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Herr Ruckriegel, dürfen wir gerade glücklich sein?

Ansage: KontaktAufnahme. Der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg. #00:00:11-0#

Katharina Mittenzwei: Hallo und herzlich willkommen zu unserer ersten KontaktAufnahme im neuen Jahr. Ich freue mich heute auf ein Gespräch mit Professor Dr. Ruckriegel. Herzlich willkommen! Ich wünsche Ihnen erstmal ein glückliches neues Jahr. #00:00:32-1#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Wünsche ich Ihnen natürlich auch und Ihrer Familie. #00:00:34-7#

Katharina Mittenzwei: Danke schön. Sie sind Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fakultät für Betriebswirtschaft der TH Nürnberg. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind zum einen die Makroökonomik, insbesondere Geld und Währungspolitik und seit 2005 zusätzlich interdisziplinäre Glücksforschung und Psychologische Ökonomik, auch Behavioral Economics genannt. Sie beraten Unternehmen und Organisationen sowie die Politik darin, wie sie die Erkenntnisse der interdisziplinären Glücksforschung umsetzen können. Wie kamen Sie denn zur Glücksforschung? Sie haben vor Ihrer akademischen Karriere eine Ausbildung zum Industriekaufmann gemacht, waren im Baugewerbe und im Bankgewerbe tätig. Gab es denn einen Wendepunkt in Ihrem in Ihrem Leben, einen Moment, in dem Ihnen bewusst wurde, sich mehr dem Glücksforschen als der Währungspolitik widmen zu wollen? #00:01:26-8#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Ich war immer schon sehr breit orientiert. Ich habe immer schon sehr viel gelesen. Und dann ist mir 2005, in dem Zusammenhang, ein Buch untergekommen, welches damals, von einem damals sehr bekannten, heute noch genauso bekannt, aber von dem sehr bekannten Ökonomen Sir Richard Layard. Ich kannte den aus Veröffentlichungen, also sehr werthaltigen Veröffentlichungen zur Arbeitsmarkttheorie aus den 90er Jahren. Und der hat ein Buch geschrieben, was mich vom Titel her gesehen, sehr angesprochen hat und fasziniert hat, "Die glückliche Gesellschaft". Und dann habe ich mich mit dem Buch näher beschäftigt. Und dann bin ich immer stärker in diese Geschichte reingekommen. Ich habe dann, nachdem ich das Buch gelesen habe und dann noch mal gelesen habe, habe ich angefangen, so die ersten Überlegungen zur Glücksforschung auch in meine Lehrveranstaltungen mit einzubauen. Und es hat sich dann quasi immer mehr ausgeweitet. Das war der Startpunkt. Ja und heute beschäftige ich mich ja hauptsächlich mit diesen Fragen der Glücksforschung, natürlich unterstützt mit den Ansätzen der Behavorial Economics, weil es ist natürlich nicht nur wichtig zu wissen, was wir wollen, worums uns eigentlich geht im Leben ist auch zu wissen, wie wir denken, wie wir Entscheidungen treffen, um dann das, was wir eigentlich wollen, eigentlich auch dann wirklich zu erreichen. Deswegen passt beides eigentlich ganz gut. #00:02:48-4#

Katharina Mittenzwei: Nun sind schon einige Begrifflichkeiten gefallen. Was untersuchen Sie denn genau? #00:02:54-2#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Also im Bereich der Glücksforschung, sagen wir es so, ich bin da so in in einem Verbund drin. Das ist ja keine Tätigkeit von Einzelnen. Also diese Glücksforschung wird natürlich getragen von einem breiten, von einer breiten Basis weltweit, interdisziplinär. Da gibt es Psychologen, Stichwort positive Psychologie, da gibt es Soziologen, da gibt es natürlich dann auch Neurobiologen, auch die Neurobiologie spielt hier eine große Rolle, aber natürlich auch Ökonomen. Und insbesondere bei der Ökonomie kann man ja unterscheiden einerseits eher die volkswirtschaftliche Richtung und andererseits eher die betriebswirtschaftliche Richtung und in beiden Bereichen spielt sich da sehr viel ab. Also im Bereich Volkswirtschaft möchte ich erinnern, zum Beispiel an die OECD, also dieser Thinktank für die großen Industrieländer in Paris, der hier insbesondere seit 2011 voll in diese Richtung abgeht mit dem OECD Better Life Index und zum anderen an die UN, die ja auch so seit 2009, 2010 2011, angestoßen durch Bhutan, die einiges gemacht hat. Und hier ist er auch dann, seit 2012 die bekannten UN World Happiness Reporte einzusehen. Und wie gesagt, da gibt es eine Riesenaktivität auf dem Feld und ich bin quasi da, ich bringe mich da ein und ich sehe meine Aufgabe jetzt wenig in der Grundlagenforschung. Da ist natürlich auch die TH dafür nicht unbedingt so ausgelegt von der ganzen Ressourcen, Ressourceausstattung. Was ich eher mache ist, ich bin mehr im Anwendungsbereich, also in der Frage, wie setzen wir die Erkenntnisse, die wir gewonnen haben, interdisziplinär in der Glücksforschung um, in Politik, in Unternehmen und natürlich auch, das ist dann quasi so ein Side Effect, weil das passt nämlich dann auch mit dazu, was kann der Einzelne tun? Das ist dann quasi mehr so, was mit Add on dazukommt. Aber mit den Sachen beschäftige ich mich. Wobei, was den Einzelnen anbelangt, da ist ja hauptsächlich die positive Psychologie hier so maßgebend Und da sind natürlich dann stark auch die Psychologen an sich schon gefragt. Und ich möchte auch nur erinnern, dass zum Beispiel die AOK Bayern, auf der Basis dieser Erkenntnisse der positiven Psychologie, seit Jahren schon entsprechende Kurse, Seminare anbietet, in Unternehmen auch, aber auch für Mitglieder, die sich damit beschäftigen, was können wir, was können wir, was wissen wir aus der positiven Psychologie, wie können wir das einbringen in unseren Alltag um, und das ist natürlich auch der Zielpunkt der AOK Bayern, um gesünder, gesund zu bleiben, gesünder zu werden und auch unsere Lebenserwartung deutlich zu erhöhen. Auch das wissen wir, dass Menschen, die zufrieden, glücklich sind, eine längere Lebenserwartung haben. #00:05:37-7#

Katharina Mittenzwei: Das heißt, um jetzt noch mal auf den Begriff des Glücks zu kommen, müssen wir hier ganz klar differenzieren zwischen, ich benutze jetzt hier mal die englische Sprache, weil die ausnahmsweise etwas differenzierter ist als unsere deutsche, unterscheiden zwischen Luck und Happiness, richtig? Also, Sie forschen nicht über das Glück eines Lottogewinns? #00:05:59-4#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Ja, genau. Also vielleicht mal vorweg, was Sie gesagt haben, normalerweise ist es so, dass Deutschland eigentlich eine sehr, deutsch eigentlich eine sehr präzise Sprache ist. Gilt ja auch als die Sprache der Philosophen. Deswegen haben wir ja auch viele Philosophen, deutsche Philosophen, die hier weltweit schon eine nicht gerade geringe Bedeutung spielten und spielen. Aber mit dem Glück haben wir irgendwie, das da haben wirs nicht so und insofern ist es so, dass dieses Wort Glück bei uns so facettenreich ist. Hat natürlich den Vorteil, wenn Sie so einen Vortrag machen, Glücksforschung, worauf es wirklich im Leben ankommt, dann sind viele angesprochen und keiner weiß so genau, worum es geht. Das haben sie in anderen Ländern so nicht. Also in den meisten Sprachen der Welt haben sie, haben sie, haben Sie eine klare Unterscheidung zwischen Zufallsglück,jJa, gleich von vornherein und dem Wohlbefinden, wie Sie es immer nennen wollen Happiness, was auch immer. Das haben wir im Deutschen wenig, auch auch die ganzen Sprachen, die quasi hier dem Deutschen so, dem Deutschen so nahe stehen, haben das auch weniger. Und das ist interessant und das hängt vielleicht auch damit zusammen, die deutsche Sprache wurde, soweit ich das jetzt so angelesen habe, ich bin kein Spezialist, so glaube ich, im 17. Jahrhundert, so langsam ausgeformt und 17., 18. Jahrhundert und damals, wenn ich das so richtig in Erinnerung hatte, konnte Kant ja auch mit dem Wort Glück nicht so viel anfangen. Also das mag alles reinspielen, auf jeden Fall ist es so, wie Sie sagen, das, im Deutschen ist das ein bisschen undifferenziert und deswegen muss man natürlich, wenn man Forschung macht, das weitaus differenzierter machen. Also wir sprechen im Englischen hier von subjective wellbeing, also subjektives Wohlbefinden, das ist quasi der Kernpunkt der Glücksforschung, nicht Zufallsglück, also Wohlfühlglück. Also es geht hier um Glücklichsein, nicht um Glück haben und, und natürlich ist das die erste grundsätzliche Differenzierung und dann muss natürlich noch weitergehen. Es gibt jetzt zumindest zwei Arten des subjektiven Wohlbefindens, die man hier differenzieren kann und die man auch dann bei entsprechenden empirischen Untersuchungen zugrunde legt. Einerseits das emotionale Wohlbefinden, da geht es letztlich um die Frage, wie wir uns fühlen, während wir unser Leben leben. Und da sollte sollte das Verhältnis also im Tagesdurchschnitt im Normalfall deutlich mehr, deutlich zugunsten der positiven Gefühle ausschlagen. Also in der Literatur, in der Literatur, in der modernen aktuellen Literatur finden sich hier, also von der Psychologie her, hier also Werte von vier zu eins. Das ist die Frage, wie fühle ich mich gerade, wenn ich mein Leben lebe? das wird auch rein quasi hirnmäßig anders. Da sind andere Hirnareale zuständig, wie für das zweite, für das sogenannte kognitive Wohlbefinden. Das erste war das emotionale Wohlbefinden, jetzt das Kognitive. Hier geht es um die Frage Wie zufrieden bin ich im Großen und Ganzen mit meinem Leben, vor dem Hintergrund meiner Ziele, Wünsche, Erwartungen. Also hier geht es letztlich um eine Bewertung. Und vielleicht mal jetzt nochmal auf die Hirnareale zurück. Es ist so, dass im Rahmen des emotionalen Wohlbefindens, das spielt sich im limbischen System ab und das kognitive Wohlbefinden, also diese Bewertung, diese Abwägung spielt sich im Neocortex ab. Interessanterweise, das limbische System ist ein ganz altes System und was wir auch teilen mit mit anderen Säugetieren. Und der Neocortex ist relativ jung, der ist so, also was man so liest so, man sagt so 1, 2 Millionen Jahre alt und das hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, dass der überhaupt entstehen konnte, hängt damit zusammen, dass zur damaligen Zeit irgendwann ebenso die Vorläufer des modernen Menschen in der Lage waren, Feuer zu beherrschen und damit Nahrung anders zuzubereiten und damit die Nahrung auch, damit konnten wir auch die Nahrung anders auswerten, das heißt, damit konnten wir auch erst einmal diesen Neokortex energiemäßig uns leisten. Also was, was man zum Beispiel liest, Gorillas können es nicht. Wir müssen acht Stunden nur essen, um quasi ihr einfaches System aufrecht zu halten. Und bei uns, durch diese Nutzbarmachung des Feuers war es dann so, dass wir natürlich ganz andere Energiezufuhr für uns gewinnen konnten. Das sind die beiden Sachen also einerseits emotional, andererseits, andererseits kognitiv. Und vielleicht zum Kognitiven noch, da kommt es natürlich entscheidend darauf an, welche Ziele Sie sich setzen. Sie sollten sich Ziele setzen, die hier, die hier realistisch sind. Sie können ehrgeizig sein, aber es soll nicht utopisch sein. Also bloß ein Beispiel, didaktisch, um das verständlich zu machen, wenn ich jetzt mit meinen 63 Jahren zurückdenke, gut in den 70er Jahren war ich vielleicht kein so schlechter Fußballspieler, vielleicht ist es auch bloß eine Einbildung, man weiß es nicht, gibt ja keine Folgen mehr. Okay, gehen wir davon aus, es wäre so, dann können Sie immer, wenn ich jetzt auf die Idee kommen würde und Menschen können solche Ideen haben, so bei der nächsten, also im nächsten Jahr bei Bayern München spielen zu wollen, da kann ich die Idee haben, aber die Frustration ist vorprogrammiert. Also ich habe noch keinen gefunden, der ernsthaft gesagt hat Karlheinz, du hättest Chancen bei Bayern München. Ja, und ich glaube auch, dass ich keine Chancen habe. Okay, das war jetzt ein bisschen didaktisch überzogen, aber von der Seite, Bayern, ist ein sehr, sehr extremes Beispiel. Aber es geht ja darum, dass man immer im Auge hat, ja, man soll sich überlegen, was ist eigentlich machbar, auch wenn es ehrgeizig ist und was ist von Haus aus utopisch, unrealistisch, unmachbar? Und das soll man natürlich dann vielleicht auch nicht verfolgen. Ja, das sind die beiden Sachen. #00:12:01-9#

Katharina Mittenzwei: Jetzt haben Sie von emotionalem und kognitivem gesprochen. Wie sind denn Ihre wissenschaftlichen Methoden? Wie können Sie Kausalitäten nachweisen beziehungsweise was sind Ihre Instrumente? #00:12:16-9#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Also sagen wir es so, was ist, was wird hier üblicherweise gemacht? Also gehen wir zum Emotionalen, Emotionales im Alltag ziemlich einfach. Da fragt man die Leute während des Tages, man kann, es gibt verschiedene Möglichkeiten. Entweder Erinnerung oder man, quasi funkt die an mit, anfunken ist gut gesagt, also digitalisiert, mit Uhren usw. Wie schaut es aus, wie schaut es mit der Gefühlswelt aus und befragt die, ja, befragt die. Und dann stellt man fest ja, ganz einfach, wie ist das Verhältnis, positiv zu negativ? Und das macht man über zwei Wochen. Und dann sieht man, wie ungefähr so der durchschnittliche Wert ist. Und interessanterweise ist, das wir eigentlich vom Wert in den westlichen Industrieländern eigentlich das vier zu eins kaum erreichen. Und das hängt auch damit zusammen, dass wir so ein negativ Bias haben. Das heißt, wir haben einen negativ Bias und dieser negativ Bias, also der ist quasi evolutionsgeschichtlich bei uns angelegt, war früher vielleicht auch ganz wichtig, ist, dass wir das Negative viel intensiver wahrnehmen als das Positive. Das heißt also, die positiven Sachen, die gehen eher da rein, links rein, rechts raus. Und die negativen, die prägen sich eher ein. Und dann haben wir eine, nehmen wir die Welt verzerrt war. Die Welt ist weitaus positiver als negativ. Sie müssen sich jetzt mal an Ihrem persönlichen Umfeld orientieren. Und dann ist es so, dass wenn man das dann genau schaut, was während des Tages alles passiert oder was passiert, was passiert, ist es so, dass das Positive weitaus überwiegt. Das ist das, was, was wir auch aus Beobachtung der Realität wissen. Und wenn man dann versucht, sich selber ein bisschen an der Realität auszurichten, das heißt die Wahrnehmung des Positiven stärker trainiert, indem man beispielsweise ein Dankbarkeitstagebuch schreibt, also so zwei, drei Mal die Woche für einige Zeit, für einige Monate immer reinschreibt, was ist, seitdem ich das letzte Mal den Eintrag gemacht habe, im Dankbarkeitstagebuch so passiert? So die drei Dinge, wofür ich dankbar sein kann, dann ist es so, dass im Laufe der Zeit Sie sich anders ausrichten, das heißt, Sie richten, Sie richten sich an der Realität aus, die Realität und damit wird quasi das Leben positiver wahrgenommen. Ja, das ist das eine. Das ist sozusagen das, wie man, einerseits wie man es misst und andererseits, wie man darangehen kann, das zu verändern. Also Richtung mehr positiv, also einerseits die positiven stärker wahrnehmen und andererseits sollte man sich wirklich überlegen, ob man sich jedes negative Gefühl, was sich so am Wegesrand anbietet, wirklich reinzieht. Weil zum Beispiel Aufregen im Stau macht ja Null Sinn und beispielsweise ist es so, dass die AOK Bayern auch in ihren Seminaren entsprechend hier Tools anbietet, um das zu trainieren, um die Welt realistischer wahrzunehmen und nicht jedem negativen Gefühl, was irgendwie sich anbietet, sofort quasi auf den Leim zu gehen. Ja, das kann man trainieren und das ist quasi, da kann man quasi mit Neocortex, also mit unseren Überlegungen, was kann ich da machen, Dankbarkeit, quasi rückwirkend auf das limbische System. So, das ist das eine und das andere ist jetzt diese Frage der Zufriedenheit. Da ist es so, da gibt es ja verschiedene Ansätze, da findet sich auch zum Beispiel. Da finden sich auch Tools bei mir auf meiner Homepage, www. ruckriegel.org, und die habe ich nicht erfunden, sondern die sind quasi verlinkt mit anderen Homepages von führenden Forschern aus der Psychologie, in dem Zusammenhang. Ja, also man kann es, entweder quasi so sich herantasten, indem man Fragen beantwortet, also Herantasten an die eigene Zufriedenheit, wie zufrieden bin ich mit meinem Leben oder, was weltweit, weil es halt auch sehr einfach ist, aber was ein probates Mittel ist, um einigen erst die Eindrücke zu bekommen, ist, indem man die Leute so fragt auf der Skala von 0 bis 10, wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Leben? Null ist ganz und gar unzufrieden und zehn ist ganz und gar zufrieden. So, das ist das. Und da kann man natürlich dann gleich mal schauen, vor allem kann man sehen, wie sich das in einem Land im Laufe der Zeit entwickelt hat. Und jetzt, Ursache, Wirkung. Ja, das sind zunächst mal Korrelationen, hier. Wenn man so, so, so Querschnitt, wenn man quasi jetzt zu einem bestimmten Zeitpunkt weltweit befragt, das sind nur Korrelationen, das ist auch okay, aber, also es gibt ja ganz andere Methoden in dem Zusammenhang, zum Beispiel, also diese Panelmethoden, das sozio-ökonomische Panel in Berlin beim DIW. Aber das sozio-ökonomische Panel steht jetzt für sich, wird ja für sich, finanziert, vom Bund seit den 80er Jahren. Da geht es ja darum, dass Menschen befragt werden nach Lebensumständen, und zwar immer dieselben auf repräsentativer Basis. Und da haben wir einerseits, in Anführungszeichen "objektive Daten", also bin ich verheiratet, bin ich geschieden, was ändert sich, heirate ich, was auch immer, oder zum Beispiel jobmäßig, was mache ich, was verdiene ich, wohnungsmäßig, ja, welche Wohnung habe ich und und und. Also gibt es eine Latte von Fragen, das wird jedes Jahr gemacht und zwar sehr, sehr, sehr detailliert und genau und also immer mit denselben Probanden. Und dann sieht man, was sich im Lauf der Zeit verändert und dann und das ist, das ist neu gewesen zur damaligen Zeit und davon profitieren wir heute immer noch und heute insbesondere. Man hat dann auch damals, und das ging auch auf das Beharren der Soziologen zurück. Es war eine Kooperation zwischen Ökonomen und Soziologen, dieses sozio-ökonomische Panel. Und die Soziologen haben gesagt, wir wollen jetzt auch diese subjektive Bewertung drin haben, also wie zufrieden bin ich mit dem Leben, aber die haben auch Bereichszufriedenheiten. Wie zufrieden bin ich mit meiner Wohnungssituation? Wie zufrieden bin ich mit meiner Arbeit? Wie zufrieden bin ich mit meiner familiären Situation? Und und und. Oder wie zufrieden bin ich mit der materiellen Geschichte? Und so weiter. Und da haben wir jetzt mittlerweile eine ganz tolle Datenbasis, ja, Ursache, Wirkung. Man kann sehen, wenn sich irgendwas ändert, welche Konsequenz hat das letztlich auf die Zufriedenheit. Und insofern gibt es da ganz klar die Ursache Wirkungs Zusammenhänge. #00:18:29-2#

Katharina Mittenzwei: Ja, kann man denn hier Unterschiede zwischen den Geschlechtern feststellen? #00:18:35-7#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Was ich jetzt so im Hinterkopf habe, ist es so, dass so, ja, also so üblicherweise sozio-ökonomische Panel fängt so an, so, glaube ich mit 18 Jahren, also mit mit der Befragung und da stellt sich fest, dass Frauen eigentlich immer ein bisschen über, was die Zufriedenheitswerte anbelangt, auf der Skala von 0 bis 10, über den Männern liegen, ja, aber es kommt da zu einem Break. So, wenn man die momentan die aktuellen Altersjahrgänge anschaut, ist es so, da kommt es zum Break, so ab 65 ist es dann so, dass sich das ein bisschen ändert. Die Männer, also vielleicht mal grundsätzlich, vom Verlauf her gesehen, so die Werte in den 20er Jahren des Lebens sind gut, wobei sie noch besser sein könnten. Stickwort Orientierung an Ländern, den skandinavischen Ländern, die liegen da noch deutlich höher. Aber gut, aber wenn man es mal anschaut, also wir liegen weltweit im Vergleich gar nicht so schlecht, wenn man das Ranking anschau, vom World Happiness Report, so, da liegen wir, wir haben 160 Länder, da liegen wir bei Platz 16, 17. Aber seit 2012 ist es so, dass die ersten, die skandinavischen Länder immer unter den ersten, also Schweden ist meist ein bisschen schlechter, aber so die anderen, also Platz sechs oder sieben. Aber die anderen sind immer quasi, die machen meistens die ersten drei Plätze aus. Also hier Dänemark, Norwegen und Finnland und Schweden einn bisschen schlechter, aber, aber wir liegen auf Platz 16, 17 etwas vor den USA, aber nicht viel. Wenn man jetzt mal auf die Geschlechter schaut, also das ist der Verlauf, also mit 20 haben wir eher gute Werte und dann, in der Rushhour des Lebens, gehen sie zurück. Bekannt, weil halt alles zusammenkommt. Und dann später, so mit 50, 55 steigen sie wieder an und bei Männern erreichen sie fast wieder diese Werte, wie in den 20er Jahren. Ist hochinteressant und es hält lange an bei Männern, also bis in die 80er Lebensjahre. Und bei Frauen ist es so, ab dem 65. Lebensjahr merkt man das, dass die Werte dann langsam, dass die Werte dann unter dem der Männern liegen. Und die Frage ist natürlich, womit hängt das zusammen? Und wenn man sich dann die Studien anschaut, ist eigentlich der entscheidende Punkt der, dass das bekanntlich ja die Lebenserwartung der Männer um drei, vier Jahre geringer ist als die der Frauen. Dann ist es so, dass wenn man zumindest jetzt diese Alterskohorte anschaut, der jetzt 65 70-jährigen, was auch immer, dann war es immer so üblich, zur damaligen Zeit, einen Partner zu wählen, der etwas älter war, also so 2 bis 4 Jahre. Und dann können Sie sich vorstellen, was der Grund ist, wenn Sie jetzt gewohnt waren, immer mit jemandem zusammen zu sein und dann stirbt der eher, dann kommt Einsamkeit auf. Und da muss man halt überlegen, was man da machen kann. Das Beste wäre natürlich, wenn man, wenn die Männer nicht, wenn die Lebenserwartung der Männer steigen würde. Wir wissen ja aus Untersuchungen, dass die Männer gefährlicher leben, deswegen sterben sie auch ein paar Jahre eher, aber vielleicht kann man da ein bisschen Einfluss nehmen. Aber zum anderen muss man so Sachen anbieten, dass man dann, dass man nicht quasi in ein Loch fällt. Das heißt, dass man auch im Fall des Falles, wenn es so weit ist und diese tragische dramatische Situation eintritt, Verlust des Lebenspartners, dass man dann quasi nicht in ein absolutes Loch fällt. Und deswegen braucht man halt auch noch andere soziale Beziehungen, ja. Und deswegen bin ich immer ganz begeistert, also obwohl ich jetzt das nicht im Einzelnen alles kenne, was da gemacht wird, VdK usw. die bieten tolle Sachen an, zum Beispiel ehrenamtliche Tätigkeiten, die von der Stadt Nürnberg angeboten werden. Ja, vorlesen für Kinder usw., das muss quasi, ich habe da mal mit einer bei einer Veranstaltung mit einer 85-jährigen gesprochen, die immer genau das gesagt hat, wenn sie nicht diese ehrenamtliche Möglichkeit gehabt hätte, wäre sie in ein totales Loch gefallen. Und die Frage ist dann, ob man überhaupt jemals rauskommt, oder ob man dann immer, dann dein Leben zwar noch lebt, aber halt sehr gedrückt. Also ich empfehle das sehr, dass man da sich hauptsächlich ehrenamtlich engagiert und zwar frühzeitig, frühzeitig, nicht erst wenn der Fall eingetreten ist, weil dann sich aufzuraffen ist enorm schwer. #00:23:01-5#

Katharina Mittenzwei: Ja, also, Sie, Sie sprechen da jetzt Glücksfaktoren an, so nenne ich das vielleicht, sprechen soziale Beziehungen an, Engagement, auch intergenerationell gesehen, auch für junge Menschen, die das Glück suchen. Was sind denn die Glücksfaktoren, um die sich alles dreht? #00:23:20-7#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Wir wissen da ziemlich viel mittlerweile. Also ganz wichtig, ganz wichtig ist natürlich, sind unsere sozialen Beziehungen, wir sind das sozialste Wesen auf dieser Erde. Es ist zwar so, dass manche Ökonomen da immer sagen, ja, der Homo oeconomicus, der ist egoistisch ausgerichtet, aber das ist ja etwas, ist nur ein Konstrukt, ohne empirischen Beleg. Das hat man nur gemacht, um letztlich, um letztlich Dinge rechenhaft zu machen und eine bestimmte Richtung geben zu können. Aber wenn man sich mal überlegt, also wenn man sich jetzt mal mit Evolutionsbiologie beschäftigt und mit Anthropologie beschäftigt, dann ist es so, dass damals eben diese Vorläufer des modernen Menschen vor ungefähr 400.000 Jahren Probleme hatten der Nahrungsmittelgewinnung, weil die leichte Nahrungsmittelgewinnung wurde in streitig gemacht von anderen Lebewesen. Die halt dann sich massiv verbreitet haben und dann hat man sich überlegen müssen, was macht man jetzt? Stirbt man aus, weil man zu wenig Nahrung hat? Das war damals ja nicht so viele Menschen, die auf der Welt vorhanden waren. Das mit dem Aussterben war ja immer ein Riesending für uns Menschen, das hätte ganz anders passieren können. Aber auf jeden Fall haben die dann gesagt, naja, aussterben wollen wir vielleicht nicht. Dann haben Sie sich überleg, was machen wir dann? Dann haben sie gesagt, okay, da müssen wir kooperieren, um quasi auch größere Tiere erjagen zu können. Und diese Kooperation hat natürlich dann Fairness vorausgesetzt, ist klar, Sie können auf Dauer nicht kooperieren, wenn Sie das Gefühl haben oder wenn derjenige, der mit Ihnen kooperiert, ständig das Gefühl hat, dass er das er ständig übers Ohr gehauen wird. Also so und daraufhin hat sich quasi bei uns ein, hat sich quasi und das hat sich dann verselbständigt, neurobiologisch, ja. Und für uns ist wichtig, also wir sind ja quasi in unserem Gehirn, wir beobachten ja ständig alles, was um uns herum passiert, wie andere sich verhalten usw., Theory of the Mind, wie andere sich verhalten. Und ja und wir sind von Haus aus auf Fairness gepolt. Das können Sie auch, das ist quasi unsere Grundeinstellung. Ja, das ist quasi jetzt, das ist sozusagen jetzt unsere Grundeinstellung. Wir sind auf Fairness gepolt, deswegen ist für uns der Umgang und das [unverständlich] so, wir fühlen uns dann einfach wohl, wenn wir mit anderen gut auskommen. Ja, weil das war früher existenziell wichtig, ist heute immer noch existenziell wichtig, aber damals war es ganz grundsätzlich wichtig und es ist quasi bei uns jetzt so drin. Also wir fühlen uns wohl und das heißt natürlich, das heißt natürlich, dass für uns die sozialen Beziehungen enorm wichtig sind. Das steht an erster Stelle. Dann kommt aber auch, natürlich Gesundheit ist wichtig, psychisch und physisch, dann Engagement und etwas tun, was man als sinnhaft ansieht, dann braucht man natürlich auch so eine Möglichkeit, auf das Leben einzuwirken, um eine gewisse Selbstwirksamkeit zu entwickeln und, ist natürlich auch wichtig und das hat jetzt die Forschung im Bereich der Positiven Psychologie als Teil der Glücksforschung in den letzten 20 Jahren ganz deutlich gezeigt, es ist wichtig, wie wir denken, wie wir uns dem Leben gegenüber verhalten. Sind wir optimistisch, sind wir dankbar, vermeiden wir ständige soziale Vergleiche, auch das ist ganz, ganz wichtig. Und wir wissen auch, dass die Lebensphilosophie einen Einfluss hat. Wir wissen also rein objektiv betrachtet, dass Menschen, die eher so transzendent auch ausgerichtet sind, ob es jetzt spirituell ist, oder ob das jetzt Religion ist, wie auch immer und die quasi hier sich grundsätzlich so mit dem dahinterliegenden Sinn beschäftigen, des Lebens und auch einen Sinn finden, was ja nicht für jeden möglich ist, dass die sozusagen zufrieden sind. Also wenn man es mal festmacht an der Religion, also wenn man das ganz normal, das jetzt nicht extrem betrachtet, sondern ganz normale Gläubige betrachtet, dann ist es so, dass das kann man auch so unmittelbar erklären. Man kann sagen, einerseits ist es so, dass sie, dass sie, dass sie quasi eingebunden sind, meist in eine Gemeinde, das heißt in ein funktionierendes soziales Umfeld und zum anderen, wenn mal was ganz schlimmes passiert, haben sie noch immer etwas eine Instanz, die Sie mit ins Boot holen können. Sie müssen nicht alles mit sich selber ausmachen. Und natürlich brauchen Sie auch ein gewisses Maß an Einkommen. Das muss man, aber das, ein gewisses Maß an Einkommen und da müssen wir diskutieren, wie das bei uns so ist mit Fairness usw, aber es ist auch klar, wenn sie jetzt nur auf das Einkommen schauen, mehr ist nicht besser als weniger. Das heißt also, wenn dieses Mindestmaß abgedeckt ist, damit sie quasi ihre materiellen Grundbedürfnisse befriedigen können und dann auch in der Gesellschaft Teilhabe haben, dann ist es so, wenn Sie es dann mehr, also ständig nach mehr Einkommen streben, ist es ganz einfach. Das nützt Ihnen kaum was, weil dann die Ansprüche nach oben gehen und dann ist das Mehr genauso viel wie das Weniger vorher. Das heißt, man muss da sehr überlegen, wie viel Materielles man wirklich braucht, um einigermaßen zu sagen, ja, das passt jetzt so und entscheidend ökonomisch betrachtet und deswegen ist die Glücksforschung zentrale Grundlage auch der Ökonomie, wir müssen dann abwägen. Wir haben 24 Stunden, und wir müssen überlegen, wie wir die 24 Stunden so nutzen, dass wir letztlich insgesamt als Resultat ein gelingendes, glückliches, zufriedenes Leben bekommen. Und da ist natürlich klar, dass soziale Beziehungen die zentrale Währung von sozialen Beziehungen ist Zeit. Und wenn Sie jetzt zu viel Zeit verwenden, um Einkommen zu erzielen, um irgendwelche Güter sich zu kaufen oder um quasi immer besser dazustehen wie ein anderer, ist ja alles relativ, dann haben Sie letztlich zu wenig Zeit für die wahren Glücksfaktoren. Zeit aber auch, dass man etwas für die Gesundheit macht oder auch, dass man etwas tut, was, wo man sagt, da stehe ich dahinter, das macht Sinn für mich und dass man auch Möglichkeiten hat, Einfluss zu nehmen auf das, was man tut. Wenn man jetzt nur dieses Einkommen fokussiert, dann ist es ja so, dass man enorme Kompromisse machen muss. Man hat einfach zu wenig Zeit für die anderen Sachen und das ist glücksmäßig sozusagen jetzt nicht der Weg, den man verfolgen sollte. #00:29:58-2#

Katharina Mittenzwei: Ja, das heißt, Sie sprechen tatsächlich auch von einem Dilemma zwischen dem Streben nach Materiellem auf der einen Seite und dem Streben nach subjektivem Wohlbefinden auf der anderen Seite. #00:30:10-6#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Ich würde mal sagen, ich würde es vielleicht anders formulieren. Ich würde sagen, das ist kein, der Punkt ist der, rein ökonomisch betrachtet, worum geht es eigentlich? Wenn Sie die Leute fragen, was Sie eigentlich wollen im Leben, dann sagen die Ihnen: Ja, gelingendes, glückliches, zufriedenes Leben. Ja und dann ist die Frage natürlich, wie erreiche ich das? Und da ist es wirklich so, dass auch die letzten 20, 30 Jahre hier das Materielle einfach auch so stark in der Gesellschaft eine zu starke Bedeutung hatte und dass man sich dann vielleicht zu stark danach ausgerichtet hat. Und natürlich, Marketing hat das Ganze verstärkt. #00:30:47-5#

Katharina Mittenzwei: Ja, ja. #00:30:48-4#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Und da muss man halt überlegen, da muss man halt überlegen, dass man halt einfach seine Zeit anders gewichtet. Also letztlich geht es ja nicht um Einkommen im Leben, es geht letztlich um die Frage des zufriedenen, glücklichen Lebens und dahinter stehen die Lebensqualität. Wenn man mal ganz grundsätzlich sagt, die Lebensqualität ist sozusagen das Zentrale, was wir im Auge haben und der Indikator, der grundlegende Indikator für Lebensqualität spiegelt sich in der Frage der subjektiven, des subjektiven Wohlbefindens wieder. Und so muss man das sehen und so muss man dann auch die Bedeutung des Materiellen einordnen. Ich will nicht sagen, das Materielle ist ja nicht unwichtig, aber es ist halt begrenzt, ja, und wir müssen halt vor allem schauen, dass wir alle in der Gesellschaft mitnehmen und dass die Gesellschaft nicht so stark auseinanderklafft. Und da sind die skandinavischen Länder uns um einiges voraus. #00:31:37-8#

Katharina Mittenzwei: Mich begleitet der Eindruck, dass einige Forscher der Ökonomik, aber auch einige Forscher in der freien Wirtschaft ihren Fachbereich anders ausrichten als Sie. Für Sie steht, das haben Sie gerade betont, die Zeit als knappe Ressource weit oben oder vielleicht sogar ganz oben, für viele andere dominieren Wertschöpfung und Wachstum, Wirtschaftswachstum. Sind denn diese unterschiedlichen Foki gerade Gegenstand eines aktuellen wissenschaftlichen Diskurses? Ist das gerade aktuell diskutiert? #00:32:06-9#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Absolut das Ding der ganzen OECD, UN usw., es gibt ja auch Länder, die, es gibt ja auch Länder, die jetzt langsam ihre ihre Politik nach diesen, also nach diesen OECD Better Life Empfehlungen ausrichten. Also OECD Better Life Index, vielleicht mal um das klar, etwas näher zu umkreisen, umfasst elf Indikatoren. Der zentrale Indikator ist das subjektive, subjektive Wohlbefinden, gemessen als Frage der Lebenszufriedenheit auf der Skala von 0 bis 10 und dahinter steht also diese, dieses subjektive Wohlbefinden als zentraler Indikator für das, für den Grad der Lebensqualität. Das ist quasi der Punkt. Und haben Sie drum herum so zehn weitere Indikatoren identifiziert, die in einer, in einer kausalen Ursache-Wirkung, in einem kausalen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang stehen, mit dem Indikator des subjektiven Wohlbefindens gemessen, anhand der Lebenszufriedenheit und damit letztlich der Lebensqualität. Das ist der Punkt. Und zu diesen Indikatoren gehören, ich will bloß einige nennen: Bildung, Gesundheit, gute Arbeit, Umwelt, gemeinschaftliches Engagement und und und. Das sind insgesamt 10 Indikatoren. Kann jeder anschauen, gibt es mittlerweile auch auf Deutsch diese Seite, OECD Better Life Index. Das sind jetzt Regierungen, wie zum Beispiel Neuseeland, die jetzt sagen, sie richten ihr Budget, ihre staatlichen Ausgaben nach diesem OECD Better Life Index aus. #00:33:38-5#

Katharina Mittenzwei: Das erinnert mich ganz stark an die Sustainable Development Goals, an die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. #00:33:46-2#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Ja, das, vielleicht noch zu erwähnen, diese Sustainable Development Goals von 2015, das sind 17 verschiedene Ziele und die basieren letztlich auf den Erkenntnissen der Glücksforschung. Also hier tut sich viel, also, also ich denke, mal zu sagen, zu sagen, das Wirtschaftswachstum wäre, das wäre das übergeordnete Ziel, das stimmt einfach so nicht. Und das hat natürlich auch Ludwig Erhard schon gesagt, 1957. Er hat damals gesagt in seinem Buch, "Wohlstand für alle", natürlich allerdings zeitmäßig etwas weiter hinten, die letzten Ziele, deswegen haben es vielleicht auch nicht alle gelesen. Auf jeden Fall hat er gesagt, auf jeden Fall hat er gesagt, ja, momentan, also 1957, müssen wir noch was machen, um die materielle Situation zu verbessern, aber es ist absehbar, wenn das mal dann so gut ist mit dem Materiellen und dann geht es eigentlich um ganz andere Geschichten, ja, dann geht es um die Frage, wie ich, wie ich meine Zeit gestalte, Muse usw. Und da hat er wahrscheinlich die 70er Jahre im Auge gehabt und das haben wir dann irgendwie nicht aufgegriffen, sondern wir haben in den 70er Jahren diesen Wachstums, also diese Wachstumsorientierung weiter verfolgt, mit natürlich den Konsequenzen für die Umwelt und allen Sachen, obwohl der, dieser, dieser, dieser, dieser Bericht vom MIT, "Grenzen des Wachstums", aus dem Jahr 1972 explizit gesagt hat, also auch mit den, mit diesen CO2-Emissionen, haben die damals schon geschrieben, irgendwann mal, irgendwann wird es problematisch. Wir haben damals noch nicht sagen können wann, aber das haben die damals schon angelegt, aber das ist nicht so richtig in der Mainstreamökonomie untergekommen. Damals war es ja auch so, dass Richard Easterlin, einer der ersten Ökonomen, die sich mit dieser Glücksforschung stärker beschäftigt haben, hat er 1974 ein Papier veröffentlicht und hat in dem Papier auch empirisch, also zu den Möglichkeiten, die er damals gegeben hat, gesagt, ja, wenn man es mal so anschaut, die Länder USA, Japan, also seit den 50er Jahren, hat sich da eigentlich mit der Zufriedenheit wenig getan, obwohl das Wirtschaftswachstum beträchtlich war. Und man hat damals schon gesagt, ja, sollten wir uns umorientieren. Damals wurde es aber kein Ökonom wissen. In den USA war es dann so, dass sie halt verhindert haben, die Ökonomen, die damaligen Mainstreamökonomen, dass dieses Papier überhaupt in einer namhaften Zeitschrift veröffentlicht wurde. Dann war der so 20 Jahre irgendwie frustriert. Und dann sind aber, dann sind aber Anfang der 90er Jahre so neue junge Ökonomen aus dem Vereinigten Königreich gekommen, und die haben das dann gepusht und dann ist es wirklich, hat es dann wirklich einen Durchbruch gekriegt. Also jetzt, mittlerweile gibt es ja auch Nobelpreise für die Glücksforschung in den Wirtschaftswissenschaften, einen genau gesagt, 2015. #00:36:25-1#

Katharina Mittenzwei: Ja. Also tatsächlich Nobelpreise. In der Glücksforschung dann unser, ich sag mal, lokaler Vorreiter, Denker und Umsetzer Ludwig Erhard, dann Sie hatten schon erwähnt, Bolivien hat die Idee des "Buen Vivir", also des guten Lebens in der Verfassung verankert. Sie haben Bhutan eingangs erwähnt, die sich am Bruttonationalglück orientieren. Kommt denn da noch was in Deutschland? Vielleicht können Sie so ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern, wenn Sie die Politik auch beraten. #00:36:54-8#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Sie müssen die momentane Diskussion anschauen. Es geht ja darum, dass wir auch eine Spaltung der Gesellschaft verhindern. Und es geht ja darum, dass die Gesellschaft, dass wir den Eindruck haben, ja, die Politik interessiert sich für unser Wohlbefinden und insofern kommt natürlich was, es kommt natürlich was. Und interessant ist 2016, glaube ich, hat die Bundesregierung ein Strategiepapier vorgelegt, wonach sie sagt, in Zukunft soll die Lebensqualität der Menschen in Deutschland so im Zentrum unserer Politik stehen. Und da kommt einiges, also da kann man gar nicht dran vorbeikommen und es wird auch so kommen bei uns, und da bin ich schon sehr optimistisch, ist es so, dass unser Regierungssystem, unsere liberale Demokratie nimmt ja die Interessen der Menschen auf und muss sie aufnehmen damit ja, das ist quasi der Kern der liberalen Demokratie und natürlich dann auch letztlich der Kern dessen, was die Regierung machen muss. Also in unseren Ländern, also quasi in Deutschland, ich bin da schon optimistisch, dass da demnächst einiges kommt und vor allem, weil es auch in der OECD ja massiv diskutiert wird und von der OECD quasi reinschwappt in die in die Politikempfehlungen für die Länder. Also beispielsweise empfiehlt die OECD in Deutschland immer wieder, die Bundesregierung, also Deutschland muss was machen, um diese und diese Chancengleichheit in der Bildung zu verbessern. Sie sagen, es geht um, es geht um gerechte Löhne, also wir haben in Europa so den größten Niedriglohnsektor und das ist, da brauchen wir nicht stolz darauf sein. Und da geht es darum, dass man dem auch beispielsweise durch eine Erhöhung des Mindestlohnes eine weitere Erhöhung des Mindestlohnes entgegenwirkt. Ich habe jetzt heute früh gelesen, dass Biden in seinem Programm einen Mindestlohn von $15 landesweit in den USA im Auge hat, empfiehlt als quasi Grundlage. Und dann können die einzelnen Länder, die einzelnen Bundesstaaten noch darüber hinausgehen. Also es geht schon in diese Richtung, es geht in die Richtung, aber Sie müssen das sehen, die Politik, Sie müssen die Politik aber auch verstehen, ein bisschen. Wenn in der Ökonomie, in der Ökonomenzunft über Jahrzehnte immer dasselbe gepredigt wird und die sind letztlich auch dann die Berater und diese Glücksforschung natürlich erst in den letzten Jahren wieder sehr stark in den Mittelpunkt gekommen ist, dann ist die Politik natürlich auch in einem, ja, die müssen auch, woran orientiere ich mich? Aber die Argumente für die Erkenntnisse der Glücksforschung sind ja zwingend, es leuchtet ja jedem unmittelbar ein. Da brauche ich quasi kein studierter Ökonom sein, um das zu verstehen. Und vielleicht noch ein Punkt, diese Ideen der Glücksforschung, aber auch Behavioral Economics, also wie verhalten wir uns und da geht es um das Verhalten, das Zusammenwirken zwischen limbischen System und Neocortex, also hochinteressant. Also die sind ja erst so richtig in der Ökonomenzunft dann hochgekommen von einem eher Nischenanbieterdasein in der Forschung durch die Krise, die Finanzkrise 2008, 2009, 2010 und danach ist erst so, dass dann der große Durchbruch gekommen. Vorher hat es das zwar auch gegeben, aber das war halt so, war halt eher so ein Randphänomen in der Wissenschaft. Und dieser Durchbruch kommt und das hat ja dann Konsequenzen für die Beratung der Politik und das hat dann auch Konsequenzen für die Politik selber. Also ich bin da sehr optimistisch und auch überzeugt, dass in nächster Zeit einiges kommt und dass da auch was kommen muss, weil so Beispiele wie in den USA, dass die Gesellschaften auseinanderklaffen, weil das oberste 1% immer mehr hat und die anderen sozusagen ja also 50% der Amerikaner ja nicht mehr als vor 40 Jahren verdienen, obwohl es in der Zeit dramatisches Wachstum gegeben hat. Da muss sich was ändern, da wird sich was ändern, ja. #00:40:54-3#

Katharina Mittenzwei: Ja, ganz dringend. #00:40:55-6#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Wir sind noch viel, viel weiter vorne dran durch unsere Art der Gesellschaft. Und wir sind ja nicht angelsächsisch geprägt, wir haben quasi eine ganz, ganz andere Prägung. Bei uns ist von Haus aus Solidarität, Zusammengehörigkeit, Vereinswesen usw. viel stärker ausgeprägt gewesen. Und interessant ist, in den, in den, also in den 80er Jahren galten wir ja,, so weltweit als ein Land mit relativ wenig unterschieden, jetzt im Arbeitseinkommen. Das hat sich dann eher später in den 90er und 00er Jahren natürlich auch angeregt und von diesen Hartzreformen dann stärker ausdifferenziert, aber nicht zum Guten. #00:41:32-0#

Katharina Mittenzwei: Also ich denke tatsächlich auch, dass sich, Sie haben es angesprochen, der unglaublich große Niedriglohnsektor und die Probleme, die Chancenungleichheit in der Bildung, die werden jetzt natürlich durch die Pandemie noch mal offen gelegt, noch mal vergrößert, verstärkt. Da muss sich ganz ganz sicher was ändern. Wir hatten in einer unserer ersten KontaktAufnahmen einen Gast, Oskar Brabanski, der sich mit der Organisation Faire Mobilität für gerechte Löhne und faire Arbeitsbedingungen für Beschäftigte aus den mittel und osteuropäischen EU Staaten auf dem deutschen Arbeitsmarkt beschäftigt, berät und unterstützt. Herr Brabanski hat in dem Gespräch haarsträubende Arbeitsbedingungen beschrieben, geringe Löhne, schlechte bis keine Versicherung, ausbeuterische Arbeitszeiten. All das mit dem Unternehmen, sage ich jetzt mal, Unternehmer ihren Gewinn maximieren können. Also diese ökonomisch einfache Rechnung, die den Wirtschaftswachstum dann beschleunigt, macht natürlich unser System kaputt. Sehen Sie denn Mittel, diese Härtefälle für eine Umkehr hin zur Entschleunigung zu bringen? #00:42:42-3#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Ja, natürlich. Ja, natürlich. #00:42:44-2#

Katharina Mittenzwei: Was sind die Mittel? Wie macht man das? #00:42:46-5#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Sie müssen halt entsprechend Vorgaben machen, und die müssen sie auch dann durchsetzen. Sie können sich hier nicht auf einen Wettbewerb verlassen, der geht dann nach unten. Sie müssen ja einfach klar sagen, was Sache ist und ich kann Ihnen sagen, es geht schon in die Richtung. Also auch interessant ist, also so in den in den 80er, 90er, 00er Jahren war ja so der Shareholder Value, also nach dem Motto, letztlich dient das Unternehmen nur den Interessen der Eigentümer. Das war damals zu spitz, ist ja auf die Spitze getrieben worden auch, es ist quasi parallel zur Deregulierung auf den Finanzmärkten usw. passiert. Das ändert sich jetzt radikal. Also beispielsweise ist es so, in den USA gibt es eine sehr bedeutende Vereinigung, nennt sich Business Roundtable und diese Vereinigung hat eine große Bedeutung, auch für die Art und Weise, wie die Unternehmen geführt werden usw. und da sitzen so die 200, so die CEOs der 200 größten amerikanischen Unternehmen drin. Also wie gesagt, die sind, die haben hier schon eine Art, ja, quasi Vorgabefunktion und die haben 2019 haben di,e haben die eine grundlegende Wende vollzogen. Die haben gesagt ja, worum geht es eigentlich im Unternehmen? Die haben gesagt, es geht jetzt ab vom Shareholder Value, hin zum Stakeholder Value. Beim Stakeholder Value gibt es natürlich auch das Interesse der Aktionäre/Eigentümer, aber das ist ein Interesse neben den anderen und da geht es um die langfristige Geschichte. Und da geht es um Mitarbeiter, da geht es um Lieferanten, da geht es um Kunden, da geht es aber auch um die Rolle des Unternehmens in der Gesellschaft, in der Kommune usw. Und ähnlich hat sich natürlich beim deutschen Government Kodex einiges in die Richtung getan, Stichwort ehrbarer Kaufmann usw. Da tut sich einiges. Man sieht hier eine radikale Abkehr von dieser Idee der Shareholder Konzentration u nd es schlägt sich auch dann natürlich nieder sukzessive in den Unternehmen und dann vielleicht noch ganz andere Geschichte, die EU hat ja 2018 einen Aktionsplan aufgelegt. Der ist vielleicht damals mal so richtig allen Leuten so klar geworden. Aber dieser Aktionsplan setzt an der Nachhaltigkeit an und Nachhaltigkeit meint wirtschaftliche Nachhaltigkeit, ökologische Nachhaltigkeit und soziale Nachhaltigkeit. Und bei der sozialen Nachhaltigkeit geht es natürlich um Arbeitsbedingungen. Und die sind jetzt gerade dabei, quasi auszuformulieren, was jetzt die Ansprüche an die jeweilige Nachhaltigkeit, das jeweilige Nachhaltigkeitskriterium sind. Also Sie haben so eine Taxonomie schon gemacht im Bereich der Umwelt und jetzt sind Sie dran, quasi auch im Bereich dieser sozialen Nachhaltigkeit, das vorzulegen. Und das ist dann quasi der Gradmesser für Unternehmen und das ist auch der Gradmesser dann quasi für Banken, in wie weit sie überhaupt Unternehmen noch Kredite geben dürfen, weil die müssen dann auch quasi diese in ihrer Bonitätsprüfung berücksichtigen. Ja, also da sind wir schon auf einem sehr guten Weg. Also tut sich einiges, was ich 2005 so in keinster Weise eigentlich erwartet habe. Ja, damals habe ich echt gedacht na ja, das ist alles toll und mir gefällt es auch und ich mag es auch, aber ob das gesamtgesellschaftlich irgendwann einmal sich breit durchsetzt, ist damals vor dem Hintergrund alles immer höher, schneller, weiter, Wachstum, Wachstum. Wachstum, Deregulierung, die Märkte, die Akteure an den Märkten wissen alles besser. Effizienzmarkttheorie usw., also damals war eigentlich kein Licht am Ende des Tunnels. Jetzt gibt es eigentlich nur noch Licht. #00:46:21-9#

Katharina Mittenzwei: Da malen Sie ja ein ganz hoffnungsvolles Bild, das ist das ist ganz schön. Wir haben passend dazu am Bildungszentrum ab jetzt diesem Jahr eine neue Veranstaltungsreihe mit dem Thema "Global denken. Lokal handeln". Wir haben auch Sie dafür gewinnen können, Sie werden am 15. April einen Vortrag bei uns im schönen Katharinensaal halten mit dem Titel "Die Glücksforschung und worauf es im Leben ankommt, die Abkehr vom Materialismus". Kurz darauf hinweisend, alle Hörerinnen und Hörer sind natürlich ganz herzlich eingeladen, diesem Vortrag beizuwohnen. #00:46:52-1#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Es wird es auch geben online, also es wird, anders formuliert, also wenn das Präsent nicht möglich sein wird, was man jetzt noch nicht weiß, wird es den Vortrag auf jeden Fall geben und dann halt online. #00:47:03-3#

Katharina Mittenzwei: Richtig, danke für den Hinweis. Definitiv. Wir ziehen das durch. Um jetzt noch mal in die Jetztzeit zu gehen, Sie haben als die wichtigsten Glücksfaktoren eben soziale Beziehungen, persönliche Kontakte genannt, gemeinsame Erlebnisse vielleicht auch. Seit einem 3/4 Jahr oder fast einem knappen Jahr, sage ich jetzt einfach mal, müssen wir darauf verzichten. Die Pandemie hat uns im Griff. Ist unser Glück in der Krise? #00:47:29-6#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Na ja, also man kann, es gibt die ersten Untersuchungen darüber. Ja, also wenn man es mal rein empirisch betrachtet, ist es natürlich klar, dass die Lebenszufriedenheit bei uns, also in Deutschland, schon etwas gesunken ist, aber jetzt nicht so dramatisch. Und es ist natürlich klar, dass die Situation nicht so ist, wie man sich die vorstellt, aber wir können auch nichts ändern. Sie müssen immer sehen, als Ökonom sagen Sie immer: Ja, Welche Alternativen haben Sie jetzt? Und die Alternative ist halt die, die wir haben jetzt. Wir sind ja jetzt quasi mehr auf uns selber zunächst mal zurückgeworfen. Und da muss ich sagen, gut, dann müssen wir mit dem zurechtkommen, was wir haben, was natürlich bei Menschen unterschiedlich schwer ist. Manche trifft es härter, andere trifft es weniger hart. Aber im Prinzip ist es so, das, also, wenn ich mal aus meiner Sicht das sehe. Also ich habe, früher war ich ja online also eigentlich nicht unterwegs, also zumindest nicht mit Zoom, usw. und das hat sich alles geändert, seitdem ich seit März eigentlich im Homeoffice bin und bei mir läuft jetzt alles online und auch viele Besprechungen, aber auch persönliche Treffen usw. laufen weitgehend online. Und ich muss sagen, es ist zwar, also, ich kann mir vorstellen, dass es schöner wäre, wenn man sich mal treffen würde zum Kaffee oder so, in Nürnberg irgendwo in einem schönen Cafe, aber das nützt ja nichts, wenn ich jetzt sage, das ist ja schön und es würde wieder kommen, wenn wir uns jetzt einigermaßen am Riemen reißen, würde es ja in absehbarer Zeit wieder kommen. Also ich denke an Impfungen, ich denke hier natürlich auch an das persönliche Verhalten um unnötige Kontakte zu vermeiden usw., dann wird es ja wieder kommen. Aber momentan muss man sich halt mit dem bescheiden, was man hat und ich denke das ist nicht so wenig. Ja und das mit dem Online, das hilft uns ja schon massiv. Stellen Sie mal vor, wir hätten eine Welt ohne diese Digitalisierung. Was wäre dann? Ja, dann wäre es ja wirklich trübe. Also insofern haben wir da schon Möglichkeiten, aber ich gebe Ihnen recht, es ist jetzt nicht das, was man sich unbedingt vorstellt. Und deswegen muss man daran arbeiten, dass wir alles tun, damit sobald als möglich die Situation sich wieder normalisiert. #00:49:39-7#

Katharina Mittenzwei: Ja, jetzt vielleicht noch mal aus einer anderen Perspektive gesehen. Die weltweit hohen Infektionszahlen, beispielsweise auch die große Not in vielen Geflüchtetenunterkünften auf den griechischen Inseln, bürgerkriegsähnliche Zustände in Amerika. Man hat gerade das Gefühl, die Welt steht Kopf. Ich habe jetzt nur einige der traurigen Höhepunkte genannt in der Tagespolitik. Dürfen wir denn überhaupt glücklich sein? #00:50:04-5#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Ja, wir müssen glücklich sein. Der Punkt ist einfach der, was nützt es, wenn Sie quasi Trübsal blasen und Richtung Depression gehen, da können Sie gar nichts ändern. Damit Sie was ändern können und das ist ja gerade, das zeigt auch, Sie müssen es, anders formuliert, Sie sollten halt sagen: Ja, okay, die Situation ist, wie sie ist und jetzt versuche ich halt, das beizutragen, um Änderungen herbeizuführen, was ich halt kann. Und das können Sie nur, wenn Sie jetzt eine gewisse Grundmotivation haben und eine gewisse Grundzufriedenheit im Leben haben. Wenn Sie das nicht haben, dann gehen Sie Richtung Depression, dann machen Sie gar nichts mehr. Und abgesehen davon, auch die Coronazeit wird vorbeigehen. Auch die Coronazeit wird vorbeigehen, da bin ich mir ziemlich sicher, aber nicht bloß ich. Das ist nicht etwas, was ich mir ausgedacht habe. Wenn Sie mal so verfolgen, was da diskutiert wird, das mag zwar sein, dass die nächste Zeit noch hart wird, aber wenn wir uns, wenn wir quasi zusammenstehen und jetzt versuchen, vor dem Hintergrund der Möglichkeiten, die wir halt haben, zu versuchen, eben zu vermeiden, unnötige Sachen zu vermeiden, die quasi diese Ansteckung jetzt dann noch begünstigen, dann wird es, es gibt Licht am Ende des Tunnels und es ist durch diese, durch diese tolle, schnelle Bereitstellung von Impfmaterial ist natürlich das eine ganz tolle Geschichte, also die Perspektive. Also von der Seite, wir wissen und wir wissen, dass Menschen, die, die so zufrieden, glücklicher sind, das wissen wir aus der Medizin, auch gesünder sind und ein längeres Leben haben. So, und insofern soll man natürlich daran arbeiten, also insbesondere an der Gefühlsbilanz. Dann soll man sich auch überlegen, welche Ziele man so im Auge hat, dass die realistisch sind. Und vielleicht noch ganz wichtig, also ganz auf den Punkt gebracht, Ziele, also Ziele, die hier wichtig sind, sind zwischenmenschliche Beziehungen, also quasi Beiträge zur Gesellschaft, zwischenmenschliche Beziehungen und natürlich auch persönlich, dass man sagt, ja, persönliches Wachstum, also ich mache, etwas, wo ich denke dahinter, ist es sinnhaft und ich verwende meine Zeit dafür. Das sind so die Ziele, die wichtig sind in Richtung mehr Zufriedenheit und natürlich die Gefühlsbilanz sollte auch stimmen. Und dann sind wir eigentlich gut gewappnet, mit der Zeit einigermaßen zurecht zu kommen. Unbestritten, es gibt natürlich auch Menschen, bei denen es wirklich, denen es wirklich schwerfällt und dann soll man sich aber auch nicht scheuen, gegebenenfalls auch Rat von anderen zu suchen. Weil alleine kommt teilweise aus so einem Loch nicht unbedingt mehr ohne Weiteres raus. #00:52:34-6#

Katharina Mittenzwei: Ja, darf ich denn fragen, was sie persönlich glücklich macht? #00:52:38-3#

Ansage: Glücksmomente #00:52:41-7#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Also was mich glücklich macht, also ja, ich bin halt, wie halt so Menschen sind. Also es geht um zwischenmenschliche Beziehungen, es geht um Beiträge zur Gesellschaft, es geht um Einfluss, das man selber sich selbst wirksam empfindet. Und natürlich auch, ich schreibe so ein virtuelles Dankbarkeitstagebuch. Was ich, ich schreibe mir es jetzt nicht auf, wobei ich natürlich empfehle, dass man das aufschreibt, wenn man noch nicht so geübt ist, weil dann prägt es sich stärker ein. Aber ich mache das schon seit ewigen Zeiten. Aber mir geht es virtuell und ich erfreue mich immer an solchen Sachen und insofern bin ich eigentlich ganz gut drauf. #00:53:19-2#

Katharina Mittenzwei: Und wenn Sie sagen, es geht dabei auch um persönliche Entwicklung, gibt es etwas, was Sie einmal gerne lernen würden? #00:53:27-8#

Ansage: Gerne lernen. #00:53:32-6#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Ich lerne ständig. Das heißt also, ich habe viel zu viele Bücher, also verglichen mit der Zeit, die ich habe und, also ich beschäftige mich momentan, was mich halt so interessiert, ist das neue Buch von Christopher Clark, "Gefangene der Zeit" oder auch, unlängst auch ein Buch erschienen, ganz interessantes Buch von einem sehr bekannten Historiker in Deutschland. Also quasi wie wir wurden, wie wir sind, so beginnen quasi mit dem neunte Jahrhundert nach Christus usw. Solche Sachen, also Geschichte, Neurobiologie, Psychologie, Soziologie, Medizin, alles. Also mich interessiert alles. Das einzige, was ich halt hab, begrenzte Zeit aber hat ja jeder. #00:54:07-7#

Katharina Mittenzwei: Aber damit können Sie ganz bestimmt gut umgehen. #00:54:12-4#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Ich habe enorm viele Bücher. Sie sehen, ich habe, ich habe enorm viele Bücher. Ich sag Ihnen eins, also momentan bin ich ja, also momentan bin ich ja sehr stark hochschulmäßig eingebunden. Natürlich Entwicklung der Onlineformate, die ja nicht statisch sind, nach dem Motto, wir machen das zwar seit dem Sommersemester, aber es hat sich immer mehr entwickelt, es wird immer besser. Also aus meiner Sicht. Und solche Sachen, Onlineprüfung und solche Geschichten, sind ganz neue Formate, die man da entwickeln muss. Und da bin ich natürlich auch dran, da bin ich natürlich auch zeitlich gefordert, das mache ich auch gern. Aber ansonsten, wie gesagt, bin ich da gut drauf. Bis auf die Tatsache, dass mein Radius ein bisschen eingeschränkt ist und mein Arbeitszimmer ist mein Hauptradius im moment. Wobei ich so mittags, so eine halbe Stunde mit meiner Frau immer spazieren gehe, damit wir ein bisschen frische Luft abbekommen. Aber ansonsten bin ich halt hier so fest im Ort, in der Erde. #00:55:00-5#

Katharina Mittenzwei: Dann wünsche ich Ihnen, Herr Ruckriegel, schon bald einen sehr, sehr viel größeren Radius. Es hat mir unheimlich viel Spaß gemacht, Ihnen zuzuhören, mich mit Ihnen zu unterhalten. Ich fand es wahnsinnig spannend und freue mich auf den 15. April und bedanke mich ganz herzlich für diese, ich sage mal, hoffnungsvollen, positiven Worte, die uns, glaube ich, in ein, ja, positives 2021 geleiten. Vielen Dank. #00:55:27-1#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Mir hat die Diskussion und das Interview mit Ihnen auch sehr gut gefallen. #00:55:32-2#

Katharina Mittenzwei: Dann, Herr Ruckriegel, alles Gute Ihnen. #00:55:35-3#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Danke, ebenfalls. #00:55:35-3#

Katharina Mittenzwei: Tschüss. #00:55:35-3#

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Tschüss. #00:55:35-3#

Dieses Projekt/Diese Maßnahme/Initiative leistet einen wichtigen Beitrag, Nürnberg schrittweise inklusiver zu gestalten. Es/Sie ist Teil des Nürnberger Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Den Ersten Aktionsplan hat der Nürnberger Stadtrat im Dezember 2021 einstimmig beschlossen. Um die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in Nürnberg zu verwirklichen, wurden und werden umfangreiche Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Weitere Informationen finden Sie unter www.inklusion.nuernberg.de.

„Wir MÜSSEN glücklich sein!“ betont Prof. Dr. Ruckriegel. Ein Gespräch über das scheinbar veraltete limbische System und warum ein Tagebuch hilft.

Karlheinz Ruckriegel ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fakultät für Betriebswirtschaft der TH Nürnberg. Als Ökonom mit dem Arbeits- und Forschungsschwerpunkt Makroökonomik geht er besondere Wege: Seit 2005 beschäftigt sich Ruckriegel interdisziplinär mit der Glücksforschung und Psychologischen Ökonomik. Wie forscht er am Glück der Menschheit? Das sozioökonomische Panel als interdisziplinäre Gruppe in Berlin befragt seit den 80er Jahren Menschen nach ihren Lebensumständen und der Zufriedenheit, weshalb die Datenlage sehr gut ist: Intergenerationell und geschlechterdifferenziert. Es ist zu erkennen, dass wir Deutschen beispielsweise in unseren 20er Jahren, der Zeit des Erwachsenwerden, im weltweiten Vergleich ruhig etwas glücklicher sein dürften. Dennoch schneidet Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern des OECD Better Life Index nach vielen Messgrößen der Lebensqualität verhältnismäßig gut ab. Doch welchen Stellenwert hat das subjektive Wohlbefinden in den globalen, politischen Strukturen?

Ruckriegel betont, dass ein Mehr an Materiellem keine Bedürfnisse erfüllen, die das Wohlbefinden stärken. Wir brauchen mehr Zeit für die wahren Glücksfaktoren. An erster Stelle des subjektiven Wohlbefindens stehen für den Menschen als grundlegend faires Wesen die sozialen Beziehungen.

Aber warum müssen wir uns modernen Evolutionstheorien widmen, um die Finanzkrise zu verstehen?

Prof. Dr. Ruckriegel zeichnet uns in diesem Gespräch ein hoffnungsvolles Bild persönlichen Glücks und politischen Aktionismus´ für ein Leben ohne ökonomischen Wachstumsdruck.

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  • Näheres über Prof. Dr. Ruckriegel, die aktuellen Forschungsentwicklungen und dem Dankbarkeitstagebuch erfahren Sie hier.
  • Das Sozioökonomische Panel veröffentlicht hier seine durch Befragungen entstandenen Daten als weltweite Forschungsgrundlage
  • Was sind Voraussetzungen für ein besseres Leben – weltweit? Der OECD Better Life Index fragt und antwortet!
  • Achtung, Buchtipp! Christopher Clark: „Gefangene der Zeit“

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Aufgenommen am: Freitag, 15.01.2021
Veröffentlicht am: Donnerstag, 22. Januar 2021
Moderation: Katharina Mittenzwei
Im Gespräch: Prof. Dr. Ruckriegel

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Alle weiteren Folgen von KontaktAufnahme – der Podcast des Bildungszentrums Nürnberg finden Sie hier. Wir sind mindestens jeden zweiten Donnerstag mit einer neuen Folge online, manchmal öfters.
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