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Nürnberg-Charkiw: Update / 6. April 2022

Prof. Diether Götz: Der Partnerschaftsverein Charkiw Nürnberg hat zurzeit natürlich einen Schwerpunkt Hilfe für die Ukraine, in Sonderheit für die Bürger und für unsere Partner Institutionen in der Partnerstadt Charkiw. Charkiw ist im Augenblick im Krieg mit der Ukraine eine jener Städte, die am meisten von den russischen Angriffen betroffen sind. Ich gebe einige Zahlen: Stand Ende März in Charkiw. Anfang April sind insgesamt bombardiert worden, circa 2500 Wohnungen und Häuser. Es sind 53 Kindergärten bombardiert worden. Es sind 69 Schulen bombardiert worden, und es sind 15 Krankenhäuser bombardiert worden. Die schlimmste Bombardierung, die sich ereignet hat in Charkiw, war, dass ein Heim für blinde Kinder von russischen Fliegern angegriffen wurde. Auf der anderen Seite ist das Verhalten sowohl unserer Partner-Institutionen, also Nürnberger Haus, soziale Hilfsdienst usw. wie auch vieler freiwilliger Helfer bewundernswert. Wir haben vom 28. Februar bis 4. April circa 244.000 € ausgegeben für den Kauf von Lebensmitteln, von Medikamenten, von Schutzausrüstungen, für Feuerwehr und und und. Und diese Hilfsgüter wurden zum Beispiel am Montag vor acht Tagen in einem eigenem Zug bis an die polnisch ukrainische Grenze gebracht, dort umgeladen auf die ukrainische Spurweite. Die Bahn hat übrigens für diesen Transport nichts verlangt. Sie nennt das Brücken auf der Schiene. Wir haben also für diesen einen Transport circa 200.000 € ausgegeben. Die stehen noch aus. Also zu diesen 244.000 müssen Sie noch einmal 200.000 € zu rechnen. Der Transport selber hat also mehrere Tonnen umfasst. #00:02:06-2#

Grazyna Wanat: Und ist schon angekommen. #00:02:08-1#

Prof. Diether Götz: Noch nicht angekommen, aber er ist auf dem Weg. Und jetzt komme ich zu dem, was ich sagen wollte. Unsere Mitarbeiter, die Freiwilligen in Charkiw, leisten bewundernswerte Arbeit. Die fahren zum Beispiel diese Lebensmittel, diese Medikamente zu den alten oder bedürftigen Menschen hin, also die kurven in der Stadt umher, was ja für sie selber höchste Lebensgefahr ist, weil sie wissen ja nie, wann der nächste Artilleriebeschuss oder der nächste Luftangriff kommt. Aber das haut bestens hin. Ja, unsere Aktivitäten im Verein: Also einmal. Montagvor acht Tagen haben wir diese große Lieferung an Hilfsgütern, Lebensmittel, Medikamente, Schutzausrüstung übernommen. Es waren also insgesamt 70 Tonnen, die da transportiert wurden. In Charkiw selber: Verteilung der Hilfsgüter, der Lebensmittel durch Freiwillige, durch Mitarbeiter des sozialen Hilfsdienstes. Wir haben weiter große Spenden zu erwarten, etwa von der Schöller Stiftung, vom Beck. Ja, auch verschiedene Schulen haben Sammlungen durchgeführt und vor allem unser Paradepferd, das Nürnberger Haus in Charkiw, hat jetzt online wieder Deutschkurse aufgenommen. #00:03:24-2#

Grazyna Wanat: Das ist unglaublich. Da habe ich heute auch eine Email von Ihnen bekommen. Und tatsächlich mit der Einladung, dass auch Live Kurse hier in Nürnberg gemacht werden, aber auch online aus Charkiw. Das finde ich unglaublich spannend. #00:03:38-4#

Prof. Diether Götz: Funktioniert die ganze Zeit schon. Ja, Gott sei Dank können wir sagen, dass die Partner, die wir in Charkiw haben, alle ja am Leben sind und nicht verletzt sind und bewundernswert, den Tag - den Alltag -so normal wie möglich gestalten. Aber es ist natürlich nach wie vor eine Riesenaufgabe und das wird nicht weniger. Denn die Hilfsbedürftigkeit der Menschen in der Partnerstadt Charkiw wird immer größer. Ja, aber wir sind im Augenblick noch in der Lage, auch weitere Großspenden und Transporte zu finanzieren, sodass von dieser Seite im Augenblick keine Gefahr droht. #00:04:15-8#

Grazyna Wanat: Und Sie haben von Großspenden gesprochen, Aber es spenden auch normale Menschen. #00:04:21-9#

Prof. Diether Götz: Es ist unwahrscheinlich wie viel in dieser Situation in Nürnberg und in Deutschland gespendet wird. Wir kommen mit dem Ausstellen von Spendenquittungen überhaupt nicht mehr nach. Ja, meine Frau und ich waren zum Beispiel jetzt am Wochenende bei der Whiskymesse und 14 Tage vorher bei der Freizeitmesse. Da hat uns die Messeleitung kostenlos einen Stand zur Verfügung gestellt, wo wir dann informieren konnten und Geld eingenommen haben. Also wie gesagt, es sind auch die vielen kleineren Spenden, die dann insgesamt die große Summe ausmachen. Der größte Spender war die Firma Semicron. Die haben uns also fast 1 Million rübergeschoben. #00:05:05-3#

Grazyna Wanat: Eine Firma? Fast 1 Million. Das ist toll. Ja. #00:05:10-5#

Prof. Diether Götz: Und ohne das könnten wir all diese Dinge nicht leisten. #00:05:14-0#

Grazyna Wanat: Natürlich. Ja. Okay. Die Spendenbereitschaft ist groß und lässt nicht nach. #00:05:19-2#

Prof. Diether Götz: Bis jetzt. Gott sei Dank. #00:05:20-6#

Grazyna Wanat: Nicht. Und die Hilfsbereitschaft in der Stadt - kriegen Sie davon auch etwas mit? #00:05:24-6#

Prof. Diether Götz: Kriegen wir sehr viel mit. Die Leute sind wirklich bemüht, jeder in seiner ihm möglichen Art, den ankommenden Ukrainern irgendwie zu helfen. #00:05:33-9#

Grazyna Wanat: Sind Sie da auch aktiv? #00:05:36-9#

Prof. Diether Götz: Wir arbeiten in diesen Dingen sehr eng mit dem Amt für internationale Beziehungen zusammen. Unsere Hauptaufgabe besteht darin, Geld zu sammeln, um solche Hilfslieferungen zu finanzieren. Was jetzt zum Beispiel die Unterbringung von ukrainischen Flüchtlingen anbelangt, damit haben wir nicht direkt zu tun. Das macht das Amt für internationale Beziehungen bzw. andere Institutionen in der Stadt. #00:05:59-4#

Grazyna Wanat: Aber sie haben bestimmt auch Kontakt mit Menschen, also vereinzelte, die hier ankommen? #00:06:02-9#

Prof. Diether Götz: Ja, natürlich. Und auch zum Beispiel ist zurzeit in Nürnberg die Sekretärin des Nürnberger Hauses, eine Frau Riabtseva. Die war natürlich schon bei uns eingeladen und ich treffe. Wir treffen uns jetzt wieder mit ihr am kommenden Freitag - also wir haben Kontakt. Wir telefonieren auch sehr viel rüber in die Ukraine, um den Leuten das Gefühl zu geben, wir vergessen sie nicht, wir stehen ihnen zur Seite. Mir kommt es darauf an zu vermitteln. Wir haben Gott sei Dank großzügige und großzügigste Spender und deshalb können wir unseren Schwerpunkt Hilfslieferungen, Lebensmittel, Medikamente, Schutzausrüstung usw. nach wie vor finanzieren. Und unsere Institutionen in Charkiw mit ihren vielen Freiwilligen machen ganz tolle Arbeit. Also das ist ganz ganz wichtig festzustellen und das unter schwierigsten, sehr gefährlichen Bedingungen. #00:06:55-7#

Grazyna Wanat: Ganz genau. Wie kommen Sie selber damit zurecht, dass Sie so eine Zeit in dieser Partnerschaft? #00:07:03-1#

Prof. Diether Götz: Man darf nicht ständig darüber nachdenken. Ja, es ist schwer. Man genießt manchmal einen Tag, wo man irgendwas anderes vorhat, wo man dann ein bisschen wegkommt. Aber wenn man die Menschen, so wie wir so lange kennt und mit ihnen so lange zusammengearbeitet und jetzt diese Situation, das ist schwer. Ja, aber es nützt ja nichts. Man muss weitermachen. #00:07:24-2#

Grazyna Wanat: Und jetzt warten wir alle, dass der Zug ankommt. Und dann bekommen Sie sofort Informationen. #00:07:30-9#

Prof. Diether Götz: Wir haben absolut zuverlässige Leute. Da wird nichts gestohlen. Die haben wir. Also, wie gesagt, da läuft alles so, wie es sein soll. #00:07:38-8#

Grazyna Wanat: Ich meinte damit nur, ob das wirklich gut geht die ganze Strecke. #00:07:42-7#

Prof. Diether Götz: Im Augenblick ist es noch sicherer über die Schiene als über die Straße. Also die Erfahrung haben wir. Im Augenblick gehen solche Transporte noch besser über die Schiene als über die Straßen. #00:07:53-9#

Grazyna Wanat: Und wissen Sie, wo genau sich der Zug jetzt gerade befindet? Also haben Sie da Mitteilungen unterwegs? #00:08:00-7#

Prof. Diether Götz: Nein, wir werden sofort informiert, wenn der in Charkiw angekommen ist. Sofort. #00:08:07-2#

Grazyna Wanat: Und dann kommt der Zug leer zurück? #00:08:09-7#

Prof. Diether Götz: Der fährt leer wieder zurück. Der wurde gestartet bei einer hier in Nürnberg ansässigen Spedition Transa. Ja, und dort ist er auch beladen worden. Und wenn wir wieder genügend zusammen haben, dann wird er wieder neu beladen. #00:08:26-6#

Grazyna Wanat: Okay. Und ist jetzt auch was anderes geplant. Oder Sie planen einfach die nächste. #00:08:32-0#

Prof. Diether Götz: Wir planen die nächsten Lieferungen. Bedarf ist unendlich groß. #00:08:36-2#

Grazyna Wanat: Ja. Und schicken Sie Sachen, die bestellt worden sind, sozusagen. #00:08:40-6#

Prof. Diether Götz: Das Nürnberger Haus sagt uns in etwa, was man braucht. Bei Lebensmitteln werden Lebensmittelpakete zusammengestellt. Da gibt es ein festes Programm, was da alles drin sein soll. Bei Medikamenten - die können alles brauchen, bis hin zu Windeln für inkontinente Menschen alles. #00:09:03-0#

Grazyna Wanat: Jetzt sind waren wir alle erschüttert von diesen Informationen am Wochenende. Nicht nur aus der Ukraine, sondern aus Berlin. Ja. Kriegen Sie auch davon etwas mit hier in Nürnberg von solchen Stimmungen? #00:09:21-8#

Prof. Diether Götz: Nein. Also wir wissen haargenau, dass es natürlich vor allem in den russischstämmigen Gemeinden oder Gruppen, etwa in Langwasser, natürlich Pro-Putin-Leute gibt, aber die haben sich nicht bisher, soweit wir es mitbekommen haben, hier aggressiv in der Öffentlichkeit gezeigt. #00:09:39-4#

Grazyna Wanat: Und hoffentlich bleibt das auch so! #00:09:41-7#

Prof. Diether Götz: Ja, das hoffen wir auch. Weil man muss ja eines sehen. Putin wartet ja nur darauf, dass also hier meinetwegen gegen Russen Gewalt angewendet wird, dann hat er einen Vorwand, die Theorie vom nahen Ausland ja hier einzugreifen. Diese Theorie vom nahen Ausland ist bereits in den 90er Jahren entwickelt. Nahen Ausland meinte die ehemaligen Sowjetrepubliken, die jetzt selbständige Staaten sind, wo ja viele Russen leben. Und die Theorie sagt - Das ist vom russischen Außenministerium damals formuliert worden - Wenn Russen in Gefahr sind in diesen nichtrussischen Staaten, dann hat Russland das Recht, um seine Landsleute zu schützen, dort massiv anzugreifen. #00:10:21-9#

Grazyna Wanat: Und nach dieser Doktrin ist eigentlich in der Ukraine einmarschiert. #00:10:25-4#

Prof. Diether Götz: IIn der Ukraine hat er gesagt, das seien Nazis. Ja, und das Zynische ist daran, dass dieser Mann, der der Ukraine Nazismus vorschmeißt, selber kein Problem hat, mit Leuten der AfD oder anderen ähnlichen Leuten beste Kontakte zu haben. #00:10:42-1#

Grazyna Wanat: So ist es. Vielen Dank für Ihre Erzählung und Einschätzung. Danke. #00:10:51-2#

Dieses Projekt/Diese Maßnahme/Initiative leistet einen wichtigen Beitrag, Nürnberg schrittweise inklusiver zu gestalten. Es/Sie ist Teil des Nürnberger Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Den Ersten Aktionsplan hat der Nürnberger Stadtrat im Dezember 2021 einstimmig beschlossen. Um die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in Nürnberg zu verwirklichen, wurden und werden umfangreiche Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Weitere Informationen finden Sie unter www.inklusion.nuernberg.de.

Prof. Diether Götz, Mitglied des Vorstands des Charkiw-Nürnberg Vereins im kurzen Update  zu den aktuellen Entwicklungen.

Was passiert aktuell im Nürnberger Haus in Charkiv, was unternimmt Nürnberg um seiner Partnerstadt zu helfen? Ein kurzes Update.

Hilfangebote für Charkiw:

  • Spendenkonto für Charkiw:
    Kontoinhaber: Partnerschaftsverein Charkiw-Nürnberg e.V.
    Spendenkontonummer: DE12 7605 0101 0001 3500 58 bei der Stadtsparkasse Nürnberg, Verwendungszweck: "Hilfsprojekte in Charkiw"
  • Stadtportal: Hilfe für Menschen aus und in der Ukraine
  • Regionale Hilfsangebote: Das Curt-Magazin hat eine Übersicht über regionale Hilfsangebote veröffentlicht, die sukzessive erweitert wird. 

Weitere Informationen:

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Aufgenommen am: Mittwoch, 6. April 2022
Veröffentlicht am: Freitag, 8. April 2022
Moderation: Grazyna Wanat
Im Gespräch: Prof. Diether Götz

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Alle weiteren Folgen von KontaktAufnahme – der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg finden Sie hier. Wir sind mindestens jeden zweiten Donnerstag mit einer neuen Folge online, manchmal öfters.
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