich, das Kosten ganz lange erst mal untrennbar mit Gisela verbunden war, so und so, dass man also das eine ohne das andere irgendwie nicht zu denken war. Und einerseits will man natürlich dieses Erbe also mittragen, weil da viele tolle Sachen passiert sind. Andererseits gibt es auch Dinge, die sich verändert haben und wo man dann eben auch den Schritt in die Gegenwart machen muss, und das auszubalancieren ist schon Herausforderungen, also eben dadurch, dass es diese persönliche Bindung gibt. Ich hatte an vielen Stellen erst mal so große Angst, dass Leute sagen, ja, wenn es nicht mehr da ist, dann kommen wir auch nicht mehr so. Und, ähm, ich bin mir sicher, dass es auch Menschen gibt, die deswegen nicht mehr kommen. Aber es ist nicht so, dass es uns jetzt ein leeres Haus gebracht hätte, so also, die Leute haben uns angenommen. #00:20:41-1#
Anne Wasmuth: Mhm, und wie hat sich das sonst so verändert? War sozusagen Gieseler Chefin? Ähm, wie ist das jetzt? #00:20:50-9#
Christina Haas: Genau also: Ähm, 2019 haben Orangen als künstlerischer Leiter und Isabell als Geschäftsführung das Haus übernommen. Dann wurde das ganze durch Corona eben ein bisschen ausge gebremst. Laurence und ich hatten schon zusammengearbeitet, weil ich als freischaffende Dramaturgin bei Produktion von ihm am Go dabei war, und Laurence wollte gerne die Kunst am Haus stärken, weil es ist ja so, wir haben relativ viele Menschen in der Verwaltung, die fest bei uns arbeiten. Die Künstlerinnen kommen aber immer nur für die Produktion ins Haus. #00:21:34-2#
Anne Wasmuth: Hm! #00:21:34-5#
Christina Haas: Und gesagt, es ist wichtig, dass wir auch fest Kunst am Haus übers ganze Jahr haben und dass wir den Sektor ausbauen, und hat mich gefragt, ob ich fest dazukommen will, und dann bin ich offiziell im Januar 22 mit eingestiegen. Ich habe vorher da auch schon Sachen gemacht. Es gab ein großes Kooperationsprojekt, wo ich all meine Arbeitgeber zu dem Zeitpunkt verbunden hat, war extrem laut und unglaublich nah. Das war im Herbst 2021, was vom Staatstheater übers Theater Seite und Pfeffer ins Hoftheater ging, ähm genau, und war aber dann in der Zeit auch schon am Oster vorbereitend tätig. Und jetzt eben seit 22 bin ich fest da. Jetzt zum Januar 23, hat die Geschäftsführung bei uns gewechselt, Isabell hat das Haus verlassen, jetzt ist Silke Würzburger da, und wir schauen, wie wir bestimmte Dinge auch professionalisiert kriegen, weil einfach dadurch, dass das Kosten eigentlich ein Verein ist, der inzwischen ein Förderverein ist, im Prinzip aber in den Anfängen das war, was alles gestaltet hat, gibt es viele Dinge, die sehr lange über Ehrenamt gelaufen sind und wo wir jetzt an dem Punkt sind, das muss halt bezahlt werden, und das ist ein richtiger Job, und wir können uns nicht nur irgendwie auf den guten Willen von Menschen verlassen, die das dann irgendwie nebenher machen, sondern es ist eine wichtige Aufgabe. Deswegen muss das auch professionell passieren. #00:23:12-1#
Anne Wasmuth: Mhm, ja, das Kosten hat ja als klassisches off Theater angefangen, also das heißt, ein Theater neben einem etablierten, subventionierten Theater, unkonventionell unbekanntere Autoren etc. also, so wie du sagst, es war ehrenamtlich, aber ging ja dann eben auch über die reine Theater weit hinaus, also ein gemeinsames Erleben, erarbeiten, zusammenwohnen. Du sagst ja, es ist, es, professionalisiert sich, aber wie viel von dieser Ursprungsidee steckt trotzdem noch im Gostner? #00:23:49-0#
Christina Haas: Ich bin der festen Überzeugung, dass der Kerngedanke immer noch da ist, weil die Menschen machen den Unterschied, und bei uns sind die Menschen sichtbar, die dieses Theater machen, und man kann jeden von uns nach einer Vorstellung noch im Loft treffen, man kann mit uns reden, man kann uns direkt sagen, was funktioniert, was nicht funktioniert. In einem Stadttheater ist es so, wenn ich wissen will, auch also auch in beide Richtungen, dass ich irgendwie die Stimmung des Publikums höre, wenn ich mein Büro fünf Etagen über der Bühne habe. Schwierig also, der Austausch ist verlangsamt, weil es erst mal andere Wege, also die Wege sind Weiter-so, und dass wir das nahbare Stadtteiltheater sind, ist, glaube ich, unsere Kernqualität. Also weil auch bei den Inszenierungen ist man ja ganz nah dran. #00:24:51-9#
Anne Wasmuth: Du kennst im Prinzip ja auch beide Welten, also im Staatstheater, und da kann man wirklich sagen, das sind zwei unterschiedliche Theaterwelten. #00:25:00-9#
Christina Haas: Ja, also gerade eben in der Organisationsstruktur, das ist so in einem Stadttheater oder Staatstheater, ist dann immer klar, okay, das und das also, keine Ahnung, wir brauchen Stühle für diese Veranstaltung. Dann sag ich dem und dem Bescheid, und das nächste Mal komme ich an, und dann sind da so und so viele Stühle, wie ich sie bestellt habe, und vielleicht werde ich noch gefragt, wie sie gestellt werden sollen. Bei uns ist dann immer so, wer hat die Kapazitäten. Vielleicht hole ich die Stühle dann doch selber. Das dürftig im Stadttheater gar nicht so, weil es gibt Abteilungen, die da Zuständigkeiten haben, und bei uns sind die Wege kürzer, was manchmal gut ist und manchmal dann auch anstrengend, weil dann dinge, also, wo man dann darstellt, und ja gut, dann mache ich das halt selber, weil gerade hat niemand anders die Kapazitäten. #00:25:47-7#
Anne Wasmuth: Okay, ja, zu deinen Aufgaben gehört auch. Die Spielplangestaltung gehört auch. #00:25:55-9#
Christina Haas: Hat dazu ja. #00:25:56-4#
Anne Wasmuth: Ja, wie kommt ihr zu einem Stücken? #00:25:58-5#
Christina Haas: Das ist so was, was ich sehr schön finde, und ich überlegen, was für Menschen wir im Haus haben wollen, wenn wir jetzt gerade irgendwie richtig finden bei uns, und da gibt es dann eben viele, die wir kennen. Es gibt Menschen, die sich bewerben, es gibt Leute, mit denen uns eine Zusammenarbeit verbindet, und dann pustet man so ein bisschen zusammen, welche Leute sollen kommen? Wir sind jetzt in der Planung für die Spielzeit 23, 24, und für mich ist immer so ein bisschen, welche Energien kommen da, und wie gibt es ein stimmiges Gesamtbild übers Jahr? Und dann ist es eben so, dass diese Menschen überlegen, was sie machen wollen, und manche kommen dann sehr konkret mit. Das ist gerade mein Thema, und dazu möchte ich gerne arbeiten, und andere mehr dann ein bisschen mehr rum und sagen, ja, das finde ich interessant, das finde ich interessant oder das sind die Themen. Aber ich habe keinen konkreten Stoff, und dann gehe ich mit denen auf die Suche und sage, okay, wenn du das und das möchtest, folgendes, Stücke könnte ich dir also ein Teil meines Jobs ist, sehr viele Theatertexte lesen, und dann kann ich eben sagen, schau mal, das Stück könnte zu dem passen, was du machen willst, oder das, und es ist eben nicht so. Das ist auch die Freiheit eines freien Theaters, das wir das so machen können, weil natürlich im Stadttheater man auch mehr bestimmte Bereiche abdecken muss, und dann ist einfach klar, okay, wir brauchen Klassiker, wir brauchen das, wir brauchen das, und deswegen steht dann faust auf dem Spielplan, und die Leitung sucht die Person, die Faust inszeniert bei uns ist eben andersrum. Wir sagen, das sind die Menschen, die hier arbeiten. Was wollt ihr tun? #00:27:44-4#
Anne Wasmuth: Mhm, ja, spannend, ihr habt ihr ein Set Spielbetrieb, also das heißt, ein Stück am Stück sozusagen, wir spielt. Wieviel Vorbereitungs oder Probenzeit habt ihr dann dafür? #00:27:58-2#
Christina Haas: Wir haben sechs Wochen Probenzeit, aber die Vorbereitung fangen natürlich schon viel früher an. Also wie gesagt, wir sind jetzt in den Planungen für 23, 24, dann gibt's Sachen, die dafür aufwendiger werden, die deswegen längeren Vorlauf brauchen. Ich bin gerade mit einem Regisseur im Gespräch, der eine Stück Entwicklung machen möchte. Das heißt, es gibt noch keinen Text, wir haben ein Thema, und jetzt suchen wir gerade ein, eine Rangehensweise. Er möchte gerne, dass wir einen Fragebogen machen und quasi Stimmen aus unserem Publikum und den Leuten, die uns verbunden sind, sammeln, die mit den das, worüber wir dann arbeiten, einfließen werden. Das braucht natürlich irgendwie eine gewisse Zeit. Wenn jetzt einfach ein konventioneller Theatertext wäre, dann würde man halt irgendwann eine Strichfassung machen. Das reicht dann aber auch so einen Monat vor Stück Beginn. Besetzung machen wir meistens schon früher, ja ist immer ein bisschen bedürfnisorientiert, sag ich mal. #00:29:04-4#
Anne Wasmuth: Ja, ihr habt, habe ich gelesen, ein ein Personen Ensemble, wo man. Das muss du jetzt erklären. #00:29:14-5#
Christina Haas: Diesen Begriff, das hat damit zu tun. Das wird ja gefördert von Stadt, Land und Bezirk. Und das Koste gegründet wurde, war es so, dass ganz viel Ton eingeladen wurden und also auch wirklich so amerikanische Broadway und krasse Sachen. Das hat dann einen Knick gehabt, weil auch in Amerika Sachen weniger gefördert wurden und dann diese Reisen auch nicht mehr möglich waren. So da hat das Kostner ein Assemble aufgebaut mit mehreren Schauspielern, was dann längerfristig nicht so funktioniert hat, und dann haben sie es wieder abgebaut. Aber es ist ein Unterschied, was so Förderungen angeht, ob man ein reines Gastspielhaus ist, also kein festes Assemble hat oder ein festes Assemble hat, und da ist die Regel, dass eine Person reicht, damit man in einer anderen Förderkategorie ist, und deswegen ist Thomas Witt seit 19 87 Ensemble des Theaters und trägt diesen Titel mit stolz. #00:30:26-0#
Anne Wasmuth: Das glaube ich. Das kann man ja auch tatsächlich sein, dass es ja eigentlich auf gleichem Rang wie der Kammer Schauspieler, oder also? #00:30:36-2#
Christina Haas: Er ist ja auch Hofschauspieler. #00:30:37-9#
Anne Wasmuth: Ja, genau, genau bei euch ist das ja auch tatsächlich ein anderes Spielen, oder wir haben ja schon bisschen drüber gesprochen über die Räume, rein äußerlich eben. Es ist ein kleinerer Raum, wenn da knapp 80 Leute sitzen, weniger Platz zum agieren, aber eben auch diese unmittelbare Resonanz vom Publikum. Wie erlebst du das bei Schauspieler:innen gibt es da auch welche, die zu kommen und die davon umgehauen werden? #00:31:07-3#
Christina Haas: Ich glaube, es ist so tatsächlich eher dieses, wenn wenig Resonanz kommt, das das dann irritierend ist, weil die Leute so nahe dran sind. Wir hatten das letztes Jahr hatten wir ein Stück stummes Land von Thomas Freier, also ein sperriger Text ist, und die letzten 20 Minuten waren eine corpass Age, wo dann vier Menschen auf der Bühne Korsch, Text gesprochen haben. Das war eine Herausforderung auf verschiedenen Ebenen, und da war es dann so, wenn eben die Schauspieler auf der Bühne agieren und sehr in ihrer Form und in diesem Text, und dann siehst du aber, dass der in Reihe zwei auf seinem Handy rumspielt, die ganze Zeit. Das ist dann schon stressig. #00:31:51-7#
Anne Wasmuth: Mhm, ja, kleines Theater, kleine Bühne, kleine Welt. Auch mit den Kollegen:innen gibt es da sowas. Gerade wenn man mit einem Personen Ensemble in Kontakt kommt, gibt es da sowas für ungeschriebene Gesetze am Haus. #00:32:07-5#
Christina Haas: Also, wir haben die Regel, dass wir möchten, dass 50 Prozent der Künstlerinnen, die bei uns arbeiten, aus der Region sind, und das heißt, wir haben Schauspieler, die immer wieder bei uns arbeiten, und das mischt sich mit neuen Menschen, die dann von der Regie zum Teil mitgebracht werden, und dadurch ist dann immer so ein Austausch da, dass es auch ganz schön, wenn man dann eben Thomas zum Beispiel mit dabei hat und dann Jemanden jetzt zum allerersten mal da ist, und das ist immer irgendwie so ganz schön. #00:32:43-2#
Anne Wasmuth: Ja. #00:32:44-5#
Christina Haas: Das ist so, also das ist unsere große Regel, was personal angeht, tatsächlich. #00:32:49-8#
Anne Wasmuth: Und dann schwappt das Herzblut sozusagen von den einen auf den auf die anderen über. #00:32:55-9#
Christina Haas: Ja, ich glaube, es ist ja generell so dadurch, dass wir dann eben hauptsächlich mit Gästen arbeiten. Die entscheiden sich ja alle, bei uns zu sein, und das ist ja, was ich im Stadttheaterbetrieb auch oft auch. Da glaube ich, dass sich Dinge verändern, aber so, wie ich es kennengelernt habe, zuerst, dass man zum Teil einfach vom schwarzen Brett erfährt, dass man jetzt in denen den Stück mitspielt und so, und bei uns ist halt, wir haben irgendwie ein Stück ausgewählt. Das ist klar, wir brauchen folgende Schauspieler in den Typen, so, und dann spricht man mit der Regie, und wir schlagen Menschen vor. Wenn sie schon mal bei uns waren, kennen sie dann auch Leute und sagen, ich würde gerne mit dem oder mit der arbeiten, und dann schaut man wieder, dinge zusammenpassen, und dann fragen wir eben die Schauspielerin genauso sag mal, wir haben folgendes Stück, die Person macht es, interessiert sich das, und dann gibt es Leute, die sagen ja klar, mit dem arbeite ich voll gerne zusammen, und andere, die sagen, ja, lass mich mal das Stück lesen und mal schauen, und ich finde, es macht so eine gute Grundenergie, weil alle haben sich entschieden, da zu sein, haben sich für dieses Stück entschieden, und ich glaube, das überträgt sich auch aufs Publikum, das sehr viel Herzblut bei uns mit. #00:34:10-0#
Anne Wasmuth: Steck? Ich würde deshalb jetzt auch gerne den Hut der Dramatogie aufsetzen. Du hast schon gesagt, du bist viel bei Proben. Was? Wie würdest du deinen Job beschreiben? Was tust du? #00:34:23-5#
Christina Haas: Ich sage immer gerne, ich bin die Anwältin des Texts. Als Dramaturgin ist so im Vorlauf erst mal eben den richtigen Text finden, wenn eben die Regie noch nicht direkt eine Idee hat. Also findet man erst mal ein Stück miteinander, überlegt dann, mit welchen Menschen das passieren soll, dann je nachdem, was es eben ist. Wir machen relativ oft roman Adoptionen, das heißt, man hat einen epischen Text, den man in einer dramatischen Form bringen muss, was dann mein Job ist, dass das eben spielbar wird. Und dann ist es so. Also, ich gehe auf Proben. Ich bin aber anders als die Regie, die immer auf der Probe sein muss. Natürlich, das ist dann immer so. In der Anfangsphase bin ich relativ viel da, dann bin ich eine Zeit lang einen Tag pro Woche da und dann erst wieder in den Endproben, also auch wieder die ganze Woche, und das heißt, ich komme immer zwischendurch und Ähm, mache im Prinzip eine Art Supervision. Also, die Regie und die Schauspielerin beschäftigen sich die ganze Zeit mit dem Text, und man geht so ein bisschen in den Tunnel, und dann komme ich zwischendurch und sagen, schön, was ihr macht, aber ich verstehe es nicht ganz, oder das erzählt also eigentlich spiegeln, dass man sagt, das, und das kommt gerade bei mir als Publikum an. #00:35:44-9#
Anne Wasmuth: Hm! #00:35:45-0#
Christina Haas: So, ich bin so die erste Zuschauerin quasi, und deswegen ist so ein bisschen so einen Schritt zurücktreten und nicht ganz in der Produktion sein, um objektiver Urteilen zu können als diejenigen, die sich den ganzen Tag damit beschäftigen. #00:36:03-4#
Anne Wasmuth: Mhm, ich glaube, jetzt ist auch Zeit für einen kleinen Werbeblock. Du machst auch, oder wir haben gemeinsam seit 2023 ein neues Angebot mit dir am nennt sich, erzähl kurz, worum geht's? #00:36:21-3#
Christina Haas: Das ist, ich finde es eine ganz tolle Sache. Ich habe da großen Spaß dran. Der da ist ein Angebot, wenn man mehr über ein Theaterstück erfahren möchte oder vielleicht auch einfach nicht weiß, mit wem man ins Theater gehen soll, dann kann man sich da anmelden, und dann gibt es in der einen Woche treffen wir uns im Bildungszentrum, und dann mache ich eine Einführung zu diesem Stück, erzähle, wie es zustande kam, was die Ideen dahinter sind und so weiter und so fort, und die Woche drauf gehen wir zusammen bei uns ins Theater, und dann sprechen wir danach drüber, was die Eindrücke waren, und, ähm, ich finde ganz schön, weil es einerseits eben diese mehr erfahren Komponente hat und aber eben auch so einen sozialen Aspekt. Das gefällt mir sehr gut. #00:37:11-4#
Anne Wasmuth: Ja, und eigentlich so viel Werbung müssen wir gar nicht machen. Es ist gut gebucht, und ich glaube, alle, die da jetzt drin sind, waren froh, weil sie noch eine Karte gekriegt haben muss, keine Karten mehr gab. Das ist richtig. Ja, was bringt mir das, aber auch als Zuschauerin, dass ich mich vorher mit einem Stück auseinandersetze? #00:37:33-3#
Christina Haas: Ich glaube, man kann es noch mal anders erleben. Also ein Theaterstück sollte natürlich oder ein Theaterabend sollte natürlich immer so funktionieren, dass ich ohne Vorkenntnisse reingehen kann und trotzdem was mitnehmen. Aber wenn ich mehr weiß, kann ich noch mehr entdecken, so, und das finde ich. Also ich finde ja auch, man kann sich Theaterabende mehrfach anschauen, weil man immer neues entdeckt und dann vielleicht schon andere Dinge verstanden hat, und mir wird es nicht langweilig. Aber es ist auch ganz gut, weil ich unsere Theaterabende sehr oft sehe, allein schon in den Proben. #00:38:09-7#
Anne Wasmuth: Ja, wir haben jetzt schon viel drüber gesprochen, den Anfang auch in dieser Reihe und eben absolut nachgefragt und nur ausverkauft ist. Hood famine ist was für ein Titel! Hast du schon mal eine Feministin oder einen Feministen gedatet? Gibt's das überhaupt männliche Feministen? Das ist eine der Fragen, die das Stück stellt. #00:38:34-5#
Christina Haas: Aufstellt. Niemanden, der sich so betitelt hätte, glaube ich. Ja, es ist ganz spannend. Also, ich mag auch, weil ja der Titel englisch ist, dass man erstmal nicht weiß, wer genau ist denn jetzt gemeint? Und ja, es ist auch so dieses, was bedeutet feministische Dating, so was auch. Also, wie kann man eine feministische Beziehung führen? So, und das klingt alles dann immer so krass. Also, ich glaube, es wirkt auf viele Menschen auch erst mal abschreckend, sobald man sagt, wie führt man eine feministische Beziehung? Aber eigentlich geht's ja nur um eine Gleichberechtigung. #00:39:17-9#
Anne Wasmuth: Mhm. #00:39:18-1#
Christina Haas: Was eigentlich total basal ist. #00:39:20-0#
Anne Wasmuth: Ja, sollte man denken, aber wie sind so die Reaktionen? Nicht jetzt, nicht nur dieses Stück, sondern ihr habt ja auch später noch oder ein Unheim oder auch mit Montero von Theresa, der noch weitere Stücke auf dem Plan, die mehr so Rollenfragen thematisieren, Identitäten, auch das Mensch sein oder unsere Spezis als solche reflektieren, sagen der Menschen, ach nee, lass mich mal in Ruhe mit diesem ganzen Frauenkram, Gendern, Regenbogen oder ist da zu spüren? Ja, wir müssen darüber sprechen, endlich! Wir müssen uns damit auseinandersetzen, auch mit unseren eigenen Vorteilen, weil letztendlich ist ja so die Kernfrage, wie weit sind wir tatsächlich als Gesellschaft? #00:40:07-8#
Christina Haas: Ja, also bei how to date Feminist ist es meinte einzuschauen neulich. Es ist so schön, weil da wichtige Themen mit einem leichten Ton verhandelt werden, und ich mag an dem Stück so, dass es nie aggressiv ist. Also, es gibt eine date Szene und Stef und kommen sich näher, und er fragt sie immer, darf ich das? Darf ich das tun? Darf ich das tun? Und sie ist irritiert, und als Publikum denkt man sich also, beim ersten Lesen dachte ich mir, es ist schon ein bisschen übertrieben und ist ja gut, wenn man so ungefähr, und dann setzt sich das so, aber eigentlich ist voll richtig so, und das mag ich das. Also, es gibt so viele Momente in diesem Text, wo man sich selber erwischt. Also weil das, finde ich, ist so das ganz spannend, weil klar, sind wir an der Oberfläche alle der Meinung, das Gleichberechtigung normaler Alltag sein sollte, aber erst mal zu verstehen, an welchen Stellen auch gerade ich als Frau mich gar nicht auf dem gleichberechtigtes Niveau setze, weil es mir so anerzogen ist. #00:41:25-1#
Anne Wasmuth: Mhm. #00:41:25-4#
Christina Haas: So und wo ich eigentlich gegen mich selber arbeite, das ist ein Schritt, und ich persönlich bin da noch auf der Reise und finde das schön, dass das in diesem Stück so leicht thematisiert wird und man deswegen entspannt darüber ins Gespräch kommen danach und dass es sofort in eine krasse Streitdiskussion gehen muss, und man kann erst mal sagen, findest du das auch so? Wirklich ist das ja krass so, und das also, ich fand auch ganz schön, dass es einfach so ganz viele Momente gibt, wo ich mich auch so ertappt fühle und mir denke, ach krass, ich bin nicht alleine so! Ah, das scheint also, wenn es in diesem Text geschrieben steht, dann scheint das ja ein Mehrheits Phänomen irgendwie auch zu sein, aber wahrscheinlich denken die meisten von uns nur nicht so komisch an der Stelle. #00:42:20-6#
Anne Wasmuth: Mhm, und andererseits sind wir ja wirklich als Gesellschaft noch nicht lange auf diesem Weg. Also, ich erinnere mich noch zu Hause, mein Vater hat meiner Mutter Haushaltsgeld ausgezahlt, habe sie dann irgendwann mal gesagt haben, wie bekloppt sind wir eigentlich so im Alltag also, und unsere Familien, Finanzen haben sich schlagartig verbessert. Als meine Mutter die Steuererklärung gemacht hat, haben wir immer Geld zurückbekommen. Aber so bin ich ja eben auch noch aufgewachsen in so ner Welt. Und also es gefällt mir sehr gut, wenn du sagst, ja, dass man sich immer wieder selbst reflektieren muss, weil man manchmal glaubt, man ist wahnsinnig tolerant, oder man glaubt, man ist wahnsinnig modern oder wahnsinnig auf der Höhe der Zeit. Aber eigentlich fällt man auch in Rollen so zurück, oder? #00:43:04-3#
Christina Haas: Und das ist ja auch so. Dieses geht ja beim Feminismus nicht nur darum, dass die Welt für Frauen besser werden muss, sondern so wie ich Feminismus lebe. Klar gibt es da verschiedene Auslegungsweisen und so weiter. Aber so, wie ich es mir wünsche, ist, es macht die Welt für alle besser. Weil in der Feminist geht es genauso darum. Mit welchen Rollenerwartungen ist der Mann belegt, und bist du nur ein richtiger Kerl, wenn du einen Toten tranchieren kannst? So sind Männer, die sich vegetarisch ernähren, denn überhaupt Männer? So überspitzt gesagt, so krass ist dann doch nicht. Aber also das sind ja schon die spitzen, die auch irgendwie so. Also, ich finde das auch so ganz spannend. Wenn ich irgendwie mit einem Mann in eine Kneipe gehe, und wir bestellen ein Bier und ein Glas Wein, werde immer ich das Glas Wein bekommen, und das sind einfach diese Dinge, die in unseren Köpfen sind. Es ist so absurd, wenn man länger drüber nachdenkt, leidenschaftliche Biertrinkerin, aber es passiert genau so, oder auch, wenn man eben einen Salat und eine Pizza bestellt. Ich bekomme den Salat, aber es sind so diese Automatismen, und natürlich ist es einfacher, wenn man irgendwie mit diesen Schubladen und Rollen erst mal. Also, es macht die Welt einfacher klar, aber leider ist die Welt nicht einfach. #00:44:29-6#
Anne Wasmuth: Mhm. #00:44:30-4#
Christina Haas: Es gibt so Charaktereigenschaften. Wenn man das hinterfragt und sich also, warum gilt das als männliche oder als weil, warum sollten Charaktereigenschaften Geschlechtern zugeordnet sein? Was für Quatsch so, und das ist natürlich irgendwie keine Ahnung, weil ich es eher ein femininer Begriff hat, eher ein männlicher Begriff, so solche Dinge, und wenn ich als Frau hart bin, dann ist es falsch. #00:44:55-4#
Anne Wasmuth: Mhm. #00:44:56-2#
Christina Haas: So, und das ist ja also ich glaube, man muss sich da von vielen, also ich ertappe mich ja auch selber ganz oft dabei, und das ist ja der Schritt, auf dem ich gerade bin, dass ich merke, wenn so Dinge passieren, und ich auch irritiert davon bin, dass es so lange unbewusst passiert ist. Aber ich kann's noch nicht irgendwie auf Anhieb alles richtig machen, und das ist auch okay, dass man nicht auf Anhieb alles richtig macht, so. Man muss es nur reflektieren, das ist wichtig. #00:45:26-7#
Anne Wasmuth: Ja, in dem Zusammenhang bin ich auch bei euch über einen Begriff gestolpert in der Ankündigung zu Nora, von dem ich glaube, dass im deutschen Sprachgebrauch nicht so alltäglich ist. Das ist von Tokenism die Rede als probates Mittel, eine scheinbar heile multiperspektivische Welt zu behaupten. Was bedeutet das? #00:45:47-9#
Christina Haas: Also, man könnte es auch bezeichnen als das Feigenblatt, so wie wenn man halt im Vorstand, man hat irgendwie neun Männer und eine Frau, dann ist die Frau dann ja, wir sind ja so die an der Stelle, oder eben auch so mit Menschen mit einer Migrationsgeschichte. #00:46:07-3#
Anne Wasmuth: Mhm. #00:46:07-8#
Christina Haas: Wir decken das alles ab. Wir haben halt eine Person, die das machen muss und aber leben tun was nicht. Also so, so würde ich es definieren. #00:46:19-8#
Anne Wasmuth: Wir sitzen zusammen. Es ist vormittag, irgendwas nach elf Uhr. Welchen Hut würdest du dir gleich aufsetzen nach unserem Gespräch? #00:46:29-0#
Christina Haas: Ich hab heut einen langen Tag, weil heute abend ist der Vorstellungsbesuch, das heißt, ich werde jetzt erstmal noch eine Pause machen, oder also, ich muss ein paar Sachen für die kommende Spielzeit vorbereiten. Das ist dann aber so ein bisschen in der Überschneidung zwischen Dramaturgie und Theaterleitung, und so ein bisschen Zeitpläne und Texte stehen auf meinem Plan für heute. #00:47:00-2#
Anne Wasmuth: Ja, ganz, ganz viel Erfolg, Christina, vielen, vielen dank für diese Kontaktaufnahme. #00:47:07-4#
Dieses Projekt/Diese Maßnahme/Initiative leistet einen wichtigen Beitrag, Nürnberg schrittweise inklusiver zu gestalten. Es/Sie ist Teil des Nürnberger Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Den Ersten Aktionsplan hat der Nürnberger Stadtrat im Dezember 2021 einstimmig beschlossen. Um die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in Nürnberg zu verwirklichen, wurden und werden umfangreiche Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Weitere Informationen finden Sie unter www.inklusion.nuernberg.de.
Die Dramaturgin über den Generationenwechsel an Nürnbergs ältestem freien Theaterhaus und Kunst mit einfachsten Mitteln.
Schon als Jugendliche hat sie das Theater “verschluckt”. Seit 2022 ist Christine Haas nun Mitglied der Theaterleitung am Gostner Hoftheater. Es ist noch nicht lange her, da wurde nach vier Jahrzehnten die Leitung des Theaters in der Austraße 70 in jüngere Hände gelegt. Im Podcast spricht Christine Haas über die Geschichte und Herausforderungen dieses besonderen Nürnberger Theaters und die Unterschiede zum Staatstheater. Dabei geht es auch um diverse Hüte und die Frage, ob Männer Feministen sein können.
- Das Gostner Hoftheater: https://www.gostner.de/
- „40 Jahre Gostner Hoftheater“ Film der Medienwerkstatt Franken:
https://www.medienwerkstatt-franken.de/video/jetzt-erst-recht/
------
Aufgenommen am: Donnerstag, den 26. Januar 2023
Veröffentlicht am: Donnerstag, den 9. Januar 2023
Moderation: Dr. Anne Wasmuth
Im Gespräch: Christine Haas
-------
Alle weiteren Folgen von KontaktAufnahme – der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg finden Sie hier. Wir sind mindestens jeden zweiten Donnerstag mit einer neuen Folge online, manchmal öfters.
Wen sollen wir noch befragen - haben Sie Ideen und Anregungen? Oder möchten Sie Ihre eigenen „Glücksmomente“ (manchmal am Ende des Interviews zu hören) an uns schicken? Schreiben Sie uns an!